Jugendarbeit im Sport

Jugendverbandliche Arbeit in der Deutschen Taekwondo Union


Diplomarbeit, 2008

143 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsbestimmung
2.1 Sport
2.2 Jugendarbeit
2.3 Deutsche Taekwondo Jugend

3 Sport in Deutschland
3.1 Historische Betrachtung
3.1.1 Epochen des deutschen Sports vor
3.1.1.1 Gründerzeit des deutschen Sports - Turnen mit F.L.Jahn
3.1.1.2 Leibesertüchtigung im aufstrebenden Kaiserreich
3.1.1.3 Leibeserziehung in den Wirren der Weimarer Republik
3.1.1.4 (Jugend)Sport als Mittel zum Zweck im Dritten Reich
3.1.2 Epochen des deutschen Sports nach
3.1.2.1 Alliierter Kontrollrat und Sektorensporträte
3.1.2.2 Willi Daume - Wegbereiter des deutschen Sportbundes (1950-1970)
3.2.1.3 Willi Weyer - der „politische“ Präsident (1974-1986)
3.2.1.4 Hans Hansen - Präsident der sportlichen Einheit (1986-1994)
3.2.1.5 Manfred von Richthofen - Präsident der Fusion DSB/NOK (1994-2006)
3.1.2.6 Dr. Thomas Bach - Präsident des DOSB (ab 2006)
3.1.2.7 Entstehung der Deutschen Sportjugend
3.2 Organisationsstrukturen im Sport
3.3 Gesellschaftspolitische Bedeutung

4 Jugendverbandsarbeit
4.1 Jugendverbände in Deutschland
4.1.1 Jugendbewegungen der Vorkriegszeit (1896-1918)
4.1.2 Bündische Jugend der Zwischenkriegszeit (1918-1945)
4.1.3 Jugendverbände der Nachkriegszeit (1945 bis heute)
4.2 Gesetzliche Grundlagen der Jugendarbeit
4.2.1 Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG)
4.2.2 Vom JWG zum Kinder- und Jugendhilfegesetz
4.3 Jugendverbandsarbeit im Sport
4.3.1 Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit
4.3.2 Jugendarbeit der Deutschen Sportjugend
4.4 Soziale Bedeutung sportlicher Jugendarbeit
4.4.1 Sport und Sozialarbeit in Kooperation
4.4.2 Sport als soziale Reparaturwerkstatt - kritische Stimmen

5 Jugendarbeit der Deutschen Taekwondo Jugend
5.1 Die Sportart Taekwondo
5.2 Neue Konzepte in der jugendverbandlichen Arbeit
5.3 Das „10-Säulen-Konzept“
5.3.1 Basisarbeit
5.3.2 Bildungsarbeit
5.3.2.1 Konzeption zur Ausbildung von Jugendleitern
A Grundlegende Positionen
B Bildungsanspruch und Umsetzung
C Handlungsfelder und Ziele
D Gliederung der Ausbildung
E Methodisch-Didaktische Grundsätze
F Erarbeitung der Ausbildungsinhalte
G Kooperationsmodell
H Qualifizierungs- und Lizenzordnung
I Erfolgskontrolle / Qualitätsmanagement / Referenten
J Personalentwicklung
K Rahmenbedingungen
5.3.3 Freizeitarbeit
5.3.3.1 Organisationsstrukturen von Kinder- und Jugendfreizeiten
A Planung
B Ausschreibung
C Finanzierung
D Materialbeschaffung
E Pressearbeit
F Teambesprechung
G Elternbesprechung
H Reiseantritt
I Freizeit- und Teamstruktur
5.3.4 Schulsportarbeit
5.3.2.1 Konzeption: „Taekwondo als Schulsport“
A Rahmenbedingungen
B Was ist Taekwondo
C Was leistet Taekwondo
D Taekwondo im Schulsport - Praktische Inhalte
E Taekwondo in der Schule - Kooperationsformen
F Personelle Voraussetzungen
G Materielle Voraussetzungen
H Sicherheit und Regeln
5.3.5 Gremienarbeit
5.3.5.1 Auseinandersetzung mit der Stellung der Jugend
A Jugendordnung - was ist das
B Eigenständigkeit der Jugend - Einwände und Entgegnungen
C Repräsentation der Jugend im Gesamtverein/-verband
5.3.6 Sportliche Jugendarbeit
5.3.7 Jugendaustausch
5.3.8 Öffentlichkeitsarbeit
5.3.9 Koordination
5.3.10 Evaluation

6 Zusammenfassung und Ausblick

7 Eigenständigkeitserklärung

8 Abkürzungsverzeichnis

9 Anhang

10 Literaturverzeichnis

11 Webbibliografie

1 Einleitung

Der Sport in Deutschland erfreut sich ungebrochener Sympathie seitens der Gesellschaft. Mit über 27 Millionen Menschen betreibt etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung organisierten Sport in den rund 90.000 Vereinen. Davon sind nahezu 9,5 Millionen Mitglieder Kinder und Jugendlichen im Alter bis 27 Jahre. Diesen hohen Prozentsatz an jungen Menschen im Sport und damit auch der Jugendverbandsarbeit muss Rechnung getragen werden.

Jungen Menschen treffen heute die Entscheidungen von morgen und orientieren sich dabei am Zeitgeist einer sich ständig wandelnden Welt. Jugendlichkeit steht für Optimierung sowie Entwicklung und ist damit auch Garant für Fortschritt. Jugendorganisationen geben jungen Menschen die Möglichkeit, sich in die Angelegenheiten ihrer Generation aktiv einzumischen, nicht nur bloßen Anteil zu nehmen, sondern selbst gestalterisch zu wirken. Die Teilhabe am eigenen Lebensumfeld orientiert sich dabei sowohl an individuellen als auch gemeinschaftlichen Interessen. Übereinstimmende Interessen kennzeichnen die Zugehörigkeit zu einer Interessengruppe, deren Bestand die Voraussetzung für eine erfolgreiche Gesellschaft ist. In Deutschland gilt der organisierte Sport als größte Interessengruppe, in der es notwendig ist Verantwortung zu übernehmen. Entwicklung und Fortbestand solcher Interessengruppen sind nur durch die Partizipation ihrer Mitglieder möglich. Insbesondere für junge Menschen bedeutet dies die Chance selbst aktiv zu sein, Verantwortung zu übernehmen und somit auch tatsächlich Jugendarbeit mit zu gestalten.

Die in die deutsche Sportstruktur eingebundenen Jugendorganisationen befassen sich daher intensiv mit der Partizipationsthematik, den rechtlichen Rahmenbedingungen sowie dem grundlegenden Selbstverständnis von Beteiligung. Allerdings scheint letzteres bei genauerer Betrachtung doch noch nicht überall der Fall zu sein. Allzu oft wird durch eine überalterte Funktionärsebene an überkommenen und längst nicht mehr zeitgemäßen Strukturen festgehalten, so dass hier oftmals noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Um dieses Ziel zu erreichen, ist daher gerade in den ehrenamtlichen Strukturen der Bund- und Länderebene eine gut strukturierte, fachlich qualifizierte und professionelle Jugendverbands- arbeit notwendig. Da Jugendverbandsarbeit ein sehr breitgefächertes Gebiet ist, müssen hier bewusst spezifische Schwerpunkte herausgearbeitet werden, die sowohl inhaltlich als auch fachlich definiert werden.

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei etwa gleich große Hauptbereiche, welche durch einen Zwischenteil thematisch miteinander verbunden sind.

Im ersten Hauptteil geht es um die Geschichte des Sports in Deutschland, seiner gesellschaftlichen, sozialen und politischen Stellung sowie dem Heranwachsen der heute bestehenden differenzierten Organisationsstruktur. Gegliedert ist dieser Teil durch verschiedene zeitliche Epochen anhand derer die wechselvolle Geschichte des organisierten Sports nachgezeichnet wird. Eine kurze Darstellung der spezifischen Organisationsstrukturen von Deutschem (Olympischen) Sportbund, der Deutschen Sportjugend sowie der Deutschen Taekwondo Jugend sowie die Beschäftigung mit der Frage nach der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Sports schließen diesen ersten Hauptteil ab.

Der Zwischenteil beschäftigt sich zuvorderst mit der Geschichte der Jugendverbände im Allgemeinen, ihren Ursprüngen, Beweggründen, Struktur und ihrer gesellschaftspolitischen Stellung. Danach beschäftigt sich die Arbeit mit den gesetzlichen Grundlagen der Jugendarbeit sowie mit der Jugendverbandsarbeit als einer ganz speziellen Form von Jugendarbeit. Dieser Teil schließt mit Betrachtung der sportlichen und vor allem gesellschaftlich-sozialen Bedeutung von Jugendverbandsarbeit.

Im zweiten großen Hauptteil steht die Jugendverbandsarbeit der Deutschen Taekwondo Jugend im Vordergrund. Auf Basis der Erkenntnisse aus den zwei vorhergehenden Teilen, wird versucht ein umfassendes Konzept für Jugendverbandsarbeit zu entwickeln. Im Zentrum steht dabei das vom Autor1 entwickelte „10-Säulen-Konzept“, welches die wichtigsten Schwerpunktfelder in der Jugendverbandsarbeit der Deutschen Taekwondo Jugend für die nächsten Jahre markieren soll. Die wichtigsten Säulen bilden dabei Schulsportarbeit, Bildungsarbeit und Freizeitarbeit - diese Bereiche sind daher besonders ausführlich dargestellt und zum Teil mit eigenständigen Konzeptionen untersetzt.

