Arbeit und Beruf - geschlechtsneutrale Kategorien? Reflexionen zum Thema 'Das öffentliche und das private Geschlecht'


Hausarbeit, 1999

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Arbeit aus geschlechtsspezifischer Sicht
1.1 Hausarbeit und Berufsarbeit
1.2 Frauen- und Männerberufe
1.3 Änderung von Werthaltungen
1.4 Umgang von Frauen mit Macht

2. Privatheit und Geschlecht
2.1 Konzepte von Privatheit
2.2 Privatheit, Arbeit und Geschlecht

3. Krankenpflege als Prototyp eines Frauenberufs
3.1 „Mitmenschlichkeit als Beruf“
3.2 Männer in einem Frauenberuf
3.3 Wieviel Bildung braucht die Frau?

4. Zusammenfassung

Literatur

1. Arbeit aus geschlechtsspezifischer Sicht

1.1 Hausarbeit und Berufsarbeit

Hausarbeit spielt sich im privaten Bereich ab, Berufsarbeit im (halb-)öffentlichen. Berufsarbeit wird bezahlt, Hausarbeit nicht. Traditionellerweise wird Hausarbeit von Frauen erledigt.[1] Berufsarbeit betrifft Männer und Frauen; betrifft sie jedoch Frauen, so kommt sie zur Hausarbeit dazu. So etwa könnte man eine grobe Einteilung treffen, und trotz aller Veränderungen in den letzten Jahrzehnten entspricht das Gesagte noch immer weitgehend der Realität. Was aber passiert dort, wo die Grenzen zwischen Hausarbeit und Berufsarbeit bzw. zwischen öffentlich und privat brüchig werden?

Eine Möglichkeit der Verwischung der Grenzen haben Ostner und Beck-Gernsheim mit ihrer These von der hausarbeitsnahen (Frauen-)Berufsarbeit bzw. dem „weiblichen Arbeitsvermögen“ aufgezeigt.[2] Die Theorie ist nicht unumstritten[3], doch bietet sie einen guten Ansatz zur Erklärung der Entstehung einiger bürgerlicher Frauenberufe wie z. B. der Krankenpflege. Sie ist u. a. deshalb interessant, weil sie Kriterien für die Hausarbeit aufzeigt, die eben gerade dort, wo diese zur Berufsarbeit wird, zu kaum lösbaren Widersprüchen führen. Hausarbeit ist nach Ostner und Beck-Gernsheim naturgebunden; ihr Rhythmus ist von körperbezogenen Bedürfnissen und Problemen bestimmt, die nicht planbar und aufschiebbar sind; sie ist „geduldige“ Arbeit und durch „diffuse Ganzheit“ ausgezeichnet wie auch durch Vielfalt und Unterschiedlichkeit der dazu nötigen Qualifikationsniveaus. Sie ist deshalb auch schwer dokumentier- und belegbar, vor allem dort, wo komplexe Fähigkeiten im Spiel sind: bei der Kindererziehung, beim Schaffen einer behaglichen Atmosphäre usw. All dies läßt sich sehr schwer mit Berufsarbeit vereinigen, die zeitökonomisch, rationell und kostengünstig ausgeführt werden soll. Und doch wurde und wird von der Frau, die angeblich von Natur aus infolge gewisser seelischer wie körperlicher Eigenschaften für solche Tätigkeiten besonders geeignet sein soll, diese „Quadratur des Kreises“ verlangt.

Im 19. Jahrhundert hat diese Verwischung der Unterschiede von Haus- und Berufsarbeit den bürgerlichen Frauen die Möglichkeit gebracht, beruflich tätig zu sein. In dieser Hinsicht war sie gut, und deshalb haben auch die Frauenbewegungen um die sogenannten „Frauenberufe“ gekämpft. Den betreffenden Berufen hat sie jedoch geschadet. Sie hat ihre Entwicklung gehemmt und damit auch, langfristig gesehen, den Frauen, die dort arbeiten, Probleme beschert, wie am Beispiel der Krankenpflege später gezeigt werden wird.

Eine andere Frage ist, wie unter der derzeitigen Vergeschlechtlichung der Hausarbeit das Problem gelöst werden kann, daß die Männer Berufsarbeit, viele Frauen aber Berufsarbeit plus Hausarbeit leisten müssen, d. h. in private wie öffentliche Sphäre eingebunden sind und zwischen den beiden Bereichen „pendeln“ oder „springen“. Dies ist nicht nur unter den Bedingungen des Kapitalismus der Fall; gerade auch in den ehemals kommunistischen Staaten Ost- und Mitteleuropas, in denen die Berufstätigkeit der Frau als Errungenschaft angesehen wurde, fiel und fällt die Hauptlast an der Tätigkeit im Haushalt den Frauen zu. Allerdings dürfte diese „Doppelbelastung“ von den Frauen in diesen Staaten in größerem Ausmaß als selbstverständliches Los der Frau angesehen worden sein. Feministische Bewegungen und „Gender Studies“ setzen sich dort erst langsam durch.

