Chemiepoltik, als eine Notwendigkeit der Industriegesellschaft wird im Überblick beschrieben. Europäische und internationale Entwicklungen werden dargestellt. Fachliche, politische, philosophische und visionäre Aspekte werden angesprochen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Herausforderungen der Chemiepolitik
3. Die Europäische Union (EU) und die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als Akteure
4. Beispiele globaler Fragestellungen
5. Die wirtschaftliche Bedeutung des Sektors für die EU
6. Akteure auf europäischer und internationaler Ebene
7. Fragen der Chemiepolitik, politische Theorie, Philosophie
8. Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen
9. Verzeichnis der Abkürzungen
10. Literaturverzeichnis
Anhang I – REACH Rechtssetzung
Anhang II – OECD Entscheidungen und Empfehlungen Chemikalien
1. Einleitung
Die Umsetzung technologischer Lösungen unter Zuhilfenahme moderner naturwissenschaftlich-technischer Errungenschaften und die Einschätzung der durch sie geschaffenen Risiken in der Politik von Industriestaaten erfordert Mechanismen der systematischen Problemlösung und schafft neue Politikfelder auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung. Damit verbunden ist die Tatsache, dass mit dem Einsatz von Technologien Risiken für den Menschen (Homo sapiens sapiens) und die Umwelt verbunden sind.
Chemiepolitik setzt sich mit dieser Problematik als etabliertes Politikfeld auseinander, und geht daher in seinen Wurzeln auf die Entwicklung der modernen Industriegesellschaft zurück. Sie steht in ursächlicher Verbindung mit der Freisetzung von Chemikalien aus industriellen Prozessen und Folgehandlungen [1]. Sie umfasst Stoffpolitik , Industriepolitik, Umwelt- und Konsumentenschutzpolitik, Handelspolitik und Anlagensicherheit. Stoffpolitik wiederum setzt sich aus Stoffverboten, Einstufung und Kennzeichnung, Risikobewertung, Risikomanagement, Registrierung und Überwachung als Instrumente zusammen.
Ziele sind die Vermeidung von Gefahren und die Reduzierung von Risiken, die durch die Freisetzung von Chemikalien am Menschen und in der Umwelt entstehen. Gefahren sind dabei als evidente Risiken einzuschätzen. Risiken sind dagegen aufgrund der vorliegenden Daten abzuschätzen, und üblicherweise nicht evident, können aber durch eine Gesamtbewertung evident gemacht werden, und zu einer Einschränkung des Anwendungsgebietes oder einen Gesamtverbot des chemischen Stoffes führen.
Durch die Globalisierung der Wirtschaft treten aber auch wettbewerbspolitische Fragen immer mehr in den Vordergrund, die insbesondere im Bereich der Grundstoffindustrie die Maßnahmen gegen Dumping als handelspolitisches Element im Chemiesektor neben Fragestellung rein technischen Handelsbarrieren als wesentlich erscheinen lassen. Dieser Bereich ist zumeist auch mit Fragen des geistigen Eigentums verbunden.
2. Herausforderungen der Chemiepolitik
Chemikalien finden sich in allen Umweltmedien und in allen Lebensbereichen des Menschen. Der Wahlspruch der chemischen Industrie aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts „Alles Leben ist Chemie“ enthält diese Tatsache. Er verschweigt aber, die Risiken, die dieser Umstand mit sich bringt, insbesondere wenn es um die Freisetzung xenobiotischer Stoffe geht. Aber auch viele Naturstoffe bergen Gefahren für das Leben, insbesondere wenn sie in angereicherter Konzentration freigesetzt werden.