Der Autor ist seit 10 Jahren aktiv in der sportlichen Jugendverbandsarbeit tätig. Angefangen in einem großen Mehrspartenverein, über den Landkreis, wurde er 1999 Vorsitzender der Thüringer Taekwondo Jugend und ist seit 2006 2.Vorsitzender der Deutschen Taekwondo Jugend. Darüber hinaus ist er in mehreren Ausschüssen und Kommissionen auf der Landes- und Bundesebene aktiv. Schwerpunkt dieser ehrenamtlichen Arbeit bilden die außerschulische Jugendbildung, Gremienarbeit, Konzeptentwicklung und eine stetige fachlich-qualifizierte Professionalisierung der Jugendverbandsarbeit.

2 Begriffsbestimmungen

Zur näheren Bestimmung des Themas und Eingrenzung der Begrifflichkeiten, sollen diese hier kurz definiert, erklärt und umschrieben werden.

2.1 Sport

Der Sportbegriff leitet sich vom lateinischen „disportare“ (sich zerstreuen) her, entwickelte sich weiter über den französischen „desport“ (Erholung, Zerstreuung) bis hin zum englischen „sport“ (Spaß, Vergnügen, Erholung) und bürgerte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich auch in Deutschland ein. Im deutschen Raum wurden gerade in der Anfangszeit mehrere Begriffe nahezu synonym verwendet. Der älteste davon ist „Leibesübungen“, welcher bereits im 16. Jahrhundert Verwendung fand. Anfang des 19. Jahrhunderts sprach man hauptsächlich vom „Turnen“, da die deutsche Turngemeinschaft bald die größte Fraktion der sporttreibenden Bevölkerung stellte. Dieser Begriff wird teilweise bis in die heutige Zeit im umgangssprachlichen Gebrauch - bspw. für den Sportunterricht - synonym verwendet. Die ebenfalls verwendeten Begriffe Leibesertüchtigung und Leibeserziehung fallen ins 19. und 20. Jahrhundert, wobei letzterer durch die Reformpädagogik seit 1920 eingesetzt wird um die pädagogische Zielsetzung des Sports stärker herauszustellen. In der Neuzeit wurde gerade in den sozialistischen Ländern der Begriff Körperkultur geprägt, welcher die Verbindung von Gesundheit, Erziehung und Sport verdeutlichen soll.

Heute bezeichnet Sport alle Tätigkeiten, die vorwiegend körperliche Bewegungen sind und auf eine höhere körperliche (aber auch geistige) Leistungsfähigkeit zielen. Grundlegende Merkmale des Sports sind die Einheitlichkeit von Regeln, seine weltweite Verbreitung sowie die Austragung von nationalen und internationalen Vergleichskämpfen. Weiterhin zählen Fairplay, Toleranz und Zielstrebigkeit zu den wichtigsten Tugenden des Sports.

In Deutschland ist der Sport hauptsächlich in Vereinen organisiert, in denen Vereinsleben, Zusammenhalt und Gemeinschaft eine große soziale Rolle spielt. Zudem engagieren sich die Vereine oft über den Sport hinaus in der Kinder- und Jugendarbeit und anderen sozialen Projekten.

2.2 Jugendarbeit

Die Jugendarbeit - eigentlich ist Kinder- und Jugendarbeit zutreffender - ist neben Elternhaus, Kindergarten, Schule und beruflicher Ausbildung ein zwar ergänzender aber oft sehr wichtiger Bildungs- und Erziehungsbereich.

Jugendarbeit wendet sich grundsätzlich an alle Kinder und Jugendlichen unter 27 Jahre (de facto in der Praxis an alle zwischen 6-18 Jahren) und soll zur Persönlichkeitsentwicklung und- entfaltung beitragen, soziale und personale Kompetenzen vermitteln sowie individuelle Ressourcen fördern. Besonders wichtige Kompetenzen der Persönlichkeitsentwicklung sind dabei:

(1) Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl, Selbstorganisation
(2) Aufbau eines eigenen Wertesystems
(3) Eigenverantwortlichkeit, Verantwortungsbewusstsein, Gemeinschaftsgefühl
(4) Kommunikations-, Kooperations- und Konfliktfähigkeit.

Jugendarbeit ist sehr facettenreich und vielgestaltig. Sie richtet sich prinzipiell an alle Kinder und Jugendlichen, ist aber in einigen Bereichen auf bestimmte Gruppen mit spezifischen Problemlagen fokussiert.

Jugendarbeit wird sowohl von öffentlichen Trägern (bspw. Jugendamt) als auch von freien Trägern der Jugendhilfe (bspw. Jugend-, Sozial- und Hilfsorganisationen) geleistet. Als gesetzliche Grundlage hierfür dient das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) sowie die spezifischen Ausführungsgesetze zur Kinder und Jugendhilfe der Länder.

Die Struktur der Jugendarbeit entscheidet sich in wesentlichen Merkmalen von anderen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen.

(1) Freiwilligkeit und Partizipation (im Sinne von. Mitbestimmung / Mitgestaltung)
(2) Vielfalt der (Jugend)Organisationen (öffentliche und frei Träger)
(3) Vielfalt an Inhalten, Methoden und Arbeitsformen
(4) Ergebnis- und Prozessoffenheit
(5) Lebenswelt- und Alltagsbezogenheit
(6) Überwiegend ehrenamtliche Arbeit

2.3 Deutsche Taekwondo Jugend

Taekwondo ist eine waffenlose koreanische Kampfkunst, welche heute als olympische Wettkampfsportart betrieben wir. Wie alle fernöstlichen Kampfsportarten, so nimmt auch Taekwondo im sportlichen Verständnis der Europäer eine Sonderrolle ein. Sie verkörpert den menschlichen Zweikampf, gepaart mit einer für Europäer fremden Philosophie. Andere Sportarten - wie bspw. Ballsportarten - können hingegen ohne eine spezifische Philosophie betrieben werden. Andererseits macht dieser Punkt, dass „Besondere“ dieser fernöstlichen Sportarten aus.

Die Deutsche Taekwondo Jugend ist die Jugendorganisation der Deutschen Taekwondo Union e.V. Sie wurde 1981 gegründet und umfasst heute 50.000 Kinder und Jugendliche in 16 Landesverbänden und rund 900 Vereinen. Seit dem Jahr 2000 ist Taekwondo eine offizielle olympische Disziplin, was auch im Jugendbereich zu einer Verbreiterung des Aufgabenspektrums führte. Dies brachte sowohl sportlich als auch gesellschaftlich eine höhere Verantwortung mit sich.

Geführt wird sie durch die Bundesjugendleitung, dessen erster und zweiter Vorsitzender ihre Interessen nach innen und außen vertreten. Sie ist innerhalb der Deutschen Taekwondo Verbandes eine selbstverwaltete (Teil)Organisation mit eigener Ordnung und einem vom Hauptverband unabhängigen obersten Beschlussgremium - der Jugendvollversammlung. Die Deutsche Taekwondo Jugend ist als eigenes Referat mit Sitz und Stimme im Gesamtvorstand und seit 2008 im sechsköpfigen Präsidium des Bundesverbandes vertreten.

Die Deutsche Taekwondo Jugend ist ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und hat sich einen breiten Aufgabenkatalog gegeben, dessen Kern eine vielfältige und über rein sportliche Aktivitäten hinausgehende Kinder- und Jugendarbeit ist.

Eines der wichtigen Hauptanliegen ist es dabei, möglichst viele junge Menschen zu motivieren sportlich aktiv zu sein und ihnen durch Sport, Spiel und die Gemeinschaft gleichaltriger Anregungen und Möglichkeiten zu geben, ihre Persönlichkeit zu bilden und soziales Verhalten sowie individuelle Ressourcen zu fördern.

3 Sport in Deutschland

Sport ist so alt wie die Menschheit - jedenfalls fast. Erste sportliche Nachweise in der menschlichen Geschichte lassen sich bereits vor rund 5000 Jahren in der kretisch- mykenischen Epoche finden. Neben sportlichen Übungen für militärische Zwecke, war körperliche Leistung und Überlegenheit auch ein Mittel Ruhm zu erlangen, was zu Herausbildung von ersten sportlichen Wettkämpfen führte. Vor rund 2800 Jahren wurden im antiken Griechenland erstmals die olympischen Spiele durchgeführt. In dieser Zeit war der Sport bereits fester Bestandteil der griechischen Lebensphilosophie, welche diesen mit Kultur, Bildung und Erziehung verband. Sportliche Übungen dienten daher nicht nur der militärischen Schulung des Körpers, sondern bildeten ein zentrales Element der Bildung und Erziehung junger Menschen, bei der gezielt Werte wie Fairplay und Toleranz vermittelt wurden (vgl. EYES, 2004).

Der Sport zählt nun seit rund 200 Jahren zu einem festen Bestandteil in Deutschland. Begannen Anfang des 19. Jahrhundert erst zögerliche Versuche die auch bis dahin schon vereinzelt bestehenden sportlichen Aktivitäten zu kultivieren und der Allgemeinheit zugänglich zumachen, erfreute er sich schnell zu nehmender Beliebtheit und breitete sich schließlich wie ein Flächenbrand in Deutschland aus. Dabei durchdrang er alle Ebenen der Gesellschaft und überwand sogar die noch bis ins 20. Jahrhundert bestehenden Klassenunterschiede. Sport war Gemeinschaft - und Gemeinschaft hieß auch Gleichheit.

3.1 Historische Betrachtung

Um die Struktur, die Verfasstheit und das Selbstverständnis des deutschen Sports in der heutigen Zeit richtig zu verstehen, ist eine eingehende historische Betrachtung unumgänglich. Kommt doch der Entwicklung des organisierten deutschen Sports mit seinem ausgeprägten Vereinswesen eine europäische, wenn nicht sogar internationale Vorreiterrolle zu. Das dies nicht immer unproblematisch verlief und gerade in der Anfangszeit nicht aus reinen sportlichen Motiven, sondern eng verwoben mit politisch-nationalen Zielsetzungen geschah, wird insbesondere im folgenden ersten Abschnitt deutlich, welcher sich der Zeit vor 1945 widmet.

