Die Finanzindustrie wird derzeit von verschiedenen Tendenzen geprägt. Globalisierung,
technischer Fortschritt und Konzentration sind Faktoren, die gravierende Veränderungen
auf den Finanzmärkten auslösen. Hierdurch haben die Interbankenmärkte in den letzten
Jahrzehnten im Hinblick auf das Funktionieren des Finanzsystems immer größere Bedeutung
gewonnen, und das moderne Finanzsystem ist heutzutage ohne Interbankenmärkte
kaum mehr vorstellbar. Die Interbankenbeziehungen erzeugen ein dichtes Netz
zwischen den Kreditinstituten, und dessen Beständigkeit basiert wesentlich auf dem
Vertrauen der Akteure in das System.1
In den letzten Jahren und Jahrzehnten sind Anzahl und Häufigkeit von Bankenkrisen
stark angestiegen. Prominente Fälle sind hierbei die Asienkrise in den Neunzigerjahren
des letzten Jahrhunderts und die immer noch andauernde Finanzkrise von 2007/2009.
Die negativen Folgen dieser Krisen sind sehr groß. Dabei spielt die kurzfristige Refinanzierung
von Banken im Interbankenmarkt als zentraler Verstärkungsmechanismus dieser
Entwicklung eine große Rolle.
Die Banken zählen zwar zu den am stärksten regulierten Institutionen einer Volkswirtschaft:
dennoch konnten die derzeit gültigen Regulierungsstandards und Berichterstattungspflichten
immer wiederkehrende Krisen nicht verhindern. Es stellt sich somit die
Frage, welche Maßnahmen zur Vervollständigung der Regulierungsmaßnahmen getroffen
werden müssen, um Krisen eines ähnlichen Ausmaßes wie in der Vergangenheit
wirksam zu begegnen. Angesichts der beträchtlichen Folgen solcher Krisen wird gegenwärtig
intensiv darüber diskutiert, wie die Interbankenmärkte reguliert werden
könnten, um deren Funktionsstörung eventuell in Krisenzeiten zu verhindern, und welche
Maßnahmen ergriffen werden sollten, um den Schlüsselfaktor des Interbankenmarktes,
nämlich das gegenseitige Vertrauen der Banken, aufrechtzuerhalten. Um derartige
Regulierungen künftig realisieren zu können, müssen eine theoretische und eine empirische
Grundlage zur Betrachtung von Interbankenbeziehungen vorliegen. Jedoch ist die
Rolle solcher Interbankenbeziehungen bisher empirisch kaum bzw. unzureichend analysiert
worden. Die Wahrnehmung von Risiken auf einer Systemebene anstelle der bisher vorherrschenden Betonung von Institutsrisiken sowie die vollständige Datensammlung
von bilateralen Interbankenbeziehungen, die die Analyse von empirischen Untersuchungen
ermöglicht, sind relevante Voraussetzungen zur wissenschaftlichen Analyse.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung und Problemstellung
- 2 Das Interbankengeschäft
- 2.1 Grundstruktur der Interbankenkredite
- 2.1.1 Unbesicherte Kredite
- 2.1.2 Gesicherte Kredite
- 2.1.3 Status quo der beiden Marktsegmente
- 2.1.3.1 Entwicklung der Geschäftsvolumen
- 2.1.3.2 Friststruktur
- 2.1.3.3 Handelsstruktur
- 2.2 Aggregierte Entwicklung der Interbankentransaktionen
- 2.2.1 Interbankenkredite im Eurowährungsraum
- 2.2.2 Beiträge der Länder zu den gesamten Interbankenverbindlichkeiten
- 2.2.3 Beiträge der inländischen Interbankenverbindlichkeiten
- 2.3 Bedeutende Zinssätze des Interbankenmarktes
- 2.3.1 EURIBOR
- 2.3.2 EONIA
- 2.3.3 EUREPO
- 3 Nutzen und Risiken der Interbankenmärkte
- 3.1 Aufgaben des Interbankenmarktes
- 3.1.1 Horizontaler Liquiditätsausgleich
- 3.1.2 Geldpolitischer Transmissionsmechanismus
- 3.1.3 Risikomanagement
- 3.2 Risiken des Interbankenmarktes
- 3.2.1 Kreditrisiko
- 3.2.1.1 Adressenausfallrisiko
- 3.2.1.2 Bonitätsrisiko
- 3.2.2 Liquiditätsrisiko
- 3.2.2.1 Refinanzierungsrisiko
- 3.2.2.2 Marktliquiditätsrisiko
- 3.2.3 Systemisches Risiko
- 3.2.3.1 Informationseffekte
- 3.2.3.2 Dominoeffekte
- 4 Bisherige Untersuchungen des Interbankenmarktes
- 4.1 Theoretische Ansätze für die Interbankenkoordination
- 4.1.1 Grundmodell (Einbankenmodell)
- 4.1.2 Modellerweiterung durch Unsicherheit der Bankkunden
- 4.1.3 Interbankenmarkt ohne aggregierte Unsicherheit
- 4.1.4 Interbankenmarkt mit aggregierter Unsicherheit
