Konstruktionen der Weiblichkeit in der Literatur der Wiener Moderne am Beispiel von Arthur Schnitzlers "Reigen"


Magisterarbeit, 2011

73 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeines zu dem in dieser Arbeit behandelten Werk

3. Weiblichkeit
3.1. Theoretischer Forschungsüberblick
3.2. Judith Butler: Performativität
3.3. Der Begriff der Macht bei Butler

4. Der Einakterzyklus Reigen
4.1. Sexualanthropologie der Jahrhundertwende am Beispiel Richard von Krafft-Ebings Psychopathia Sexualis
4.2. Das Eheleben um 1900 und der Begriff der Doppelmoral
4.2.1. Der Begriff der Doppelmoral
4.2.2. Das Eheleben um
4.3. Weibliche Lebensmodelle und soziales Milieu
4.3.1. Die junge Frau
4.3.1.1. Die junge Frau und der junge Mann
4.3.1.2. Der bürgerliche Ehediskurs. Die junge Frau und der Ehemann
4.3.2. Dirne Leocadia
4.3.2.1. Die Dirne und der Soldat
4.3.2.2. Die Dirne und der Graf
4.3.3. Das Stubenmädchen
4.3.3.1. Das Stubenmädchen und der Soldat
4.3.3.2. Das Stubenmädchen und der junge Herr
4.3.4. Süßes Mädel
4.3.4.1. Das süße Mädel und der Gatte
4.3.4.2. Das süße Mädel und der Dichter
4.3.5. Die Schauspielerin
4.3.5.1. Die Schauspielerin und der Dichter
4.3.5.2. Die Schauspielerin und der Graf
4.4. Verhaltensrepertoires und die Sprache des Liebesdiskurses
4.5. Kleidercodes

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die historische Situation in Wien in der Zeit der Jahrhundertwende ist durch die Inflation der Werte und Gefühle gekennzeichnet. Das zeigt sich in erster Linie in der Verwendung von Begriffen wie ‘männlich’, ‘weiblich’. „‘Mann’ und ‘Weib’ erscheinen als Chiffren einer zeitgenössischen ‘Sexualisierung’ in bildender Kunst, Literatur und Psychiatrie.“[1] Diese Sexualisierung findet in einer Gesellschaft statt, die sich durch eine extreme Doppelmoral charakterisiert. Mit erotischer Bedeutung wird vor allem ‘das Weib’ konnotiert. „Die Frau als Typus erscheint als klischierte Verkörperung des Naturhaften, Triebhaften und Erotischen schlechthin, während dem ‘männlichen Prinzip’ der Bereich des Artifiziellen von ‘Kunst/Logos’ zugeordnet wird.“[2]

Historisch betrachtet stellt die Jahrhundertwende einen Höhepunkt der diskursiven Flut um das Thema Geschlecht dar. Das große Interesse an dem Thema deutet auf die gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen der Zeit hin und das besonders hinsichtlich der Wandlung der bestehenden Geschlechterrollen.

Mit der Frauenfrage beginnt um die Jahrhundertwende der Diskurs über das Geschlecht. Hier geht es nicht nur um die Frage der Beteiligung der Frauen an dem gesellschaftlichen Leben, sondern auch um das ‘Wesen’ des Geschlechts. Der Emanzipationsanspruch der Frauen wird von den Männern als bedrohlich empfunden. Der um 1900 geführte Geschlechterdiskurs ist gegen die Emanzipation der Frauen, gegen die organisierte Frauenbewegung und, auch gegen die Widerstände einzelner Frauen gerichtet.[3]

Einerseits wird die bürgerliche Geschlechterordnung, die sich im 18. Jahrhundert etablierte und durch die aufklärerische Philosophie gestützt war, in Frage gestellt. Andererseits produzieren die Naturwissenschaften, die Medizin und Anthropologie ein umfangreiches Wissen über das Geschlecht. Dabei wird der Versuch unternommen die Geschlechterrollen neu zu bestimmen. Im Mittelpunkt der sich überkreuzenden Diskurse der Wissenschafts- und Kulturbereiche um 1900 steht ‘Weiblichkeit’ als literarische und wissenschaftliche Konstruktion.

Genauso wie in der Zeit der Aufklärung ist auch um die Jahrhundertwende die Natur der Orientierungspunkt zur Deutung der Geschlechterordnung. Die Forschungs­schriften der Naturwissenschaften, der Medizin und Psychoanalyse spiegeln sich in den literarischen Werken wider. Laut Urte Helduser nehmen die Wissensbereiche bei der Konstruktion der Geschlechter nicht nur gegenseitig Bezug aufeinander, sondern die wissenschaftlichen und literarischen Diskurse laufen parallel:

Wenn hier das Wissen über Geschlecht produziert wird, das in literarischen und künstlerischen Diskursen wiederbegegnet, so handelt es sich jedoch nicht einfach um ein Einflussverhältnis, sondern um Entsprechungen, bei denen - dies zeigen schon die umfangreichen Bezugnahmen von Anthropologen und Medizinern auf die ‘schöne Literatur’ als Referenz - zunächst einmal die Gemeinsamkeiten auffallen, aufgrund derer sich von einem umfassenden Geschlechterdiskurs der Epoche sprechen lässt.[4]

Die Konstruktionen von Weiblichkeit in der Literatur der Wiener Moderne ist das Thema der vorliegenden Arbeit. Am Beispiel von Arthur Schnitzlers Reigen werden einige in der Literatur um 1900 populäre Weiblichkeitskonstruktionen analysiert.

