Möglichkeiten einer Tourismusabgabe im Land Berlin

Steuerrechtliche und wirtschaftliche Betrachtung


Studienarbeit, 2011

42 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Berliner Debatte
1.2. Berliner Attraktivität

2. Rechtliche Ausgestaltung der Tourismusabgabe
2.1. Abgaben
2.1.1. Sonderabgaben
2.1.2. Beitrag
2.1.3. Aufwandsteuer
2.2. Kurtaxe
2.3. Beispiele Bingen am Rhein und Weimar

3. Auswirkungen auf den Haushalt
3.1. Einnahmen
3.2. Sinkende Nachfrage
3.2.1. Preiselastizität des Tourismus in Berlin
3.2.2. Einnahmeverluste
3.3. Verwaltungskosten

4. Zusammenfassung

5. Literatur

Anhang

Abb. 1: Umsätze im Berlin Tourismus 2008

Abb. 2: Übernachtungen in den Berliner Bezirken 2009 gegenüber 2003 in Tsd

Abb. 3: Preisvergleich der internationalen Hotellerie

„Wer auf Reisen geht, lasse nicht sein Silber sehen.“

Chinesisches Sprichwort1

1. Einleitung

Der Staat benötigt finanzielle Mittel, um Aufgaben für das Allgemeinwesen durchzuführen. Klassischerweise fallen hierunter die Sicherheitsaufgaben sowie die Gewährleistung des Gewaltmonopols. In vielen Gesellschaften hat sich schon seit mehreren Jahrzehnten die Entwicklung abgezeichnet, dass soziale Aufgaben in den Fokus des öffentlichen Interesses getreten sind. Heute finanzieren der Bund, die Länder und weitere Gebietskörperschaften zahlreiche Kultureinrichtungen, ferner hat sich Deutschland zu einem Sozial- und Wohlfahrtsstaat entwickelt, mit stark erweiterten und ausdifferenzierten Aufgaben (vgl. Hradil 2005: 80). Aus Gründen der Transparenz, der Legitimation und der Gerechtigkeit wurden dem Staat zusätzlich umfassende Vorschriften für die Abgabenerhebung auferlegt. Diese frei auszuschöpfen und neue Einnahmequellen zu erschließen, ist gleichermaßen Ausdruck der Subsidiarität und der Gestaltungshoheit (vgl. Becker 2010). Eine solche Einnahmequelle könnte eine Tourismusabgabe sein.

Diese Arbeit erörtert die Chancen und Risiken der Einführung einer Tourismusabgabe für den Berliner Landeshaushalt. Um das chinesische Sprichwort aufzugreifen, dreht sich die Frage darum, wie viel Silber kann dem Reisenden2 und auf welche Art und Weise abgenommen werden3. Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel. Im ersten Kapitel wird die Ausgangssituation von Berlin wiedergegeben und an Hand von Statistiken der Untersuchungsgegenstand Tourismus dargestellt. Abgerundet wird dieses Kapitel mit einem Plädoyer für die Attraktivität der Stadt Berlin aus Sicht von Touristen und Geschäftsleuten. In dem sich anschließenden Kapitel werden rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten erörtert, wie eine Tourismusabgabe erhoben werden könnte. Hier findet eine Betrachtung der Verwendungsmöglichkeiten der Tourismusabgabe statt. Es wird eine erste Einschätzung der Sinnhaftigkeit der jeweiligen Abgabeform vorgenommen. Zur Illustration und Untermauerung der Argumentation wählte der Autor geeignete Stadtbeispiele aus, die bereits eine Tourismusabgabe realisiert haben und bespricht deren Vorgehensweise. Das dritte Kapitel widmet sich ganz den Folgen für den Haushalt. Die Einnahmehöhe wird beziffert, die Verwendungsmöglichkeiten diskutiert und die Auswirkungen einer Abgabe auf die Nachfrage erörtert. Im Schlusskapitel findet eine Zusammenfassung der Ergebnisse statt und der Autor stellt die Gründe zusammen, warum und unter welchen Bedingungen eine Tourismusabgabe im Land Berlin in Form einer Aufwandsteuer eine sinnvolle und verlässliche Einnahmequelle sein kann.