Im zweiten Abschnitt wird die Konsolidierung des deutschen Sports nach 1945 zu einem modernen aufstrebenden Dachverband sowie zur mittlerweile größten deutschen - und im Jugendbereich sogar größten europäischen - Personenvereinigung dargestellt. Nicht unerwähnt hier die Veränderung des Politikverständnisses hin zur parteipolitischen Neutralität, dem Versuch des „unpolitischen Sports“, welcher trotzdem aktiv auf sozial- und gesellschaftspolitische Fragestellungen Einfluss nehmen will.

3.1.1 Epochen des deutschen Sports vor 1945

Die zu Beginn unserer Zeitrechnung gesundheitsorientierte hellenistische Leibesgymnastik war auch im Römischen Reich deutscher Nation verbreitet und wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Sie löste das altrömische rein militärisch ausgerichtete System der körperlichen Ertüchtigung ab. Nachdem das Christentum 380 n. Chr. Staatsreligion wurde, entwickelte sich allerdings schon bald eine leibfeindliche Einstellung. Im nachfolgenden frühen Mittelalter beschränkten sich sportliche Aktivitäten eher auf die aristokratische Selbstdarstellung bei Jagd und Wettkampf bzw. dann im hohen Mittelalter - aufgrund der militärischen Funktion des aufstrebenden Ritterstandes - in Form von militärischen Darbietungen zu ritterlichen Turnieren.

Im Spätmittelalter, Humanismus und Absolutismus verändert sich die Gesellschaft hin zu einer bürgerlichen Gesellschaft in der auch sportliche Aktivitäten wieder mehr gepflegt werden, so bspw. Reiten, Tanzen und Fechten (teilweise in Fechthäusern). An deutschen Gymnasien und Universitäten werden vermehrt sportliche Freizeitaktivitäten angeboten und gefördert. Im Humanismus hält der Sport vereinzelt Einzug in zumeist private Lehranstalten und wird Teil der (körperlichen) Bildung. Es bilden sich erste lose Sportgemeinschaften und auch Ritterakademien gewinnen bezüglich der von ihnen angebotenen sportlichen Ausbildung an Bedeutung.

Erstmals wird im 16. Jahrhundert der Begriff „Leibesübungen“ als Ausdruck sportlicher, turnerischer oder gymnastischer Bewegung im deutschen Sprachraum verwendet. Dennoch dauerte es noch zwei Jahrhunderte bis aus den einzelnen unorganisiert betriebenen Leibesübungen eine organisierte Sportbewegung entstand.

Die in der Zeit der Aufklärung bekämpften geistigen und kulturellen Reformbewegungen des aufstrebenden Bürgertums gewinnen zunehmend an Bedeutung und mit ihnen auch die sportliche Leibeserziehung. Philanthropen wie Rousseau, Vieth und GuthsMuths entwickeln ein erstes qualitativ und quantitativ ernstzunehmendes System der körperlichen Bildung und schulmäßigen Leibeserziehung (Gymnastik).

3.1.1.1 Gründerzeit des deutschen Sports - Turnen mit F.L.Jahn

Der Turnpädagoge und Mathematikprofessor Gerhard Ulrich Anton Vieth verwendete den Begriff der Leibesübungen in seiner 1794 erschienen „Encyklopädie der Leibesübungen“, in welcher er zur Förderung selbiger aufrief und diese erstmals wissenschaftlich systematisch beschrieb. Er erkannte früh den körperlichen Nutzen der Bewegungsabläufe zur Verbesserung der Gesundheit, Stärkung von Muskulatur und Selbstbewusstsein. Eine weitere Funktion sah er in der „Verhütung des Missbrauchs des Geschlechtstriebes“ (VIETH, 1794).

Vor ihm hatte auch schon Rousseau Mitte des 18. Jahrhunderts die Erkenntnis, dass der Körper nicht dem Intellekt untergeordnet sein sollte, sondern vielmehr unmittelbare körperliche Erfahrungen wie beim Laufen, Schwimmen, Spielen oder bei Wettkämpfen und Wanderungen im Mittelpunkt der jugendlichen Entwicklung stehen sollen. Der junge Mensch lernt dabei „gewandt und geschickt zu sein, seinen Körper abzuhärten, seine Sinne einzuschätzen und schließlich lernt er die Dinge in seiner natürlichen Umgebung über seine Bewegung kennen.“ (ROUSSEAU in SCHAEFER, 2005).

Auch der Pädagoge Johann Christoph Friedrich GuthsMuths war ein wichtiger Wegbereiter des deutschen Sports. Sein 1793 erschienenes Werk „Gymnastik für die Jugend“ ist nicht nur hinsichtlich der gymnastischen Körpererziehung von Bedeutung, sondern stellt insbesondere dessen pädagogische Relevanz in den Vordergrund. In ihm entwickelt er erstmals eine eigene Systematik und Methodik der Körpererziehung. Weiterhin postulierte er umfassende Ideen und Vorschläge zur Körperkultur, die weit über seine Zeit hinausgingen. Seine Körpererziehung sollte vor allem in der freien Natur stattfinden, getreu seinem Motto: „Erziehung gedeiht am besten im Schoße der Natur.“ (GUTSMUTHS, 1793).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 01 Erste grundlegende Turngeräte aus der Zeit von GuthsMuths und Jahn, nahezu alle sind in der dargestellten oder leicht abgewandelten Form noch heute gebräuchlich.

Einer der wichtigsten Vertreter des 19. Jahrhunderts war der deutsche „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn. Dieser verhalf dem deutschen Sport (bzw. damals „Turnen“) und vor allem seiner praktischen Ausübung entscheidend auf die Sprünge und letztendlich auch zu einem gesellschafts-umfassenden Durchbruch. Er begründete 1807 die deutsche Turnbewegung und errichtete 1811 den ersten öffentlichen Turnplatz auf der Berliner Hasenheide. Er entwickelte hierfür eigene Turnübungen und konstruierte eigens dafür ausgelegte Turngeräte, die ständig weiterentwickelt wurden. Bis heute sind einige Grundformen gebräuchlich, so bspw. Pferd, Barren, Reck, Bock, Kasten, Ringe und einige weitere. Die Organisationsform für den „Sport“ dieser Zeit war die Turnanstalt (später dann Turnverein).

Darüber hinaus wurden von ihm auch eine einheitliche Turntracht gefordert und die ersten Turngesetze1 erstellt - welche bereits im 19. Jahrhundert die Gleichheit aller Turner proklamierten und damit die bestehenden Schicht- und Klassengrenzen zu überwinden suchte. Dazu ist in „Die deutsche Turnkunst“ zu lesen: „Würden Zeuge aus ausländischen Stoffen geduldet; so müßten sich die Übungen gar bald in Übungen für Reiche, [ ] und Arme theilen. Die Turntracht muß eine Gleichtracht von gleichen Stoff und gleichem Schnitt sein; damit sie nicht den einen fördert und den andern hindert.“2 (JAHN / EISELEN, 1816). Weiterhin gaben sich die Turner den Leitspruch „frisch, fromm, fröhlich, frei“ (dargestellt durch das sogenannte Turnerkreuz) und die sicher nicht ganz zufällig gewählten Turnerfarben „Schwarz-Rot-Gold“3 welche in dem nationalen Bedeutungszusammenhang „Ehre / Freiheit / Vaterland“ standen.

Jahn sah im Turnen neben der bloßen Leibeserziehung immer auch den Zusammenhang zu volkstümlichen, patriotischen und politischen Zielsetzungen („Wehrhaftmachung des deutschen Volkes“)4. In seinem 1810 erschienen Buch „Das Deutsche Volkstum“ nahm er neben politischen auch zu Fragen der Erziehung Stellung. „Wahre Erziehung ist ein sicher geführter Hebel des Menschengeschlechts zu besseren Stufen“ (JAHN, 1810). Weniger Jahre später erhob er in seinem Werk „Die Deutsche Turnkunst“ das deutsche Turnwesen (als allumfassender Ausdruck damaliger sportlicher Betätigung) sogar zu einem zentralen Bestandteil der Gemeinschaftsbildung und Nationalerziehung der Jugend. „Solange der Mensch hoch hienieden einen Leib hat [ ] was ohne Stärke, ohne Ausdauer und Nachhaltigkeit, ohne Gewandtheit und Anstelligkeit zum nichtigen Schatten versiecht - wird die Turnkunst einen Hauptteil der menschlichen Ausbildung einnehmen müssen.“ (JAHN / EISELEN, 1816).

Diese vor allem patriotische Erziehung der Jugend diente vor allem ihrer Vorbereitung auf die Befreiungskriege - vor diesem Hintergrund und hinsichtlich seiner national-patriotischer Aussagen ist seine Person bis heute teilweise stark umstritten1. In den Befreiungskriegen 1813-1815 bewährten sich die Turner und Studenten Jahns im Lützower Freikorps2 - in welchem er selbst einer der Kommandeure war. Im Anschluss wurde 1815 nach Jahns Ideen in Jena von Studenten, Turnern und ehemaligen Lützowern die Deutsche Burschenschaft gegründet. Wegen Jahns patriotisch-nationalen Bestrebungen, welche er in zahlreichen Vorträgen verkündete, geriet er zunehmend in Opposition zur Regierung, welche die von ihr angestrebte Restauration3 bedroht sah. Die von Jahn propagierten Werte „frisch, fromm, fröhlich, frei und über allem: deutsch“ führten wegen der dahinter stehenden provozierenden und revolutionären Ideologie zum zeitweiligen Verbot der sich vor allem in den deutschen Universitätsstädten rasch ausbreitenden öffentlichen Turnplätzen - der „Turnsperre“4. Zeitgleich sollte das Turnen unter staatliche Aufsicht gestellt und als Erziehungsmittel an Schulen eingesetzt werden (vgl. NEUMANN 1980, 261).

