Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen des Risikomanagements
2.1 Definition Risiko und Risikomanagement
2.2 Methoden des Risikomanagements
2.2.1 Risikoidentifizierung, Risikoanalyse und ökonomische Bewertung
2.2.2 Festlegung der Risikostrategie und Risikosteuerung
2.2.3 Risikoüberwachung
2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen der Versicherungsunternehmen
2.3.1 Solvency I und Solvency II
2.3.2 Das Versicherungsaufsichtsgesetz
2.4 Wesentliche Risiken im Bereich der Versicherungen
3 Grundlagen der Risikoidentifikation und -analyse
3.1 Arten der Umfeldanalyse
3.1.1 Die PEST-Analyse
3.1.2 Porters Wettbewerbsmodell
3.1.3 Prognosetechniken
3.2 Risikobewertung und Anpassung der Geschäftsstrategie
3.3 Auswirkungen der letzten Wirtschaftskrise
4 Modelle des Risikomanagements
4.1 Konkurrierende Modelle
4.2 Vor- und Nachteile
5 Versicherungssektor Österreich
5.1 Kennzahlen
5.2 Wettbewerb
5.3 Rückversicherer
5.4 Ableitung Geschäftsstrategie
5.4.1 Geschichte und Entwicklung
5.4.2 Strategie
6 Schlusswort
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Unternehmerische Risikolandschaft
Abbildung 2: Risikomanagementprozess als Systemkreislauf
Abbildung 3: Die Prozessstufen der Risikosteuerung
Abbildung 4: Drei-Säulen-Modell der Versicherungswirtschaft
Abbildung 5: Risikokategorisierung eines Versicherungsunternehmens
Abbildung 6: Risk map basierend auf dem Sharma-Report
Abbildung 7: Die fünf Wettbewerbskräfte
Abbildung 8: Übersicht Prognosetechniken
Abbildung 9: Das deterministische sowie stochastische Modell
Abbildung 10: Prämienentwicklung der Versicherungswirtschaft in Österreich 2006-2010
Abbildung 11: Entwicklung der Leistungen der Versicherungswirtschaft in Österreich 2006-2010
Abbildung 12: Vergleich Wirtschaftswachstum real sowie Prämien real 2004 - 2009
Abbildung 13: Entwicklung Marktanteile der sechs größten Versicherungsunternehmen 2003-2010
Abbildung 14: Daten aus der G.u.V. 2006 - 2010 der VIG
Abbildung 15: Daten aus der Bilanz 2006 - 2010 der VIG
Abbildung 16: Verlauf der Aktie 2006 - 2010 der VIG
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Der Wandel der letzten Jahre hat einen massiven Einfluss auf die unternehmerischen Rah- menbedingungen. So müssen Unternehmen mit rasch ändernden wirtschaftlichen, politi- schen, technologischen, gesellschaftlichen und ökologische Entwicklungen umgehen kön- nen, wodurch hohe Herausforderungen an das unternehmerische Handeln bestehen.1
Die wirtschaftlichen Entwicklungen im 21. Jahrhundert können folgendermaßen gekennzeichnet werden:2
- Steigende Geschwindigkeit
- Zunehmender Neuigkeitsgrad
- Erhöhte Komplexität
- Vermehrte Unternehmensverflechtungen
Aufgrund dieser Merkmale wird deutlich, dass die Risikosituationen, denen Unternehmen ausgesetzt sind, einem ständigen Wandel unterliegen. Gerade für die Versicherungswirt- schaft, deren Kerngeschäft Risiken sind, ist es erforderlich, signifikante Veränderungen der Unternehmensumwelt zu identifizieren und zu bewerten. Neben der externen Umwelt sind unternehmensinterne Faktoren bei der Risikobeurteilung mit einzubeziehen, da der unter- nehmerische Erfolg wesentlich davon abhängt, inwieweit Unternehmen mit dem Wandel umgehen können.3
Die Arbeit hat ihren Hauptschwerpunkt auf Risikomanagement und Umfeldanalysen in Bezug auf die österreichische Assekuranz, wobei auch Auswirkungen der letzten Wirt- schaftskrise betrachtet werden und Vergleiche mit anderen Regionen vorgenommen wer- den.
