Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Der Verlust des Kindes
1.1 Verschiedene Gesichter des Todes
1.2 TotgeburtundNeugeborentod
1.2.1 Begriffsbestimmung Totgeburt
1.2.2 Gründe für eine Totgeburt
1.2.3 Erleben einer Totgeburt
1.2.4 Begriffsbestimmung Neugeborenentod
1.2.5 Gründe für einen Neugeborenentod
1.2.6 Erleben eines Neugeborenentodes
1.3 Verlauf der Trauerreaktion
1.4 Die individuelle Trauersituation
2. UmgangmitderSituation
2.1 Die Geburt eines toten Kindes
2.3 Kennen lernen und Abschied zugleich
2.3.1 Erinnerungsstücke schaffen
2.3 Autopsiejaodernein
2.4 Informationen zur Bestattung
3. Unterstützung für Frauen und Paare die ihr Kind verloren haben
3.1 Praktische Hinweise für die Betreuung bei der Klinikaufnahme
3.2 Begleitung während der Geburt
3.3 Abschied von einem toten Kind
3.4 Abschied von einem sterbenden Kind
3.5 Hinweise für den Klinikaufenthalt und die Entlassung
4. Zum Umgang mit trauernden Menschen aus anderen Kulturen
5. Zur Situation von Hebammen, Pflegepersonal und Ärzten bei Totgeburten
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
Einleitung
Durch die technisierte Medizin ist die Säuglingssterblichkeit in den letzten Jahrzehnten stark gesunken. Geburt in Verbindung mit dem Tod wurde immer mehr aus den Kliniken und damit auch aus dem Bewusstsein der Betroffenen verbannt. Früher, als die Säuglingssterblichkeit noch höher war, gehörte der Umgang mit dem Tod eines Kindes eher zum Alltag als heute.
Sterben kurz vor, während, oder nach der Geburt stellt uns vor Probleme und macht alle Beteiligten fassungslos. Man hat trotz allem medizinischen Fortschritts den Tod eines Kindes nicht verhindern können und es entsteht ein Gefühl der Hilflosigkeit mit so einer Situation umzugehen.
In dieser Situation kommen auf die Eltern viele Probleme zu und es stellt sich die zentrale Frage, wie das medizinische Personal den Eltern helfen kann, mit ihrer Trauer umzugehen. Welche Schritte sind einzuleiten und was darf auf keinem Fall versäumt werden, um die Trauerarbeit der Eltern nicht zu behindern. Die Trauerbegleitung durch Mitarbeiter im Krankenhaus für Frauen und Paare, die ihr Kind kurz vor, während oder kurz nach der Geburt verloren haben, soll deshalb im Rahmen dieser Arbeit behandelt werden.
1. Der Verlust des Kindes
1.1 Verschiedene Gesichter des Todes
Wenn ein Mensch in einem hohen Alter stirbt, hat er den ganzen Lebenskreislauf durchlaufen. Für Menschen, die z.B. einen alten Angehörigen verlieren, bleiben Erinnerungen und gemeinsame Erlebnisse von vielen Jahren im Gedächtnis zurück. Dieser Mensch hat sein Leben gelebt. Mit dem Ableben schließt sich der im menschlichen Verständnis natürliche Lebenskreislauf.
Etwas ganz anderes ist es, wenn ein Kind kurz vor, während oder nach der Geburt verstirbt. Es gibt keine Erinnerungen, keine gemeinsamen Erlebnisse und kein gemeinsam gelebtes Leben. Der frühe Tod ihres Kindes trifft die Eltern meist völlig unvorbereitet. Mit diesem Kind sterben ihre Hoffnungen, ihre Träume und die Zukunft. Es gibt kein Leben mit diesem Kind. Die natürliche Abfolge gerät durcheinander, denn normalerweise überleben Kinder ihre Eltern.
1.2 Totgeburt und Neugeborentod
1.2.1 Begriffsbestimmung Totgeburt
Nach der gesetzlichen Definition wird ein bereits lebensfähiges Kind, das im Mutterleib oder unter der Geburt stirbt, als Totgeburt bezeichnet.
Wiegt das totgeborene Kind mehr als 500g, so wird es standesamtlich registriert und ins Familienstammbuch eingetragen. Eine Namensgebung kann, muss aber nicht erfolgen.
1.2.2 Gründe für eine Totgeburt
Die Gründe für eine Totgeburt sind vielfältig. Häufig sind während der Schwangerschaft auftretende Nabelschnurkomplikationen (Umschlingungen oder Verknotungen) die Ursache. Eine Ablösung der Plazenta (Mutterkuchen) kann ebenso zum Tod eines Kindes führen, wie Anomalien, Fehlbildungen oder Infektionen.
1.2.3 Erleben einer Totgeburt
Ebenso wie die Gründe für eine Totgeburt, so ist auch deren erleben, d.h. der Umstand wann und unter welchen Umständen sie festgestellt wird, sehr verschieden.
So stellt sich bei einigen Patientinnen der Tod des Kindes bei einer Routineuntersuchung heraus. Sie haben zuvor meist nichts ungewöhnliches bemerkt. Andere wiederum kommen in die Klinik, weil sie über einen bestimmten Zeitraum keine Kindsbewegungen mehr verspürt haben mit einer Ahnung, dass ihr Kind tot ist. Dies wird dann im Ultraschall und CTG (Herzton- und Wehenschreiber) bestätigt. Bei einer anderen Gruppe von betroffenen Schwangeren stellt sich plötzlich ein Gefühl ein, das ihnen sagt, das etwas nicht stimmt. Sie wissen selbst das ihr Kind verstorben ist.