Jedoch war die einmal in Fahrt gekommene Entwicklung des organisierten Sporttreibens nicht mehr aufzuhalten und durchdrang nun vollends alle Schichten. So entwickelte sich auch in der sogenannten Oberschicht, dem Adel, Bildungs- und Besitzbürgertum, ganz nach englischem Vorbild, noble ausschließlich diesen Schichten vorbehaltene Ruder-, Segel- und Pferdesportclubs5. Nach Aufhebung der Turnsperre 1842 kam es zu einer regelrechten Welle von Vereinsgründungen, die zumeist einer national-revolutionären Strömung angehörten (ebd. 266). Es kam zur Konstitution erster Dachorganisationen auf Reichsebene, welche ihre vordringliche Aufgabe darin sahen „ die Einheit sowie die körperliche und geistige Kraft des deutschen Volkes zu stärken“ (ebd. 267). Hier kam es zu ersten Auseinandersetzungen hinsichtlich der politischen Zielsetzung und Ausrichtung sowie über die Frage in wie weit der Sport überhaupt eine aktive politische Bewegung sein solle und dürfe1.

Die Zeit von 1840-1860, einer Zeit des wirtschaftlichen und politischen Liberalismus sowie der zunehmenden Industrialisierung, war geradezu richtungweisend für die Herausbildung der Turn- und Sportvereine als zukunftsfähige Organisationsformen. In dieser Zeit teilte sich die politische Orientierung in eine einerseits eher demokratische und nach dem Erstarken der Nationalbewegung andererseits eher national-patriotische Ausrichtung. In der Zeit bis 1871 gewann die Wehrfrage immer größere Bedeutung, so dass kurzerhand Wehrturnen und Militärgymnastik eingeführt wurde2.

Die Deutsche Turnerzeitung veröffentlichte hierzu entsprechende Artikel - Bajonettfechten, Exerzieren, und Schießen sollten nun feste Bestandteile des Turnens werden, Turnern sollte darüber hinaus eine verkürzte Militärzeit zugebilligt werden (vgl. NEUMANN 1980, 274). Nicht verwunderlich daher auch, dass ein Großteil der Turner in den Kriegen 1866 und 1870/71 mitkämpften.

3.1.1.2 Leibesertüchtigung im aufstrebenden Kaiserreich

Auch nach Gründung des deutschen Kaiserreichs veränderte sich am Bestreben der Turnbewegung sowie an ihrer zunehmenden Verbreitung nichts - sie wollten dem Vaterland tapfere, junge Menschen erziehen. Der Dienst am Vaterland galt als etwas ethisch Höheres und einte in jener Zeit alle politischen Richtungen. Das Ziel der Nationalbewegung respektive der Turnbewegung - die Einheit des deutschen Volkes - wurde 1871 erreicht. Damit ließ in der Folgezeit das politische Engagement etwas nach (vgl. JOHN 1980, 281).

Kurz vor der Jahrhundertwende wurde Turnen als fester Bestandteil in den Schulsportunterricht integriert. In dieser Zeit, der latenten gesellschaftlichen Modernisierung, der Etablierung einer fortschrittlichen Sozialgesetzgebung und der Herausbildung eines vielgestaltigen Parteienspektrums, gewannen im Zuge der Herausbildung neuzeitlicher Freizeit-, Sport- und Unterhaltungsangebote auch andere Sportarten stark an Zulauf und gerieten damit in Konkurrenz zum Turnen1. Mit dem Wegfall der Sozialistengesetze2 1890 war der Weg frei für die Gründung der Arbeiter- Turn- und Sportvereine. Parallel dazu konstituierten sich auch konfessionelle Sportorganisationen (bspw. Deutsche Jugendkraft, Eichenkreuz). In Folge spaltete sich die sportliche Bewegung immer weiter in ein bürgerliches und sozialistisches Lager (vgl. LANGENFELD in DIEGEL, 1988, 18).

Im jungen Kaiser Wilhelm hatte der Sport einen starken Förderer und Bewunderer gefunden. Auf sein Betreiben hin, wurde nicht nur die dritte Schulsportstunde eingeführt, sondern auch der Ausbau der sportlichen Infrastruktur mit dem Bau von Schulturnhallen und Wettkampfstätten, welche allen Sportvereinen offen stand, stark forciert. Es fanden Weiterbildungen für (Turn)Lehrer statt.

Außerordentlich erfolgreich in dieser Zeit waren auch die sportlichen Bemühungen des 1911 durch Feldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz gegründeten „Jungdeutschlandbundes“ um die vormilitärische Ausbildung der Jugend. Mit diesem Bund waren auch die Deutsche Turnerschaft und zahlreiche andere als „militärisch wertvolle“ eingestufte Sportverbände kooperativ verbunden und erhielten im Gegenzug für ihre sportliche Arbeit - sozusagen im Dienste des Vaterlands - großzügige staatliche Zuwendungen.

Bis kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 genossen die als basisdemokratisch organisierten freien Zusammenschlüsse von aktiven und passiven Mitgliedern zu Sport- und Turnvereinen einen erheblichen Aufschwung mit enorm steigenden Mitgliederzahlen. Gleichzeitig findet eine weitere sportliche Differenzierung statt, immer mehr Sportverbände werden gegründet und stehen in Konkurrenz zum einstmals das sportliche Feld nahezu allein beherrschenden Turnen. Trotzdem, von den rund zwei Millionen Sportlern im Jahr 1914, stellt mit 1,2 Millionen Mitgliedern die Deutsche Turnerschaft die weltweit größte Organisation für Leibesübungen, in großem Abstand gefolgt von 175.000 Athleten, 100.000 Fußballern, 60.000 Tennis- und Hockeyspielern sowie 50.000 Schwimmern (Abb.01).

3.1.1.3 Leibeserziehung in den Wirren der Weimarer Republik

War der Sportverkehr während der Kriegsjahre völlig zum Erliegen gekommen, machten sich ab 1918 ganz neue Initiativen bemerkbar. Trotzdem ist auch am Sport der jungen Weimarer Republik, welche schwer an den Belastungen des verlorenen Krieges, der darniederliegenden deutschen Wirtschaft und den restriktiven Bedingungen des Versailler Vertrages zu tragen hatte, nicht spurlos vorübergegangen. Doch schon nach kurzer Zeit entwickelte sich, im Gegensatz zu den sich anbahnenden innenpolitischen Krisen, ein vielfältiges geistiges und kulturelles Leben - so auch im Sport- und Vereinswesen. Zunehmend öffneten sich die Sportarten und Vereine auch für Jugendliche und vor allem für Frauen. Neben verschiedenen Sportfesten wurden nun in mehreren Sportarten Deutsche Meisterschaften für Frauen ausgetragen.

Seit 1913 wird das Deutsche Sportabzeichen verliehen, 1920 die erste Sporthochschule für Leibesübungen in Berlin gegründet und im selben Jahr erstmals die Reichsjugendwettkämpfe - die heutigen Bundesjugendspiele - ausgetragen. Turnen war jetzt nicht mehr, als eine Form der sportlichen Aktivität in einem mittlerweile breiten Spektrum von Sportarten. Der Wettkampfverkehr wurde sehr ausgebaut und fand nicht mehr nur auf nationaler Ebene sondern bereits immer öfter auf internationalem Parkett statt. Die Sportorganisationen verzeichneten einen unglaublichen Mitgliederzuwachs. Der Deutsche Fußballbund (DFB) konnte innerhalb von nur acht Jahren (von 1914-1922) seine Mitgliederzahlen auf über eine Million mehr als verfünffachen.

Im Jahre 1917 wird der Deutschen Reichsausschuss für Leibesübungen1 (DRA) als zentrale Schnittstelle für Koordination und Agitation gegründet. Erstmalig wurde der organisierte Sport in Deutschland gebündelt und konnte sozial- und gesellschaftspolitisch aktiv werden. In der Zeit der Weimarer Republik konnten so spektakuläre Gesetzesinitiativen seitens des Sports in Nationalversammlung und Reichstag eingebracht werden. So bspw. das Reichsspielplatzgesetz und das Sportpflichtgesetz, deren Novellierung jedoch am Fehlen der erforderlichen Haushaltsmittel scheiterte.

Diese Entwicklung beeinflusste auch den staatlichen Schulsport - schon 1919 wurde die Einführung einer täglichen Sportstunde gefordert (BERNETT 1985, 45). Dies wurde auf der 1920 stattfindenden Reichsschulkonferenz zwar nicht durchgesetzt, wohl aber verschiedene reformpädagogische Vorschläge für den Schulalltag sowie Leitlinien für einen zweitgemäßen Turnunterricht. Ergebnis waren: drei wöchentliche Schulsportstunden, ein wöchentlicher Spielnachmittag und monatlich eine Wanderung in freier Natur. Weiterhin hatte nun die Sportnote auch Relevanz für die Reifeprüfung (vgl. GRÖSSING 1981, 650 / BERNETT 1985, 45).

Um 1930 nahmen die durch politische Parteien, Kirchen, weltanschauliche Bünde, Frontkämpferverbände und anderen (eigentlich) nichtsportlichen Organisationen initiierten Jugendorganisationen sprunghaft zu - oft mit einer im Rahmen des „Wehrsports“ sehr (vor)militärischen Ausrichtung.

Das Vereinswesen wandelte sich in der Weimarer Republik von den teilweise elitären „Herrenclubs“ der Vorkriegszeit hin zur „Vereinsfamilie“ eines modernen Sportvereins, in welchem sowohl Jugendliche als auch Frauen voll integriert waren. Natürlich immer noch von „einem mit väterlicher Autorität waltenden Vorsitzenden“ geleitet (vgl. LANGENFELD 1987, 31).