In Österreich geht der Trend zu einer Erhöhung der Beteiligung von Frauen an der Erwerbsarbeit[4], der vor allem darauf zurückzuführen ist, daß viele Frauen nicht mehr wie früher bei Heirat oder Geburt des ersten Kindes aus der Erwerbsarbeit ausscheiden. Während gegen Ende der 60er Jahre und zu Beginn der 70er Jahre verstärkt das Dreiphasenmodell bevorzugt wurde (Erwerbsarbeit – Unterbrechung – Wiedereinstieg), entsprechen jetzt immer mehr Frauen dem „männlichen Normalmodell“ (lebenslange Berufstätigkeit). Unter sonst gleichbleibenden Bedingungen bedeutet dies für die Frauen eine Vermehrung der Doppelbelastung.

Die bisher versuchten Ansätze zur Lösung dieses Problems lassen sich in drei Gruppen einteilen: Auslagerung von Hausarbeit, Möglichkeiten der Teilzeitarbeit oder anderer atypischer Beschäftigungsverhältnisse und Anreize für Männer, sich an der Hausarbeit zu beteiligen.

Auslagerung von Hausarbeit läßt sich nur in beschränktem Maß durchführen. Sie hat auch den Nachteil, daß dadurch für Männer keine grundsätzliche Einstellungsänderung nötig wird. Eine der Möglichkeiten ist die Abgabe bestimmter Aufgaben an öffentliche Institutionen (z. B. Kindergärten). Damit wird ein Teil der häuslichen Arbeit zur „öffentlichen“ Sache, womit wieder ein Beispiel für die Durchlässigkeit der Bereiche gegeben ist. Der Trend geht im allgemeinen dahin, möglichst viele solche Arbeiten an öffentliche Institutionen abzugeben, doch zeigen sich auch bereits rückläufige Tendenzen. Im Gesundheitswesen, das sich immer mehr als in der heutigen Form unfinanzierbar erweist, wird versucht, mit Hilfe von Pflegegeldauszahlungen etc. die Pflege alter oder kranker Familienangehöriger wieder an die Familie zurückzuverweisen.

Wird Hausarbeit an Einzelpersonen abgegeben (Haushaltshilfen u. ähnl.), so erfolgt meist nur eine Verlagerung der Arbeit von Frauen wieder auf andere Frauen, diesmal solche, die noch in anderer Weise benachteiligt sind, z. B. als Migrantinnen oder Flüchtlinge. Meiner Meinung nach wäre die Analyse Cybas über die Situation in Österreich zwischen 1945 und 1995 noch durch die Frage nach der Nationalität der betreffenden Frauen zu ergänzen. Die Gruppe der Frauen des Jahres 1995 ist ethnisch anders zusammengesetzt als z. B. jene von 1950. Allerdings vermeidet es das Österreichische Statistische Zentralamt sorgfältig, Zahlen zu veröffentlichen, in denen Geschlecht, Nationalität und Beschäftigungsbedingungen kombiniert sind.

Auch ist noch ein anderer Aspekt zu bedenken, nämlich, daß die Verantwortung für die Arbeit von Haushaltshilfen meist wieder zur Gänze den Frauen zufällt, was Zeitaufwand für Planung, Anleitung, Kontrolle bedeutet.

Die Möglichkeit der Teilzeitarbeit oder andere atypische Arbeitsverhältnisse wie geringfügige oder befristete Beschäftigung wird fast nur von Frauen in Anspruch genommen; sie versuchen, damit Haus- und Berufsarbeit in Einklang zu bringen. Dies ist nicht nur positiv zu sehen, sondern es bedeutet für die betroffenen Frauen oft auch ungenügende soziale Absicherung.[5]

Als beste Lösungsmöglichkeit erscheint mir eine gerechte Verteilung der Hausarbeit (im weitesten Sinn) auf Frauen und Männer. Durch die Karenzgeldregelung in Österreich wurde in bezug auf die Versorgung der Kinder ein gewisser Anreiz dazu geboten; es ist abzuwarten, wie sich die Folgen entwickeln werden. Karenzgeld müßte von Männern ebenso oft und lange in Anspruch genommen werden wie von Frauen – sonst bleiben die letzteren weiterhin die unsicheren Faktoren der Personalpolitik eines Betriebes, während man mit Männern fixer rechnen zu können glaubt. Aber auch Arbeiten wie Kochen, Putzen, Wäschewaschen usw. müßten gerecht und nicht geschlechtsspezifisch auf die PartnerInnen eines Haushalts aufgeteilt sein. Eine interessante, meines Wissens noch nicht erforschte Frage wäre hierzu: Wie teilen Frauen, die aus irgendeinem Grund gemeinsam für Hausarbeit verantwortlich sind, diese untereinander auf?

