Jede Betrachtung der Goethe’schen ‚Faust’-Dichtung kann nur eine Annäherung sein. Wie wohl kein anderes Werk der deutschen Literatur eröffnet die Lektüre des ‚Faust’ eine Unzahl verschiedener Deutungsmuster, wirft jedoch gleichzeitig umso mehr neue Fragen auf, je tiefer man in die Materie eindringt. Goethe gilt als der deutsche Dichter schlechthin und in seinem großen Werk nimmt wiederum die ‚Faust’-Dichtung eine herausragende Stellung ein. Müsste man ein Standardwerk der deutschen Literatur benennen, den wohl einzigen Klassiker, an dem wirklich kein Abiturient in Deutschland unbehelligt vorbeikommt und der auch deswegen die bekannteste Publikation des berühmtesten deutschen Dichters sein dürfte, würde man wohl unweigerlich den ‚Faust’, speziell den ‚Faust’ I, nennen. Selbst diese bewusste Häufung von Superlativen kann nur unzureichend den Stellenwert der ‚Faust’-Dichtung in Deutschland bis heute widerspiegeln.
Ein ‚Klassiker’ zu sein ist jedoch manchmal ein zweischneidiges Schwert. Denn je größer der Ruhm eines Werkes, desto größer ist auch die Versuchung, dieses für ideologische Zwecke auszulegen und zu missbrauchen. „Was wertender Diskussion endgültig enthoben scheint, läuft Gefahr, als Beuteobjekt verschlissen zu werden. Groß ist die Begehrlichkeit von Gruppen und Systemen, den Schmuck der fremden Federn sich selbst zugute zu halten, das vor allen Ausgezeichnete unter Exklusivvertrag zu nehmen.“
Ziel dieser Arbeit ist es, die ideologisch-propagandistische Rezeption von Goethes ‚Faust’ im Nationalsozialismus auf die Fragestellung hin zu untersuchen, ob bzw. inwiefern sie systembegründend, -stabilisierend und –verherrlichend war. Dabei werden besonders missbrauchte Textstellen ebenso betrachtet werden wie solche, die propagandistisch schwer verkäuflich waren und deswegen lieber ignoriert wurden.. Eine umfassende Betrachtung der Wirkungsgeschichte der ‚Faust’-Dichtung im Zeitraum von 1933 bis 1945, die sowohl die kritisch-neutrale, als auch die ideologisch gefärbte ‚Faust’-Forschung dieser Zeit, die sowohl die propagandistische Verwendung, als auch die dramaturgischen Aufführungsbesonderheiten untersucht, würde bei Weitem den Rahmen sprengen. Daher soll es im Folgenden lediglich um die ideologisch-propagandistische Rezeption durch regimenahe Kreise gehen.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Zur ‚Faust’-Rezeption im NS-Staat
I. Die Goethe-Rezeption im Nationalsozialismus
II. Die ‚Faust’-Rezeption im Nationalsozialismus
1. Verwirklichung des ‚faustischen Strebens’ in der NS-Politik
2. Auf freiem Grund mit freiem Volke
3. Faust und Führer
4. Schuld und Rechtfertigung
5. Kontraproduktive Szenen
C. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
- Arbeit zitieren
- Lukas Strehle (Autor:in), 2007, Auf freiem Grund mit freiem Volke – Zur ideologisch-propagandistischen ‚Faust’-Rezeption im NS-Staat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180490
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