16 Millionen chemischen Stoffe wurden laut Chemical Abstracts Service (CAS) publiziert. Nur ein geringer Teil davon wird vom Menschen als xenobiotische Chemikalien freigesetzt. Die Agenda 21 nimmt an, dass ca. 100.000 chemische Stoffe weltweit vermarktet werden. Ungefähr 1.500 Stoffe machen 95% der Weltproduktion aus [2]. Die Freisetzung solcher xenobiotischen Stoffe, und die dabei auftretenden negativen Effekte haben zu zunehmenden Handlungsbedarf auf Politikebene geführt. Das Politikfeld Chemiepolitik hat sich seit seinen Anfängen im 19. Jahrhundert ständig weiterentwickelt, und hat dadurch zu einer eigenständigen konsumentenorientierten Umwelt- und Gesundheitspolitik begleitend zur Industriepolitik geführt. Sie hat in den letzten 60 Jahren eine starke Weiterentwicklung erfahren. Sie ist ein zentrales Politikelement der Industrie-, Umwelt- und Gesundheitspolitik geworden. Wie bereits erwähnt, können natürlich vorkommende Chemikalien ebenso negative Effekte hervorrufen. Darüber ist wenig bekannt, und es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen darauf einzugehen.
Die Erkenntnis der Gefahr für Mensch und Umwelt durch den Kontakt mit vom Menschen freigesetzten chemischen Substanzen besteht seit Jahrtausenden. Aufzeichnungen von Hippokrates aus dem 4. Jahrhundert vor Christus belegen etwa bereits Symptome von Bleivergiftung als Krankheitssymptom von Arbeitnehmern [3]. Auch aus römischer Zeit sind negative Auswirkungen des Einsatzes von Blei dokumentiert. Bleiemissionen erreichten zu der Zeit bereits einen ersten zivilisatorischen Höhepunkt in der Geschichte der Menschheit, wie man in den Eisschichten der Arktis nachweisen konnte. Es sind etwa bereits Vergiftungsfälle durch Weinkonsum aufgrund des Zusatzes von Blei zur Erhöhung der Haltbarkeit des Weines überliefert. Dieser historisch hohe Einsatz von Blei in der römischen Kulturgeschichte und die dadurch bedingte Emissionen sind noch heute in den Eisschichten der Arktis nachweisbar. Und doch dauerte der Ausstieg aus der Verwendung von Blei als Grundmaterial für Leitungsrohre für Trinkwasser bis in unsere Tage an – stolze 2400 Jahre seit Hippokrates. Dabei hat Blei sein Einsatzgebiet trotz der frühen Erkenntnis immer weiter ausgedehnt, und seine Höhepunkt erst im 20. Jahrhundert erreicht[1].
Parallelen zu Industrieemissionen und toxischen Stoffen des Industriezeitalters in der Gegenwart ließen sich herstellen. Das Erkennen der Gefahr und der negativen Wirkung, und die daraus folgenden Maßnahmen zur Risikoreduzierung sind aus unterschiedlichen Gründen oft von langen zeitlichen Verzögerungen gekennzeichnet. Sie sind aber in der Gegenwart merklich kürzer geworden. Triebfeder dieser Verzögerung waren oft kommerzielle Überlegungen (z. B. Asbest, Vinylchlorid), aber auch das Fehlen geeigneter Alternativen (z.B. Blei und andere Schwermetalle) oder schlichtweg kriegswirtschaftliche Prioritäten und deren zögernde Aufarbeitung nach Beendigung von Kriegen (z. B. Kohlenoxiddichlorid (Phosgen), Dichlorophenyltrichloroethan (DDT), 2,3,7,8,-Tetrachlordibenzodioxin (Agent Orange) und die darin enthaltenen Verunreinigungen). Die Forderung nach Science first ist daher berechtigt, und ein Ergebnis dieser vorausgehenden fehlgeleiteten Politik. Sie hat erst im späten 20. Jahrhundert in Denkmuster im Westen auf breiterer politischer Ebene Eingang gefunden. Die Forderung nach mehr Vorsorge scheint daher ebenso berechtigt, um rücksichtslosen Vorgangsweisen Einhalt zu gebieten. Sie ist ein Verdienst der Umwelt- und Gesundheitspolitik der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Der Umkehrschluß bleibt das große Fragezeichen, und ist Wasser auf die Mühlen alljener, die die derzeitige Chemiepolitik als Innovationshemmer sehen. Ein geeigneter Demokratiebegriff in Technologiefragen ist erforderlich und ausschlaggebend. Es bietet sich auch ein Betrachtung der Geschichte der Philosophie und der Ethik an. Es bleibt die Frage nach der Lernfähigkeit des Menschen, seiner Fähigkeit zur Erkenntnis und die richtigen Folgeschritte zu setzen um Nachhaltigkeit zu erreichen. Und schließlich: Wann und wo sieht die Politik Handlungsbedarf?