Die Arbeit baut auf Judith Butlers Theorie der performativen Konstruktion des Geschlechts. Laut Butler konstruiert sich die Identität über die Diskurse mit Hilfe der sprachlichen Zuweisungen und unter dem Einfluss bestimmter Macht- und Ausschlussmechanismen, wodurch die Individuen die ihnen zugewiesenen Rollen annehmen oder zurückweisen.

Da sich die Figuren und demzufolge ihr Geschlecht in den Dramen durch sprachliche Äußerungen beziehungsweise durch die Diskurse konstruieren und diese Figuren nur in der Sprache bestehen, lässt sich Butlers Begriff der Performativität auf die literarischen Diskurse in den Dramen übertragen, denn mittels dieser werden ebenfalls Handlungen ausgeführt und Geschlechtsidentitäten kulturell konstruiert. Dieser theoretische Ausgangspunkt gibt die Möglichkeit die Konstruktion des Geschlechts in den Dramendialogen zu analysieren.

Zur Bildung der Geschlechtervorstellungen hat in der Zeit der Wiener Moderne die sexualanthropologische Wissenschaft eine große Rolle gespielt, weil dieser mit

Macht und Wahrheitsanspruch ausgestattete medizinisch-anthropologische Diskurs als Norm und Maßstab erhoben wurde. Dieser um 1900 herrschende Diskurs wird in der Arbeit aufgegriffen, um die kulturgeschichtlichen Aspekte bei der Konstruktion der Weiblichkeit in Arthur Schnitzlers Reigen zu betonen.

Basierend auf der genannten theoretischen Grundlage werden im vierten Teil der vorliegenden Arbeit die Protagonisten im Einakterzyklus Reigen untersucht, die als Effekte der kulturellen Anordnungen zu betrachten sind. Auf die Sprache des Liebesdiskurses und auf die Funktion der Kleidercodes wird in der Analyse auch ausführlich eingegangen.

2. Allgemeines zu dem in dieser Arbeit behandelten Werk

Ein Liebesreigen, so lautete ursprünglich die Titel der Komödie. Später hat Schnitzler den Einakterzyklus in Reigen umbenannt, da er den Rat von Alfred Kerr berücksichtigte.[5]

Aus dem Tagebuch Arthur Schnitzlers geht hervor, dass er am 23. November 1896 mit der Konzeption eines Einakterzyklus begann und ihn drei Monate später am 24. Februar 1897 abschloss. Schnitzler glaubte, dass dieses Stück auf einer zeitgenössi­schen Bühne nicht aufführbar sei, was er in seinen Briefen an Olga Weissnix oder an Otto Brahm betonte.[6]

In Reigen werden in zehn Einaktern zehn Begegnungen von Liebespaaren dargestellt. Im Unterschied zur Tragödie oder zur Komödie geht es hier nicht um die Trennung oder um die Eheverbindung der Protagonisten. Jede handelnde Person ist im nächsten Einakter mit einem neuen Partner zu sehen, so dass sich ein erotischer Kreis bildet. Gleichzeitig sind die Protagonisten Vertreter von unterschiedlichen sozialen Milieus, wie die Dirne, der Soldat, das Stubenmädchen, der junge Herr, die junge Frau, der Ehemann, das süße Mädel, der Dichter, die Schauspielerin und der Graf. Die dramatische Handlung in den Einaktern kreist um den Liebesakt, der im Text durch Gedankenstriche angedeutet wird.

Arthur Schnitzler ließ Reigen 1900 auf eigene Kosten in einer Auflage von 200 Exemplaren als Privatdruck herausgeben. Das öffentlich kaum zugängliche Buch wurde bereits im November 1900 in der Neuen deutschen Rundschau von dem Berliner Theaterkritiker Alfred Kerr rezensiert.[7] 1903 folgte dann auch die Buchfassung, die außergewöhnliches Aufsehen erregte: Innerhalb von acht Monaten wurden 14 000 Exemplare verkauft. Von da an nahm die Geschichte der Skandale um den Reigen ihren Anfang[8].

1904 wurde das Buch zum ersten Mal in Berlin von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und sogar 1927 wusste Schnitzler nicht, ob Reigen verboten war oder nicht.

Die Uraufführungen des Werkes in Berlin am 23. Dezember 1920 und am 1. Februar 1921 in Wien wurden durch Drohungen begleitet, denen Pressekampagnen gegen das Werk, Demonstrationen, Ansturm der Aufführungen und ein Prozess in Berlin folgten.

Konstanze Fliedl fasst diese Reaktionen wie folgt zusammen: „[W]as der Reigen gar nicht moralisch-ingrimmig, sondern spöttisch-ironisch auf die Bühne gebracht hatte - das entwertete Kleingeld des amourösen Dialogs -, wurde dem Autor mit Unsummen politischer Lügen und antisemitischer Propaganda zurückgezahlt.“[9] Schnitzlers Verleger S. Fischer veröffentlichte das Buch erst 1931, es wurde aber bereits zwei Jahre später durch die Nationalsozialisten wieder verboten.