Um der Erörterung der Chancen und Risiken gerecht zu werden, nimmt der Autor in den Kapiteln stets Stellung, nachdem Argumente des Dafür- und des Dagegenhaltens besprochen worden sind. Neben der Literaturrecherche bediente sich der Autor der Aktualität wegen Urteilsverkündungen, die noch keine Rechtssicherheit besitzen. Vereinzelt wurden Informationsbroschüren verwendet, die Kennzahlen des Berliner Tourismus wiedergeben. Die Darstellung der Diskussion einer Tourismusabgabe im Land Berlin erfolgt mit Zeitungsartikeln und Dokumenten des Abgeordnetenhauses.

1.1. Berliner Ausgangssituation

Berlin wurde im Jahr 2010 laut Erhebungen der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen von mehr als neun Millionen Gästen besucht (vgl. www.berlin.de/sen/wirtschaft 08.06.2011). Laut den Zahlen der Senatsverwaltung4 blieben die Gäste 2,3 Tage. Somit verzeichneten die Berliner Beherbergungsbetriebe5 mit ihren mehr als 110.000 Betten über 20 Millionen Übernachtungen. Trotz der Wirtschaftskrise im Jahr 2009 ergab sich so ein Zuwachs der Übernachtungen von 10 Prozent. Im Jahr 2008 wurden Umsätze tourismusbedingt im Einzelhandel, dem Gastgewerbe und dem Dienstleistungssektor insgesamt in Höhe von 8,99 Milliarden Euro erzielt. Laut der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen können bis zu 223.000 Personen äquivalent ihren Lebensunterhalt somit im Tourismus erwerben. Die touristische Nachfrage erweist sich zudem als stabil, ist sie doch seit 1994 kontinuierlich (mit zwei Ausnahmen in den Folgejahren 2000 und 2001) gestiegen. Mittlerweile belegt Berlin den Platz drei hinter Paris und London im europäischen Vergleich der Besucherzahlen. Berlin-Touristen geben im Durschnitt aufgeschlüsselt nach Beherbergungsart und pro Tag 51 Euro aus. Für Übernachtungsgäste in Hotels ist die ausgegebene Geldmenge deutlich höher: 196,70 Euro (vgl. Abbildung 1 im Anhang).

Die hohe Schuldenlast Berlins ist verantwortlich dafür, dass die Diskussion um eine Tourismusabgabe virulent ist. Die Schulden von mehr als 60 Milliarden Euro spiegeln sich im Ausgabeverhalten des Landes wider. Rund zwölf Prozent der Ausgaben entsprechen Zinszahlungen (vgl. www.berlin.de/imperia 23.06.2011). Umso verständlicher ist es, warum in Berlin nach einem gescheiterten Versuch im Jahre 19946 erneut versucht wird, mittels einer Tourismusabgabe mehr Einnahmen für den Haushalt zu erzielen. Die Tageszeitung Berliner Morgenpost beschreibt einen solchen Vorstoß am 24. April 2010 wie folgt: „Touristen sollen die klammen Berliner Kassen auffüllen“ (vgl. www.morgenpost.de 16.06.2011). Die Reaktionen der Wirtschaft fallen eindeutig aus. In der Berliner Zeitung äußert sich der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, Jan Eder, am 11. Oktober 2010 skeptisch. Mit der Einführung der Luftverkehrsabgabe seien die Tourismusbetriebe gerade erst belastet worden. Eine neue Belastung schade dem Tourismus und sei somit schlecht für den Wirtschaftsstandort Berlin (vgl. www.bz- berlin.de 19.06.2011).

Während laut Berliner Zeitung der Finanzsenator eine Art Tourismusabgabe vorbereitet, lehnen die Oppositionsparteien CDU und FDP das Konzept ab. Sie äußern große Bedenken, was die Wirtschaftlichkeit einer solchen Abgabe betrifft. Der Verwaltungsaufwand stehe in keinem Verhältnis zu den vermuteten Einnahmen, zudem werden verschiedene rechtliche Bedenken genannt.

1.2. Berliner Attraktivität

Berlin hat viel zu bieten. Für alle Altersgruppen gibt es interessante Angebote. Das Brandenburger Tor gilt neben dem Reichstagsgebäude als nationales Wahrzeichen und spricht nicht nur deutsche Urlauber an. Besonders Familien interessieren sich für einen Besuch in einem der beiden Zoos und gerade junge Erwachsene schätzen das Berliner Nachtleben. Zudem eignet sich Berlin als Start oder Endpunkt für Ausflüge ins Umland, beispielsweise in den nahe gelegenen Spreewald.