3.1.1.4 (Jugend)Sport als „Mittel zum Zweck“ im Dritten Reich

Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 dauerte es nur kurze Zeit bis eine mittlerweile so große und daher politisch auch nicht mehr unwichtige Organisation wie der deutsche Sport gleichgeschaltet wurde. Sichergestellt wurde das zudem durch die Implementierung des Fachverbandsprinzips, mit welchem einerseits zwar Ordnung im Wildwuchs der immer neu aufkeimenden Sportarten und Verbände geschaffen wurde, andererseits aber auch sichergestellt wurde, dass die wenigen verbliebenen Führungsspitzen dem Partei- und Staatsapparat treu ergeben waren.

Vor allem der Jugendsport wurde im Dritten Reich zu einem Politikum mit hoher Repräsentanz und einem wichtigen Instrumentarium zur Demonstration nationaler Stärke und Tüchtigkeit. Erstmals wurde in dieser Zeit bewusst, zielgerichtet und mit großem Erfolg eine umfangreiche Jugendarbeit etabliert. Das dabei der Sport und eben vor allem die Jugend zur heroischen Darstellung und „Stimulanz eines potenzierten Kraftbewusstseins und rassisch- nationalen Kraftentfaltung“ missbraucht wurde ist unbestritten (zit. n. BERNETT 1966, 54; in DIEGL 1987, 146). Hitler selbst ging noch einen Schritt weiter in dem er meinte „ dass die deutsche Turnerei in den langen Jahrzehnten einer liberalistischen geistigen Missbildung, [ ] die körperliche Kraft der Nation stählte, [und] sie zu einem gewaltigen Faktor der Erhaltung unseres Volkes erhoben“ hat (zit. n. HITLER 1935, 218; in DIGEL 1988, 146).

Arbeiter-Sportorganisationen wurden bereits in den ersten Wochen verboten, konfessionelle Verbände folgten diesem Schicksal durch ihre systematische Auflösung bis 1935. Mit dem Dritten Reich begann für den organisierten deutschen Sport, welcher seit seinem Bestehen immer für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit stand, eine sehr beschämende Epoche. Funktionäre der bürgerlichen Turn- und Sportverbände buhlten in einem geradezu würdelosen Wettrennen zueinander, um die Gunst der neuen Machthaber. Dabei wurden alle (liberalen) Traditionen des Sports bedenkenlos, als nicht mehr zeitgemäß, über Bord geworfen (vgl. LANGENFELD in DIGEL 1988, 32). Die alle Juden ausschließenden „Arier-Paragraphen“ wurden von den meisten Verbänden noch, bevor es von ihnen verlangt wurde, in die Satzungen aufgenommen. Juden durften ab 1934 nur noch den unter dem Dach des Reichsausschusses jüdischer Sportverbände vereinigten Vereinen angehören.

Die selbsternannte Koordinierungsstelle des deutschen Sports, der Deutsche Reichsausschuss für Leibesübungen (DRA) löste sich selbst auf, um Platz für den kurze Zeit später neu gegründeten Deutschen Reichsbund für Leibesübungen (DRL) zu machen. Es wurde ein Reichssportkommissar berufen, welcher den deutschen Sport umorganisierte und über mehrere Zwischenstufen das Fachverbandsprinzip etablierte. Mit dem DRL entstand somit erstmals ein deutscher Einheitssportverband, welcher ebenso wie die 15 in ihm vereinten Fachämter für die wichtigsten Sportarten, parteigelenkt und nach dem Führerprinzip von oben besetzt wurde. Der ehemalige DRA-Generalsekretär und Prorektor der Sporthochschule Berlin Carl Diem1 konnte sich trotz seiner eigens dafür gefertigten wenig liberalen Denkschrift nicht für diese Amt empfehlen (dies wurde ein „bewährter“ SA-Führer), bekam aber später in diesem Umfeld wichtige Aufgaben zugewiesen so bspw. die Auslandsbetreuung der Sportler und die Wettkampforganisation. Ziel und Zweck der DRL war „ die leibliche und charakterliche Erziehung der in den Mitgliedsorganisationen zusammengeschlossenen Deutschen durch planvoll betriebene Leibesübungen und Pflege des Volksbewusstseins im Geiste des nationalsozialistischen Staates“ (DRL-Satzung, §2, 1936).

Ab 1938 wurde der DRL in den Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen (NSRL) umbenannt und damit die politische Gesinnung sowie die enge Bindung an Staat und Partei auch im Namen deutlich gemacht. Zunehmend bekommt die NSRL Konkurrenz durch unzählige weitere parteinahe Organisationen (so durch: Wehrmacht, SS/SA, RAD und vor allem BDM, DAF und HJ) die ebenfalls alle Sport in ihr spezifisches Programm aufnahmen. Insbesondere Kompetenzstreitigkeiten mit der HJ, ob der Zuständigkeit über den - in dieser Zeit eine besondere Bedeutung zukommenden - Jugendsport führen zu einem großen Substanzverlust der geeinten Sportbewegung. Notgedrungen muss der Reichssportführer einem Abkommen zustimmen, welches dem Reichsjugendführer die alleinige Zuständigkeit über alle außerschulischen sportlichen Aktivitäten der Jugend zusprach1 (vgl. LANGENFELD 1987, 34-35).

„...Siegeslauf in ein besseres Europa“ ermöglichte. Auch Sätze wie „Sport ist freiwilliges Soldatentum“ stammen von Carl Diem.

3.1.2 Epochen des deutschen Sports nach 1945

Seit Gründung des Deutschen Sportbundes 1950 bis in die heutige Zeit ist der deutsche Sport immer schon stark an das Wirken seiner Präsidenten geknüpft gewesen. In den folgenden Abschnitten stehen die aufgeführten Präsidenten stellvertretend für die jeweilige Epoche hinsichtlich des sportlichen, gesellschaftlichen und vor allem auch politischen Wirkens des Deutschen Sportbundes nach 1945 bis in die heutige Zeit.

3.1.2.1 Alliierter Kontrollrat und Sektorensporträte

Nach dem zweiten Weltkrieg waren die ersten sportlichen Gemeinschaften, die sich mit Genehmigung der Alliierten ab 15. September 1945 wieder gründen durften, die Vereine - sogenannte „nichtmilitärische Sportorganisationen lokalen Charakters“ (GIESELER, 1988, 35). So spiegelte die Direktive Nr. 17 des Alliierten Kontrollrats das starke Misstrauen gegen den Sport „als mächtiges Werkzeug zur Verbreitung von Nazilehren und [ ] des Militarismus“ wieder. In der Direktive 23 war vorgesehen den Sport in allen vier Besatzungszonen zu demokratisieren und zonengebunden neu zu strukturieren - dies wurde jedoch sehr unterschiedlich ausgelegt und letzteres von deutscher Seite auch abgelehnt.

Trotz vieler Unwägbarkeiten trafen sich bereits 1945 erste Verbandsvertreter um die Frage des deutschen Sports und seiner Struktur zu diskutieren. Erste Verbände gründeten sich, wurden aber erst später offiziell anerkannt bzw. zugelassen. 1948 wurde für die drei westdeutschen Zonen ein provisorischer Dachverband gegründet - die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sport (ADS). Dessen ungeachtet war es noch ein sehr schwieriger Weg mit zahlreichen Konferenzen, vielen Kontroversen und persönlichen Streitereien sowie Hemmnissen durch die Besatzungsauflagen, bis endlich nach Verkündung des Grundgesetzes und Staatsgründung der BRD 1949 der Weg zu einem einheitlichen deutschen Sportdachverband frei war. Erst im November 1950 wurde die Kontrollratsdirektive Nr. 23 aufgehoben, die bisher jeden Versuch der „offiziellen“ Neugründung der Sportverbände verhindert hatte1. Einen Monat später, im Dezember 1950, gründete sich der Deutsche Sportbund (DSB)1 als Dachverband des deutschen Sports sowie eine Reihe weitere Spitzenverbände.

Unabhängig davon konstituierte sich in der sowjetischen Besatzungszone bereits im Oktober 1948 der Deutsche Sportausschuss (DS), welcher 1957 in den neugegründeten Deutschen Turn- und Sportbund der DDR (DTSB) überführt wurde. Hier schlug man einen anderen Weg ein - den der „antifaschistischen Körperkultur“.

Die Gründungsversammlung des Deutschen Sportbundes musste aufgrund der weiter schwelenden Strukturdebatte und einiger unglücklich geführter Vorgespräche mehrfach verschoben werden, darüber hinaus fühlten sich die Turner nicht richtig eingeschätzt. So folgte, nachdem unter schwierigen Umständen die Satzung angenommen und Willi Daume zum ersten Präsidenten bestimmt wurde, 1952 in Hinblick auf den Namen des DSB seitens des Deutschen Turnerbundes einen Änderungsantrag. Dieser sah eine Änderung in „Deutscher Turn- und Sportbund“2 vor, was aber von den Delegierten mit 53 zu 31 Stimmen mehrheitlich abgelehnt wurde. Immerhin gab man der langen Tradition des Turnens in Deutschland in so weit genüge, dass man den ersten Satz der DSB-Satzung in: „Der DSB ist eine frei Gemeinschaft der deutschen Turn- und Sportverbände und Sportinstitutionen“ änderte. (vgl. GIESSELER, 1988, 37).