1.2 Frauen und Männerberufe – Frauen und Männerarbeitsplätze

Für den Zweck dieser Arbeit möchte ich „Frauenberuf“ als einen Beruf definieren, in dem derzeit (in Österreich oder in anderen westlichen Ländern) hauptsächlich Frauen arbeiten. Die Definition von „Männerberufen“ erfolgt analog.

Eine Theorie zur Entstehung von Frauenberufen wurde schon angesprochen: jene des „weiblichen Arbeitsvermögens“. Teubners These hierzu ist jedoch, daß die „Verge-schlechtlichung von Arbeit“ nicht mit inhaltlichen Merkmalen bestimmter Tätigkeiten erklärbar sei. Dies u. a. deshalb, weil sich gezeigt habe, daß Formen institutionalisierter Ungleichheit zwischen den Geschlechtern selbst bei gleicher Tätigkeit und gleicher Qualifikation weiterbestehen.[6] Die Etikettierung eines Berufes als Frauenberuf habe weit mehr mit Status und Prestige zu tun als mit der konkreten Art der Tätigkeit.[7]

Damit kommen aber Frauen als „Berufswählerinnen“ in ein fast unlösbares Dilemma. Wählen sie sogenannte „Frauenberufe“, verstärken sie deren Etikettierung als solche und damit auch den niedrigeren Status des Berufs. Wählen sie jedoch „Männerberufe“, dann entwickeln Männer gewisse Abschließungsstrategien; Frauen sind trotz gleicher Qualifikation meist weiter unten in der Hierarchie und/oder eine mehr oder weniger geduldete Minderheit. Ein krasses Beispiel dafür ist die eklatante Unterrepräsentation von Frauen in den höchsten Ebenen der Universitäten.

Gesetzliche Gleichbehandlungsvorschriften sind ein Mittel, den Prozentsatz von Frauen in verantwortungsvollen Positionen zu erhöhen. Die Praxis zeigt jedoch, daß sie nicht ausreichen und in vielfältiger Weise unterlaufen werden. Wer wird auch z. B. schon zugeben, daß er eine Arbeitnehmerin wegen ihres Geschlechts kündigt?[8] Cyba faßt die Entwicklung zwischen 1945 und 1995 dahingehend zusammen, daß es zwar zu einem „Aufbruch der Frauen“ gekommen sei, aber nach wie vor in vielen Lebensbereichen eine Diskriminierung von Frauen andauere. Erfolge gäbe es auf rechtlicher Ebene, im Alltag bestehe die Benachteilung jedoch weiter.[9] Es darf nicht vergessen werden, daß die Forderung nach bestimmten Positionen für Frauen zugleich immer auch bedeutet, daß Männer auf solche Positionen verzichten müssen. Und im allgemeinen gibt niemand freiwillig Privilegien ab.

[...]


[1] 1995 in Österreich zu mehr als ¾ - vgl. Faßmann 1995 nach S.K.Rosenberger, 1998, S.126

[2] vgl. E. Beck-Gernsheim, 1981; I. Ostner, 1978; I. Ostner und E. Beck-Gernsheim, 1979

[3] vgl. z. B. U. Teubner, 1992, S.48

[4] vgl. E. Cyba, 1995, S.438

[5] vgl. a.a.O., S.450

[6] vgl. auch E. Cyba, 1993, S.40; dies., 1995, S.451

[7] vgl. U. Teubner, 1992, S.45-46

[8] vgl. § 17 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes vom 12.2.1993, BGBl. 100/1993

[9] vgl. E. Cyba, 1995, S.453-454

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Arbeit und Beruf - geschlechtsneutrale Kategorien? Reflexionen zum Thema 'Das öffentliche und das private Geschlecht'
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Lehrveranstaltung: Das öffentliche und das private Geschlecht
Note
1
Autor
Jahr
1999
Seiten
20
Katalognummer
V18693
ISBN (eBook)
9783638229791
ISBN (Buch)
9783638788373
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeit, Beruf, Kategorien, Reflexionen, Thema, Geschlecht, Lehrveranstaltung, Geschlecht
Arbeit zitieren
Ilsemarie Walter (Autor:in), 1999, Arbeit und Beruf - geschlechtsneutrale Kategorien? Reflexionen zum Thema 'Das öffentliche und das private Geschlecht', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18693

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