Berlin ist bei mobilitäts- und aktivitätseingeschränkten Personen für Kurzurlaube (Platz 5 im bundesweiten Landesvergleich7 ; vgl. Längle 2010) beliebt. Längle (2010: 87) fasst ihre Studienergebnisse wie folgt zusammen: „Die Analyse des barrierefreien Angebotes in Berlin zeigt, dass Barrierefreiheit zunehmend in allen Bereichen der touristischen Servicekette umgesetzt wird. […] Daher wird oftmals von einer ‚barrierearmen‘ Stadt gesprochen“.

Hinzu kommen über 4600 Restaurants wobei drei sogar Michelin-Sterne tragen dürfen. Ferner hat Berlin 175 Museen, über 300 Kinosäle, mehr als 900 Kneipen und zahlreiche Diskotheken und Bars (vgl. www.visitberlin.de 16.06.2011). Die Berliner Philharmonie oder die Museumsinsel sind bundesweit bekannt und die drei Opernhäuser sowie die zahlreichen Theaterbühnen bieten kulturellen Hochgenuss. Hinzu kommt die Bedeutung Berlins als geschichtsträchtiger Ort. Hier stehen nationale Denkmäler und finden sich zahlreiche Erinnerungsstätten für welthistorische Ereignisse (Holocaust-Mahnmal, Reste der Berliner Mauer, etc.) Bereits im Jahr 2000 erkannte die Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) die Relevanz von „Jewish Travellern“. Denn Berlin ist wieder ein Zentrum jüdischer Kultur in Deutschland (vgl. Nerger 2010: 54).

Zudem kann Berlin bereits seit Jahren mit verschiedenen Großveranstaltungen aufwarten. Diese haben positive Auswirkung auf die touristische Nachfrage. So sorgen solche Veranstaltungen für eine breite Resonanz gerade in den Massenmedien. Schlinke (1995) befragte willkürlich8 über 300 Besucher des verhüllten Reichstages. Für immerhin knapp die Hälfte der Übernachtungsgäste war die Verhüllung Hauptanlass der Berlinreise und für mehr als 80 Prozent der Tagesausflügler (Schlinke 1995: 62).

Die jährlich stattfindende Berlinale, die Christopher-Street-Parade, die Ende September veranstaltete Pyronale, das Silvester Fest am Brandenburger Tor oder die bundesweit bekannten Fanmeilen bei Fußballwelt- oder Europameisterschaften locken viele Touristen in die Stadt.

Eine genaue Ermittlung der Kosten und Nutzen einer Großveranstaltung erscheint schwierig, da mit solchen Veranstaltungen Belastungen für den Haushalt einhergehen. Beispielsweise fallen durch den verstärkten Besucherandrang die Straßenreinigungskosten höher aus. Schlinke (1995: 34) weist darauf hin, dass mittels Großveranstaltungen langfristig positive Effekte verbunden sind. Gerade die örtlichen Gewerbetreibenden erfahren wirtschaftliche Impulse. Zudem wirkt die Berichterstattung nach und lockt zu späteren Zeitpunkten durch den Imagegewinn vermehrt Besucher in den Veranstaltungsort.

Berlin hat sich im internationalen Messegeschäft etabliert (vgl. SenWTF (Hrsg.) 2011). Gerade die gute infrastrukturelle Aufstellung Berlins im öffentlichen Nahverkehr, der modernste Kreuzbahnhof Europas und der neu entstehende Flughafen sowie das umfangreiche Kulturangebot und die zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten sind weiterhin Garant dafür, dass Berlin als Messestadt stark frequentiert wird. Schon heute zählt die Messe Berlin zu den zehn umsatzstärksten Messegesellschaften weltweit (vgl. http://www1.messe-berlin.de 24.06.2011). Zusammenfassend ist Berlin nicht nur bei Freizeittouristen beliebt, sondern entfaltet ergänzend einen besonderen Charme für Geschäftsaufenthalte.

