Chancengleichheit? Über den Umgang mit homosexuellen Beschäftigten in Einrichtungen der katholischen Kirche


Bachelorarbeit, 2011

73 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Abbildungen

Abkürzungen

II. EINLEITUNG
1. Einleitung
1.1. Aktualität des Themas
1.2. Problemstellung
1.3. Aufbau der Arbeit

III. GRUNDLAGEN & RECHTLICHES
2. Der Arbeitgeber katholische Kirche
2.1. Die Freie Wohlfahrtpflege als Gesamtheit aller sozialen Hilfen
2.2. Mitgliedszahlen katholische Kirche Deutschland und deren Entwicklung
3. Homosexualität
3.1. Vermutungen zu Ursachen für Homosexualität
3.2. Geschichtlicher Exkurs zur Homosexualität in Deutschland
3.3. Homosexualität heute
4. Die Einstellung der katholischen Kirche zum Thema Homosexualität
4.1. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls
4.2. Homosexualität in der Bibel
5. Staat und Kirche
5.1. Staat und Kirche in der geschichtlichen Entwicklung
5.2. Die Rechtsquellen der Kirche
6. Die Caritas als Arbeitgeber
6.1. Die Caritas in der geschichtlichen Entwicklung
6.2. Die Grundordnung des kirchlichen Dienstes
6.3. Die Arbeitsvertragsrichtlinien

IV. FALLBEISPIELE
7. Beispiele für den Umgang der katholischen Kirche mit Loyalitätsverstößen
7.1. Der Fall Kolpingwerk
Vorgeschichte
Der Arbeitsgerichtsprozess
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main
Zu den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts
7.2. Der Fall Bernd Schüth
Vorgeschichte
Der Verlauf des Rechtstreits
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
7.3. Schlussfolgerungen aus den Fallbeispielen

V. SCHUTZ VOR DISKRIMINIERUNG
8. Schutz vor Diskriminierung
8.1. EU Recht und Richtlinien
8.2. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
8.3. Kompetenzmangel der EU?
9. Zur Diskriminierung Homosexueller am Arbeitsplatz
9.1. Out im Office?!
a. Offenheit bezüglich sexueller Identität
b. Faktoren der Organisation, die die Offenheit beeinflussen
c. Ungleichbehandlung und Diskriminierung

VI. ERFAHRUNGEN
10. Erfahrungsberichte zum Thema Homosexualität und Kirche
10.1. Interviewstudie Erfahrungen schwuler Männer und Kirche
10.2. Erfahrungsbericht eines homosexuellen Mitarbeiters
in einer Einrichtung der katholischen Kirche
Die Methode
Die Erfahrungen

VII. ZUSAMMENFASSUNG & AUSBLICK
11. Zusammenfassung & Fazit
11.1. Zusammenfassung der allgemeinen Resultate
11.2. Resultate in Bezug auf die Forschungsfragen der Arbeit
12. Ausblick

VIII. LITERATUR
Literatur
Bücher & Broschüren
Internetquellen
Gesetze & Gerichtsurteile

IX. ANHANG
Eidesstattliche Erklärung
Brief eines homosexuellen Mitarbeiters in einer katholischen Einrichtung

Abbildungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Hauptamtliche Mitarbeiter(innen) der Freien Wohlfahrtspflege

Abbildung 2: Beschäftigtenzahl der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege

Abbildung 3: Auszug aus der Zentralstatistik der Caritas 2008

Abbildung 4: Einwohner nach Religionszugehörigkeit

Abbildung 5: Rechtsquellen der Kirche

Abbildung 6: Offenheit am Arbeitsplatz bzgl. sexueller Identität

Abbildung 7: Diskriminierungsindex

Abbildung 8: Erfahrungen mit Diskriminierung am Arbeitsplatz 1

Abbildung 9: Erfahrungen mit Diskriminierung am Arbeitsplatz 2

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

II. EINLEITUNG

„Homosexuelle Ausrichtung ist nicht verbunden mit Sünde, Krankheit.

