1.1. Definition
Der Glaube an Jesus Christus wurde im Mittelalter nicht nur als Lehrstück
behandelt, sondern auch gelebt. Daher hat er sich nicht in ständig
gleichbleibender Form gezeigt. Vielmehr traten zu bestimmten Zeiten einzelne
Gedanken stärker hervor und andere zurück, so dass in der bildenden Kunst,
die dem Glauben Rechnung tragen wollte, nach geeigneten Möglichkeiten
gesucht wurde, diese verschiedenen Akzentuierungen auch in den
Darstellungen Jesu Christi erkennbar werden zu lassen. Ein besonders
signifikantes Beispiel für ein solches Hervortreten einzelner Gedanken und die
Suche nach deren bildkünstlerischer Umsetzung ist das seit dem
Hochmittelalter fassbare Phänomen des Schmerzensmannes.
Unter dem Begriff Schmerzensmann versteht man ein Bild Jesu Christi, das
durch die Wundmale, insbesondere durch die Seitenwunde, auf die Passion
und die Wiederholung dieses Opfers im Rahmen der Eucharistie hinweisen soll.
Es ist zu unterscheiden von den Ecce-homo-Bildern, auf denen Christus – mit
Dornenkrone und Purpurmantel – mit den Merkmalen der vorangegangenen
Geißelung, jedoch ohne die Wundmale zu sehen ist.1
Im deutschen Raum ist für den Schmerzensmann auch die Bezeichnung
Erbärmdechristus oder „Erbärmdebild“ entstanden. Es stellt Christus in keiner
chronologisch registrierbaren Situation seines Leidenswegs (bspw. Johannes
18 bis 19) dar, sondern zeigt ihn als Erlöser und visionäre Symbolfigur, durch
die Wunden als schon gekreuzigt ausgewiesen. Er wird als Mensch tot und als
Gott lebend dargestellt. Das Wesen Christi, zugleich Gott und Mensch, wird
bildlich ausgedrückt, wobei jedoch ein neues, gefühlsbetontes Moment
hinzukommt: Der Gekreuzigte scheint sich bisweilen unmittelbar an den
Betrachter zu wenden und um Erbarmen zu flehen.2 [...]
1 vgl. Seibert, Jutta (Hrsg.). Lexikon christlicher Kunst. 1980, Freiburg, Brsg.: Herder, S. 279
2 Sachs, Hannelore, Badstübner, Ernst, Neumann, Helga. Christliche Ikonographie in
Stichworten. 1973, S. 297
Inhaltsverzeichnis
- Der Schmerzensmann
- Definition
- Der Begriff Schmerzensmann
- Kreuzigungsdarstellungen um 1300
- Der Franziskanerorden und die Andacht
- Franziskus von Assisi und der Schmerzensmann
- Das kleine Andachtsbild
- Geschichte des Schmerzensmann-Bildes im Mittelalter
- Literaturnachweis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text untersucht die Entwicklung des Schmerzensmann-Bildes im Mittelalter. Er beleuchtet die Entstehung und Bedeutung dieses Motivs in Bezug auf den christlichen Glauben und die Kunst des Mittelalters.
- Die Definition und Entwicklung des Schmerzensmann-Motivs
- Der Einfluss des Franziskanerordens auf die Andacht zum Schmerzensmann
- Die Geschichte des Schmerzensmann-Bildes im mittelalterlichen Kontext
- Die Rolle des Schmerzensmannes als Symbolfigur und Andachtsobjekt
- Die ikonographischen Besonderheiten des Schmerzensmann-Motivs
Zusammenfassung der Kapitel
1. Der Schmerzensmann
Dieses Kapitel definiert den Begriff „Schmerzensmann“ und erläutert dessen Bedeutung im Kontext des christlichen Glaubens. Es wird die ikonographische Entwicklung des Motivs, die sich vom klassischen Kreuzigungsbild unterscheidet, dargestellt. Auch die Einordnung des Schmerzensmannes in die verschiedenen Typen der Darstellung Jesu Christi wird beleuchtet.
2. Der Franziskanerorden und die Andacht
Dieses Kapitel befasst sich mit dem Einfluss des Franziskanerordens auf die Andacht zum Schmerzensmann. Es wird hervorgehoben, wie Franziskus von Assisi das Schmerzensmann-Motiv in seine Predigten und die franziskanische Spiritualität integriert hat. Zudem wird die Rolle des kleinen Andachtsbildes im Kontext der franziskanischen Bewegung beschrieben.
3. Geschichte des Schmerzensmann-Bildes im Mittelalter
Dieses Kapitel beleuchtet die Geschichte des Schmerzensmann-Bildes im mittelalterlichen Kontext. Es werden die verschiedenen Typen und Varianten des Motivs, die Entwicklung der ikonographischen Gestaltung sowie die Bedeutung des Schmerzensmannes als Symbolfigur und Andachtsobjekt im mittelalterlichen religiösen Leben dargestellt.
Schlüsselwörter
Schmerzensmann, Andachtsbild, Kreuzigungsdarstellung, Franziskanerorden, mittelalterliche Kunst, christliche Ikonographie, Passion Christi, Eucharistie, vir dolorum.
- Quote paper
- Michael Kaiser (Author), 2001, Andachtsbilder - Der Schmerzensmann, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18140