2. Rechtliche Ausgestaltung der Tourismusabgabe

Berlin ist laut Verfassung eine Einheitsgemeinde (vgl. Artikel 1 VvB). Somit ist die Trennung von Landes- und Kommunalaufgaben nicht möglich. Denn Berlin ist zugleich Land (vgl. Hoffmann 2003: 66ff.). Berlin kennt kein eigenes Kommunalabgabengesetz, wie beispielsweise Baden-Württemberg oder Bayern. Da Berlin Gemeinde und Land ist, besitzt das Abgeordnetenhaus die Kompetenz neue Abgabe9 zu finden, sofern diese nicht artgleich mit Bundesabgaben sind. Steuern und Abgaben können nur erhoben werden, wenn es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt (vgl. Art. 87 I VvB). In der Tat wurden in Berlin eigene Gesetze erlassen, um beispielsweise eine Hundesteuer oder eine Zweitwohnsitzsteuer zu erheben (vgl. BlnHuStG und BlnZwStG). Prinzipiell ist dies für eine Tourismusabgabe möglich, dabei ist die Abgabenart zunächst noch nicht relevant. Bereits 1994 wurde das Berliner Gesetz über die Erhebung einer Abgabe der Beherbergungsbetriebe zur Förderung des Tourismus (BerlTourismusFördG) erlassen. Das Gesetz wurde wieder aufgehoben, da es nicht rechtmäßig gewesen war. Einer der Hauptgründe war die Frage der Beitragsgerechtigkeit sowie die Unbestimmtheit, in wie fern es sich bei der Abgabe um einen Beitrag oder eine Sonderabgabe handelte. Eine materielle Einordnung konnte dahinstehen, da die Beitragsungerechtigkeit so schwerwiegend vorlag (vgl. Ehricke 1995).

Im Folgenden wird der Oberbegriff der Abgabe genauer beschrieben. Deutlich gemacht wird, wo rechtliche Hürden für eine Tourismusabgabe liegen und welche Folgen sich aus dem materiellen Charakter der Abgabe ergeben. An geeigneter Stelle wird Stellung zum BerlTourismusFördG genommen.

2.1. Abgaben

Die Bundesrepublik kennt öffentlich-rechtliche Lasten. Scheffler (vgl. 2007: 3ff.) untergliedert diese in Geldabgaben und Sach- bzw. Dienstpflichten. Von Interesse für eine Tourismusabgabe sind der Natur nach nur die Geldabgaben. In der Gruppe der Geldabgaben befinden sich Steuern und sonstige Abgaben. Wobei innerhalb der sonstigen Abgaben weiter differenziert wird nach Beiträgen (Straßenerschließungsbeitrag), Gebühren (Nutzungs- oder Verwaltungsgebühren) sowie Sonderabgaben und andere mehr (Zinsen, Geldbußen etc.). Eine Tourismusabgabe kann in Form eines Beitrages oder einer Sonderabgabe erhoben werden (vgl. Ehricke 1995: 926ff.). Während die Verantwortlichen in Bingen am Rhein, Trier, Weimar oder Köln beispielsweise eine Aufwandsteuer eingeführt haben. Die bloße Bezeichnung der Abgabe als Steuer oder Abgabe reicht nicht aus, um zu bestimmen welche rechtliche Qualität die Abgabe tatsächlich besitzt. Diese ergibt sich alleine aus den tatsächlichen Steuergegenständen, der Bemessungsgrundlage und anderen Kriterien.

Im Folgenden werden die Sonderabgaben und Beiträge beschrieben, wobei auf das BerlTourismusFördG eingegangen wird. Im Anschluss wird die Aufwandsteuer thematisiert, die an Hand der Beispiele Bingen am Rhein und Weimar näher besprochen wird. Für Berlin erscheint ebenso eine Aufwandsteuer sinnvoll, da diese besonders positive Wirkungen auf den Landeshaushalt entfalten kann.

2.1.1. Sonderabgaben

Staudacher bemüht sich um eine begriffliche Klarstellung (vgl. Staudacher 2004: 1ff.) von Sonderabgaben. Er weist zudem darauf hin, dass eine klare Definition nicht möglich ist. Er destilliert aus einigen Urteile des Bundesverfassungsgerichtes und einschlägigen Aufsätzen in der Literatur brauchbare Kriterien. Für die Einschätzung der Einführungschancen einer Tourismusabgabe als Sonderabgabe erscheinen die Kriterien der Gruppenhomogenität, der Gruppenverantwortung und der gruppennützigen Verwendung sinnvoll (vgl. Staudacher 2004:44). Demnach sind Sonderabgaben solche, die sich an einen bestimmten (homogenen) Personenkreis wenden, gleichzeitig müssen diese Personen in einem klaren Sachzusammenhang zu dem durch die Einnahmen verfolgten Zweck stehen.