Sie ist eher eine Gabe Gottes, die angenommen und mit Dank gelebt sein soll. Die Menschen wählen nicht ihre sexuelle Ausrichtung. Sie erleben sie als etwas, das ihnen gegeben ist“ (Lesbische und Schwule Basiskirche Basel, o.J., zit.n. McNeill, o.J.) .

John J. McNeill

- Psychotherapeut, Buchautor und Theologe - geb. am 02.September 1925 in Buffalo, New York
- veröffentlicht Bücher zum Themenbereich lesbische und schwule Spiritualität
- begleitet Schwule und Lesben als Therapeut - Mitbegründer von „Dignity“ (Vereinigung von katholischen Lesben und Schwulen, USA)

(vgl. Lesbische und Schwule Basiskirche Basel, o. J.)

1. Einleitung

Die Kirche als Arbeitgeber1 spielt in Deutschland vor allem im sozialen Bereich eine bedeut- same Rolle. Viele soziale Einrichtungen liegen in Händen kirchlicher Trägerschaft. In diesen Einrichtungen ist die christliche Ausrichtung allgegenwärtig. Für Mitarbeiter(innen) gelten in Einrichtungen kirchlicher Trägerschaft besondere Anforderungen und Pflichten.

Diese Pflichten einzuhalten gilt für alle Mitarbeiter(innen) gleichermaßen. Der persönli- chen Individualität des (der) Mitarbeiter(in)s wird dabei beinahe keine Gewichtung beigemes- sen. Insbesondere für Beschäftigte mit Persönlichkeitsmerkmalen, denen die Kirche fraglich gegenübersteht, bedeutet die Erfüllung der Pflichten eine Belastung.

Vielen Menschen ist wohl allgemein bekannt, dass die Kirche homosexuellen Menschen kritisch gegenüber steht. Gespräche mit Bekannten und Freunden während der Vorberei- tungsphase auf diese Arbeit machten aber deutlich, dass eine Unwissenheit über die Pflichten der Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen vorherrscht. Insbesondere der Umgang mit homosexuellen Beschäftigten in Einrichtungen der katholischen Kirche ist vielen Menschen nicht oder nur in geringem Maße bekannt.

1.1. Aktualität des Themas

Das Thema Homosexualität und Kirche wird in der Literatur durchaus diskutiert. Aus der Literaturrecherche ergeben sich Erfahrungsberichte von homosexuellen Menschen zu diesem Thema. In diesen Berichten thematisieren homosexuelle Menschen ihre Gedanken bezüglich ihrer Religion. Sie setzen sich mit Grenzen und Problemen innerhalb ihres Glaubens ausei- nander.

Ebenso bietet die Literatur einen Überblick über die Haltung der katholischen Kirche zum Thema Homosexualität allgemein. Verschiedene Autoren diskutieren die kritische Einstellung der Kirche. Es existieren aktuelle Rechtsprechungen in Bezug auf Arbeitsverhältnisse bei kirchlichen Trägern auf innerdeutscher und europäischer Ebene.

In Bezug auf homosexuelle Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen fehlen jedoch Veröf- fentlichungen. Es ließen sich keinerlei Erfahrungsberichte von homosexuellen Beschäftigten ausfindig machen. Aus der Literatur geht kaum hervor, mit welchen Problemen diese Men- schen konfrontiert werden, welche Aufstiegschancen sich ihnen eröffnen oder eben nicht, wie offen sie mit ihrem Privatleben im Arbeitsalltag umgehen können.

Diese Forschungslücke zu füllen, soll die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten.

1.2. Problemstellung

Die Arbeit soll die Aktualität des Themas Homosexualität und Kirche verdeutlichen. Sie soll einen Überblick bieten über die rechtliche Situation, in der sich homosexuelle Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen befinden. Darüber hinaus soll die Arbeit auch den Konflikt anspre- chen, der sich für homosexuelle Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen aufzeigt. Sie soll Bezug nehmen auf die Empfindung von homosexuellen Menschen.

Aus dieser Zielsetzung ergibt sich folgende Hauptfragestellung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Wie gestaltet aktuelle Rechtslage für homosexuelle Mitarbeiter(innen) in Einrichtungen der katholischen Kirche?