"Dann darf ich zur Schlussabstimmung über die Satzung schreiten und damit zur Gründung des Deutschen Sportbundes. Wer die Satzung, wie in der Einzelberatung festgestellt, annehmen und damit die Gründung des Deutschen Sportbundes vollziehen will, der möge sich erheben und dabei die Stimmkarte vorzeigen. Ich bitte um die Gegenprobe. Wer ist nicht einverstanden? Ich bemerke keine Gegenstimme. Die Gründung der Dachorganisation Deutscher Sportbund ist am Zehnten im Zwölften des Jahres 1950 Punkt 12.00 Uhr mi]t Einstimmigkeit vollzogen worden! Heil!" Langanhaltender Beifall wird nach dieser Feststellung von Prälat Ludwig Wolker im Gründungsprotokoll verzeichnet. (SCHAEFER, 2005, 5/5) Der erste Präsident des Deutschen Sportbundes Willi Daume erinnert sich an die Diskussionen und Wirrnisse der Gründungszeit:

"Man glaubte, dass der deutsche Sport eine 'Bewegung' sein konnte, in der - wenn auch keine starre Gemeinsamkeit - so doch eine Einigkeit herrschen konnte. Die Zeit der großen deutschen Not in der Nachkriegszeit schien dafür eine einmalige Chance zu bieten. Die führenden Persönlichkeiten riefen dazu auf, nicht wieder - wie vor 1933 - den aktiven Sport in verschiedene Lager wie Arbeitersport, konfessioneller Sport, Betriebssport, so genannter bürgerlicher Sport, Deutsche Turnerschaft usw. getrennt neu zu organisieren, sondern zumindest ein gemeinsames Dach zu schaffen, unter dem sich alle zu hause fühlen sollten Ob auch Egoismen mit maßgebend waren, zum Beispiel ein Führungsanspruch als Verfolgte des Dritten Reiches, ist schwer zu ermessen. Natürlich gab es solche Befürchtungen, dass der Sport in die eine oder andere politische Richtung kommen könne. Aber die Idee der Einigung war stärker als Unzulänglichkeiten solcher Art, ganz unabhängig von verschiedenen Auffassungen zur Organisationsform Aber der Grundsatz der 'Einheit in der Vielfalt' gewann mehr und mehr Gestalt und hat sich bis heute gehalten. Voraussetzung war natürlich immer, dass die einzelnen Organisationen ihre absolute Selbständigkeit hatten. Auch das ist bis heute so geblieben." (Willi Daume, 1989 in MEVERT, 2002)

Nach Gründung des DSB nahm die Entwicklung des deutschen Sports wieder rasant Fahrt auf - und zwar in vielerlei Hinsicht. Nicht nur die Mitglieder und Sportarten wuchsen stetig, sondern auch der Einfluss in gesellschaftlichen wie auch in sozial-, gesundheits- und umweltpolitischen Fragen nahm beständig zu. Startete der DSB 1950 mit rund 3,2 Millionen Mitgliedern in nahezu 20.000 Vereinen und einer Bevölkerungsbeteiligung von 6,7 Prozent, so sollten es rund 50 Jahre später knapp 27 Millionen Mitglieder in 90.000 Vereinen und einer Bevölkerungsbeteiligung von mittlerweile über 33 Prozent sein1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.02 Mitgliederentwicklung des deutschen Sports seit Gründung des DSB / DOSB 1950 bis in die heutige Zeit (Stand: 2008).

Ganz deutlich ist hier in der roten Kurve „ Prozentualer Anteil der Bevölkerung “ 1990 ein Einbruch vonüber 4,2 Prozentpunkten zu sehen. Dieser markiert den Beitritt der DDR zur BRD mit rund 16 Mio. Menschen. Allerdings traten durch Auflösung des DTSB der DDR und Neugründungswirrnisse der Vereine / Verbände nicht alle organisierten Sportler zeitgleich dem DSB der BRD bei (sondern bis 1991 verzögert). Das erklärt auch warum die Zuwächse in der blauen Kurve „ DSB- Mitglieder “ eher kontinuierlich zu wachsen scheinen. Der DSB hatte in den letzten 20 Jahren vor 1990 Zuwachsraten von 2-3 Mio. Mitgliedern in 5 Jahren. Die Eingliederung der DTSB-Sportler verteilte sich auf die Jahre 1990 und 1991 und scheint somit diese Kontinuität des Mitgliederzuwachses fortzuführen. Diese wäre aber andernfalls bereits ab 1985/1990 stark abgeflacht und setzte nun erst 5 Jahre später 1995 ein. Ab da sind nur noch Wachstumsraten von 900T bis zuletzt 300T Mitgliedern zu verzeichnen.

3.1.2.2 Willi Daume - Wegbereiter des deutschen Sportbundes (1950-1970)

Überraschend wurde 1950 ein Hand- und Basketballer Präsident des ersten deutschen Sportverbandes1. Er war als Nationalspieler beider Sportarten Teilnehmer der olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin, 1937 wurde er Mitglied der NSDAP, nach dem Krieg 1949 Präsident des Deutschen Handballbundes, 1950-1970 Präsident des DSB, es folgte 1956 die Berufung als IOC-Member, von 1972-1976 war er IOC-Vizepräsident und 1978-1991 Vorsitzender der IOC-Zulassungskommission. Von 1961-1992 war er Präsident des Nationalen olympischen Komitees (NOK). In dieser Funktion appellierte er 1980 vehement (wenn auch ergebnislos) gegen den westdeutschen Boykott der olympischen Spiele in Moskau „Der olympische Boykott war eines der berühmtesten, aber widersinnigsten, überflüssigsten und politisch wie sportlich schädlichsten Ereignisse“ (MEVERT 2002).

Willi Daume formte in 20 Jahren DSB-Präsidentschaft in entscheidendem Maße Stil, Struktur, politisch-demokratische Verfasstheit und inhaltliche Programmatik des größten deutschen Sport- und Jugendverbandes - er war damit Wegbereiter des deutschen Sports in der Nachkriegszeit. In diese Zeit rückt auch das Phänomen Sport in den Fokus gezielter wissenschaftlicher Forschung - erste Untersuchungen und wissenschaftliche begleitete Projekte werden initiiert. 1956 startet diesbezüglich eine Aktionen zur Verbesserung des Schulsports. 1961 beginnt der Aufbau einer eigenen Sportwissenschaft - es werden erste sportliche Fachbereiche/Fakultäten an den deutschen Universitäten gegründet, sportliches Kompetenzzentrum bleibt nach wie vor die Deutsche Sporthochschule in Köln. In den Jahren 1956, 1960 und 1964 wird um den Status und die innerdeutsche wie internationale Anerkennung - im Sinne einer Trennung in BRD / DDR - der bis dahin gesamtdeutschen Olympiamannschaft gerungen.

Die Zeit ist von einem wachsenden politischen Selbstbewusstsein des deutschen Sports gekennzeichnet - man meldet sich in sozial- und gesellschaftspolitischen Fragestellungen zu Wort und nimmt zunehmend auch aktiv Einfluss. Dennoch gab es auch Spannungen im Verhältnis von Sport und Politik. Neben der Diskussion über den staatlichen Einfluss auf die sportliche Selbstverwaltung, vertrat man in der gesamtdeutschen Frage unterschiedliche Positionen1. 1969 musste eine Studie des Bundesinnenministeriums, welche die Errichtung der „Bundeszentrale für Sport“ und damit die Vergrößerung des stattlichen Einflusses auf die Selbstverwaltung des Sports zum Ziel hatte, auf heftigsten Einspruch des DSB-Präsidenten hin zurückgezogen werden.

3.1.2.3 Willi Weyer - der „politische“ Präsident (1974-1986)

Nach einem kurzen Zwischenspiel von Wilhelm Kregel (1970-1974), kam 1974 die Zeit des „politischen Präsidenten“ Willi Weyer. Er war von 1954-1956 Minister für Wiederaufbau, 1956-1958 Finanzminister, 1962-1975 Innenminister sowie 1956-1958 und 1962-1975 Stellvertreter des Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen. Von 1957 bis zu seinem Tod 1987 war er Präsident des Landessportbundes NRW und nachdem er 1970 Wilhelm Kregel vom Deutschen Turnerbund knapp unterlegen war, von 1974-1986 Präsident des Deutschen Sportbundes.

Er brachte in seine DSB-Präsidentschaft sein ganzes, aufgrund seiner berufspolitischen Karriere nicht unerhebliches politisches Gewicht ein. Bereits zu Beginn machte er das unmissverständlich deutlich und stellte klar, dass „ eine Millionenvereinigung wie der Sport [ ] ein eigenes politisches Selbstverständnis bis hinunter in den letzten Dorfverein haben [muss], wenn sie ihr Ziel 'Sport für alle' erreichen will. [ ] Der Sport lässt sich die Butter nicht vom Brot nehmen, wenn es um Steuer-, Umwelt- oder andere Probleme geht!“ (GIESSELER, 1988).

Anlässlich der Kundgebung „25 Jahre DSB“ 1975 in der Frankfurter Paulskirche2 sprach Weyer über die „bewundernswerte Kontinuität des Wandels“ in der Entwicklung des Deutschen Sport(bundes) nach 1945. In Hinblick auf die zu lösenden Zukunftsaufgaben machte er aber auch deutlich, dass der deutsche Sport „selbstbewusst, aber nie selbstzufrieden [ ] parteipolitisch neutral, aber [dennoch] politisch handlungsfähig “ sein müsse und als die größte deutsche Personenvereinigung ihr volles politisches Potential nutzen sollte (WEYER, 1975). Auch Bundeskanzler Helmut Schmidt unterstrich dies, in dem er sagte: „Unsere Grundsätze zu verteidigen, zugleich auch fortzuentwickeln, ist nicht ganz so leicht in einer Zeit, in der andere politische Systeme aus dem Sport ein Politikum allerersten Ranges machen, in der Hand des Staates oder in der Hand der herrschenden Partei gemacht haben. In unseren eigenen Grenzen kann der Sport gewiss sein, dass er die aktive Unterstützung der Bundesregierung behalten wird. Die Sportpolitik der Bundesrepublik bleibt bei dem Subsidiaritätsprinzip, dass der Sport grundsätzlich Sache einer Organisation ist und dass der Staat nur da Hilfe leistet, wo die eigenen Kräfte nicht ausreichen“ (SCHMIDT, 1975).