Ein solcher Zweck kann beispielsweise die Reinigung von Gewässern sein. Im Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (AbwAG) ist klar geregelt, für welchen Personenkreis die Abwasserabgabe gilt (vgl. §1 AbwAG). Zudem ist vorgeschrieben, dass die Einnahmen nur für die Zwecke in §13 II Nr. 1 bis 7 AbwAG zur Verfügung stehen. So können beispielsweise mit den Einnahmen Abwasserbehandlungsanlagen gebaut werden (vgl. Nr. 1) oder die Forschung zur Verbesserung der Wassergüte unterstützt werden (vgl. Nr. 6). Es liegt auf der Hand, dass dem Personenkreis, der Abwasser in Gewässer einleitet, eine besondere Verantwortung obliegt, für die Folgen des ureigenen Handelns die Kosten zu tragen (hier: Abwasserbeseitigung).

2.1.1.1. Vergleichsgruppe Touristen und Nicht-Touristen

Für die Berlin-Touristen ist eine solche Argumentation nur schwer nachvollziehbar. Folgende Argumentation wäre denkbar: Die homogene Gruppe der Touristen besucht Museen, Kunstgalerien und andere staatliche Einrichtungen, die Kosten verursachen. Mit Hilfe der Tourismusabgabe werden die Kosten für den Betrieb dieser Einrichtungen ausgeglichen. Doch werden diese Einrichtungen von Einheimischen und anderen Personenkreisen als Touristen nachgefragt. Es ist kaum zu begründen, warum nur die Touristen für diese Einrichtungen die Kosten tragen sollten. Zudem hat die Kategorisierung der Tourismusabgabe als Sonderabgabe den Nachteil, dass die Einnahmen lediglich für touristische Zwecke eingesetzt werden können. Wobei hier zu beachten ist, dass zweckgebundene Einnahmen den Berliner Landeshaushalt entlasten könnten. Ferner ist fraglich, ob die Abgabepflichtigen - hier die Übernachtungsgäste - überhaupt eine homogene Gruppe von Touristen darstellen, denn von solch einem Beitrag würden auch Geschäftsreisende oder Messebesucher betroffen sein.

2.1.1.2. Vergleichsgruppe Hotels und Ladenbesitzer

Wird von dem Vergleich zwischen der Personengruppe Touristen und NichtTouristen (also Einheimische) abgesehen, stellt sich die Frage: Warum sollen Beherbergungsbetriebe allein die Abgabe einziehen? Denn wahrlich sind sie nicht allein der Verursacher dafür, dass die Touristen Berlin besuchen, sondern das gesamte touristische Angebot, alle Seen, Opern, Sehenswürdigkeiten, Bars und Restaurants sowie viele andere mehr. Dementsprechend müssten sie an der Einziehung der Abgabe beteiligt werden.

Zunächst ist festzuhalten, dass in dieser Vergleichsgruppe sich unter dem Begriff Hotels alle Beherbergungsbetriebe sammeln lassen und unter der Bezeichnung Ladenbesitzer alldiejenigen, die ein Gewerbe betreiben und Touristen zu ihrem Kundenstamm zählen. Dabei ist es unerheblich wie intensiv sie Touristen als Kunden nutzen.

2.1.1.2.1. Gruppenhomogenität

Eine Sonderabgabe kann nur für solch eine Gruppe erhoben werden, die homogen ist. Die der Gruppe Zugehörigen müssen wesentliche Interessen teilen oder gemeinsame Anliegen verfolgen. In der Tat argumentiert der Senat des Oberverwaltungsgerichtes Berlin 1994, dass es fraglich sei, „ob die Betriebe des Beherbergungsgewerbes […] eine homogene Gruppe bilden oder ob sie nicht vielmehr nur ein Teil der vom Tourismus insgesamt profitierenden (homogenen) Gruppe der Gewerbetreibenden sind, von der sie (lediglich) hinsichtlich der Intensität der Teilhabe abgrenzbar sind“ (vgl. Ehricke 1995: 927).

Somit kann schon eine Gruppenhomogenität für die Abgabepflichtigen bezweifelt werden. Ein Gesetzentwurf der Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ versuchte laut Plenarprotokoll 16/32 die Gruppenhomogenität herzustellen, indem eine Abgabe entworfen wurde, die für alldiejenigen Gewerbetreibenden gelten sollte, die vom Tourismus generell profitieren. Schruoffeneger (2008: 2905) führte dazu aus:

„Wenn man so etwas macht, müssen alle Unternehmen, die vom Tourismus profitieren, beteiligt werden, also auch der Schuster, der einmal den Schuh eines Touristen repariert. Ich glaube, wir haben das mit diesem Gesetzentwurf mit einer Einführung von Bagatellgrenzen und einer Erhebung der Abgabe im Wesentlichen bei Großbetrieben der Gastronomie und dem Übernachtungsgewerbe gelöst“. Ob solche Bagatellgrenzen zulässig sind, wird an dieser Stelle nicht diskutiert, vielmehr scheint dieser Versuch, dem Kriterium der Gruppenhomogenität gerecht zu werden, weiterhin zu verkennen, dass es einer Gruppenverantwortung bedarf. Insofern kann dahinstehen, ob mittels Bagatellgrenzen und der Erweiterung um Großbetriebe der Gastronomie eine zulässige homogene Gruppe gefunden worden ist, die für eine Tourismusabgabe herangezogen werden dürfte. Unbeachtlich dessen, erscheint bei solch einer Gruppe der Abgabenpflichtigen der Verwaltungsaufwand den erhofften Einnahmenzugewinn aufzuzehren. Hierzu später mehr (vgl. 3.3).

2.1.1.2.2. Gruppenverantwortung

Wie bereits ausgeführt, bedarf es für die Einführung einer Sonderabgabe eine Gruppenverantwortung der Beitragspflichtigen für den Anlass, der zur Erhebung der Sonderabgabe geführt hat. Anlass könnte hier sein, dass Berlin als Tourismusziel weiter gefördert werden soll, dafür eignen sich Tätigkeiten im Bereich des Tourismusmarketing. Es ist allerdings nicht zu erkennen, warum gerade eine Gruppe der Profitierenden hierfür in Rechenschaft gezogen werden soll, während andere unberührt bleiben. Zusammenfassend ist nicht zu erkennen, warum aus dem Betreiben einer Beherbergungseinrichtung eine Verantwortung für stadtweites Marketing erwachsen sollte. Nur weil Werbemaßnahmen für das eigene Geschäft sinnvoll sind, erwächst noch keine Verantwortung hieraus sich an koordinierten Werbemaßnahmen des Landes zu beteiligen. Zumal unterschiedliche Branchen unterschiedlich stark vom Marketing profitieren. Diesem Umstand könnte durch eine unterschiedliche Beteiligungsintensität (Abgabenhöhe) Rechnung getragen werden. Hierbei erscheint es schwierig, stets einen gerechten und allgemein anerkannten Maßstab zu finden (vgl. Christmann 1995). Die Gruppenverantwortung der Beherbergungsbetriebe für die Kosten von städtischem Tourismusmarketing ist daher zu verneinen.

2.1.1.2.3. Gruppennützige Verwendung

Das OVG Berlin führt weiter an, dass aus der Gruppenverantwortung für die Beteiligung an dem Tourismusmarketing ein Gruppennutzen zu erkennen sein sollte (vgl. Ehricke 1995: 927).

[...]


1 Zitiert nach Harenberg (2001: Reisen).

2 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Bezeichnung von Personengruppen verzichtet. Selbstverständlich sind im Folgenden stets alle Geschlechter angesprochen.

3 Mit „Silber“ wird hier für diese Arbeit allgemein Geld gemeint und unter „abnehmen“ sind selbstverständlich nur legale Methoden zu verstehen.

4 Alle Datenangaben dieses Abschnittes stützen sich auf folgende Quelle:

www.berlin.de/sen/wirtschaft 08.06.2011.

5 Mit Beherbergungsbetrieben sind alle gewerblichen Anbieter von Übernachtungsdienstleistungen gemeint: Hotels, Campingplätze, Pensionen, Gasthöfe und andere vgl. www.berlin.de/sen/wirtschaft 08.06.2011).

6 Zu Gründen des Scheiterns vergleiche Kapitel 2.

7 Wobei ein Städtevergleich, so vermutet der Autor, noch besser für Berlin ausfallen würde. Hierzu wurden keine aktuellen Daten gefunden.

8 Eine willkürliche Befragung stellt keine repräsentative Stichprobe dar. Dennoch können so Tendenzen der Besucher erkenntlich werden.

9 Mit dem Begriff „Abgabe“ wird noch keine materielle Festlegung verbunden. Bei Abgaben kann es sich um Steuern, Beiträge etc. handeln (vgl. Scheffler 2007).

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten einer Tourismusabgabe im Land Berlin
Untertitel
Steuerrechtliche und wirtschaftliche Betrachtung
Autor
Jahr
2011
Seiten
42
Katalognummer
V180134
ISBN (eBook)
9783668314450
Dateigröße
1501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
möglichkeiten, tourismusabgabe, land, berlin, steuerrechtliche, betrachtung
Arbeit zitieren
Michael Weiner (Autor:in), 2011, Möglichkeiten einer Tourismusabgabe im Land Berlin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180134

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