Die Hauptfragestellung wird zur Konkretisierung in folgende Teilaspekte untergliedert:

- Welche dienstlichen Vorgaben gibt es in katholischen Einrichtungen in Deutsch- land? Wie werden diese umgesetzt?
- Welche Erfahrungen machen homosexuelle Arbeitnehmer(innen) in katholischen Einrichtungen tatsächlich?
- Besteht ein Zwiespalt zwischen der homosexuellen Orientierung des (der) Arbeit- nehmer(in)s und den Anforderungen des katholischen Arbeitgebers? Welche Wege finden homosexuelle Menschen mit diesem Zwiespalt umzugehen?

1.3. Aufbau der Arbeit

Das erste Kapitel der Arbeit widmet sich den Grundlagen und dem rechtlichen Bereich zum Thema katholische Kirche und Homosexualität. In diesem Kapitel wird die katholische Kir- che als Arbeitgeber vorgestellt. Dabei wird auf die Größenordnung der Mitgliedszahlen Be- zug genommen. Ebenso wird der kirchenrechtliche Bereich näher erläutert. Das Thema Ho- mosexualität nimmt einen großen Teil des ersten Kapitels ein. Es wird dargestellt, wie die katholische Kirche zum Thema Homosexualität steht. Außerdem findet in diesem Kapitel die Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen Kirche und Staat statt.

Im zweiten Kapitel wird anhand zweier Fallbeispiele dargestellt, wie die katholische Kir- che bei Vorliegen eines Verstoßes gegen die Dienstordnung in kirchlichen Arbeitsverhältnis- sen vorgeht.

Das dritte Kapitel widmet sich den Diskriminierungserfahrungen homosexueller Menschen am Arbeitsplatz allgemein.

Im vierten Kapitel dient ein Brief eines homosexuellen Mitarbeiters einer katholischen Einrichtung exemplarisch als Erfahrungsbericht.

Die Arbeit schließt im fünften Kapitel mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und ei- ner Diskussion ab.

Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der vorliegenden Ar- beit um eine Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche und dem Thema Homosexuali- tät handelt. Vergleiche zur evangelischen Kirche werden in keinem Abschnitt der Arbeit her- angezogen.

Ebenso bleibt unberücksichtigt, dass es in Deutschland trotz allgemein geltendem Recht durchaus Unterschiede in der Durchsetzung der Pflichten und Obliegenheiten gibt. Die heran- gezogenen Erfahrungsberichte und Fallbeispiele können somit nur als Beispiele dienen. Sie können nicht auf den gesamtdeutschen Raum übertragen werden.

III. GRUNDLAGEN & RECHTLICHES

2. Der Arbeitgeber katholische Kirche

In diesem Abschnitt der Arbeit soll dargelegt werden, welchen Stellenwert die katholische Kirche als Arbeitsgeber im Gesundheits- und Sozialbereich einnimmt. Die Größenordnung aufzuzeigen ist wichtig, um zu verstehen, welche Rolle die katholische Kirche auf dem Ar- beitsmarkt spielt. Außerdem wird Bezug genommen auf die Mitgliedszahlen der katholischen Kirche.

2.1. Die Freie Wohlfahrtpflege als Gesamtheit aller sozialen Hilfen

„Unter freier Wohlfahrtspflege (FW) versteht man die Gesamtheit aller sozialen Hilfen, die auf freigemeinnütziger Grundlage und in organisierter Form geleistet werden“ (Glaubitz, 2011).

Sechs Spitzenverbände sind in der Freien Wohlfahrtspflege organisiert:

- Arbeiterwohlfahrt (AWO)
- Deutscher Caritasverband
- Paritätischer Wohlfahrtsverband - Deutsches Rotes Kreuz (DRK) - Diakonisches Werk (DW)
- Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).

Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände zählen zu den größten Arbeitgebern und bedeutenden Wirtschaftsunternehmen in Deutschland. Bundesweit sind 1,54 Millionen Arbeitneh- mer(innen) in der Freien Wohlfahrtspflege beschäftigt. Sie steht damit auf der Liste der größ- ten Arbeitgeber deutlich vor den großen Industrieunternehmen Siemens und VW. Diese be- schäftigen zum Vergleich 400.000 bzw. 370.000 Mitarbeiter(innen) weltweit. (vgl. Glaubitz, 2011) Die Beschäftigtenzahl in der Freien Wohlfahrtspflege hat sich seit 1970 vervierfacht. Wie der Abbildung 1 zu entnehmen ist, waren 1970 ca. 400.000 Mitarbeiter(innen) in Einrich- tungen der Freien Wohlfahrtspflege beschäftigt. Im Jahr 2000 lag die Beschäftigtenzahl be- reits bei 1,16 Millionen Menschen und 2008, wie bereits erwähnt bei 1,54 Millionen Arbeit- nehmer(innen).

Abbildung 1: Hauptamtliche Mitarbeiter(innen) der Freien Wohlfahrtspflege

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Falter 2010, S. 1

Die Caritas, als Vertreter der katholischen Kirche, nimmt die größte Arbeitgeberrolle unter den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege ein. Ende 2008 waren insgesamt 507.500 Menschen hauptamtlich bei der Caritas beschäftigt.

Abbildung 2: Beschäftigtenzahl der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Falter 2010, S. 5

Abbildung 3 unterstreicht die Angaben zu den Beschäftigtenzahlen aus Abbildung 2. Sie stellt darüber hinaus dar, in welchen Fachbereichen des Sozialwesens die Caritas tätig ist. Der größte Fachbereich ist der Kinder- und Jugendhilfebereich. Gesundheitshilfe, Familienhilfe, Altenhilfe und Behindertenhilfe liegen ungefähr im gleichen Größenbereich. Insgesamt unter- hält die Caritas in Deutschland ca. 24.500 soziale Einrichtungen. Auffällig ist der Anteil der beschäftigten Frauen. Er liegt bei mehr als 80%, im Kinder- und Jugendhilfebereich sogar bei mehr als 90%. Dies mag zum einen in der traditionellen Entwicklung des kirchlichen Pflege- und Betreuungsdienstes liegen. Pflege- und Betreuungstätigkeit wurden vor allem von Non- nen übernommen. (vgl. Oklitz, o. J.)

Zum anderen wurde der Pflegeberuf vor allem geprägt durch die Kriegszeit. In Lazaretten waren es fast ausschließlich Frauen, die die Pflegetätigkeit unter Weisung des Arztes ausführ- ten. (vgl. Stuve, Krabel, Kasiske, & Schädler, 2005, S. 18)

Diese Prägung setzt sich bis in die Gegenwart fort. Auch in der heutigen Gesellschaft wird Rolle der Pflegekraft vor allem den Frauen zugeschrieben. Die Bezeichnung Krankenschwes- ter wird eher verwendet als der Begriff Krankenpfleger(in). Ein Wechsel vollzieht sich hier nur zögerlich.

Abbildung 3: Auszug aus der Zentralstatistik der Caritas 2008

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Deutscher Caritasverband e.V. 2008, S. 8

2.2. Mitgliedszahlen katholische Kirche Deutschland und deren Entwicklung

Den gesellschaftlichen Einfluss der katholischen Kirche deutlich zu machen, dient es, hier auf die allgemeinen Mitgliederzahlen der katholischen Kirche hinzuweisen. In Deutschland lebten 2009 ca. 25 Millionen Katholiken. An der Gesamtbevölkerung Deutschlands von ca. 82 Mil- lionen Einwohnern gemessen, macht diese Zahl 30,5% aus. Die meisten Katholiken leben in Bayern. Ihr Anteil nimmt dort, vor allem im Bereich der Städte Regensburg und Passau bis zu 90% ein. Die geringste Anzahl Katholiken leben in den neuen Bundesländern. Teile Branden- burgs, Sachsens und Sachsen-Anhalts haben nur 3 - 4% katholische Einwohner. Kaum höher ist der Anteil der Katholiken im Norden Brandenburgs, in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. In den übrigen Bundesländern Deutschlands liegt der Anteil der Ka- tholiken zur Bevölkerung bei ca. 20 - 60%. (vgl. Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz, 2009, S. 1)

Es wird also deutlich, dass große regionale Unterschiede in den Mitgliedszahlen vorherr- schen.