Dies war selbstverständlich eine polarisierende Abgrenzung vom parteigelenkten Staatssport der DDR, der nur zu gern und häufig sportliche Siege mit politischen Siegen im Kampf der Systeme gleichsetzte. Gleichwohl, auch in der BRD dieser Zeit gab es den vielbeschworenen „unpolitischen“ Sport so nicht, er war eben nur anders politisiert. Nationaler und internationaler Sport war in Zeiten des Kalten Krieges immer mehr oder weniger ein Politikum staatlicher oder - im Sinne der Systemüberzeugung - systempolitischer Identifikation1.

In seiner Amtszeit gewann der Sport nicht nur an politischer Dimension, sondern auch an rund 10 Millionen Mitgliedern, so dass zum Ende seiner Amtszeit 1986 rund 20 Millionen Bundesbürger in etwa 63.000 Vereinen organisiert waren. Er resümierte damals: „Lag der Fortschritt 1950 im Verzicht auf die alten Formen und in der Versöhnung der unterschiedlichen Vorstellungen im Deutschen Sportbund, so liegt er 30 Jahr später in der sozialpolitischen Zielsetzung des Sportes [...]. Der soziale Impetus und die ethischen Regeln des Sports von damals sind heute noch gute Wegweiser “ (GIESELER, 1988, 39).

Im Bereich der Gesundheitsvorsorge charakterisierte er das damals sehr treffend, als er meinte „ das Krankheiten unseren Wohlstand auffressen [und man solle konsequenterweise] einen Bruchteil der für Krankheitsbehandlung ausgegebenen Milliarden in Prävention und Lebensstil-Motivation umverteilen“. Ein Jahrzehnt später wird das dann Wirklichkeit. In den neunziger Jahren hat man schließlich erkannt, dass insbesondere Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Rücken- und Haltungsschäden stark anwachsen und zunehmend auch die jüngeren Generationen betroffen sind. Was letztendlich neben den sich erhöhenden Gesundheitsrisiken, vor allem auch zu einem kaum abschätzbaren Kostenfaktor in der Zukunft führt. Daraufhin wird schließlich verstärkt damit begonnen Präventionsprogramme in Kooperation zwischen Sport und Krankenkassen zur aktiven Gesundheitsvorsorge einzurichten.

3.1.2.4 Hans Hansen - Präsident der sportlichen Einheit (1986-1994)

Als Nachfolger von Willi Weyer übernahm Hans Hansen 1986 die Präsidentschaft des Deutschen Sportbundes. Beruflich war er bis 1987/88 Pressechef und später Regierungssprecher des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Sein sportlicher Aufstieg in überregionale Funktionen nahm ihren Anfang 1964, als er zum zweiten Vorsitzenden der Deutschen Sportjugend gewählt wurde, vier Jahre später (1968) folgte dann die Berufung ins DSBPräsidium. Von 1974-2001 war er Präsident des Landessportbundes Schleswig-Holstein, von 1984-1986 Präsident des DSB, danach dessen Ehrenpräsident und ab 1999 DSB-Beauftragter für den Seniorensport. Hansen war begeisterter Segler und Tennisspieler und zur Fußball-WM 1974 sogar Sprecher der deutschen Nationalmannschaft.

In seine DSB-Präsidentschaft fiel die auch in sportlicher Hinsicht etwas „heikle“ deutsche Wiedervereinigung - zwei Deutsche Sportfachverbände standen sich gegenüber. Mit viel Einfühlungsvermögen und Geschick verhandelte er mit den Funktionären des DTSB der DDR und organisierte nach dessen Auflösung 1990 den Anschluss der fünf neuen Landessportbünde an den DSB. Dabei ging Hansen eher behutsam mit der Stasi- und Doping- Problematik um, was ihm von einigen Kritikern als Schwäche angekreidet wurde.

In den acht Jahren in denen er den DSB führte, wird eine „andere“ gemeinsame Rolle des Sportes erkennbar. Zunehmend beschäftigt man sich auch mit drängenden wirtschaftsökonomischen Fragen. Es geht dabei aber nicht allein um die Suche nach den ökonomischen Grundlagen des Sports, sondern darüber hinaus auch nach dem Finden einer Synthese zwischen „den ethischen und pädagogischen Prinzipien, den ökologischen Erfordernissen und den freiheitlich-demokratischen Leitlinien“.

Auch der von Weyer forcierte politische Status wird gegenüber Staat und Politik weiter ausgebaut. Eine erste Orientierung gibt der neue Präsident Hansen dazu kämpferisch auf dem DSB-Hauptausschuss 1986: „Wir werden unsere Lobby in Bonn neu formieren; sie muss bis in den letzten Verein reichen. Schöne Worte der Politiker helfen uns nicht. Die 20-Millionen- Bewegung des Sports will für ihre unerschöpflichen Leistungen endlich Gegenleistungen sehen“ (GIESELER, 1988, 40).

3.1.2.5 Manfred von Richthofen - Präsident der Fusion DSB/NOK (1994-2006)

Der aus einem alten deutschen Adelsgeschlecht stammende Manfred Freiherr von Richthofen studierte Sozialpädagogik und Sport, spielte bis 1961 als aktiver Spieler in der Hockey- Oberliga, wurde später Sportlehrer in Berlin und übte verschiedene Trainerfunktionen im Hockeyverband aus. Seine Kariere als Sportfunktionär begann 1969 als er Direktor des Landessportbundes Berlin wurde, seit 1985 ist er dessen Präsident. 1983 wurde er Mitglied des Nationalen Olympischen Komitee (NOK) und ab 1994 übernahm er die Präsidentschaft des Deutschen Sportbundes. Seine Amtszeit endete zugunsten der Fusion zwischen Deutschen Sportbund und Nationalen Olympischen Komitee im Mai 2006, ebenso wie die seines Pendants auf Seiten des NOK, Klaus Steinbach - beide verzichteten auf den Präsidentschaftsanspruch, um dem neuen Verband den Weg zu ebenen.

Zu den großen Leistungen von Richthofens zählt zweifellos die seit über einem Jahrzehnt1 vorbereitete Fusion zu einem einheitlichen deutschen Dachverband des Sports. Unter dem Motto: „Konzentration der Kräfte“ machte von Richthofen deutlich, wie wichtig die Einheit dieser beiden Verbände ist, dabei nannte er die bereits weit im Vorfeld geführten Kontroversen um die Fusion „teilweise sogar ein Lehrstück in Sachen Demokratieverständnis“. Er mahnte aber auch alle Kritiker, man dürfe sich trotz unterschiedlicher Positionen nicht „im Kleinkram aufreiben und verheddern“ (FAZ, Nov.2005).

3.1.2.6 Dr. Thomas Bach - Präsident des DOSB (ab 2006)

Zu möglichen Nachfolgern befragt, nannte der scheidende DSB-Präsident neben den Präsidenten des Schwimmverbandes Thiel und des Turnerbundes Brechtgen sowie DaimlerChrysler-Vorstand Hubbert auch das deutsche IOC-Mitglied Thomas Bach. „Bisher hat er immer abgelehnt. Man weiß nie, ob er das durchhält.“ (RICHTHOFEN, 2005). und er hat - jedenfalls bis jetzt. Seit Mai 2006 ist der Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Dr. Thomas Bach auch neuer Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Der Beginn einer neuen Ära in zweifacher Hinsicht.

In den Jahren 1976/77 wurde Bach Mannschaftsolympiasieger und Mannschaftsweltmeister im Florettfechten. Seit 2000 ist Bach Mitglied im IOC, seit 2004 dort Vizepräsident - er gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge des jetzigen IOC-Präsidenten Jacques Rogge.

In seiner Antrittsrede anlässlich des DOSB-Gründungsaktes in der geschichtsträchtigen Frankfurter Paulskirche umriss er kurz die Richtung, die er sich für den deutschen Sport vorstellt: „Wir wollen Neues wagen ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren“. Der Sport müsse sich den „gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahre stellen“. Das seien „die demographische Entwicklung einerseits und Chancengleichheit und Integration andererseits. Beide berühren den Sport unmittelbar. [ ] Chancengleichheit und Integration sind die Schlüssel für die Zukunft Europas “.

Er vergaß auch nicht die Aufnahme des Sports in das Grundgesetz anzumahnen „es ist höchste Zeit, den Sport in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen. Er hat es verdient, weil er allen Bürgern dient.“ (BACH, 2006). Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich in ihrer Rede die besondere gesellschaftliche Bedeutung des Sports „Die gesellschaftliche Bedeutung [ ] kann nicht überschätzt werden. Denn beim Sport werden grundlegende Werte des gesellschaftlichen Miteinanders und Zusammenlebens vermittelt “ (MERKEL, 2006).

3.1.2.7 Entstehung der Deutschen Sportjugend

Anders als bei der schwierigen Konstitution des Deutschen Sportbundes, war die Deutsche Sportjugend (dsj) in ihrer Gründung dem DSB einen Schritt voraus. Bereits im April 1950 wurde mit der „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Sportjugend“ (ADSJ) erstmalig ein nationaler Verband der sporttreibenden Jugend gegründet. Rückblickend bemerkt Willi Daume anerkennend: „Die Sportjugend hat diese überregionale Gemeinsamkeit zuerst gehabt. Das wurde in Hannover [zur Gründungsversammlung des DSB] auch als leuchtendes Beispiel herausgestellt“ (DAUME, 1989).

