Metaphern und Modelle der Moral


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


GLIEDERUNG

1. Einleitung

2. Keith Basso: ,Wise words’ of the Western Apache: Metaphor and Theory
2.1 Definition der Metapher
2.2 Charakteristika
2.3 Einsatz von Metaphern
2.4 Interpretation

3. George Lakoff: Metaphor, Morality, and Politics
3.1 Definition der Metapher
3.2 Grundlegende Modelle
3.3 Konservative Metaphern der Moral
3.4 Liberale Metaphern der Moral
3.5 Konservative und liberale Modelle - ein Vergleich

4. Metaphern und Modelle der Moral

5. Zusammenfassung

6. Begriffe

7. Literatur

1. Einleitung

Metapher bedeutet im ursprünglichen Sinne die Übertragung von Bedeutungen oder Bezeichnungen aufgrund von Ähnlichkeiten der äußeren Gestalt, der Funktion und Verwendung durch impliziten Vergleich bzw. Ineinanderfließen der Vorstellungen. Beispiele geben „der Löwe Achill“ oder „der Gesang der Wellen“ (vgl. Lewandowski. Linguistisches Wörterbuch 1990).

Wir kennen die Metapher aus dem Schulunterreicht als Ornament zur Verzierung von Sprache. Metaphern sind jedoch nicht nur in der poetischen Sprache, sondern auch in der Alltagssprache und in allen anderen Formen von Sprache zu finden. Keith Basso (Professor für Linguistik an der Universität Arizona) beschäftigt sich in seinem Aufsatz mit Metaphern in der Alltagssprache von Apachen in Nordamerika. Er verfolgt das Ziel, die Funktion von Metaphern in einem kulturellen System zu verdeutlichen. Um das Verstehen der Bedeutung von Metaphern zu erleichtern, erstellt er Richtlinien zu deren Interpretation. Ähnlich beleuchtet George Lakoff (Professor für Literatur an der Universität Californien, Berkeley) Metaphern der Moral in der alltäglichen Sprache. Lakoff konzentriert sich dabei jedoch weitestgehend auf metaphorische Modelle im sozialen und politischen Denken der amerikanischen Gesellschaft. Als Grundlage stellt er das Modell der ‚Finanziellen Transaktion’ vor, welches er auf das allgemeine Modell der Moral überträgt. Der Begriff der Metapher soll hier in Hinsicht auf metaphorische Modelle der Moral untersucht werden. Untersuchungen der beiden genannten Autoren werden bezüglich dieser Themenstellung herangezogen. Anschießend werden einige Überlegungen zur Bedeutung und zur Funktion von Metaphern in der Gesellschaft ausgeführt.

2. Keith Basso: ‘Wise Words’ of the Western Apache: Metaphor and Semantic Theory

2.1 Definition der Metapher

Zur Definition der Metapher zieht Basso ein Zitat von Walker Percy (1981) heran: a metaphor „asserts of one thing that it is something else“. Die wichtigste Eigenschaft der Metapher liegt in ihrer Asymmetrie. In einer Metapher werden bewusst linguistische Regeln übertreten, woraus resultiert, das sie als eine widersprüchliche Aussage erscheint. Erst bei Hinzuziehen von Hintergrundinformationen kann eine Metapher als versteckter Vergleich verstanden werden. „Metaphor is simile in disguise“ (Basso 1990, S. 56).

2.2 Charakteristika

Die hier betrachteten Metaphern können nach der Klassifizierung von Max Black in die Vergleichstheorie eingeordnet werden. Max Black unterscheidet Metaphern grundsätzlich nach der Substitutionstheorie, Vergleichstheorie und Interaktionstheorie (vgl. Black 1962, S. 61). Die Metapher ist in diesem Fall das Substitut für einen wörtlichen Vergleich und weist auf Ähnlichkeiten zum wörtlichen Ausdruck hin.