Die Mitgliedszahlen der katholischen, sowie die der evangelischen Kirche sind von einer rückläufigen Tendenz gekennzeichnet. In Abbildung 4 ist der prozentuale Anteil der Religi- onszugehörigkeiten an der Gesamtbevölkerung ersichtlich. Der Anteil der Katholiken hat von 1990 bis 2008 um ca. 5% abgenommen.

Dieser Mitgliederrückgang wird besonders stark durch Sterbefälle beeinflusst. Der demo- grafische Wandel, das heißt, dass wenigen jungen Menschen immer mehr ältere Menschen gegenüber stehen, ist auch in der Kirche spürbar. Die Anzahl der Taufen und Aufnahmen ist geringer als die Zahl der Sterbefälle. (vgl. Eicken & Schmitz-Veltin, 2010, S. 584)

Des Weiteren wird der Mitgliederrückgang beeinflusst durch Kirchenaustritte. „Neben weltlichen Gründen (beispielsweise durch die Einführung/Erhöhung der Mehrwertsteuer 1968) ist diese Entwicklung vor allem auf tief greifende Werte- und Einstellungsänderungen insbesondere der jungen Generation seit den späten 1960er-Jahren zurückzuführen“ (Eicken & Schmitz-Veltin, 2010, S. 584).

Abbildung 4: Einwohner nach Religionszugehörigkeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Abbildung in Anlehung an Eicken & Schmitz-Veltin 2010, S. 578

3. Homosexualität

Nachdem beschrieben wurde, welche Bedeutung die katholische Kirche als Arbeitgeber in Deutschland spielt, folgt im nächsten Abschnitt die Auseinandersetzung mit dem Begriff Ho- mosexualität.

Es soll aufgezeigt werden, wie sich dieser Begriff definiert. Die Diskussion über Ursachen der Homosexualität, die vor allem im Hinblick auf die christliche Religion geführt wird, möchte darauffolgend thematisiert werden. Außerdem ist es sinnvoll, die geschichtliche Ent- wicklung hin zur Gegenwart zu beschreiben.

3.1. Vermutungen zu Ursachen für Homosexualität

In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde Selbstbefriedigung als Ursache schwerer Erkrankun- gen vermutet. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ärzte der Meinung, dass sexuelle Praktiken allein der Fortpflanzung dienen und ansonsten unterdrückt werden müssten.

Patienten, die diese Vorgaben nicht einhalten konnten, suchten die Praxen von Psychiatern auf und klagten ihr Leid. Die Psychiater diagnostizierten dieses, nicht der Fortpflanzung die- nende Verhalten als pervers. Sie erfanden „für jede dieser >>Perversionen<< einen beson- deren Begriff […]: Sadismus und Masochismus, Fetischismus, Transvestitismus, Voyeuris- mus, Pädophilie und eben auch Bisexualität und Homosexualität (die Frauen wurden als >>Lesben<<, die Männer als >>Homosexuelle<< bezeichnet)“ (Wiedemann, 2005, S. 38). Wiedemann bezieht sich in seinem Buch auf die Ergebnisse einer Untersuchung des Kin- sey-Instituts2 in den USA. Dieses hat vor einigen Jahren alle Erklärungsversuche zur Entste- hung der Homosexualität untersucht. Alle Erklärungen bis dahin erwiesen sich als falsch. Homosexualität ist kein Resultat aus Erziehungsfehlern der Eltern.

Die Forscher des Kinsey-Instituts vergleichen die Entstehung der Homosexualität mit der der Links- und Rechtshändigkeit. Der Mensch trägt die Veranlagung in sich. (vgl. Wiedemann, 2005, S. 41 f.)