Für die Eltern ist die Diagnosestellung „Ihr Kind ist tot“, traumatisch und völlig unvorstellbar. Das die ersehnte Geburtjetzt mit dem Tod zusammenfällt möchten die Eltern meist nicht wahrhaben wollen.
1.2.4 Begriffsbestimmung Neugeborenentod
Verstirbt ein Kind innerhalb der ersten 28 Tage nach der Geburt, handelt es sich um einen Neugeborenentod (gesetzliche Definition). Weiter differenzierend spricht man von Frühsterblichkeit, wenn der Neugeborenentod innerhalb der ersten sieben Tage nach der Geburt eintritt.
Sobald ein Kind geatmet oder sein Herz geschlagen hat, wird es standesamtlich registriert, d.h. ins Geburten- und Sterberegister eingetragen, und im Stammbuch vermerkt. Zudem erhält das Kind auch einen Namen.
1.2.5 Gründe für einen Neugeborenentod
Es gibt Anomalien von Herz-, Kreislauf-, und Nervensystem, die nicht operabel sind und ein Kind nur wenige Stunden oder Tage alt werden lassen. Weitere Gründe können eine schwerwiegende Chromosomenanomalien, Komplikationen von Plazenta- und/oder Nabelschnur, Infektionen oder auch die Frühgeburt selbst und die damit einhergehende Unreife sein.
1.2.6 Erleben eines Neugeborenentodes
Bei allen Eltern gibt es den Moment des Bangens nach der überstandenen Geburtsarbeit, der mit der Diagnose, dass mit dem Kind alles in Ordnung ist, beendet wird. „Bleibt diese Bestätigung aus sind die Betroffenen wie gelähmt“ (Kindermann 1995).
Die Frauen und Paare beschreiben diese Situation als Alptraum den man nicht glauben kann: So etwas passiert anderen, doch nicht einem selbst. Bohrende Fragen nach dem Grund sowie Gefühle von Wut, Hilflosigkeit und Zweifel kommen auf. Häufig befinden sich die Betroffenen in einem Schockzustand.
1.3 Verlauf der Trauerreaktion
Ein Grundbedürfnis des Menschen sind emotionale Bindungen mit dem Ziel, Sicherheit und Geborgenheit zu finden. Auch auf die Gefahr hin einen Verlust zu erleiden, suchen Menschen deshalb die Bindung zu anderen Menschen. Liebe und Trauer sind so eng miteinander verbunden. Dies gilt auch für die Beziehung zwischen Müttern und ihren totgeborenen Kindern, wobei, wie LOTHROP (1995) feststellt, „Außenstehende“...“die Trauer von Eltern, die ihr Kind nicht gekannt haben, nicht nachvollziehen“ können, „weil sie keine Vorstellung von der Tiefe der Bindung haben.“
Die Frage ob man Schmerz und Trauer dadurch umgehen kann, indem man Bindungen vermeidet, ist hier eindeutig mit nein zu beantworten, da die Bindung zu einem Kind bereits in der Schwangerschaft entsteht, und zwar einerseits durch die körperlich-hormonelle Bindung, und andererseits durch die Gedanken und Hoffnungen, die mit diesem Kind verbunden sind.
Trauerprozesse verlaufen daher unterschiedlich und es hängt viel davon ab welche individuellen Erfahrungen die bzw. der Einzelne mit Verlust und Trauer gemacht hat. Trotzdem lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen, die zu einer Gliederung in vier Trauerphasen führen:
Phase 1: Schock und Betäubung
Die Nachricht vom Tod ihres Kindes löst bei den Eltern Schock, Lähmung und eine Benommenheit aus. Man will den Tod nicht wahrhaben, gerät in Panik und Verzweiflung. Nicht selten geht diese Phase, die ein paar Stunden bis Wochen andauern kann, mit starken Gefühlsausbrüchen einher. Medikamenteneinnahme, z.B. Beruhigungsmittel, kann die Dauer dieser Phase verzögern. Die Betroffenen haben das Gefühl nicht sie selbst zu sein, sondern eher mechanisch zu funktionieren.
Phase 2: Realisieren und Suchen
In dieser Phase, die mit Ruhelosigkeit der Betroffenen verbunden ist, wird die Unwiederbringlichkeit realisiert. Es beginnt die Suche nach dem „Warum“ und Fragen nach dem „Was hätte sein können“. Hinzu kommen häufig Neid auf andere Schwangere oder Mütter mit gesunden Kindern.
Auch Schuldgefühle aufgrund angenommenen eigenen Versagens gehören zu dieser Phase, die 4-6 Monate andauern kann.
Phase 3: Desorientierung und Verwandlung
Während dieser Zeit der Trauer glaubt die Umwelt häufig, dass das Schlimmste überstanden sei. Die Betroffenen selbst leiden jedoch unter Energielosigkeit, großer Vergesslichkeit, Schlafstörungen und nicht selten Essproblemen. Hinzu kommt eine Unentschlossenheit in Entscheidungsfragen, sowie das Gefühl den täglichen Anforderungen nicht gewachsen zu sein.
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