Das ‚ metaphorische Statement’ besteht nach Basso aus einer offensichtlichen Verletzung von linguistischen Regeln und erscheint dem Betrachter auf den ersten Blick entweder logisch falsch oder ‚begrifflich absurd’. Die Metapher enthält demnach Wahrheit und Unwahrheit zugleich. Ein Beispiel gibt: „Oh blackbird what a boy you are!“ ( Basso 1990, S. 56). Auf den ersten Blick ergibt der Satz keinen Sinn, denn unverkennbar kann das Objekt ,Amseln' nicht mit dem Objekt ,Jungen' gleichgesetzt werden. Abgesehen von mehreren Differenzen weisen die beiden Objekte jedoch einige Gemeinsamkeiten auf. Beide neigen beispielsweise dazu, Lärm zu verursachen. Das Statement enthält also einen versteckten Vergleich. Zum besseren Verstehen einer Metapher sollte diese als eine erklärende Aussage abgewiesen und als eine vergleichende Aussage interpretiert werden.

Die Metapher der Vergleichstheorie manifestiert sich in Form von einfachen Äußerungen und charakterisiert sich durch den syntaktischen Typ Subjekt, Prädikat und Verb. In der Sprache der Apachen beschreibt das Subjekt dabei eine Kategorie natürlicher Phänomene, das Prädikat eine menschliche Kategorie. Das Verb dient als Kopula. Unter natürlichen Phänomenen werden Blitze, Regen oder auch Tiere verstanden. Die menschliche Kategorie umfasst ausschießlich das menschliche Wesen wie z.B. den weißen Mann oder den Apachen. In jedem der oben genannten Beispiele wird eine semantische Regel übertreten, d.h. das Subjekt besitzt denotative Merkmale, die mit den denotativen Merkmalen des Prädikats nicht übereinstimmen.

Beispiele für ‚Western Apache Metaphors’:

a) ‚Lightning is a boy.’
b) ‚Ravens are widows.’
c) ‚Carrion beetle is a white man.’
d) ‚Dogs are children.’
e) ‚Apaches are coyotes.’
f) ‚Butterflies are girls.’
g) ‚Butterflies are sweethearts.’
h) ‚Burros are old women.’

Die Metapher enthält zwei unterschiedliche semantische Merkmale: zum einem das semantische Merkmal mit denotativer Bedeutung von Wörtern und zum anderen das semantische Merkmal mit konnotativer Bedeutung von Wörtern. Ersteres gibt die notwendigen Eigenschaften für die Dazugehörigkeit eines jeweiligen Wortes zu einer Klasse von Objekten an. Letzteres besteht aus Gemeinsamkeiten oder möglichen Tatsachen, welche durch denotative Bedeutungen ins Gedächtnis gerufen werden können. Sie existieren von allen alltäglichen Sachen und sind vergleichbar mit den von Max Black definierten „associated commonplaces“, welche die Menge von Assoziationen bezeichnen, die ein Mitglied einer Kultur zu einem bestimmten Begriff hat (Black 1962).

Basso verdeutlich das anhand von Beispiel c) „Carrion beetle is a white man.“ (vgl. Abb. 1). Die beiden Objekte ,Carrion beetle' und ,white man' sind die metaphorischen Komponenten mit denotativer Bedeutung. Sie gehören nicht zur selben Objektklasse. Ihre semantischen Unterschiede können in einer untergeordneten Klasse überwunden werden, beispielsweise in der Klasse der Erdbewohner. Beide Komponenten weisen die Eigenschaft auf, verschwenderisch mit Nahrungsmitteln umzugehen. Diese Eigenschaft ist ein Merkmal mit konnotativer Bedeutung von Wörtern. Auf dieser Basis besteht eine Äquivalenz zwischen den beiden metaphorischen Komponenten.

Abb 1.: Die Objektklassen ‚carrion beetle’ und ‚white man’ in der lexikalischen Hierarchie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: verändert nach Basso 1990, S.63

Die Objektklassen der beiden metaphorischen Komponenten sind auf hierarchischer Ebene in den gleichen Bereich eingegliedert. Sie sind abhängig von ihrer Position in

lexikalischen Hierarchien von semantischen Klassen. Die Klassen werden dabei durch die Komponenten der Metapher bezeichnet.