In einem Artikel der „Welt am Sonntag“ bezieht sich Pia Heinemann auf Erkenntnisse aus Untersuchungen verschiedener Wissenschaftler. Diesen Ergebnissen lagen immer Zwillings- studien 3 zu Grunde. Angenommen wurde, dass Homosexualität genetische Ursachen hat. Dean Hammer verkündete Anfang der 90er Jahre, das Chromosom entschlüsselt zu haben, das für Homosexualität verantwortlich sei. Dies widerlegten die Neurologen George Rice und George Ebers. Sie konnten keinen Zusammenhang zwischen dem benannten Chromosom und männlicher Homosexualität finden. Forscher des Stockholmer Karolinska-Instituts und der Queen-Mary-Universität in London führten die weltweit größte Zwillingsstudie durch. Sie konnten nun zeigen, dass neben den genetischen Faktoren, das familiäre und gesellschaftliche Umfeld eine Rolle spielt, vor allem aber die individuellen Erfahrungen. Homosexualität sei höchst individuell und mehr als eine genetische Veranlagung. Die Forscher lösen sich heutzu- tage, immer mehr von dem Wunsch der 90er Jahre, alles mit Hilfe der Genetik erklären zu wollen. (vgl. Heinemann, 2008)

3.2. Geschichtlicher Exkurs zur Homosexualität in Deutschland

Das Leben homosexueller Menschen in Deutschland war früher von Ängsten und Sanktionen geprägt. Die Strafbarkeit der männlichen Homosexualität wurde im Jahr 1871 eingeführt und im Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches verankert. Die Norm zur Strafbarkeit wurde je- doch stets restriktiv ausgelegt, so dass die Zahl der pro Jahr Verurteilten 600 kaum überstieg. (Kreutzmann, o. J.)

Dies änderte sich als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen. Die systematische Ver- folgung homosexueller Männer begann 1934. Die homosexuelle Subkultur sollte zerschlagen werden. Die Nationalsozialisten störten sich vor allem an homosexuellen Männern, da diese so wenig dem Bild von einem deutschen soldatischen Mann entsprachen. Homosexuelle wur- den als „Volksschädlinge“ angesehen, da sie nicht zur gewünschten Geburtensteigerung bei- trugen. Homosexuelle wurden verfolgt, bedroht und herabgewürdigt. Der Paragraph 175 wur- de 1935 verschärft. Eine Berührung genügte nun für eine Verurteilung.

„Die Zahl der Verurteilungen nahm seit 1935 sprunghaft zu. Insgesamt kam es während des NS-Regimes zu etwa 50.000 Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen. Die

Zahl der Ermittlungsverfahren wird auf 100.000 geschätzt. […] Eine systematische Ver- folgung lesbischer Frauen gab es nicht. Dennoch wurde auch ihre Subkultur durch die Na- tionalsozialisten zerstört und ihre Lebensform herabgewürdigt“ (Rahe, 2010).

[...]


1 Die Begriffe „Arbeitgeber“ und „Dienstgeber“ beziehen sich in der gesamten Arbeit sowohl auf männliche als auch auf weibliche Personen.

2The Kinsey Institute at Indiana University works towards advancing sexual health and knowledge world- wide. For over 60 years, the institute has been a trusted source for investigating and informing the world about critical issues in sex, gender and reproduction. The Institute was founded in 1947 […] by pioneering sex re- searcher Dr. Alfred C. Kinsey” (The Kinsey Institute for Research in Sex, Gender, and Reproduction, Inc., 1996-2011).

3 Zwillingsmethode: „Arbeitsmethode zur Klärung der Frage, ob u. in welchem Grad ein Merkmal durch die Erbanlagen festgelegt bzw. durch Umweltfaktoren modifiziert ist; beruht auf dem Vergleich der Ähnlichkeit […] des Merkmals bei (erbgleichen) eineiigen Zwillingen, gegenüber (z.T. erbverschiedenen) zweieiigen Zwillingen“ (Pschyrembel , 1990, S. 1856).

Ende der Leseprobe aus 73 Seiten

Details

Titel
Chancengleichheit? Über den Umgang mit homosexuellen Beschäftigten in Einrichtungen der katholischen Kirche
Hochschule
Alice-Salomon Hochschule Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
73
Katalognummer
V179041
ISBN (eBook)
9783656013761
ISBN (Buch)
9783656013822
Dateigröße
1043 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
chancengleichheit, über, umgang, beschäftigten, einrichtungen, kirche
Arbeit zitieren
Jana Nitezki (Autor:in), 2011, Chancengleichheit? Über den Umgang mit homosexuellen Beschäftigten in Einrichtungen der katholischen Kirche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179041

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