Um die Verbindungen Rilkes zum griechischen Mythos begreifen zu können, muss man zunächst um den Zusammenhang zwischen seinem künstlerischen Schaffen und der bildenden Kunst wissen. Denn seine Leidenschaft zur bildenden Kunst hat Rilke schließlich nach Paris und Italien geführt, wo er mit Mythologischem nicht nur in geschriebener, sondern auch in bildnerisch gestalteter Form in Berührung gekommen ist. Aus den Einflüssen der bildenden Kunst und dem Mythos heraus sind endlich die „Neuen Gedichte“ entstanden. Sie enthalten in großer Zahl auch mythologische Motive, wie man besonders bei den drei Gedichten „Kretische Artemis“, „Früher Apollo“ und „Archaischer Torso Apollos“ erkennen kann, wo in beeindruckender Weise die körperlichen Idealbilder griechisch - mythologischer Figuren dargestellt werden. Schon in der Nachkriegszeit hat die Rilkeforschung viel Arbeit geleistet und bis heute arbeiten Wissenschaftler an Interpretationen über Rilkes Werk. Gerade in den letzten Jahren haben sie auch die „Neuen Gedichte“ wieder stärker für ihre Forschungen entdeckt, was sich an der großen Zahl aktueller Bücher und Aufsätze über dieses Thema erkennen lässt. Dennoch ist die Forschungsarbeit in diesem Bereich noch lange nicht abgeschlossen, da immer noch viele Fragen zu klären sind.
Gliederung:
1. Rilke auf dem Weg zum griechischen Mythos
2. Rilke und die bildende Kunst
2.1 Worpswede
2.2 Paris
3. Rilke und die Antike
4. Rilkes „Neue Gedichte“
5. Die Darstellung von Körpern in den „Neuen Gedichten“
5.1 „Kretische Artemis“
5.2 „Früher Apollo“
5.3 „Archaischer Torso Apollos“
6. Rilkes Mythen
7. Literatur
7.1 Primärliteratur
7.2 Sekundärliteratur
7.3 Bildquelle
1. Rilke auf dem Weg zum griechischen Mythos
Um die Verbindungen Rilkes zum griechischen Mythos begreifen zu können, muss man zunächst um den Zusammenhang zwischen seinem künstlerischen Schaffen und der bildenden Kunst wissen. Denn seine Leidenschaft zur bildenden Kunst hat Rilke schließlich nach Paris und Italien geführt, wo er mit Mythologischem nicht nur in geschriebener, sondern auch in bildnerisch gestalteter Form in Berührung gekommen ist. Aus den Einflüssen der bildenden Kunst und dem Mythos heraus sind endlich die „Neuen Gedichte“ entstanden. Sie enthalten in großer Zahl auch mythologische Motive, wie man besonders bei den drei Gedichten „Kretische Artemis“, „Früher Apollo“ und „Archaischer Torso Apollos“ erkennen kann, wo in beeindruckender Weise die körperlichen Idealbilder griechisch - mythologischer Figuren dargestellt werden.
Schon in der Nachkriegszeit hat die Rilkeforschung viel Arbeit geleistet und bis heute arbeiten Wissenschaftler an Interpretationen über Rilkes Werk. Gerade in den letzten Jahren haben sie auch die „Neuen Gedichte“ wieder stärker für ihre Forschungen entdeckt, was sich an der großen Zahl aktueller Bücher und Aufsätze über dieses Thema erkennen lässt. Dennoch ist die Forschungsarbeit in diesem Bereich noch lange nicht abgeschlossen, da immer noch viele Fragen zu klären sind.