2.3 Einsatz der Metaphern

In der Metapher werden eines oder mehrere Verhaltensattribute beschrieben, welche die Komponenten der Metapher gemeinsam haben. Diese Verhaltensattribute sind für unerwünschte Qualitäten indikativisch. Metaphern von diesem Typ werden von den

Apachen als ‚wise words’ bezeichnet. Sie treten als Sprachgenre von erwachsenen Männern und Frauen auf, die Ansehen für ausgewogenes Denken, kritischen Scharfsinn und ausgeprägtes kulturelles Wissen erhalten. ‚Wise words’ werden von älteren Menschen benutzt, wenn sie nicht mögen, was jemand getan hat und ihn aufgrunddessen kritisieren wollen. Die Gültigkeit dieser Grundsätze beruht auf einer empirischen Befragung von Apachen. Selbst innerhalb einer Sprachgemeinschaft sind unterschiedliche Arten der Interpretation von ein und derselben Metapher möglich. Allerdings sind alle Paraphrasen auf ähnliche Verhaltensweisen konzentriert. Zwei Beispiele von erläuternden Paraphrasen sollen den Sachverhalt veranschaulichen.

a) ‚Ligntning is a boy.’

„They will shoot aimlessly, too. They will both shoot anywhere, not aiming away from people’s camps, not caring what they hit. That ist why they both‚Lightning is a boy.’

Interpretation: Yes, young boys are the same as lightning. They both dart around fast and you just can’t tell what they are going to do. They both act unpredictably. They never stay still. Both are always darting around from place to place and cause damages.“

c) ‚Carrion beetle is a white man.’

„Well, there is this way that carrion beetle reminds us of white men - they waste much food. Carrion beetle, when he is young and before he starts to eat meat, just eats a little hole in a leaf and then moves on to eat a little hole in another. He leaves plenty of good food behind him. It is like this with some white people, too. Another way they are the same, these two, is that in the summer they only come out from where they live when it is cool. You only see carrion beetles early in the mornig and again in the early evening. It is the same with some white people. In the summer they always want to stay some place where it is cool.“

Die Metapher dient in der Gesellschaft der Apachen als Instrument für den Ausdruck milder persönlicher Kritik im Verlauf sozialer Interaktion. Erst anhand von zusätzlichen Informationen kann die kritisierte Person identifiziert werden. ‚Wise words’ werden von einer bestimmten Gruppe von Menschen in der Gesellschaft zur moralischen Wertung benutzt. Die Position dieser Gruppe in der Gesellschaft ist genau definiert.

2.4 Interpretation

Zu einer adäquaten Interpretation von Metaphern gehört die Verbindung von Sprache mit dem sozialen Leben. Das Wissen, das die Aktivität des Sprechens führt und formt und das eigentliche Verhalten verbaler Kommunikation der Gesellschaft treten hier in den Vordergrund. Die grundlegende Frage bei der Interpretation lautet demnach: was soll wie zu wem unter welchen Umständen gesagt werden?

„For it is in metaphor – perhaps more dramatically than in any other form of symbolic expressions - that language and culture come together and display their fundamental inseparability. A theory of one that excludes the other will inevitably do damage to both“ (Basso 1990, S.79).

3. George Lakoff: Metaphor, Morality, and Politics

3.1. Definition der Metapher

Lakoff versteht die Metapher als unbewussten Mechanismus des Nutzens von Mustern und Sprache eines bestimmten Ursprungsbereiches zur Übertragung auf einen anderen Bereich. „The essence of metaphor is understanding and experiencing one kind of thing in terms of another“ (Lakoff, Johnson 1980, S.5).

3.2. Grundlegende Modelle

Das erste Modell ist das Modell der ‚erfahrenen Moral’. Hierbei geht darum, dass Gesundheit als erfahrenes Wohlergehen und Krankheit als erfahrenes Unwohlsein, als Schaden bezeichnet werden kann. Lakoff bezeichnet dieses Modell als die grundlegendste Form und als nicht-metaphorische Moral, auf der jegliche metaphorische Moral basiert.

Lakoffs Definition einer Metapher (siehe oben) kann am Modell der ‚finanziellen Transaktion’ gut veranschaulicht werden. Statements wie das ,Begleichen von Schulden' oder ,Bezahlen von Rechnungen' aus dem Bereich der Buchhaltung können problemlos auf andere Bereiche übertragen werden. Der Bereich der finanziellen Moral wird hier auf den Bereich der allgemeinen Moral übertragen. Es ist moralisch, seine Schulden zu bezahlen und unmoralisch, es nicht zu tun. Wie finanzielle Schulden müssen auch moralische Schulden bezahlt werden.