Der Auslöser der Kritik um Reigen war die Demaskierung der bürgerlichen Sexualmoral: „Was da geradezu hysterische Kritik auslösen sollte, war eine durchaus auch witzige Bloßstellung des bürgerlichen Trieblebens, das sich durch pathetische Liebesrhetorik einerseits, heuchlerische Schweigegebote andererseits zu verhüllen versucht.“[10]

3. ,Weiblichkeit‘

3.1. Theoretischer Forschungsüberblick

Die Forschungsarbeiten, die sich mit der Frauenthematik bei Arthur Schnitzler beschäftigen und von unterschiedlichem Standpunkt aus diese Frage analysieren, sind zahlreich. In diesem Kapitel werden einige wichtigen Arbeiten und Tendenzen der Forschung zusammengefasst.

In ihrer Forschung aus dem Jahr 1930 beschäftigt sich Georgette Boner[11] mit den Frauengestalten von Schnitzler. Die weiblichen Protagonisten aus Schnitzlers Werken ordnet sie in zwei repräsentativen Kategorien: die Einen, die dem Ideal und die Anderen, die dem Eros zugeteilt werden.[12] Diese sehr vereinfachte Aufteilung der Frauengestalten stellt Boner den männlichen Figuren gegenüber, um auf diese Weise die Frauen zu charakterisieren. Das Fazit dieses Vergleichs ist den um 1900 verbreiteten Vorstellungen verhaftet, da laut Boner in Schnitzlers Frauen das Leben und in den Männern der Geist dominiert.[13]

1949 erschien Susanne Polsterers[14] Dissertation, die sich ebenfalls den Frauen­gestalten widmet, sie missverstehet aber Schnitzlers Werk völlig, da Schnitzler ihrer Ansicht nach ein falsches Bild der Wienerin in seinen Werken entworfen hat.

Seit den 1960er Jahren beschäftigt sich die Forschung intensiver mit dem Werk von Arthur Schnitzler. Zu Schnitzlers Deutung in den 60er Jahren ist Rey William[15] von Interesse. Er erkennt in Schnitzler nicht nur den Psychologen, sondern auch einen Autor, der sich mit der sozialkritischen Thematik beschäftigt hat.

Die feministische Literaturwissenschaft analysiert die Weiblichkeit als Schaffung des Fremden, des Anderen, durch das Männliche, das sich als das Universale betrachtet. Die Arbeiten, die in diese Richtung forschen, offenbaren die homogenen Gruppen, die Männer und die Frauen, und klare Machtverhältnisse zwischen ihnen. Eine der interessantesten Arbeiten ist in dieser Hinsicht Barbara Gutts in den 70er Jahren

erschienene Emanzipation bei Arthur Schnitzler, die sich mit der weiblichen Typendarstellung in Schnitzlers Werk beschäftigt. Barbara Gutt analysiert die Frauenfiguren unter Berücksichtigung der historischen und kulturellen Gegeben­heiten der Zeit um 1900. Sie bezieht die Autobiographie von Schnitzler in ihrer Arbeit mit ein und betont, dass Schnitzler die „soziale und menschliche Misere“[16] der Frauen und der Rollenzwang stets bewusst war. Barbara Gutt deutet den Autor als einen Kritiker der Doppelmoral der bürgerlichen Werte, was in der zweiten Phase seines Schaffens deutlicher zum Ausdruck kommt und zeigt Schnitzler im Kontext der Emanzipationsbewegung der Zeit um 1900.

Rolf-Peter Janz untersucht in seiner Studie Arthur Schnitzler: Zur Diagnose des Wiener Bürgertums im Fin de siècle umfassend den Sozialcharakter des süßen Mädels.[17] Janz zeigt, dass das süße Mädel das Wunschbild der Männer und weniger der Typus des Vorstadtmädchens im Wien der Jahrhundertwende war und anerkennt dessen emanzipatorische Charaktereigenschaften. Janz untersucht auch den Einakter­zyklus Reigen und weist auf den sozialkritischen Charakter des Werkes hin. Er betont die kritische Einstellung des Autors gegen die Doppelmoral des Bürgertums um die Jahrhundertwende. Die weiblichen Protagonisten des Dramas analysiert Janz hinsichtlich ihrer emanzipatorischen Charaktereigenschaften.[18]

Renate Möhrmann betont in ihrer Studie Schnitzlers Frauen und Maedchen, dass im Werk des Autors eher „die ganz gewöhnlichen Frauen“[19] dargestellt sind. Bei Schnitzler kommen solche Frauengestalten wie etwa Femme fatale, Vamp, die männermordende Mondäne oder gar „die Frau mit dem „skotomisierten“ Blick, die die Wirklichkeit nur gefiltert durch die Wahrnehmung des Mannes erfährt“[20], nicht vor. Für Möhrmann sind Schnitzlers weibliche Protagonisten „eine Mischung aus