Die meisten Sportverbände haben eine beachtliche Tradition, die teilweise bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht. Die Deutsche Sportjugend dagegen entstand erst nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs in dem Bemühen heraus, für die Jugend im Sport neue und vor allem demokratische Organisationsstrukturen zu finden. Im Gegensatz zu konfessionellen und politischen Jugendverbänden musste ein Verband für die sporttreibende Jugend völlig neu geschaffen werden. Diesbezügliche Bemühungen setzten mit einer viertägigen Beratung der Jugendleiter 1947 in Mürwick (britische Zone) schon recht frühzeitig ein. Nach Diskussion vieler Fragen und Überwindung diverser Schwierigkeiten, wurde ein erster Zonenjugendausschuss (in der britischen Zone) gebildet, welcher nach und nach mit anderen Jugendausschüssen Kontakt aufnahm und so gezielt auf die Gründung einer geeinten Deutschen Sportjugend hinarbeitete (LUTZ, MEVERT, 2000, S.33-119)

Bereits 1949 konnten zwei Konferenzen mit den Jugendwarten der bisher fast vollständig gegründeten Landessportbünde1 stattfinden. Es wurde detailliert über Grundsätze und Arbeitsinhalte zur Gründung der Deutschen Sportjugend beraten sowie eine provisorische Sportjugendleitung gewählt, welche die sporttreibende Jugend zur Gründungsversammlung des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) im Oktober 1949 vertrat. Eine Woche zuvor hatte aus Bonn Bundespräsident Prof. Dr. Theodor Heuss zur Sportjugend gesprochen und ihr damit erste politische Anerkennung geschaffen. Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland beseitigte viele Barrieren und Schwierigkeiten.

[...]


1 Diese forderten Sittsamkeit, Kameradschaft und regelten den Übungsbetrieb bis ins kleinste Detail. Darüber hinaus wurde ein Wir-Gefühl gepflegt welches in der Bezeichnung „Turnergemeinde“ zum Ausdruck kam. Aus dieser Zeit stammt auch das bis heute gepflegte „Du“ unter Sportlern, welches auch im direkten Umgang miteinander keinen Zweifel an der Gleichheit aller Turner/Sportler aufkommen ließ.

2 Graue Jacke und Beinkleider aus ungebleichter Leinwand, war Jahns Überzeugung nach die beste Bekleidung, welche einheitlich, strapazierfähig, bezahlbar und leicht zu reinigen war.

3 Das Turnerzeichen wurde ab 1921 in das Monogramm „DT“ für Deutsche Turnerschaft geändert, die Turnerfarben sind seit 1835 „Rot-Weiß“.

4 Dies ist insbesondere im Kontext der damaligen französisch-napoleonischen Fremdherrschaft zu sehen.

2 Nach der Niederlage Napoleons in Russland schien die Zeit zur Befreiung von den französischen Besatzern in ganz Europa gekommen zu sein. Das Freikorps Lützow mit einer zeitweiligen Stärke von bis zu 3.500 Mann diente dem Zwecke der Befreiung von der napoleonischen Fremdherrschaft und wurde mit Zustimmung des preußischen Königs, von Major von Lützow aufgestellt. Seine Mitglieder rekrutierten sich aus Freiwilligen aus ganz Deutschland. Als Freiwillige meldeten sich alle die, die sich nicht nur von der Fremdherrschaft befreien wollten, sondern von einem vereinten Deutschland träumten. Der Anteil der Studenten und Turner in dieser Einheit war besonders hoch. Neben Jahn gab es auch andere prominente Mitglieder des Freikorps, so bspw. Theodor Körner und Friedrich Fröbel.

3 Mit Restauration ist die Wiederherstellung der vorrevolutionären Ordnung gemeint.

4 Diese bestand im Rahmen der „Karlsbader Beschlüsse von 1819“ ganze 22 Jahre von 1820-1842. Turnen stand in dieser Zeit unter staatlicher Aufsicht und konnte nur in der Schule oder im Privaten stattfinden. Jahn wurde verhaftet und unter Festungshaft gestellt, von der er sich aufgrund einer guten Verteidigung freimachen konnte. Im Jahr 1848 bis zu ihrer Auflösung 1849 war Jahn als Abgeordneter des konservativen Flügels Mitglied der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche.

5 Der erste deutsche Ruderclub wurde 1936 mit der Hamburger Ruderschaft gegründet. Bereits seit 1916 bestehen die ersten Turnvereine (die Mainzer Turnerschaft bestehen bis heute)

1 Gründung des „Deutschen Turnerbundes“ und „Demokratischen Turnerbundes“ 1848. Der organisierte Sport verfügte mit dem zu dieser Zeit aufblühenden Vereinswesen über eine sehr ausgeprägte meist national- konservative politische Ausrichtung und verstand sich - rückblickend auf die Rolle in den Befreiungskriegen

sowie der Revolution 1848/49 - als politisch aktive Instanz.

2 Der Sport diente immer schon seit der Antike bis in die heutige Zeit, in mehr oder minder großem Umfang der militärischen Ausbildung.

1 So bspw. (Leicht)Athletik, Schwimmen, Boxen, Fechten, Ringen, Segeln, Rudern, Fußball, Radsport, Tennis und Hockey.

2 Das Gesetz verbot sozialistische und sozialdemokratische Organisationen und deren Aktivitäten im deutschen Reich außerhalb des Reichstags und der Landtage.

1 1895-1896: Komitee für die Beteiligung Deutschlands an den Olympischen Spielen zu Athen // 1899-1900: Komitee für die Beteiligung Deutschlands an den Olympischen Spielen zu Paris // 1903-1904: Deutsches Komitee für die Olympischen Spiele in St. Louis 1904 // 1904-1917: Deutscher Reichsausschuss für Olympische Spiele // 1917-1933: Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen // ab 1933: Deutscher Reichsbund für Leibesübungen

1 Carl Diem wurde nach dem Krieg Rektor der Sporthochschule in Köln und Sportbeauftragter der Bundesregierung. Seine Person ist heute - gerade in jüngster Zeit - sehr umstritten (viele nach ihm benannte Straßen, Plätze und Sportstätten wurden in den letzten Jahren wieder umbenannt). So rühmt er in einem Aufsatz im Reichssportblatt vom 25. Juni 1940 „...mit atemloser Spannung und steigender Bewunderung diesen Sturmlauf, diesen Siegeslauf...“ (durch Frankreich), steht „...staunend vor den Taten des Heeres...“ und schreibt, dass „...der sportliche Geist, in dem Deutschlands Jungmannschaft aufgewachsen ist...“ erst den „...Sturmlauf durch Polen, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich...“ den

1 Was gleichzeitig dazu führte das alle Turn- und Sportvereine ihre Jugendabteilungen aufzulösen hatten. Alle sportlichen und jugendverbandlichen Aktivitäten lagen jetzt bei der HJ bzw. dem Reichsjugendführer.

1 So scheiterte bspw. die Wiedergründung des Deutschen Turnerbundes Pfingsten 1950, trotz der Intervention seitens des Bundespräsidenten Theodor Heuss.

1 Ursprünglich war die Gründungsversammlung (da noch als Deutsche Sport-Union (DSU) benannt) für März 1950 in Hannover angesetzt. Sowohl Gründung als auch Namensgebung scheiterten jedoch an bis zu diesem Termin nicht mehr überbrückbaren Differenzen. Bei einem etwas anderen Stimmenverhältnis hätte es durchaus passieren können, dass die Sportorganisationen in beiden deutschen Staaten den gleichen Namen geführt hätten. Denn in der DDR wurde der Sportdachverband tatsächlich „Deutscher Turn- und Sportbund“ (DTSB) genannt.

1 Zu beachten ist hier jedoch, dass nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 der DTSB der DDR mit seinen rund 4,5 Mitgliedern dem DSB beigetreten ist. Das heißt im Zeitraum 1990-1995 kam es zu einem bedeutenden Anstieg von Mitgliedern und Mitgliedsorganisationen.

1 Die meisten gingen fest davon aus, dass der Präsident durch die beiden größten Sportverbände, den Deutschen Turnerbund (DTB oder den Deutschen Fußballbund (DFB), gestellt werden würde. Die DFB-Kandidatur wurde noch in der Versammlung zurückgezogen.

1 War in politischer Hinsicht der Adenauerzeit die Zweistaatenlösung ganz im Sinne des Kalten Krieges fest zementiert, versuchte man in den Nachkriegsjahren im innerdeutschen Sport noch Annäherungsversuche und dachte über einen einheitlichen deutschen Sportverband nach.

2 Der gleiche Ort, an dem F.L.Jahn 125 Jahre früher über eine andere National-Bewegung sprach und an dem über 30 Jahre später die Einheit zwischen Deutschem Sportbund (DSB) und Nationalem Olympischen Komitee (NOK) zu einem gesamtdeutschen olympischen Sportverband besiegelt werden sollte.

1 Siehe hierzu auch die Ausführungen in: „Entwicklung und Funktion des deutschen Sports im sozial- und gesellschaftspolitischen Kontext“, Kapitel 2.3 „Politische Instrumentalisierung des Sports in der BRD/DDR“.

1 Bereits 1995 versuchte von Richthofen eine Fusionsprozess in Gang zu setzen, scheiterte aber sowohl an internem Widerstand als auch seitens des NOK

1 Im Gegensatz zu den Spitzenverbänden im Sport unterlagen die Landessportbünde (als Organisationen unter halbstaatlicher Kontrolle) nicht den Beschränkungen der Kontrollratsdirektiven 17 und 23. Damit konnten sich nahezu alle Landessportbünde bereits vor 1950 gründen und damit zumindest einen territorial- bzw. zonengebundenen Sportverkehr organisieren.

Ende der Leseprobe aus 143 Seiten

Details

Titel
Jugendarbeit im Sport
Untertitel
Jugendverbandliche Arbeit in der Deutschen Taekwondo Union
Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena  (Sozialwesen)
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
143
Katalognummer
V182331
ISBN (eBook)
9783656079637
ISBN (Buch)
9783656079873
Dateigröße
5861 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
jugendarbeit, sport, jugendverbandliche, arbeit, deutschen, taekwondo, union
Arbeit zitieren
Stev Brauner (Autor:in), 2008, Jugendarbeit im Sport, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182331

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