Der Zionismus im Spiegel israelischer Spielfilme nach 1948

Eine Analyse zentraler zionistischer Motive im Spielfilm „Er ging durch die Felder“


Hausarbeit, 2011

15 Seiten, Note: 1,3

Sabine Ender (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Der Zionismus als kultureller und politischer Grundpfeiler des Staates Israel
2.1 Begriff.
2. 2 Herzls „Der Judenstaat“
2. 3 Die zionistische Bewegung in Palästina bis 1948

3. Motive und Leitbilder des Zionismus
3. 1 Rückkehr zur Landwirtschaft - Leben im Kibbuz
3. 2 Erschaffung einer neuen jüdischen Identität - Das Muskeljudentum
3. 3 Auflehnung gegen Mandat und Anfeindung - Widerstand in Haganah und Palmach

4. Der Spielfilm als Medium zur Artikulierung nationaler Identitäten

5. Das nationalistisch-zionistische Genre des israelischen Films nach 1948

6. „Er ging durch die Felder“ - ein typischer Vertreter seines Filmgenres?
6. 1 Allgemeines zum Film
6. 2 Zusammenfassung
6. 3 Übertragung zionistischer Motive auf die filmische Darstellung

7. Fazit - Schlussteil

8. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Inmitten der kargen Landschaft einer ackerbaulichen Siedlung beginnt ein hochgewachsener dunkelhaariger junger Mann damit, Kisten auf ein Fuhrwerk zu beladen. Er sieht bitter drein und beginnt zielstrebig seine Arbeit. In der Mittagshitze reißt er sich sein Hemd vom Leib, wischt sich den Schweiß von der Stirn und beendet die schwere Arbeit in überaus kurzer Zeit. Mystische Musik wird eingespielt und unterstreicht seine kraftvolle Ausstrahlung. Sie endet erst, als sich der Protagonist nach getaner Arbeit verwegen das verschwitzte Hemd über die Schulter legt.[1]

Der bzw. die Zuschauerin wird im Film „Er ging durch die Felder“ mit patriotischen Männerfiguren, geheimen Militäraktionen und den für Westeuropäerinnen gänzlich unbekannten Lebenswelten des Kibbuz konfrontiert. Es handelt sich um einen israelischen Film, gedreht im Jahr des Sechs-Tage-Krieg und wenig wegweisend für die darauffolgenden Jahre. Vielmehr lässt er aber einen gewissen Einblick in die Vergangenheit zu; in das Fühlen und Denken derjenigen Pionierinnen, die vor der israelischen Staatsgründung in Palästina lebten und z. T. unter sehr widrigen Umständen ums Überleben kämpften.

Um das Filmgenre zu verstehen, für welches dieser Film entstanden ist, muss zunächst ein vertiefter Einstieg in die geschichtlichen Hintergründe gewagt werden. Als theoretische Grundlage dient der politische Zionismus, der den jüdischen Siedlerinnen in Palästina den Weg wies und durch zentrale Motive und Leitbilder charakterisiert werden kann. Schließlich wird nach einer Darstellung des Filmgenres, in den „Er ging durch die Felder“ einzuordnen ist, versucht, die vorher spezifizierten Motive und Leitbilder im Film wiederzufinden und zu analysieren.

2. Der Zionismus als kultureller und politischer Grundpfeiler des Staates Israel

2.1 Begriff

Der Begriff Zionismus wird hergeleitet vom Hebräischen Zion, p’V Dies bezeichnet ursprünglich eine Burg an der Stadtgrenze zum antiken Jerusalem, wurde aber später zum Synonym für den Wohnsitz der Gottheit der Israelitinnen, JHWH (hebr. rnn1). Analog bezeichnet der Zionismus eine moderne, politisch-nationale Bewegung, die die Errichtung eines jüdischen Staates im historisch und religiös bedeutenden Gebiet Palästina zum Ziel hat.

An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir Zions gedachten.

-137. Psalm

Ursprünge für diese Geistesströmung finden sich in der religiösen Geschichte des jüdischen Volkes, deren Trauer um die Zerstörung der beiden Tempel in Jerusalem und deren Klage über das Exil in die Diaspora viele Jahrhunderte zurückliegt. Die Hoffnung auf eine Heimkehr ins geheiligte Eretz Israel ist fest im jüdischen Glauben verankert. Orthodoxe Juden bzw. Jüdinnen lehnen die Idee des politischen Zionismus zumeist ab, da sie die Rückkehr nach Eretz Israel einer göttlichen Fügung anvertrauen.