2. Rilke und die bildende Kunst
Das Leben Rainer Maria Rilkes war durch Eindrücke aus der bildenden Kunst seiner Zeit geprägt. Schon zu seiner Jugendzeit in Prag hat er sich mit dem Werk Emil Orks beschäftigt, der damals ein bekannten Zeichner gewesen ist.[1] Nach dem Abitur hat Rilke dann 1895 das Studium der Kunstgeschichte aufgenommen.[2] Er hat nicht nur in Prag, sondern auch in München und Berlin studiert, wo er aber nicht so sehr die Universität als viel mehr die örtliche Kunstszene besucht hat.[3] In München hat Rilke dann begonnen, sich auch zum aktuellen Kunstgeschehen zu äußern, wozu vielleicht die Künstlerin Lou Andreas-Salomé, die er dort kennen gelernt hat, den Anstoß gegeben hat. Insbesondere ist er hierbei auf den Jugendstil eingegangen, der ihn von da an sein ganzes Leben lang begleitet hat.[4]
In Berlin hat er weiterhin Bekanntschaft mit dem Maler Ludwig von Hofmanns gemacht, der später für Rilke sogar einen Gedichtband mit Jugendstilzeichnungen gefüllt hat. In den Jahren 1899 und 1900 hat Rilke zusammen mit Lou Andreas-Salomé und ihrem Ehemann zwei Russlandreisen unternommen.[5] Auch auf diesen Reisen ist Rilke wieder mit der bildenden Kunst in Berührung gekommen. Hierbei haben ihn vor allem die Jugendstileinflüsse in der russischen Kunst und die eindrucksvollen Ikonen der russisch-orthodoxen Kirchen begeistert, wie er später in seinem „Stundenbuch“ gestehen sollte.[6]
2.1 Worpswede
Schon 1898 hat Rilke in Florenz den Maler Heinrich Vogeler kennengelernt, der ihn in seine Heimat in Norddeutschland - in das Dorf Worpswede - eingeladen hat. Rilke ist der Einladung noch im selben Jahr nachgekommen und hat damit seinem weiteren Leben eine neue Richtung gegeben. In der Worpsweder Gemeinschaft hat er nicht nur die Bekanntschaft von Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Hans am Ende und (natürlich) Heinrich Vogeler machen können, sondern auch von der Malerin Paula Becker (,der späteren Frau von Otto Modersohn) und seiner eigenen zukünftigen Ehefrau Clara Westhoff.
Besonders die beiden Frauen haben das weitere Werk Rilkes entscheidend beeinflusst, hat er doch in Beckers Werk das von Cézanne und in den Skulpturen Westhoffs die Handschrift Rodins erkennen können. Der Ausspruch Rilkes „wieviel lerne ich im Schauen dieser beiden Mädchen ...“[7] ist darauf zurück zu führen.
Die Worpsweder Zeit hat Rilke dazu befähigt, „die Erfahrungswelt der Bilder und der Dinge mit dem Zentrum seiner dichterischen Arbeit zu verknüpfen“[8]. Damit hat für Rilke seine Zeit des „sachlichen Sagens“[9] (1903 – 1910) begonnen gehabt. Jetzt hat Rilke seine Augen bewusst geschult und sein Satz „Ich lerne sehen“[10], den er seiner Romanfigur Malte Brigge in den Mund gelegt hat, deutet schon explizit auf den kommenden sachlichen Charakter seines Werkes hin.
2.2 Paris
Im Jahr 1902 hat Rilke seine Worpsweder Freunde und seine Frau Clara, die er 1901 geheiratet hat, verlassen. Dies ist vor allem aus der Not heraus geschehen, dass Rilkes Vater ihn nicht länger unterstützen konnte und er somit Auftragsarbeiten annehmen musste, um Geld zu verdienen.[11] Sein Weg hat ihn somit zu Auguste Rodin, einem berühmten Bildhauer zur Zeit der Jahrhundertwende, nach Paris geführt. Clara Westhoff-Rilke war einst die Schülerin dieses Mannes gewesen und er hat Rilke fast väterlich („Er war gut und mild“[12] ) aufgenommen. Auch nachdem er die Arbeit an seinem Buch über Rodin beendet hat, ist Rilke ihm ein treuer Anhänger, Schüler und Gefährte geblieben. Eine gewisse Zeit lang – bis zum Bruch ihrer Freundschaft - war Rilke sogar Rodins Sekretär.