Im zweiten Kapitel werden die Grundlagen des Risikomanagements, das Definitionen, die Methoden des Risikomanagements, die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die wesentlichen Risiken im Bereich der Versicherungen umfasst, beschrieben.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den Grundlagen der Risikoeinschätzung und damit den Umfeldanalysen, sowie Risikobewertung im Zusammenhang mit der Anpassung der Geschäftsstrategie und den Auswirkungen der letzten Wirtschaftskrise auf die Assekuranz.
Im vierten Kapitel werden die konkurrierenden Modelle, das deterministische sowie stochastische Modell des Risikomanagements, die in der Versicherungswirtschaft angewandt werden, dargestellt und verglichen.
Abschließend im fünften Kapitel wird der Versicherungssektor Österreich mittels Kennzahlen analysiert, sowie der Wettbewerb betrachtet. Die Wiener Städtische Versicherung AG Vienna Insurance Group als größtes Versicherungsunternehmen in Österreich und europaweiter Konzern dient als Beispiel für den österreichischen Versicherungsmarkt sowie auch ihre Expansion nach Central Eastern Europe, die auch eine klassische Entwicklung für viele österreichische Unternehmen darstellt.
2 Grundlagen des Risikomanagements
Einleitend wird ein Überblick über die möglichen Risikoursachen, denen Unternehmen ausgesetzt sind, sowie die Entwicklungen im Risikomanagement dargestellt. In den Unter- kapiteln wird vorrangig auf die Begriffe Risiko und Risikomanagement, den Methoden des Risikomanagement im Sinne eines zusammenhängenden Regelkreislaufs, der rechtlichen Basis der Versicherungswirtschaft sowie den wesentlichen Risiken der Versicherungsun- ternehmen eingegangen.
Folgende Abbildung stellt die internen als auch die externen Risikopotentiale von Unternehmen dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Unternehmerische Risikolandschaft
Quelle: Vgl. Diederichs, M. (2004): Risikomanagement und Risikocontrolling, München, S. 8.
Aufgrund der gesteigerten Dynamik gewinnt die Beurteilung der gegenwärtigen sowie der zukünftigen Situation im Unternehmensbereich immer mehr an Bedeutung. Die Sicherstel- lung der Existenz eines Unternehmens geht daher mit einem Risikomanagement einher, das Risikopotentiale ausreichend identifiziert, beurteilt und sich auf die möglichen Ände- rungen einstellt.4
Weiters haben die neuen Ratingverfahren aufgrund der Basel II-Bestimmungen sowie Sol- vency I und II einen Fokus auf Finanzkennzahlen, wie z.B. die Eigenkapitalquote oder Gesamtkapitalrentabilität, gelegt, infolgedessen sich erhebliche Risiken im Bereich der Finanzierung eines Unternehmens ergeben können. Auch bei Unternehmen mit langfristig guten Zukunftsperspektiven kann sich daher bei gleichzeitigem Eintreten mehrerer Risiken und einem damit einhergehenden schlechten Jahresabschluss ein unbefriedigendes Rating ergeben und somit die Finanzierung des Unternehmens gefährden. Das Konzept des wert- orientierten Managements gewinnt somit weiter an Bedeutung und ein damit verbundenes Risikomanagement im Kontext der Unternehmensführungsaufgaben. Transparenz über die Risikosituation, Frühaufklärung und Krisenprävention sowie eine mögliche Reduktion der Kosten für die Risikobewältigung sind nur einige Vorteile eines systematischen Krisenma- nagements.5
2.1 Definition Risiko und Risikomanagement
Risiko sowie Ungewissheit sind beides Unterbegriffe von Unsicherheit, wobei bei Ent- scheidungen unter Risiko die Eintrittswahrscheinlichkeiten für denkbare zukünftige Um- weltzustände bekannt sind, nicht jedoch bei Ungewissheit. Risiko im engeren Sinn ist die Möglichkeit einer negativen Abweichung eines tatsächlichen von einem erwarteten Ergeb- nis. Daher ist es ökonomisch sinnvoll positive und negative Abweichungen zu berücksich- tigen, da diese sich gegenseitig kompensieren können und dies im Sinne der Berechnung des Gesamtrisikoumfangs eines Unternehmens ist. Risiko im Unternehmen kann daher definiert werden als die „aus der Unvorhersehbarkeit der Zukunft resultierende, durch „zu- fällige“ Störungen verursachte Möglichkeit, von geplanten Zielen abzuweichen“6. Durch eine derartige Definition kann noch keine Aussage darüber getroffen werden, ob die Ein- trittswahrscheinlichkeiten bekannt sind oder nicht. Weiters darf der Aspekt, dass das Risi- ko in Unternehmen immer bezüglich vorgegebener Ziele bewertet wird, nicht außer Acht gelassen werden und das Risikomanagement basiert daher auf einer klaren Zielformulie- rung.