2. 2 Herzls „DerJudenstaat“

Der moderne Begriff Zionismus wurde, wohl nicht zuerst von ihm verwendet, jedoch nachhaltig geprägt von Theodor Herzl. Er schuf mit seiner 1896 veröffentlichten, programmatischen Schrift „Der Judenstaat“ die ideologische Grundlage für den politischen Zionismus. Die Idee zur Erschaffung eines Judenstaates basierte auf der seit Jahrhunderten schwelenden Judennot, die nicht nur aus Regressionen und verbalen Anfeindungen besteht, sondern oft auch die physische Bedrohung der Juden bzw. Jüdinnen einschloss. Daraus folgte nach Herzl unweigerlich die Judenfrage. Herzl schrieb, sie sei „ein verschlepptes Stück Mittelalter, mit dem die Kulturvölker auch heute beim besten Willen noch nicht fertig werden können. [Sie] besteht überall, wo Juden in merklicher Anzahl leben. (...) durch unser Erscheinen entsteht dann die Verfolgung.“[2] Zu ihrer Lösung erklärte er die Judenfrage zur nationalen Frage, „und um sie zu lösen, müssen wir sie vor allem zu einer politischen Weltfrage machen (...). Wir sind ein Volk, ein Volk.“[3] Die Besinnung auf einen jüdischen Zusammenhalt hatte für Herzl einen entscheidenden Vorteil: „In der Bedrängnis stehen wir zusammen, und da entdecken wir plötzlich unsere Kraft. Ja, wir haben die Kraft, einen Staat, und zwar einen Musterstaat zu bilden. Wir haben alle menschlichen und sachlichen Mittel, die dazu nötig sind.“[4] Deshalb fordert er: „Man gebe uns die Souveränität eines für unsere gerechten Volksbedürfnisse genügenden Stückes der Erdoberfläche, alles andere werden wir selbst besorgen.“[5]

Herzl ging es vor allem um die Rettung der Juden und Jüdinnen vor der nackten, physischen Bedrohung in großen Teilen der Diaspora. Er diagnostizierte das Scheitern aller Assimilationsversuche dort. Er definiert die Judenfrage als eine politisches und kein religiöses Problem. Bereits hier zeichnet sich der stark säkulare Charakter des Zionismus ab.

Zur praktischen Durchführung seiner Idee empfiehlt Herzl u. a. die Gründung einer „Society of Jews“ für die politischen Belange und die Gründung einer „Jewish Company“ für die wirtschaftliche Umsetzung.

2. 3 Die zionistische Bewegung in Palästina bis 1948

Die Entstehung des Zionismus stand „in engem Zusammenhang mit dem historischen Entwicklungs- und Wandlungsprozess, den das jüdische Volk seit dem Altertum durchlebt hatte“.[6] Vor dem Hintergrund dieser Bedrohung rekrutierte sich die Anhängerschaft des politischen Zionismus, der sich zum ersten Mal in der Zionistischen Weltorganisation (ZWO) formierte, die auf dem I. Zionistenkongress 1897 in Basel gegründet wurde. Die Entscheidung über ein konkret zu besiedelndes Territorium fiel eindeutig auf Palästina. Jede andere Alternative (Argentinien, Uganda) wurde letztendlich zu Gunsten der „unvergeßliche[n] historische[n] Heimat“[7] fallengelassen.

Auf die Bemühungen der ZWO folgten die ersten Einwanderungswellen (Alijah) 1882-1903 sowie 1904­1914 zumeist osteuropäischer Juden und Jüdinnen nach Palästina. Diese Einwanderinnen waren z. T. sozialistisch geprägt und begründeten die genossenschaftlich organisierten Kollektivsiedlungen (Kibbuzim und Moschavim), die sehr landwirtschaftlich geprägt waren.

„Wir näherten uns Petach Tikvah in der Dämmerung nach dreistündiger Wanderung. Für unsere paar letzten Groschen kauften wir etwas Einfaches zu essen. Dann legten wir uns in einem Feld an der Straße zum Schlafen nieder. In der ersten Nacht in Palästina wollte der Schlaf nicht kommen. Ich ging in Gedanken alles durch, was geschehen war, und lag und sagte zu mir selbst: Hier liege ich, in einem hebräischen Dorf im Heiligen Land.“[8]

- David Ben Gurion, Gedanken während seiner Auswanderung von Plonsk (Polen) nach Jaffa, 1906

Die internationalen Machtkonstellationen mit Ausklang des 1. Weltkrieges 1917 führten zur Errichtung eines britischen Protektorats auf dem Gebiet Mesopotamiens, Syriens und Palästinas.

Mit der sogenannten Balfour-Deklaration von 1917 wurde schließlich die rechtliche Grundlage für die Erschaffung einer jüdischen Heimstätte in Palästina gelegt, zunächst weiterhin unter britischem Mandat. Großbritannien wurde dabei die Aufgabe übertragen, im Land „politische, administrative und wirtschaftliche Voraussetzungen“ zu schaffen, die „geeignet sind, die Errichtung der Jüdischen Nationalen Heimstätte zu gewährleisten“. Der arabischen Unabhängigkeitsbewegung und den in Palästina ansässigen Araberinnen wurde wenig Beachtung geschenkt. Dies resultierte in ersten Unruhen in den 1920er Jahren und veranlasste die britische Mandatsverwaltung die jüdische Einwanderung auf die „wirtschaftliche Aufnahmefähigkeit“ des Landes zu reduzieren.