- 4.1.5 Modellierung der Interbankenmarkt als ein Netzwerk
- 4.2 Empirische Analyse der Netzwerkstruktur des Interbankenmarktes
- 4.2.1 Struktur des deutschen Interbankenmarkts
- 4.2.1.1 Daten
- 4.2.1.2 Formulierung der Interbankenverflechtungen
- 4.2.1.3 Two-Tier-Struktur" des deutschen Interbankenmarktes
- 4.2.2 Internationaler Vergleich
- 5 Einfluss der europäischen Zentralbank
- 5.1 Geldpolitische Instrumente der EZB
- 5.1.1 Mindestreservepflicht
- 5.1.2 Offenmarktgeschäfte bzw. Festlegung des Leitzinses
- 5.1.3 Ständige Fazilitäten bzw. Zinskorridor
- 5.2 Diskussion der Rolle des Staates
- 5.2.1 Folgen fehlender Staatseingriffe in Krisenzeiten
- 5.2.2 Grunddilemma zwischen Staat und dem Banken
- 6 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit analysiert den Interbankenmarkt und seine Bedeutung für das Finanzsystem. Ziel ist es, die Funktionsweise des Marktes zu erklären, seine Vorteile und Risiken aufzuzeigen und die Rolle der Europäischen Zentralbank im Kontext der Interbankenmärkte zu beleuchten.
- Grundstruktur und Entwicklung des Interbankenmarktes
- Nutzen und Risiken des Interbankenmarktes
- Theoretische und empirische Ansätze zur Analyse des Interbankenmarktes
- Einfluss der Europäischen Zentralbank auf den Interbankenmarkt
- Diskussion der Rolle des Staates im Kontext des Interbankenmarktes
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Einleitung und Problemstellung
Dieses Kapitel führt in die Thematik des Interbankenmarktes ein und erläutert die Relevanz des Themas im Kontext des Finanzsystems. Es werden die Zielsetzung und die methodische Vorgehensweise der Arbeit dargestellt.
Kapitel 2: Das Interbankengeschäft
Dieses Kapitel stellt die Grundstruktur der Interbankenkredite vor. Es werden unbesicherte und gesicherte Kredite unterschieden und die Entwicklung der Geschäftsvolumina, der Friststruktur und der Handelsstruktur der beiden Marktsegmente analysiert. Außerdem wird die aggregierte Entwicklung der Interbankentransaktionen im Eurowährungsraum beleuchtet, wobei die Beiträge der Länder zu den gesamten Interbankenverbindlichkeiten und die Beiträge der inländischen Interbankenverbindlichkeiten betrachtet werden. Schließlich werden bedeutende Zinssätze des Interbankenmarktes, wie EURIBOR, EONIA und EUREPO, vorgestellt.
Kapitel 3: Nutzen und Risiken der Interbankenmärkte
Dieses Kapitel beleuchtet die Aufgaben des Interbankenmarktes, wie z. B. den horizontalen Liquiditätsausgleich, den geldpolitischen Transmissionsmechanismus und das Risikomanagement. Anschließend werden die Risiken des Interbankenmarktes, wie Kreditrisiko, Liquiditätsrisiko und systemisches Risiko, analysiert.
Kapitel 4: Bisherige Untersuchungen des Interbankenmarktes
Dieses Kapitel analysiert verschiedene theoretische Ansätze zur Interbankenkoordination und stellt empirische Untersuchungen der Netzwerkstruktur des Interbankenmarktes vor. Es werden die Daten, die Formulierung der Interbankenverflechtungen und die "Two-Tier-Struktur" des deutschen Interbankenmarktes im Detail betrachtet. Außerdem wird ein internationaler Vergleich der Interbankenmarktstrukturen durchgeführt.
Kapitel 5: Einfluss der europäischen Zentralbank
Dieses Kapitel beleuchtet die geldpolitischen Instrumente der EZB, wie z. B. die Mindestreservepflicht, die Offenmarktgeschäfte und die ständigen Fazilitäten. Anschließend wird die Rolle des Staates im Kontext des Interbankenmarktes diskutiert, wobei die Folgen fehlender Staatseingriffe in Krisenzeiten und das Grunddilemma zwischen Staat und Banken betrachtet werden.
Schlüsselwörter
Interbankenmarkt, Interbankenkredite, Liquidität, Risikomanagement, Kreditrisiko, Liquiditätsrisiko, Systemisches Risiko, Europäische Zentralbank, Geldpolitik, Interbankenkoordination, Netzwerkstruktur, Two-Tier-Struktur, Deutscher Interbankenmarkt
- Quote paper
- Oki Bukhuu (Author), 2011, Interbankenmärkte - Bestandsaufnahme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180553