Daher kann Risikomanagement folgendermaßen definiert werden: „Risikomanagement ist das systematische Denken und Handeln im Umgang mit Risiken.“7 Dies heißt nicht, dass die Risiken im Unternehmen vermieden werden sollen, da Unternehmen immerzu mit diesen konfrontiert sind, sondern vielmehr Transparenz über die Risikosituation im Unternehmen zu schaffen und somit das Risiko-Ertrags-Profil zu optimieren.8
Risikomanagement wird als dynamischer Prozess gesehen und Veränderungen in Unter- nehmen sind häufig. Es werden neue Produkte oder Dienstleistungen eingeführt, Unter- nehmensbereiche zusammengeführt, Zukäufe oder Verkäufe von Unternehmensteilen durchgeführt, Kapitalskosten erhöht oder gesenkt. Daher kann Risikomanagement in einen dreiteiligen Prozess eingeteilt werden. Erstens die potentiellen Verluste zu identifizieren und zu messen, zweitens einen Plan zu entwickeln und durchzuführen, um mit diesem Ver- lustpotential umgehen zu können und drittens diesen Plan laufend zu evaluieren, nachdem er umgesetzt wurde.9
2.2 Methoden des Risikomanagements
Durch die zunehmende Bedeutung von wertorientierten Ansätzen der Unternehmensführung hat sich Risikomanagement vom operativen in den strategischen Bereich verlagert. Strategisches Risikomanagement umfasst alle unternehmerischen Maßnahmen bezüglich des Umgangs mit Risiko, die im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Steigerung des Unternehmenserfolgs stehen.10 Die Aufgaben des Risikomanagements sind daher die Risikoidentifizierung, Risikobewertung und -analyse, Festlegung der Risikostrategie, Risikosteuerung sowie Risikoüberwachung.11
Folgende Grafik stellt den Risikomanagementprozess im Sinne eines Regelkreislaufes dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Risikomanagementprozess als Systemkreislauf
Quelle: Lang, P. (2008): Risikosteuerung und MaRisk, in: Hallmann, T./Kirchner, W. (Hrsg.): Steuerung von Versicherungsunternehmen, Stuttgart, S. 394.
2.2.1 Risikoidentifizierung, Risikoanalyse und ökonomische Bewertung
In der ersten Phase sind zunächst alle Risiken, die das Unternehmen betreffen, zu identifi- zieren. Dieser Prozess ist sehr intensiv und erfordert daher eine systematische Informati- onsbeschaffung und -auswertung. Dies kann in Form von Arbeitsprozessanalysen, forma- lisierten Gefährdungsanalysen, Systemanalysen, Workshops, Benchmarks oder Checklis- ten erfolgen. Der weitere Schritt ist dann die systematische Erfassung und Darstellung der identifizierten Risiken und die Dokumentation vorhandener Sicherungssysteme inklusive deren Funktionsfähigkeit.12
Nachfolgend werden einige Methoden, die in der Praxis zur Identifizierung von Risiken angewendet werden, beschrieben.
Analyse der strategischen Planung: Das Unternehmen verschafft sich einen Überblick über seine Erfolgspotentiale, d.h. seine Kernkompetenzen, internen Stärken und Wettbewerbsvorteile, um Bedrohungen dieser erkennen zu können.13
Annahmenanalyse bei Controlling, operativer Planung und Budgetierung: In diesem Rahmen werden bestimmte Annahmen, z.B. über Konjunktur und Erfolgen bei Vertriebs- aktivitäten, getroffen. In der Umsatzplanung werden dabei, z.B. in die geplante Preisset- zung eines Unternehmens, auch Annahmen über die Preise der Wettbewerber getroffen. Mit der Hilfe von Benchmarkwerten werden im Rahmen des Controllings Abweichungs- analysen durchgeführt. Diese Soll-Ist-Vergleiche sind eine der wesentlichen Aufgaben im Risikomanagement.14
Risikoworkshops: In diesen Workshops werden strukturierte Diskussionen über die ope- rativen Risiken, rechtliche und politische Risiken sowie Risiken aus Unterstützungsprozes- sen, wie z.B. IT, geführt. Eine mögliche Basis für die Durchführung der Workshops sind Risikofeldermatrizen.15 Im Anhang 1 befindet sich als Beispiel eine Risikofeldermatrix der RMCE RiskCon GmbH.