Erste industriepolitische Ansätze einer vorbeugenden Chemiepolitik gehen bereits auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. So sind in England bereits 1864 Bestimmungen zur Begrenzung der Emissionen von Salzsäure (Alkali Works Act) erlassen worden, da diese bei der Sodaherstellung als Abfallprodukt entstand und vorerst in die Umgebung freigesetzt wurde. Da deren Freisetzung zu erheblichen Ernte- und Forstschäden führte kam es zu Entschädigungsprozessen und schließlich zu einer gesetzlichen Emissionsbegrenzung, die mehrmals nachgebessert werden musste - eine der ersten End-of-Pipe Lösungen der Chemiepolitik. Sie musste jedoch nachgebessert werden, da hohe Mengen an Salzsäure entstanden, die nicht entsorgt werden konnten. Das führte aufgrund der Salzsäureproblematik zu einer sogenannten Verbundlösungen, also zur Abfallvermeidung. Es wurden Märkte für die anfallende Salzsäure geschaffen [1]. Bis heute gültige Konzepte der chemischen Industrie entstanden. Solche Zusammenhänge der Chemiepolitik stellen sich in der modernen Industriegesellschaft in vielen Fällen als weitaus komplexer dar als an diesem Beispiel aus der Zeit des Frühindustrialismus vorgeführt werden kann (siehe dazu Tabelle 2).
Hier kommt ein breites Spektrum unterschiedlicher Handlungsmuster zur Anwendung, die über längere Zeiträume betrachtet nicht so unterschiedlich erscheinen, da die Notwendigkeit zum Handeln aus Situationen entsteht, die kulturelles Handeln und Überleben erlauben, und Fehlentscheidungen zum Untergang von Kulturen führen können. Auch dabei war der Einsatz von Chemikalien für die gesellschaftspolitische Entwicklung des Menschen insbesondere im 20. Jahrhundert von entscheidender Bedeutung. Man könnte das zusammenfassend so charakterisieren: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten.
Für die Etablierung einer modernen Chemiepolitik im 20. Jahrhundert spielte diese wechselhafte Entwicklung und die erhöhte Lebenserwartung des Menschen eine wichtige Rolle. Aussagen von Pionieren wie Friedrich Haber (Nobelpreis für Chemie, 1918) waren noch von einem ganz anderen Charakter. Damals war die durchschnittliche Lebenserwartung des Menschen in den heutigen westlichen Industriestaaten vergleichsweise gering, und von weitaus größeren Gefahren überschattet als der Gefahr die von chemischen Stoffen in Friedenszeiten und unter heutigen Bedingungen in einem Wohlfahrtstaat ausging. Eine stärkere Differenzierung der Gefahren als Voraussetzung für die Erreichung einer solchen Lebenserwartung auch in Hinblick auf frühere Generationen wurde notwendig. Frühere Generationen schienen nicht in der Lage gewesen zu sein dieses Thema gesellschaftspolitisch entsprechend aufzugreifen, da die geringere Lebenserwartung ein Urteil über Gefahren und Risiken aus zivilisatorischen Maßnahmen in der Form wie heute nicht möglich erschien, und der Alltag von anderen Prioritäten geprägt war. Das Bewusstsein der begrenzten Verfügbarkeit von Lebensraum verbunden mit dem bis dahin unbekannten schnellen Bevölkerungszuwachs der Weltbevölkerung erforderte ebenso eine andere Betrachtung der vom Menschen verursachten Gefahren für die Umwelt und den Lebensraum. Die längere Lebenserwartung erforderte also zwangsläufig ein bewussteres Betrachten der Vorgänge in und um den Menschen, um dessen Errungenschaften für sich und zukünftige Generationen zu sichern. Dieses Bedürfnis nach zivilisatorischer Neuordnung menschlicher Erkenntnis zum Vorteil des Menschen und der von ihm wahrgenommenen Umwelt stellt Chemiepolitik vor die neue Herausforderung einer umfangreichen Neugestaltung, wie sie derzeit zunehmend Form annimmt. Auch die verringerte Sterblichkeit von Säuglingen und Kindern ist ein Indiz für eine bewusstere Lebenshaltung des Menschen in Wohlstandsgesellschaften. Eine Abkehr von einem anthropozentrischen Weltbild zu holistischen Sichtweisen des Lebensraums Planet Erde, und das Erkennen der Gefahren durch menschliches Einwirken für den Planeten Erde wurde erforderlich. Der Wandel der Sichtweise des technischen Fortschritts und die Anwendung wissenschaftlicher Errungenschaften durch den Menschen auf den technischen Fortschritt, und deren gesellschaftliche Handhabung waren im 20. Jahrhundert besonders ausgeprägt.