Sachlichkeit und Sentiment“[21] und betonen den gesellschaftskritischen Charakter seiner Werke. Renate Möhrmann unterstreicht die emanzipatorischen Charakterzüge des süßen Mädels gegenüber den ,anständigen‘ Frauen und zeigt die bürgerlichen Töchter als Objekte von Tauschgeschäften. Auch die im letzten Werk von Schnitzler behandelte Frage nach dem Verhältnis von biologischer und sozialer Mutterschaft wird von Möhrmann analysiert. Die Autorin betont Schnitzlers Intention die Anliegen der Frauen nicht nur aus biologischen Gegebenheiten abzuleiten, sondern die individuellen und gesellschaftlichen Wechselbeziehungen in Betracht zu ziehen: „Lange bevor die Soziologie den Blick für solche Vorgänge geöffnet hat, stellt er dar, dass sich die Bedürfnisse und Wünsche der Frauen nicht bloss aus ihrer Biologie herleiten lassen, sondern auf einem komplizierten Wechselverhältnis von gesellschaftlichen, individuellen und biologischen Faktoren basieren.“[22] Interessant ist die Studie von Nike Wagner Geist und Geschlecht. Karl Kraus und die Erotik der Wiener Moderne. Die Autorin untersucht nicht nur die Diskurse um die Erotik und Sexualität der Zeit und Karl Kraus’ publizistische Tätigkeit diesbezüglich, sondern auch die Tendenzen der Epoche und die Rolle der Vertreter der Wiener Moderne dabei.

Im Unterschied zu den simplifizierten Darstellungen der Frauengestalten des Fin de siècle wie Femme fragile und Femme fatale, die Nike Wagner als „Trans­figurationen erotischer Wünsche“[23] analysiert und in ihnen die Sexualangst auf einer Seite und die Sexualüberschätzung auf der anderen Seite widerspiegelt sieht, betrachtet sie Schnitzler als einen Autor, der seine Protagonisten lebensnah gestaltet: „Mit Ausnahme der gelungenen „großen“ Frauen Hofmannsthals, [...] schuf lebensnahe Frauengestalten aber fast nur Arthur Schnitzler, weil er die Vielschichtigkeit der Liebes-Gesetze durchschaute und in Relation setzte zu den sozialen Ehrbegriffen und Rollenzwängen. Er formte nicht nach einer bestimmten „Weib“-Theorie, sondern nach einer „Praxis“, die ihn gelehrt hatte, die Zusammen­hänge zwischen der allgemeinen Triebnatur des Menschen [. ] und seiner individuellen Veranlagung zu beachten.“[24]

Alfred Doppler untersucht in seiner Forschung Der Wandel der Darstellungs­perspektive in den Dichtungen Arthur Schnitzlers die wichtigen Tendenzen im Werk des Autors im Kontext der historisch-sozialen Gegebenheiten der Zeit. Er betont, dass die in der ersten Phase geschaffenen Werke von Schnitzler die Frau als „das Wesen, an dem der Mann leidet, das ihn in Verwirrung und Aufregung versetzt und das nicht selten die Ruhe seines Lebens oder sein Leben überhaupt zerstört“,[25] zeigen. Laut Doppler zeichnet sich seit 1900 in Schnitzlers Schaffen die Auseinandersetzung mit der Doppelmoral der Zeit und die Beschäftigung mit den sozialpsychologischen Problemen der Frau ab. Die Darstellungsperspektive des Autors ändert sich so, dass Schnitzler mehrere seiner Dramen und Erzählungen aus der Perspektive von Frauen erzählt: „Er sieht als Dichter von seiner privilegierten männlichen Position ab, und es ist ihm fortan nicht mehr so wichtig, was die Männer von den Frauen halten und wie sie über sie denken, sondern er stellt aus der Perspektive der Frauen dar, wie diese in der Gesellschaft zurechtkommen, von der sie geformt werden, wie sie sich das Idealmodell menschlichen Zusammenlebens vorstellen, er stellt dar, was sie denken und was sie erleiden.“ [26]

Ulrike Weinhold Nijmegen[27] stützt sich bei ihrer Forschung der Frauenfiguren bei Schnitzler auf strukturalistisch-semiotische Analyseverfahren. Zum Teil in Anlehnung an Silvia Bovenschen[28] deutet sie warum das Weibliche als Bild- oder Zeichenkomplex, als künstlerische Präsentation fungiert. Weinhold betont, dass Schnitzlers Haltung „im hohen Maße auf Bewußtseinskritik“[29] gerichtet ist. Das (Fehl-)Verhalten der weiblichen Protagonisten zeigt der Autor daher nicht als krank oder neurotisch gestört, wie es die Psychoanalyse von Freud oder die Medizin der Zeit um 1900 gern darstellten, sondern er entlarvt die Zwänge der patriarchalen Gesellschaft, die die Frauen auf ihre Bildfunktion, als ökonomische Tausch- und als sexuelle Nutzobjekte reduzieren. Als Voraussetzung für Arthur Schnitzlers Werk und als sein zentrales Thema betrachtet Ulrike Weinhold die Auseinandersetzung mit Denken, Sprechen und Realität und die Entlarvung der Sprache als Gesellschafts­lüge.

Rudolf Schier stellt in seiner Abhandlung Zigarre, Mieder und Madonna: Schnitzlers Reigen im Hinblick auf Ibsens Ein Puppenheim die These auf, dass Schnitzlers Reigen teilweise durch die Lektüre von Ibsens Drama Ein Puppenheim die Anregungen bekommen haben könnte, obwohl in den Tagebüchern von Schnitzler darüber explizit keine Notiz zu finden ist. Er stützt seine These darauf, dass Schnitzler Ibsen am 26. Juli 1896 in Christiania besucht hat.[30] Schier findet große Ähnlichkeiten in der Gestaltung der fünften Szene des Reigen und dem Dialog zwischen dem Ehepaar am Ende des ersten Aktes in Ein Puppenheim von Ibsen. Im weiteren Verlauf seiner Analyse betont Schier, dass Schnitzlers weibliche Protagonisten durchaus davon zeugen, dass es im Wien der Jahrhundertwende möglich war, sich zumindest im sexuellen Bereich aus den gegebenen Rollen­zwängen zu emanzipieren und „ein selbstbestimmtes Leben“[31] zu führen.