Fehler-Möglichkeits- und Einflussanalyse: Kennzeichnend für die FMEA ist die Bewertung von Risiken bezüglich Auftreten, Bedeutung und der Möglichkeit, diese zu entdecken. Sie stellt damit eine systematische, halbquantitative oder quantitative Risikoanalysemethode dar und dient zum frühzeitigem Erkennen und Verhindern von potentiellen Fehlern sowie deren Auswirkungen. Dabei können die System-FMEA, die Analyse einzelner Systemkomponenten und deren Beitrag zum Gesamtrisiko, die Konstruktions-FMEA mit Fokus auf das fehlerfreie Funktionieren der Produktkomponenten sowie die Prozess-FMEA mit Schwerpunkt auf den Herstellprozess, unterschieden werden.16
Fehlerbaumanalyse: Dabei wird mit der exakten Beschreibung des Gesamtsystems be- gonnen und demzufolge gehört diese Analyse zu den Top-Down-Analyseformen. Danach folgt eine Analyse von primären Störungen, die eine Störung des Gesamtsystems verursa- chen können. Diese werden wiederum solange aufgegliedert bis keine weitere Differenzie- rung der Störursachen mehr möglich ist. Angewandt wird dies in der Praxis häufig gemein sam mit Szenariotechniken und Ereignisbaum-Techniken, wobei bei der EreignisbaumTechnik alle Störfaktoren beobachtet werden.17
Besichtigungsanalyse: Hierbei wird die Realität persönlich in inspiziert. Menschliches Verhalten, Realgüter, Arbeitsplätze als auch Unternehmensprozesse können je nach An- lassfall besichtigt werden. Diese Analyseform wird häufig in der Versicherungswirtschaft angewendet.18
Als weitere Methoden zur Risikoidentifizierung können noch Risiko-Checklisten, beispiel- haft ist im Anhang 2 eine Projekt-Risiko-Checkliste des Unternehmens Primas Consulting beigelegt, Brainstorming sowie Experten- und Mitarbeiterbefragungen erwähnt werden.19
2.2.2 Festlegung der Risikostrategie und Risikosteuerung
Das Ergebnis der Risikobewertung und Risikoquantifizierung führt zu Maßnahmen, die im Rahmen der Unternehmenssteuerung durchzuführen sind.20
Diesbezüglich können vier Risikostrategien identifiziert werden, die in der folgenden Abbildung ersichtlich sind:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Die Prozessstufen der Risikosteuerung
Quelle: Romeike, F. (2002): Risikomanagement als Grundlage einer wertorientierten Unternehmenssteuerung, in: RATING aktuell, Jul./Aug. 2002, Heft 2, S. 12-17. zitiert nach Romeike, F./Müller-Reichart, M. (2005): Risikomanagement in Versicherungsunternehmen, 1. Aufl., Weinheim, S. 78.