Diese Neugestaltung wurde möglich, weil sich die Weltgemeinschaft der gemeinsamen Verantwortung in vielen Bereichen unausweichlich bewusst geworden zu sein scheint. Der hemmungslose Einsatz vieler chemischer Stoffe hat oft aus dem Bedürfnis heraus kurzfristige Wettbewerbsvorteile zu erzielen, langfristige Gefahren für den gesamten Planeten Erde heraufbeschworen, die zum Teil von der Wissenschaft nicht erkannt wurden, später von der Politik ignoriert wurden, und der Menschheit bis dahin unbekannt waren. Diese verfehlte Politik wurde schließlich für den Menschen, und das Leben auf diesen Planeten bedrohlich (z. B. Freisetzung von Fluorchlorkohlenwasserstoffe oder DDT) und hat zu radikalen Kehrtwendungen geführt (z. B. Montrealer Protokoll, Stockholmer Abkommen).
Ein erster Ansatz zu einer von mehr Vorsorge geprägten Gesundheitspolitik war die Delaney Clause (1958) bezüglich des Verbots von krebserzeugenden Stoffen in Nahrungsmitteln. Krebsforschung hatte schon seit den 30er Jahren erhöhte Aufmerksamkeit in den USA bekommen und war nun auch von der Nahrungs- und Arzneimittelbehörde der USA (Food and Drug Administration (FDA)) zur Priorität erklärt worden. Als entscheidender Durchbruch zu einer breiteren Bewusstseinsbildung für das Erfordernis des Politikfeldes Chemiepolitik in der modernen Industriegesellschaft wird im Westen allgemein die Veröffentlichung des Buches „ Silent Spring“ von Rachel Carson (1962)[2] angesehen, die als erste vor den zunehmenden Kosten durch die steigende Verschmutzung durch Chemikalien warnte. Zufällig hatte der damalige Präsident der USA, J. F. Kennedy, in The New Yorker einen Review ihres Buches gelesen, und daraufhin sein wissenschaftliches Beratergremium beauftragt den später Kennedy Report: The Use of Pesticides genannten Bericht zu verfassen. Die daraus resultierende sehr kontroversielle Diskussion führte zu einer zunehmenden Fokussierung auf die Krebsprävention. Präsident Richard Nixon lancierte schließlich eine Programm zur Krebsforschung, das bis heute andauert, und die Gesundheitspolitik in den westlichen Industriestaaten wesentlich prägte. Ein konkreter Erfolg war jedoch das Verbot von DDT auf Antrag der neu gegründeten Umweltbehörde der USA (United States Environment Protection Agency, USEPA) im Jahr 1972 [4].[3]
Die Nord-Süd Problematik war eine entscheidende Triebfeder der Internationalisierung der Umweltpolitik. Im Nord-Süd Dialog der im umweltpolitischen Bereich seit den frühen 70er Jahren läuft (Konferenz von Stockholm, 1972) gilt der Brundtland Bericht (1987) und die daraus folgende Erklärung von Rio de Janeiro und die Agenda 21 (1992) als der eigentliche Beginn eines kritischen Dialogs. Der Chemiepolitik ist das Kapitel 19 der Agenda 21 gewidmet. Das Ende des Kalten Krieges beschleunigte nicht nur die europäische Integration, sondern auch die internationale Zusammenarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen und der Welthandelsorganisation. Die europäische und internationale Chemiepolitik profitierten davon sehr.