Bis 1929 wanderten neben den landwirtschaftlich geprägten Bevölkerungsschichten auch Menschen der bürgerlichen Mittelschicht, Unternehmerinnen, Beamtinnen u. ä. ein. Mit Beginn der nationalsozialistischen Verfolgung in Deutschland eröffnete sich ein erneuter Flüchtlingsstrom, der 1936 durch eine weitere Einwanderungsbeschränkung der Briten drastisch aufgehalten wurde. So blieb Tausenden potentiellen jüdischen Flüchtlingen die Einwanderung ins rettende Palästina verwehrt. Die Zahl aller jüdischen Siedlerinnen (Jischuv) betrug im Jahr 1940 463.000.

Die zionistischen Strömungen im Land waren sich zwar darin einig, eine jüdische Mehrheit und Vormachtstellung zu erschaffen,[9] Unsicherheiten bestanden aber weiterhin darin, wie ein israelitischer Staat entstehen könne und welche Haltung gegenüber der britischen Kolonialmacht einzunehmen sei.[10]

Der Aufbau der jüdischen Gesellschaft entwickelte sich in den 40er Jahren rasant weiter. Die Hebräische Sprache erfuhr eine Wiedergeburt, zahlreiche Städte und Universitäten wurden gegründet und auch in wirtschaftlicher Hinsicht wurden bedeutende Grundsteine gelegt.

Die Ereignisse des 2. Weltkrieges erschütterte die Weltöffentlichkeit. Zahlreiche Staaten (z. B. die USA) befürworteten die jüdische Staatsgründung angesichts Millionen Toter nach der Shoa. Trotzdem setzten die Briten ihre konservative Kolonialpolitik zunächst fort und weigerten sich, die Juden und Jüdinnen in die

Unabhängigkeit zu entlassen. Die Jewish Agency beschloss deshalb 1945, aktiv gegen die Mandatsverwaltung vorzugehen. Gleichzeitig begann die Haganah, die zuvor militärisch mit den Britlnnen zusammengearbeitet hatte (z. B. im Zusammenhang mit der Arabischen Revolte 1936-1939), gegen die Besatzungsmacht zu operieren. Die Jüdische Brigade unterstützte derweil die illegale Einwanderung zahlreicher „displaced persons“ der europäischen Holocaust-Überlebenden.

Zunehmend stand auch die arabische Seite einem neuen progressiven jüdischen Staat feindselig gegenüber. Diese Zuspitzung aller Konflikte veranlasste Großbritannien letztendlich, die Palästinafrage 1947 der UNO zur Klärung zu übergeben. Ben Gurion lehnte alternative Lösungsvorschläge, wie die Gründung eines binationalen Staates oder eine UNO-Treuhandschaft ab. Nach langen Diskussionen wurde die Resolution Nr. 181 (II) verabschiedet, die eine Zweistaatenlösung vorsah. Großbritannien jedoch verhielt sich widersprüchlich. Im Jahr 1948 verließen die letzten britischen Streitkräfte das Land, worauf erbitterte Kämpfe zwischen Jischuv und Palästinenserinnen folgten. Bis zum 14. Mai 1948 gewannen die Jischuv die Oberhand und riefen den Staat Israel aus.

In den darauffolgenden Jahren sollte der junge Staat und seine arabischen Nachbarstaaten in unzählige militärische Konflikte verwickelt sein. Bis heute konnte kein dauerhafter Frieden in Nahost erwirkt werden.

Unterschiedlich wird die Rolle des Zionismus nach Staatsgründung bewertet. Einerseits sei seine historische Aufgabe erfüllt worden, andererseits sahen sich die ZionistInnen selbst weiterhin dazu verpflichtet, den jungen Staat gegen Anfeindungen von außen zu verteidigen, EinwanderInnen aufzunehmen und die Tätigkeiten in der Diaspora auszubauen.[11]

[...]


[1] Filmszene aus „Er ging durch die Felder“, 25:42'

[2] Herzl 1988, S. 15-16

[3] Herzl 1988, S. 16

[4] Herzl 1988, S. 36

[5] Herzl 1988, S. 37

[6] Glasneck, Timm 1994, S. 2

[7] Herzl 1988, S. 40

[8] Hornung 1999 zitiert nach Rimmerfors, Einar: Von Abraham bis Begin : Notizen aus israels Vergangenheit und Gegenwart. - Bundes Verl., 1978, S. 123

[9] Vgl. Glasneck, Timm 1994, S. 19f

[10] Vgl. Glasneck, Timm 1994, S. 24

[11] Vgl. Comay 1985, S. 114-115

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der Zionismus im Spiegel israelischer Spielfilme nach 1948
Untertitel
Eine Analyse zentraler zionistischer Motive im Spielfilm „Er ging durch die Felder“
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Kulturwissenschaft)
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
15
Katalognummer
V187730
ISBN (eBook)
9783656112860
ISBN (Buch)
9783656113287
Dateigröße
781 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zionismus, Israel, Filmanalyse, Er ging durch die Felder, Film
Arbeit zitieren
Sabine Ender (Autor:in), 2011, Der Zionismus im Spiegel israelischer Spielfilme nach 1948, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187730

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