Die erste Risikostrategie - Risiko vermeiden - gehört zu den präventiven Maßnahmen und zielt darauf ab Risiken aktiv zu beseitigen. Dabei werden bestimmte Aktivitäten aufgegeben oder angepasst, wie z.B. der Verkauf von Unternehmensteilen oder Verlagerung von Unternehmensteilen in andere Länder, in denen Gesetzgebung oder auch Arbeitsschutzgesetzgebung für das Unternehmen günstiger sind.21
Bei der zweiten Risikostrategie - Risiko vermindern - können durch personelle, techni- sche, organisatorische Maßnahmen sowie durch Risikodiversifikation Risiken auf ein für das Unternehmen akzeptables Maß verringert werden. Im personellen Bereich kann dies durch Mitarbeiterschulung sowie Personalauswahl erfolgen. Bei der technischen Seite gibt es Möglichkeiten im Bereich der Sicherheit, wie Verbesserung der Brandschutzanlagen oder der Einsatz von Derivaten. Organisatorisch können Prozesse optimiert oder auch ein Qualitätsmanagement eingeführt werden. Auch innerhalb des Unternehmens kann ein Ri- sikoausgleich erfolgen. Risikodiversifikation ist dann sinnvoll, wenn Risiken voneinander unabhängig sind und regional, objekt- oder personenbezogen im Unternehmen gestreut werden können.22
Das Risiko kann aber auch durch Risikotransfer abgewälzt werden. Dies umfasst die Über- tragung des Risikos auf Versicherungsunternehmen, auch die Optimierung von Verträgen mit Kunden und Lieferanten zählt dazu, sowie kann dies auch mittels Hedging, der Über- tragung des Risikos auf den Kapitalmarkt erfolgen.23 Auch Versicherungsunternehmen wälzen bestimmte Risiken auf Rückversicherungsunternehmen ab. Als selbständiger Ver- sicherungszweig sichert die Rückversicherung den Erstversicherer gegen Vermögensein- bußen, aufgrund der Leistungspflicht aus abgeschlossenen Versicherungspolizzen, ab. Un- terschieden wird dabei die fakultative von der obligatorischen Rückversicherung. Bei der fakultativen Rückversicherung wird jedes Risiko vom Rückversicherer und Erstversicherer von Fall zu Fall geprüft. Aufgrund dieses komplexen Vorgehens ist der bei weitem häufi- gere Fall die obligatorische Rückversicherung. Dabei vereinbart ein Versicherungsunter- nehmen die Weitergabe eines definierten Risikos bis zu einem bestimmten Ausmaß mittels eines Rückversicherungsvertrags mit einem Rückversicherer. Der Rückversicherer nimmt keine Prüfungen der Einzelrisiken vor und ist damit von der Risikopolitik ihrer Kunden, den Erstversicherern, abhängig.24
Die vierte Risikostrategie - Risiko selbst tragen - ist dadurch gekennzeichnet, dass es in der Natur der Sache als Unternehmung liegt, Risiken zu akzeptieren, da jedes Risiko auch Chancen bietet.25 Auf Basis der heutigen und zukünftig notwendigen Risikotragfähigkeit kann mittels Risikovorsorge, also der Planung zukünftiger Risiken, das Risiko gesteuert werden. Die entscheidende betriebswirtschaftliche Größe ist in diesem Fall das Eigenkapi- tal und daraus folgend bedeutet eine Erhöhung des Eigenkapitals eine Erhöhung der Risi- kotragfähigkeit. Die Risikovorsorge kann auch erweitert werden, indem das Eigenkapital über Kapitalmärkte oder Gesellschafter erhöht wird, Gewinne in Gewinnrücklagen oder sonstige Rücklagen eingestellt werden und stille Reserven durch überhöhte Abschreibun- gen bzw. erhöhtem Ansatz von Verbindlichkeiten gebildet werden.26
Unter Captives, genau Captive Insurance Undertakings, werden selbstständige Versicherungsunternehmen verstanden. Diese stellen einem Mutterunternehmen Versicherungsschutz zur Verfügung.27
2.2.3 Risikoüberwachung
Die laufende Kontrolle der Risikomanagementmaßnahmen wird durch die Risikoverant- wortlichen im Rahmen der Risikoüberwachung durchgeführt. Dabei wird der Risikomana- gementprozess im Sinne des Regelkreises von Abbildung 2 in gewissen zeitlichen Abstän- den wiederholt. Frühwarn- oder Risikoindikatoren dienen zur Beobachtung und Messung der Entwicklung des Risikos. Diese sind im Zusammenhang mit der Identifizierung und Analyse der Risiken zu definieren, um im Sinne der Früherkennung stagnierenden oder negativen Entwicklungen im Vorfeld entgegensteuern zu können. Die Indikatoren umfas- sen quantitative sowie qualitative Kennzahlen. Quantifizierbare Faktoren zeigen bei Errei- chen gewisser zuvor festgelegter Grenzwerte Risiken auf. Beispielsweise können mittels MitarbeiterInnen bzw. Kundenbefragung Entwicklungen der soft facts, also dem qualitati- ven Bereich, festgestellt werden. In diesem Bereich gibt es sehr umfangreiche Möglichkei- ten zur Festlegung der Indikatoren und dies sollte jeweils im Zusammenhang mit der je- weiligen Risikopolitik sowie Risikostrategie stehen.28