Im Zuge dieser Entwicklung haben eine Vielzahl von politischen Maßnahmen zu einer Reduktion der Emissionen und der Risiken durch Chemikalien in Industriestaaten geführt. Ursprüngliche sektorielle Ansätze der siebziger Jahre wurden zunehmen auf lokaler, regionaler und globaler Ebene vernetzt (siehe Tabelle 1).
Das Management von Gefahren durch Chemikalien erforderte das Handeln auf lokaler, regionaler und globaler Ebene. Risiken die durch Chemikalien entstehen werden in der EU laufend durch den Einsatz von Stoffverboten und Beschränkungen, Einstufung und Kennzeichnung, Risikobewertung, Beseitigung von Altlasten, Umwelthaftung, Zivilschutzaktionen usw. eingeschränkt (siehe Abbildung 1). Es hat sich ein komplexes System herauskristallisiert, dass über die Risikobewertung den Informationsfluss in andere Politikmaßnahmen ermöglicht um Kosten und Nutzen, Vorteile und die Vorsorge beim Einsatz von gefährlichen Stoffen zu verbessern.
Die Akteure der Chemiepolitik sind beginnend beim Konsumenten, Interessensverbänden der Industrie, Umweltorganisationen und Konsumentenschutzorganisationen, die Regierungen der Mitgliedssaaten, die Kammern der nationalen Parlamente, die Europäische Kommission, der Ministerrat, das Europäische Parlament, einzelne internationale Organisationen, die Vereinten Nationen und die Welthandelsorganisation. Diese Akteure der Chemiepolitik sind auf allen Ebenen ursächlich mit den Wechselwirkungen zwischen Risiken, Kosten und Vorteilen, der Anwendung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Umwelt- und Gesundheitsrechts beschäftigt. Dieses Gleichgewicht zwischen Vorgaben der gesellschaftlichen Akteure und der daraus sich bildenden Interessensgruppen entscheidet über das Handlungspotential von horizontalen und/oder sektoriellen Instrumenten der Chemiepolitik. In gleicher Weise kann es jedoch zu präventiven Handlungen einzelner Akteure kommen, um einer Reaktion durch andere Akteure zuvor zu kommen, oder diese zu provozieren. Im Regelfall sind die Handlungsmuster in der Chemiepolitik stoff- oder stoffgruppenbezogen. Darüber hinaus wird diese Handlungsweise von einer Reihe von anderen Faktoren bestimmt sein. Sie ist zielorientiert auf eine oder mehrere der 3 Endpunkte ausgerichtet (siehe Abbildung 1). Im Idealfall werden sich die Synergien zum Vorteil aller Akteure und vor allem mit einer Reduktion des Risikos auf ein akzeptables, jedoch niemals vernachlässigbares Ausmaß (siehe Abbildung 5) auswirken. Dieser Prozess ist einer ständigen Neuadaptierung durch das Vorliegen von neuen Daten aufgrund des Vorliegens neuer Erkenntnisse unterworfen. Es ist daher davon auszugehen, dass Chemiepolitik als stetig weiterzuentwickelndes Politikfeld zu betrachten ist, und einer ständigen Überwachung durch die beteiligten Verantwortlichen bedarf (siehe Tabelle 2).
Die entscheidende Fragestellung zur Bewertung von Gefahren und Risiken ist die Exposition des Mensch und der Umwelt gegenüber Chemikalien. Die Exposition gegenüber Gemischen von Chemikalien tritt dabei häufiger auf als gegenüber reinen Stoffen. Die Gefahren für den Menschen und die Umwelt sind vielfältig, und teilweise nur unzureichend bekannt. Chemiepolitik ist nur dort im Stande zu agieren, wo ausreichend Daten über die Exposition und die damit verbundenen Gefahren vorhanden sind. Neben der Abschätzung des daraus resultierenden Risikos, ist vor allem das Risikomanagement durch die Risikoabschätzung und die Kosten-Nutzen Abschätzung für eine Chemikalie für einen bestimmten Einsatzbereich Aufgabe der Chemiepolitik. Neben integrativen Ansätzen stehen der Chemiepolitik sektorielle Instrumente zur Verfügung. Dies sind vor allem Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien und deren Zubereitungen, Emissionsgrenzwerte in verschieden Umweltmedien und am Arbeitsplatz, generelle und spezifische Stoffverbote, etc.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Ansätze der Chemiepolitik in den siebziger und in den neunziger Jahren, integrative Ansätze haben die punktuellen Ansätze auf allen Ebenen ergänzt (verändert nach Europäischer Umweltagentur (EEA), 1998b und van Leeuwen et. al 1996) Diese Tabelle wäre durch die neuen Ansätze der Chemiepolitik durch ganzheitliche Verfahren der Stoffbewertung in Form von Risikobewertungen von Stoffen seit den späten 90er Jahren zu ergänzen. Produkthaftung und Beweislastumkehr ergänzen dieses Konzept um die Bewertungsprozesse zu beschleunigen.