Die Gender Studies analysieren die Machtverhältnisse in den Geschlechter­beziehungen und diese Verhältnisse verursachenden kulturellen Faktoren. Jegliche ‘Natürlichkeit’ von Geschlecht wird auch in Frage gestellt. Gender Studies betonen die Differenz in der Konstitution von Geschlechts-Identitäten und den Zusammen­hang zwischen den Diskursen und sozialen Faktoren. Die Macht der Normen bei der Geschlechterkonstruktion wird in der Studie Arthur Schnitzlers „Reigen “ und die Sexualanthropologie der Jahrhundertwende von Horst Thomé[32] analysiert. Der Verfasser deutet auf die Rolle der sexualanthropologischen und medizinischen Diskurse bei der Etablierung der Geschlechtervorstellungen um 1900.

Rania el Wardy[33] analysiert in ihrer Studie Liebe spielen spielend lieben. Arthur Schnitzler und seine Verwandlung der Liebe zum Spiel die Epoche der Jahrhundertwende, die Lebensweise des Bürgertums und der Bohème und zeigt, dass das Leben der Bürgersöhne durch Zeitvergeudung gekennzeichnet war. Spiel und Zeitvertrieb mit Kartenspiel, Billard, Roulette, Pferderennen waren der Ersatz für den nicht zu findenden Lebenssinn. Aber das Wichtigste war das Spiel mit der Liebe. El Wardy untersucht Schnitzlers Reigen und Anatol unter Berücksichtigung der vorhandenen sozialkulturellen Faktoren und hebt den Aspekt des spielerischen Umgangs mit der Liebe hervor, um damit die Doppelmoral der bürgerlichen Gesellschaft zu veranschaulichen.

Ursula Keller[34] betont die Vielfalt des immer gleichen Geschehens im Reigen. Sie hebt das Interesse Schnitzlers an den ritualisierten Gesten und Sprachspielen der Liebesbeziehungen hervor. Sie betont, dass es die geschlechtsspezifischen Normen sind, die die weiblichen Protagonisten zu den Koketterien und Scheinwiderständen zwingen.

Evelyne Polt-Heinzl[35] weist in ihrer Forschung über Schnitzlers Reigen auf das Moment der Wiederkehr von ritualisierten Sprachhandlungen hin und betont die Funktion der im Drama verwendeten Requisite und Kleidercodes, die die Geschlechterzuschreibungen markieren.

Urte Helduser analysiert in ihrer Studie Geschlechterprogramme Geschlechter­diskurse der literarischen Moderne um die Jahrhundertwende.[36] Ausführlich geht sie auf die ästhetischen Theorien der Zeit, auf den Naturalismus und die Wiener Moderne ein. Um die Konstruktion der Geschlechter in der Theorie der Wiener Moderne zu analysieren, untersucht die Autorin die literarischen Zeitschriften, auch die Texte weiblicher Autoren wie zum Beispiel Marie Herzfeld.

Die Rolle der Rezeption der Sexualwissenschaften durch Jung-Wiener Autoren betont Helduser in ihrer Studie für die Herausbildung der ästhetischen Geschlechter­diskurse. Als Vergleichsrahmen zur unter dem Zeichen der Feminisierung stehenden Wiener Moderne nimmt die Autorin die Programmatik des Naturalismus.

Interessant ist Andreas Wickes[37] Studie über die Institution Ehe in der Wiener Moderne. Der Autor untersucht theoretische Texte zur Ehe unter anderem von Sigmund Freud, Otto Weininger und Richard von Krafft-Ebing. Er analysiert einzelne literarische Texte und geht ausführlich auf die um 1900 herrschenden bürgerlichen und moderneren Diskurse über die Ehe in der Literatur der Wiener Moderne ein und betont die Gleichzeitigkeit der beiden Diskurse.

Konstanze Fliedl und Evelin Polt-Heinzl analysieren die Sprachen der Liebe im Werk von Arthur Schnitzler unter Berücksichtigung der philosophischen, psycho­analytischen und sozialgeschichtlichen Kontexte.[38] Polt-Heinzl geht außerdem ausführlicher auf die Machtkonstellationen in den Liebensdiskursen bei Schnitzler ein.

3.2. Judith Butler: Performativität

Im Gegensatz zur Polarisierung der Geschlechter der feministischen Literatur­wissenschaft bei der Analyse der Frauenbilder vermeiden die Gender Studies die Polarisierung und beschäftigen sich mit den Fragen von Klasse, Rasse und Geschlecht. Die ursprüngliche Unterscheidung zwischen den universellen Kategorien Frau und Mann ist inzwischen in eine Betonung der Differenzen unter den Frauen übergegangen. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht spielt eine große Rolle bei der Bildung eines Subjekts und deshalb ist die ausschließliche Betonung des biologischen Geschlechts nicht sehr aussagekräftig:

Zu allen Zeiten prägen Stände, Schichten oder Klassenzugehörigkeiten die Geschlechter derart, dass eine Reduktion auf ihre biologischen Merkmale immer zu wenig sagt [...]. Gerade der historische Wandel von Geschlechter­verhältnissen belegt, wie notwendig die Abkehr von Polarisierungen ist, zu de­ren Abschaffung der Feminismus ursprünglich angetreten war.[39]

Deshalb liegt der Schwerpunkt der Untersuchungen von Gender Studies auf dem sozialen Geschlecht und stützt sich dabei auf die Diskursanalyse und auf die Foucault-Rezeption.