2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen der Versicherungsunter- nehmen
Aufgrund der Globalisierung von Finanzmärkten und Finanzderivaten und der damit ge- sunkenen Risikosensitivität sind die geltenden Eigenkapitalvorschriften für Versicherun- gen nicht mehr aktuell. Versicherungen tragen wesentlich zur Stabilisierung des Wirt- schaftsprozesses bei, indem sie wichtige gesamtwirtschaftliche Funktionen übernehmen, wobei Kapitalanlagerisiken bei Versicherern die Solvabilitätsanforderungen derzeit nicht erhöhen.29 Unter Solvabilität wird die Eigenmittelausstattung eines Versicherungsunter- nehmens verstanden.30
2 Grundlagen des Risikomanagements
2.3.1 Solvency I und Solvency II
Anfang 2002 wurden vom EU-Parlament neue Solvabilitätsvorschriften, unter dem Namen Solvency I bekannt, verabschiedet. Diese Richtlinien mussten von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden und sind ab dem Jahr 2004 Mindeststandards für Versicherungen. Dieser erste Schritt umfasste die Erhöhung der Mindestbeträge für Garantiefonds sowie Modifikationen der Mindesthöhe der Eigenmittelausstattung.31
Nachfolgend werden die Eckpunkte von Solvency I zusammengefasst:32
- Modifikation der Garantiefonds
- Mehr Eingriffsbefugnisse durch die Aufsichtsbehörden
- Einfluss des Ratings des Rückversicherers auf die Ermittlung der Solvabilität des Erstversicherers
- Nachweis der Solvabilität zu jedem Zeitpunkt
Doch bereits im März 2003 wurde Phase I des Folgeprojekts Solvency II abgeschlossen. Dies umfasste die Untersuchung der auf die Risiken abgestimmten Eigenkapitalsysteme, Lehren aus dem Baseler Prozess im Bankbereich, Verwendung interner Systeme, Verbindungen zwischen Jahresabschlüssen und der Rechnungslegung gegenüber der Versicherungsaufsicht durch die Mitgliedstaaten und der Kommissionsdienststellen. Dies legte die Basis zur Erörterung einer Struktur eines zukünftigen EU-Solvabilitätssystems, um die Aufsichtsbehörden mit Werkzeugen qualitativer und quantitativer Art zur Beurteilung der Solvabilität eines Versicherungsunternehmens auszustatten.33
Der risikoorientierte Ansatz umfasst die Berücksichtigung aller für Versicherungsunter- nehmen relevanter Risikokategorien, falls diese quantifizierbar sind, diese mit Eigenmit- teln hinterlegen zu lassen oder aufgrund qualitativer Bestimmungen mit ein zu beziehen. Das bedeutet, dass durch die qualitativen Anforderungen Anreize zum Ausbau des internen Risikomanagements gegeben sind und dadurch auch die Eigenmittelanforderungen auf- grund eines internen Modells des Versicherers sinken können. Durch diese neuen Bestim mungen kommt es daher zu einer Verschiebung von einer rein quantitativen Betrachtungsweise zu einem zusätzlichen qualitativen Verständnis.
Dies wird im sogenannten Drei-Säulen-Modell der Versicherungswirtschaft graphisch dar- gestellt:.34
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Drei-Säulen-Modell der Versicherungswirtschaft
Quelle: Vgl. Altenähr, V./Tristan, N. (2009): Identifikation, Bewertung und Aggregation von Risiken, in: Meder, H./Nold, W. (Hrsg.): Risikomanagement kompakt, Band 5, Karlsruhe, S. 24.
Die erste Säule bezieht sich auf das Ziel-Solvenzkapital und ist damit die wünschenswerte Kapitalausstattung, die dem wirtschaftlichen Kapital, das ein Unternehmen für seine Tätig- keit bei einer geringeren Konkurswahrscheinlichkeit benötigt, entsprechen soll. Zur Ermitt- lung kann ein EU-weiter Standardansatz oder ein geeignetes internes Modell verwendet werden, das alle überwachungs- und steuerungsrelevanten Risiken umfasst. Die zweite Säule beinhaltet die Vorschriften des Risikomanagements und der Risikokontrolle sowie die Eingriffs- und Kontrollrechte durch die Aufsichtsbehörde. Durch die dritte Säule - Vorschriften zu einer verstärkten Offenlegungs- und Publizitätspflicht der Versicherer - soll die Öffentlichkeit einen tieferen Einblick über die Risikolage dieser erhalten.35
[...]