Übergeordnete Instrumente der Chemiepolitik sind des weiteren Bestimmungen über Produkthaftung, Umwelthaftung, freiwillige Vereinbarungen, Managementinstrumente wie Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und Betriebsprüfung (Eco-Management and Audit Scheme (EMAS)) oder Responsible Care, Entsorgungsbestimmungen über gefährliche Abfälle (Basler Abkommen), Bestimmungen zur Vergabe von Umweltzeichen, allgemeine Konsumentenschutzbestimmungen, etc. (siehe Tabelle 2). Ein weites Betätigungsfeld für den Marrakesch Prozess.
Nicht regulative Ansätze sind vor allen Dingen Forschung über alternative Herstellungsverfahren von Stoffen. Dabei gelten vor allen Dingen die Konzepte von Grüner Chemie, nachhaltige Chemie, sanfte Chemie, Methoden der Biotechnologie und Methoden zum Einsatz erneuerbarer Rohstoffe als Alternativen zur Kohlenwasserstoffchemie der Erdölverarbeitung. Die Wiederverwertung von Stoffen stellt eine weitere Alternative in diese Richtung dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Veränderung der Auffassung über zentrale Ansätze der Chemiepolitik in den 70er Jahren und den 90er Jahren, Quelle Broschüre EEA, 1998a - ergänzt. Kriterien wie Persistenz, Bioakkumulation und Mobilität haben durch diese ganzheitliche Bewertung eine größere Bedeutung gewonnen.
[...]
[1] Der Umkehrschluss bietet sich an – wo stünde die menschliche Zivilisation ohne den Einsatz von Blei, das sich seit den Babyloniern für die Produktion von Artefakten nachweisen lässt (2. Jahrtausend v. Chr.).
[2] Carson R., 1962. Silent Spring, Houghton and Mifflin, USA, Penguin, London.
[3] In etwa zur selben Zeit erscheinen ähnlich Publikationen in den Warschauer Pakt Staaten vor allem in der ehemaligen Sowjetunion in Zusammenhang mit der Verschmutzung des Baikalsees durch den Einsatz von Chlorchemie zur Gewinnung von Zellstoff ohne entsprechende Kläranlagen. Während des Kalten Krieges gingen die beiden Blöcke auch in Hinblick auf die Chemiepolitik getrennte Wege. Während die umweltpolitischen Initiativen seit den 60er Jahren im Westen durch die stärkere Konsumentenorientierung schnell Früchte trugen blieb der Osten seiner planwirtschaftlichen Ausrichtung auf die Schwerindustrie und dem dialektischen Konzept der Biotechnosphäre treu. Erst der Fall des eisernen Vorhanges hat die im Westen von Nichtregierungsorganisationen getragenen Umwelt- und Konsumentenschutzpolitik im Osten ermöglicht. Unabhängig davon hatte der Naturschutz vor allem in der ehemaligen Sowjetunion einen gewissen ideologischen Stellenwert, der aber nicht das planwirtschaftliche System der Industrieproduktion nachhaltig beeinflusste. Der fehlende politische Pluralismus hat dem allerdings einen geringen Stellenwert in der tagespolitischen Auseinandersetzung gegeben. Das planwirtschaftliche Output-orientierte System ließ Rücksichtnahmen auf andere als rein produktionsbezogene Parameter kaum zu 5.
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