In Auguste Rodins Haus hat Rilke auch die Gedanken des Bildhauers zur Kunst des Plastischen kennen gelernt. Eine Anekdote erzählt, dass Rodin, als er von seiner Tochter ein Schneckenhaus gereicht bekommen hat, sich - laut Rilke - wie folgt geäußert hat: „Die Dinge sind da untrüglich. Diese kleine Schnecke erinnert mich an die großen Werke griechischer Kunst, sie hat dieselbe Einfachheit, dieselbe Glätte, denselben inneren Glanz, dieselbe heitere und feierlich Art der Oberfläche ...“[13].
Und hier ist Rilke wieder an seinem Ausgangspunkt angelangt: dem Schauen. Er war davon überzeugt, dass man nicht nur das Äußere der Figur erkennen können muss, sondern auch das Innere, die Ausstrahlung. Deshalb hat Rilke - ganz in der Tradition des Bildhauers Adolf von Hildebrand - die Meinung geäußert, dass „die Oberfläche der Plastik eine Grenzfläche zwischen Innen und Außen darstellt“[14]. Dieser Gedankengang kann eindeutig an den „Neuen Gedichten“ nachvollzogen werden. Besonders bei dem Gedicht „Archaischer Torso Apollos“ gerät die Grenzfläche zwischen Innen und Außen in das Blickfeld des Lesers.
Die vier wesentlichsten Dinge, die Rilke sich bei Rodin angeeignet hat, sind aber erstens, dass die ganze Welt in Bewegung ist und das Ruhen nur scheinbar existiert. Zweitens muss der Torso als Gebärdenkern gesehen werden, was eine „künstlerische Beschränkung auf den Gestaltkern“ nach sich zieht[15]. Außerdem ist die Vollendung eines Werkes nicht davon abhängig, ob das Objekt vollständig ist, sondern nur davon, ob es eine innere Ausgewogenheit besitzt. Als letztes bleibt zu nennen, dass für Rilke seit seiner Zeit mit Rodin alles eine Verwandlung darstellt, was im weitesten Sinne erschaffen worden ist.[16]
Auch nachdem sich die Wege von Rilke und Rodin getrennt haben, hat Rilke weiterhin seinen ersten Wohnsitz in Paris bis zum ersten Weltkrieg hin behalten. Zwar war er oft auf Reisen, doch ist er dem Flair der Stadt, die er anfangs so erschreckend in ihrer Größe und ihren Menschenmassen empfunden hat, erlegen.
Die Künstler, die Rilke außer Rodin in Paris sehr beeinflusst haben, waren van Gogh und Cézanne. Obwohl beide schon verstorben waren, als Rilke das erste Mal mit ihren Werken in Kontakt gekommen ist, haben sie sein Schaffen doch nachhaltig beeinflusst.
In seinen Briefen an Clara hat Rilke zuerst seine Eindrücke über van Goghs Bilder beschrieben, wobei ihn besonders „ein großer Glanz aus Innen“[17] fasziniert hat. Rilke sollte sich zu einem wahren van Gogh – Spezialisten entwickeln. Denn er hat in seiner Auseinandersetzung mit ihm nicht nur immer wieder kleinere Ausstellungen seiner Werke besucht, sondern auch van Goghs Briefe an seinen Bruder studiert. In diesen Briefen hat Rilke viel über den richtigen Gebrauch von Farben und die Imitation von natürlichen Farben der Landschaft gelernt, ein Wissen, das er später auch an Paula Modersohn - Becker weiter gegeben hat.[18] Rilke ist durch van Gogh aber auch ein Stück weiter auf seinem Weg des exakten Schauens gegangen. Denn durch den Maler hat sich Rilke erhofft, endlich sein „genaue[s] Sehen ins genaue Sagen“[19] transformieren zu können.