1 Vgl. Diederichs, M. (2004): Risikomanagement und Risikocontrolling, München, S. 9.
2 Vgl. Marchazina, K./Wolf, J. (2008): Unternehmensführung; Das internationale Managementwissen, Wies- baden, S. 19.
3 Vgl. Diederichs, M. (2004): Risikomanagement und Risikocontrolling, München, S. 10.
4 Vgl. Diederichs, M. (2004): Risikomanagement und Risikocontrolling, München, S. 8.
5 Vgl. Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München, S. 1 f.
6 Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München, S. 9.
7 Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München, S. 10.
8 Vgl. Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München, S. 8 ff.
9 Vgl. Dorfman, M. (2008): Introduction to Risk Management and Insurance, London, S. 43.
10 Vgl. Gleißner, W. (2000): Risikopolitik und Strategische Unternehmensführung in: Der Betrieb, Heft 33, S. 1625 f.
11 Vgl. Lang, P. (2008): Risikosteuerung und MaRisk, in: Hallmann, T./Kirchner, W. (Hrsg.): Steuerung von Versicherungsunternehmen, Stuttgart, S. 394 f.
12 Vgl. Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München, S. 46 und Mensch, G. (2003): Risikomanagement - Aufgaben und Lösungen im Controlling, in: Betrieb und Wirtschaft, Heft 12/2003, S 485.
13 Vgl. Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München, S. 47.
14 Vgl. Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München, S. 48.
15 Vgl. Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München, S. 49 u. S. 51.
16 Vgl. Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München, S. 46.
17 Vgl. Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München, S. 57 f.
18 Vgl. Altenähr, V./Tristan, N. (2009): Identifikation, Bewertung und Aggregation von Risiken, in: Meder, H./Nold, W. (Hrsg.): Risikomanagement kompakt, Band 5, Karlsruhe, S. 59.
19 Vgl. Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München, S. 58 f.
20 Vgl. Wolke, T. (2007): Risikomanagement, München, S. 75.
21 Vgl. Romeike, F./Hager, P. (2009): Erfolgsfaktor Risikomanagement 2.0, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 160 f.
22 Vgl. Romeike, F./Hager, P. (2009): Erfolgsfaktor Risikomanagement 2.0, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 162.
23 Vgl. Romeike, F./Hager, P. (2009): Erfolgsfaktor Risikomanagement 2.0, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 165.
24 Vgl. Pfeiffer, C. (1999): Einführung in die Rückversicherung, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 9, S. 20 u. S. 25.
25 Vgl. Romeike, F./Hager, P. (2009): Erfolgsfaktor Risikomanagement 2.0, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 161.
26 Vgl. Wolke, T. (2007): Risikomanagement, München, S. 76.
27 Vgl. Schauhof, V. (2009): Versicherungsrechts-Tip, Die Anwendung von Solvency II auf Captives in: VersicherungsPraxis, Heft 10/2009, S. 204-209.
28 Vgl. Denk, R./Exner-Merkelt, K. (2008, Hrsg.): Corporate Risk Management, Unternehmensweites Risi- komanagement als Führungsaufgabe, 2., überarb. und erweit. Aufl., Wien, S. 133.
29 Vgl. Romeike, F./Müller-Reichhart, M. (2005): Risikomanagement in Versicherungsunternehmen, S. 116
f.
30 Vgl. Versicherungsverband Österreich: Glossar, www.vvo.at, (16.05.2011).
31 Vgl. Romeike, F./Müller-Reichhart, M. (2005): Risikomanagement in Versicherungsunternehmen, S. 118
f.
32 Vgl. Romeike, F./Müller-Reichhart, M. (2005): Risikomanagement in Versicherungsunternehmen, S. 119.
33 Vgl. Europäische Kommission: Versicherung, http://ec.europa.eu/internal_market/insurance/docs/markt- 2509-03/markt-2509-03_de.pdf, S. 1 f., (17.05.2011).
34 Vgl. Schubert, T. (2005): Stand der Diskussion und Tendenzen im Projekt Solvency II der EU-
Kommission, in: Gründl, H./Perlet, H. (Hrsg.): Solvency II & Risikomanagement, Wiesbaden, S 37.
35 Vgl. Altenähr, V./Tristan, N. (2009): Identifikation, Bewertung und Aggregation von Risiken, in: Meder, H./Nold, W. (Hrsg.): Risikomanagement kompakt, Band 5, Karlsruhe, S. 25 f.