Zu Beginn der neunziger Jahre galt Interaktivität als „State of the Art“, also das Maß aller Dinge. Sämtliche Bereiche, wie die Kunst, die Populärkultur und auch die kulturwissenschaftliche Theorie, wurden zu diesem Zeitpunkt von interaktiven Vorgängen bestimmt.
Doch bereits Mitte der neunziger Jahre riefen diese Annahmen erste Kritiker, wie den slowenischen Philosophen, Kulturkritiker und nicht praktizierenden lacanianischen Psychoanalytiker, Slavoj Zizek auf den Plan. Zizek, der sich hauptsächlich mit der Weiterentwicklung und Anwendung, der psychoanalytischen Theorien nach Jacques Lacan, auf die Populärkultur und Kulturkritik befasste, analysierte im Rahmen seiner Arbeit das „Dosengelächter“ (canned laughter) von so genannten Sitcoms, also komödiantischen Serien. Er behauptete, dass dieses vorgegebene Lachen, welches dem Bild an scheinbar amüsanten Stellen unterlegt wurde, das Lachen der Zuschauer ersetze und diese so, ohne der Handlung zu folgen oder selbst lachen zu müssen, unterhalten würden. Zizek folgerte daraus, dass unsere Gefühle und Überzeugungen nichts Inneres sind, sondern eine außen angesiedelte, objektive Existenz führen können (vgl. Zizek, 1991, S. 50 ff.).
Diese Theorie nach Zizek, greift Robert Pfaller, ein österreichischer Professor für Philosophie und Kulturwissenschaft, erneut auf und entwickelt sie in seinem Buch „Interpassivität. Studien über delegiertes Genießen“ (2000) weiter. Pfaller ist der Erste, der den heute viel diskutierten Begriff der „Interpassivität“ (vgl. Pfaller, 1996) in den Mund nimmt, obwohl an dieser Stelle zu erwähnen ist, dass die Begrifflichkeit zwar eine neue ist, die Annahmen allerdings sehr stark mit denen nach Zizek und Lacan korrelieren.
Im Folgenden möchte ich den Begriff der Interpassivität näher beleuchten und ihn speziell auf seine Anwendbarkeit in der Kunst überprüfen. Hierzu werde ich zunächst versuchen, eine Begriffsdefinition vorzunehmen und Interpassivität zu erklären. Im nächsten Schritt werde ich mich dann speziell auf Interpassivität in der Kunst konzentrieren und versuchen der Aussage: „Das Kunstwerk betrachtet sich selbst“ auf den Grund zu gehen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Interpassivität nach Robert Pfaller
- 3. Das Kunstwerk betrachtet sich selbst
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Ausarbeitung untersucht den Begriff der Interpassivität nach Robert Pfaller und seine Anwendbarkeit auf die Kunst, insbesondere unter der Fragestellung, ob ein Kunstwerk sich selbst betrachten kann. Die Arbeit analysiert die theoretischen Grundlagen der Interpassivität und deren Bezug zu interaktiven Kunstformen.
- Interpassivität als delegiertes Genießen
- Der Gegensatz zwischen Interaktivität und Interpassivität in der Kunst
- Analyse von Kunstwerken im Hinblick auf interpassive Elemente
- Die Rolle des Zuschauers in interaktiven und interpassiven Kunstformen
- Kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Interpassivität
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Einleitung Die Einleitung beschreibt den Wandel von interaktiven zu interpassiven Tendenzen in der Kunst und Kultur, ausgehend von der Entwicklung interaktiver Kunst in den 1970er und 1990er Jahren und der Kritik daran durch Slavoj Žižek. Der Text führt in die Thematik der Arbeit ein und benennt die Forschungsfrage.
Kapitel 2: Interpassivität nach Robert Pfaller Dieses Kapitel erläutert den Begriff der Interpassivität nach Robert Pfaller, seine theoretischen Grundlagen in der Psychoanalyse (Freud und Lacan) und beschreibt den Mechanismus des delegierten Genießens. Das "Prinzip des Augenscheins" und das "so tun als ob" werden als zentrale Aspekte der Interpassivität dargestellt.
Schlüsselwörter
Interpassivität, Interaktivität, Robert Pfaller, Slavoj Žižek, Kunst, Medien, delegiertes Genießen, Psychoanalyse, Rezipient, Produzent, ästhetischer Genuss.
- Quote paper
- Benjamin Müller (Author), 2011, Interpassivität - Das Kunstwerk betrachtet sich selbst, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183416