Das Modell untergliedert sich weiterhin in Metaphern der Erwiderung, Vergeltung, Rache, Rückgabe und Selbstlosigkeit. Moralisches Handeln gilt hierbei als positiver Wert und unmoralisches Handeln als negativer Wert. Im Fall der Erwiderung wird einer Person durch moralisches Handeln ein positiver Wert oder durch unmoralisches Handeln ein negativer Wert zugefügt. Beides kann erwidert werden, um die Rechnung zu begleichen. Im Fall der Vergeltung wird ein negativer Wert, d.h. Schaden zugefügt. Es kommt zur Vergeltung, indem ebenfalls Schaden zufügt und somit ein positiver Wert genommen wird. Rache wird als moralische Äquivalenz von Vergeltung betrachtet. Rache bedeutet positive Werte zu nehmen. Im Fall der Rückerstattung gibt eine Person gleichkommende positive Werte an eine andere zurück. Im Fall des Altruismus werden selbstlos positive Werte an eine Person gegeben, ohne dafür ebenfalls positive Werte, d.h. eine Begleichung der verursachten Schulden zu erwarten.

Lakoff unterscheidet weiterhin grundsätzlich in konservative und liberale Metaphern der Moral.

3.3 Konservative Metaphern der Moral

Hierbei geht es um Metaphern in der konservativen Weltsicht, und besonders in der konservativen Sozialpolitik. Eine Gruppe von Metaphern, der „Strength Complex“, definiert die höchsten Prioritäten in konservativen moralischen Werten.

Die höchste Priorität hat die moralische Stärke. Sie wird auch als moralische Ganzheit betrachtet. Weiterhin von Bedeutung sind die moralischen Grenzen. Unmoralische Menschen, die vom Weg abkommen und andere mitziehen, schaffen durch Übertreten der Grenzen neue Abwege. Moralische Autorität bezieht sich beispielsweise auf elterliche Autorität. Die Moral des Gehorsams bewirkt das Befolgen der moralischen Regeln. Moralische Essenz beinhaltet Tugenden, d.h. gute essentielle Eigenschaften. Dem stehen Laster, d.h. schlechte essentielle Eigenschaften gegenüber. Zur moralischen Gesundheit zählen eine reine und saubere Moral und das Fernhalten von unmoralischen Menschen, beispielsweise bei der Erziehung von Kindern. Die letztgenannte Priorität ist das moralische Selbstinteresse, welche auf das Maximieren des eigenen Wohlergehens abzielt. Allgemeines Wohl bedeutet hier allgemeiner Reichtum. Durch diszipliniertes und unbehindertes Anstreben von Selbstinteresse wird Selbstvertrauen erreicht.

Es folgen Modelle der Familie: „Strict Father"- Modell und „Nation as Familiy"- Modell.

Das „Strict Father"- Modell beinhaltet, dass der Vater primäre Verantwortung für das Wohl des Haushaltes hat, während die Mutter die alltägliche Verantwortung für die Betreuung des Haushaltes und die Erziehung der Kinder trägt. Das „Nation as Familiy"- Modell schafft die Verbindung vom „Strict Father Model“ zur Politik und wird von Konservativen und Liberalen geteilt. Die Nation wird dabei mit der Familie gleichgesetzt, die Regierung mit den Eltern oder dem Elternteil und die Bürger mit den Kindern.

3.4 Liberale Metaphern der Moral

Die Politik der Liberalen zentriert sich ebenfalls um eine familienbasierende Moral. Liberale sind jedoch im Unterschied zu den Konservativen in isolierte Interessengruppen aufgeteilt. Es existiert keine einheitliche Bildung liberaler Politik. Es folgen Modelle der Familie: „Nurturant Parent"- Modell und „Nation as Family"- Metapher.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Metaphern und Modelle der Moral
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Ethnologische Fakultät)
Veranstaltung
Oberseminar: Metaphern und Modelle in der Ethnologie
Note
2,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V18197
ISBN (eBook)
9783638225908
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Metaphern, Modelle, Moral, Oberseminar, Metaphern, Modelle, Ethnologie
Arbeit zitieren
Katja Kruschel (Autor:in), 2002, Metaphern und Modelle der Moral, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18197

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