Rilkes Briefe nach Worpswede sind hierauf zu Cézanne übergegangen, bei dem er vor allem die „Beständigkeit und Souveränität der Dinge, die er auch mit dem Begriff des Heiligen umschreibt“[20], wahrnehmen konnte. So hat Rilke nicht nur van Goghs Gedankengut, sondern auch sein eigenes in den Bildern Cézannes wieder gefunden: „Das Ringen um künstleri[s]che Selbstbeherrschung, um Gleichgewicht und Harmonie im Gedicht, um eine lyrische Artikulation von innerer und äußerer Wirklichkeit, die alle Aspekte eines Gegenstands zu gleicher Zeit erfassen sollte, all das, [...] entdeckte er in diesen Werken von Cézanne.“[21] Bei der Betrachtung von Cézannes Bildern ist Rilke auch klar geworden, dass für ihn die Kunst keine Inspiration mehr darstellt, sondern mit seinen Dichtungen verwandt ist.[22]
Für Rilke hat das Schaffen Cézannes eine tiefe Natürlichkeit und Exaktheit dargestellt, weil er die Fähigkeit gehabt hat, eine Sache auf ihr Wesentliches zu reduzieren und somit einzigartige Kunst zu schaffen. Die Briefe Rilkes über Cézanne stellen somit den Höhepunkt der rilkeschen Verbindung zur bildenden Kunst dar, wobei „ihm dieses mühsam eroberte Land doch ein fester, lebenslanger Besitz“[23] geblieben ist.
Die bildende Kunst ist für Rilke also ein Medium der Vergegenwärtigung geworden. Vor allem in dem Sinne, dass er gemeint hat, dass in unserem Leben nur die Dinge gegenwärtig sind, die wir nur dann sehen können, wenn wir das SEHEN gelernt haben.
3. Rilke und die Antike
Rilke hat erst sehr spät zu der antiken Kunst gefunden. Denn in seiner Schullaufbahn, an der Militär – Realschule St. Pölten, war das Andenken an die antiken Klassiker nicht groß geschrieben.[24] Und auch die drei Jahre der Vorbereitung auf das Abitur, in denen Rilke die Unterrichtsinhalte von sechs Gymnasialjahren in Griechisch und Latein nacharbeiten musste, haben ihn der Antike nicht näher gebracht.[25] Als Rilke jedoch nach Paris gekommen ist, hat sich auch seine Einstellung zur antiken Kunst geändert.
Während Rilke in seinem Frühwerk hauptsächlich dem Klang und den Versmaßen der Antike Aufmerksamkeit geschenkt hat, so hat ihn der Anblick von diversen Kunstausstellungen in Paris und Italien dahingehend verändert, dass im Folgenden besonders antike Motive eine Rolle in seinem Werk gespielt haben.[26] Diese Motive, die er besonders in seinen „Neuen Gedichten“ zur Geltung kommen ließ, hat er aber auch bei Auguste Rodin gefunden. Überhaupt hat Rilkes Pariser Zeit ihn ein großes Stück näher zur Antike geführt.
[...]
[1] Vgl. Boehm 1986, S. 7.
[2] Vgl. http://www.onlinekunst.de/rilke/zeitleiste.html, 01.07. 2003.
[3] Vgl. Webb 1996, S. 2.
[4] Vgl. Webb 1996, S. 3.
[5] Vgl. http://www.onlinekunst.de/rilke/zeitleiste.html, 01.07. 2003.
[6] Vgl. Webb 1996, S. 3.
[7] Boehm 1985, S. 8.
[8] Boehm 1985, S. 8.
[9] Boehm 1985, S. 8.
[10] Boehm 1985, S. 8.
[11] Vgl. Bauer 1998, S. 33.
[12] Bauer 1998, S. 34.
[13] Bauer 1998, S. 34.
[14] Boehm 1985, S. 15.
[15] Lambertz, Beichel 2003, S. 2.
[16] Vgl. Lamberz, Beichel 2003, S. 2.
[17] Boehm 1985, S. 17.
[18] Vgl. Webb 1996, S. 6.
[19] Webb 1996, S. 6.
[20] Boehm 1985, S. 18.
[21] Webb 1996, S. 7.
[22] Vgl. Lambertz, Beichel 2003, S.2.
[23] Boehm 1985, S. 19f.
[24] Vgl. Kohlschmidt 1948, S.38.
[25] Vgl. Spörl 1999, S. 39.
[26] Vgl. Kohlschmidt 1948, S.39.
- Arbeit zitieren
- Cornelia Holzheid (Autor:in), 2003, Rilke und der griechische Mythos. Am Beisspiel der Neuen Gedichte von 1907 und 1908., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18452
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