Auch die Differenz zwischen ‘sex’ und ‘gender’ wird von den Gender Studies in Frage gestellt, denn die kulturelle Geschlechterkonstituierung wurde erkannt und als wichtiges organisierendes Prinzip dabei die Spaltung zwischen Natur und Kultur. Gender Studies weisen die Annahmen der „naturgegebenen Ordnung“[40] zurück und begreifen Geschlechterbeziehungen als Repräsentationen.

Seit den 1990er Jahren hat in den Kulturwissenschaften eine Entwicklung stattgefunden, die mit dem Namen Judith Butler in Verbindung steht und die die Kultur durch den Begriff der Performativität zu erklären versucht. Das heißt, dass mit der Etablierung des Begriffs der Performativität, die Kultur als eine Inszenierung oder Aufführung von Handlungen begriffen wird. In ihrer Kulturtheorie orientiert sich Butler unter anderem an Foucault, Freud, Lacan, Nietzsche und an den Schriften der berühmten Feministinnen.

In Anlehnung an Foucault deutet Butler das anatomische Geschlecht als ein soziales Konstrukt und entwickelt die These, dass die Naturwissenschaften die herrschenden kulturellen Normen reproduzieren. So ist laut Butler Geschlecht ein Effekt performativer Akte. In der Forschungsliteratur wird es folgendermaßen gedeutet: „Indem der Einzelne agiert (sich kleidet, spricht etc.), produziert er ein Geschlecht nach Maßgabe der gesellschaftlichen Vorgaben, die als variable, sich verändernde Normen aufgefasst werden.“[41]

Um die Geschlechterzugehörigkeit als konstruiert durch unterschiedliche Normen zu erklären, stützt sich Butler auf theatralische, anthropologische und philosophische Diskurse:

Ich werde mich im Verlauf meiner Argumentation auf theatralische, anthropologische und philosophische Diskurse beziehen, in der Hauptsache jedoch auf die Phänomenologie, um zu zeigen, daß das, was als Geschlechter­identität bezeichnet wird, eine performative Leistung ist, die durch gesell­schaftliche Sanktionen und Tabus erzwungen wird.[42]

Der Begriff performativ wird bei Butler auf Bühne und Theater bezogen verwendet: „Anders gesagt ähneln die Akte, durch die die Geschlechterzugehörigkeit konstituiert wird, performativen Akten in theatralischen Kontexten.“[43]

Um den Begriff der Performativität genauer zu erläutern, ist es wichtig, Sprach- und Diskurskonzept in Butlers Theorie zu verstehen. Bei diesen Konzepten orientiert sich Butler an Foucaults Diskursbegriff und der Sprechakttheorie der Linguistik. Der Sprechakttheoretiker John L. Austin charakterisiert diejenigen Äußerungen als performativ, durch die bestimmte Handlungen vollzogen werden. Die performativen Ausdrücke gelten als gelungen erst in Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Konventionen, die von den am Sprechakt Beteiligten gekannt und akzeptiert werden müssen. [44]

In Das Unbehagen der Geschlechter schafft Butler zuerst eher das dramatische Modell des Geschlechtskonzeptes. Später distanziert sie sich von dem dramatischen Modell, da „[...] es keinen Täter hinter der Tat gibt’, sondern [...] der Täter in unbeständiger, veränderlicher Form erst in und durch die Tat hervorgebracht wird.“[45] Durch die performativen Sprechakte kommt die konstruktive Macht der Sprache zum Vorschein: „Die Sprache übt ihre Macht, auf das Reale einzuwirken, durch die lokutionären Akte aus, die als wiederholte zu eingebürgerten Praktiken und letztlich zu Institutionen werden.“[46] Das heißt, beim Aussprechen eines Verbs wird eine Handlung vollzogen, die wiederum laut Butler zu einer geschlechtskonstituierenden Handlung wird. Allerdings ist der geschlechtskonstitutive Akt keine einmalige Handlung, sondern er besteht in ständiger Wiederholung von Handlungen, die den gesellschaftlichen Normen folgen:

Die Performativität ist demzufolge kein einmaliger „Akt“, denn sie ist immer die Wiederholung einer oder mehrerer Normen; und in dem Ausmaß, in dem sie in der Gegenwart einen handlungsähnlichen Status erlangt, verschleiert oder verbirgt sie die Konventionen, deren Wiederholung sie ist.[47]

Butler bezieht ihren Begriff der Performativität auf alle individuellen und gesellschaftlichen Handlungen. Erst die Gesamtheit der sprachlichen Handlungen innerhalb eines herrschenden Diskurses führt zur Konstituierung des Subjekts. Die Geschlechtsidentitäten werden laut Butler mittels der Diskurse durch Benennungen und Wiederholungen von Normen und Handlungen geschaffen. Butler äußert die These, dass das Subjekt ein Effekt des Diskurses ist:

Anders formuliert: die Akte, Gesten und Begehren erzeugen den Effekt eines inneren Kerns oder einer inneren Substanz; doch erzeugen sie ihn auf der Oberfläche des Körpers, und zwar durch das Spiel der bezeichnenden Abwesenheiten [...]. Diese im allgemeinen konstruierten Akte, Gesten und Inszenierungen erweisen sich insofern als performativ, als das Wesen oder die Identität, die sie angeblich zum Ausdruck bringen, vielmehr durch leibliche Zeichen und andere diskursive Mittel hergestellte und aufrechterhaltene Fabrikationen/Erfindungen sind.[48]

Dieser Prozess der Identitätsbildung schafft einerseits das gesellschaftliche Subjekt mit Hilfe ritualisierter Handlungen, andererseits wiederholt er auch die herrschenden Strukturen des Diskurses und stabilisiert diese. In Körper von Gewicht erweitert Butler ihre Thesen und betont, dass bei der Konstruktion der Identität eines Subjekts außerdem die sprachlichen Anrufungen und gewisse Ausschließungsmechanismen eine große Rolle spielen:

Die Konstruktion des Geschlechts arbeitet mit den Mitteln des Ausschlusses, und zwar so, daß das Menschliche nicht nur in Absetzung gegenüber dem Unmenschlichen produziert wird, sondern durch eine Reihe von Verwerfungen, radikalen Auslöschungen, denen die Möglichkeit kultureller Artikulation regelrecht verwehrt wird.[49]

Die Wiederholungen der performativen Handlungen haben ritualen Charakter, der unter Zwang und durch die Macht des Verbots und des Tabus die Entstehung der heterosexuellen Identitäten erzwingt. Diese Wiederholungen weisen eine zweifache Funktion auf: Einerseits festigen sie die Identität des Subjekts und unterstützen die weitere Existenz des herrschenden Diskurses, worin sich das Subjekt konstruiert, andererseits bieten sie die Chance für Veränderungen durch subversives Wiederholen. Die Veränderung bei diesem Prozess ist auch durch das Sichtbar­machen der Konstruktion des Geschlechts mittels der Parodie möglich. Damit ist das Subjekt auf der einen Seite Effekt des Diskurses, auf der anderen Seite dessen Werkzeug.[50]

Da die geschlechtskonstruierenden Handlungen gesellschaftlich normiert und aufgezwungen werden, wird bei Butler die Geschlechtsidentität als historische Kategorie theoretisiert. Darauf stützend lassen sich die Geschlechtskonstruktionen dramatischer Figuren in unterschiedlichen Kontexten analysieren.

Die dramatischen Figuren stellen sich als Repräsentanten der jeweiligen Diskurse dar. Mittels der vollzogenen sprachlichen Handlungen üben sie ihre Wirkung auf die Anderen aus. Laut Ingrid Leiser lassen sich die „[...] Sprechakte der dramatischen Figuren [...] einerseits als wiederholte Handlungen erklären, denn das Subjekt wiederholt sprachliche Strukturen, indem es eine bereits durch Grammatik und Semantik festgelegte Sprache benutzt. Andererseits kann das Subjekt mit den Sprechakten, die es aus der vorgegebenen Sprache bildet, selbst produktiv handeln. Mit diesen Sprechakten können die Figuren nicht nur Machtansprüche an ihre Dialogpartner stellen, sondern sich auch durch subversives Handeln gegen gesellschaftliche Geschlechtsnomen wehren.“[51]

Da die Figuren sich und ihr Geschlecht in Dramen durch sprachliche Äußerungen konstruieren, lässt sich Butlers Begriff der Performativität auf dramatische Dialoge und Figuren übertragen. Dieser theoretische Ausgangspunkt gibt die Möglichkeit, die Konstitution der Weiblichkeit in Reigen von Arthur Schnitzler zu analysieren.

3.3. Der Begriff der Macht bei Butler

Die Performativität ist bei Butler an einen Machtbegriff geknüpft. Der Machtbegriff steht in Verbindung mit hegemonialen und unterdrückten Diskursen. In Anlehnung an Foucaults Machtkonzept vertritt Butler die These, dass sich das Subjekt und demzufolge die Sexualität, nie außerhalb von Machtbeziehungen befindet.

Die Macht hat einen produktiven Charakter. Dem Körper wird erst bei der Be­zeichnung oder bei der Formung durch die Machtbeziehungen innerhalb eines Diskurses eine sexuelle Identität gegeben:

Innerhalb des Diskurses gewinnt der Körper allerdings nur im Kontext von Machtbeziehungen eine Bedeutung. Die Sexualität meint hier eine geschicht­lich spezifische Organisation von Macht, Diskurs, Körpern und Affektivität.[52]

Die Subjekte werden als Unterworfene durch die Machtstrukturen hervorgebracht.[53] Unter der Macht ist bei Butler zu verstehen, dass einerseits die im Diskurs funktionierenden Machtverhältnisse die gesellschaftlichen Subjekte als Unterworfene mit Hilfe der Zwänge erzeugen, andererseits diese Subjekte den Diskurs erst möglich machen, da sie Träger seiner Wirkung sind und gleichzeitig diese Subjekte damit die Gelegenheit haben, Veränderungen in der Wirkung zu verursachen. Laut Butler verlangt die Macht der Geschlechternormen die Verkörperung der Ideale der Weiblichkeit oder Männlichkeit um die heterosexuellen Ideale aufrechtzuerhalten. Um als gesellschaftlich vollwertiges und lebensfähiges Subjekt zu gelten, wird erzwungen sich der Macht der Begriffe zu unterwerfen, das heißt die Normen zu zitieren:

In dem Maße, wie das Benennen des „Mädchens“ transitiv ist, das heißt den Prozeß initiiert, mit dem ein bestimmtes „Zum-Mädchen-Werden“ erzwungen wird, regiert der Begriff oder vielmehr dessen symbolische Macht die Formierung einer körperlich gesetzten Weiblichkeit, die die Norm niemals ganz erreicht. Dabei handelt es sich jedoch um ein „Mädchen“, das gezwungen wird, die Norm zu „zitieren“, um sich als lebensfähiges Subjekt zu qualifi­zieren und ein solches zu bleiben.[54]

Daher ist laut Butler die Weiblichkeit nicht die selbstbestimmte Wahl, sondern „das zwangsweise Zitieren einer Norm, einer Norm, deren komplizierte Geschichtlichkeit untrennbar ist von den Verhältnissen der Disziplin, der Regulierung, des Strafens.“[55] Der Machtbegriff ist bei Butler so geprägt, dass der Widerstand gegen diese Macht mit eingeschlossen ist. Da die Widerstände den Machtbeziehungen eigen sind, führt deren stetige Wirkung weniger zu großen Veränderungen, sondern es finden

[...]


[1] Lorenz, Dagmar: Wiener Moderne. Sammlung Metzler. Stuttgart - Weimar 1998, S.145.

[2] Lorenz, Dagmar: Wiener Moderne, S. 146.

[3] Vgl. Stephan, Inge: Im Zeichen der Sphinx. Psychoanalytischer und literarischer Diskurs über die Weiblichkeit um 1900, in: Musen & Medusen. Mythos und Geschlecht in der Literatur des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Inge Stephan und Sigrid Weigel. Köln · Weimar · Wien 1997, S. 14-36. Hier S. 14-15.

[4] Helduser, Urte: Geschlechterprogramme. Konzepte der literarischen Moderne um 1900. Köln · Weimar «Wien 2005, S. 47.

[5] Vgl. Bülow, Ulrich von: „Sicherheit ist nirgends“. Das Tagebuch von Arthur Schnitzler, in: Marbacher Magazin 93/2001. Marbach am Neckar 2000, S.118.

[6] Vgl. Pfoser, Alfred, Pfoser-Schewig, Kristina, Renner, Gerhard: Schnitzlers „Reigen“. Zehn Dialoge und ihre Skandalgeschichte. Analysen und Dokumente. Der Skandal. Band 1. Frankfurt am Main 1993, S. 43.

[7] Siehe dazu: Koebner, Thomas: Arthur Schnitzler. Reigen, in: Erläuterungen und Dokumente. Stuttgart 1997, S. 11.

[8] Zur ausführlichen Geschichte der Skandale siehe Pfoser, Alfred, Pfoser-Schewig, Kristina, Renner, Gerhard: Schnitzlers „Reigen“. Zehn Dialoge und ihre Skandalgeschichte. Frankfurt am Main 1993.

[9] Fliedl, Konstanze: Arthur Schnitzler. Stuttgart 2005, S. 90.

[10] Fliedl, Konstanze: Arthur Schnitzler, S. 87.

[11] Boner, Georgette: Arthur Schnitzlers Frauengestalten. Winterthur 1930.

[12] Vgl. Boner, Georgette: Arthur Schnitzlers Frauengestalten, S. 25.

[13] Vgl. Boner, Georgette: Arthur Schnitzlers Frauengestalten, S. 59.

[14] Polsterer, Susane: Die Darstellung der Frau in Arthur Schnitzlers Dramen. Diss. Wien 1949.

[15] Rey William H.: Arthur Schnitzler. Die späte Prosa als Gipfel seines Schaffens. Berlin 1968.

[16] Gutt, Barbara: Emanzipation bei Arthur Schnitzler. Berlin 1978, S. 63.

[17] Janz, Rolf-Peter: Zum Sozialcharakter des „süßen Mädels“, in: Arthur Schnitzler: Zur Diagnose des Wiener Bürgertums im Fin de siècle. Hrsg. von Rolf-Peter Janz und Klaus Laermann. 1. Auf­lage. Stuttgart 1977, S. 41-54.

[18] Janz, Rolf-Peter: „Reigen“, in: Arthur Schnitzler: Zur Diagnose des Wiener Bürgertums im Fin de siècle. Hrsg. von Rolf-Peter Janz und Klaus Laermann . 1.Auflage. Stuttgart 1977, S. 55-75.

[19] Möhrmann, Renate: Schnitzlers Frauen und Maedchen, in: Akten des Internationalen Symposiums. ‘Arthur Schnitzler und seine Zeit’. Hrsg. von Giuseppe Farese, in: Jahrbuch für Internationale Germanistik. Reihe A. Bd. 13. Bern · Frankfurt am Main · New York 1985, S. 93-107. Hier S. 94.

[20] Ebenda, S. 94.

[21] Möhrmann, Renate: Schnitzlers Frauen und Maedchen, S. 94.

[22] Möhrmann, Renate: Schnitzlers Frauen und Maedchen, S. 106.

[23] Wagner, Nike: Geist und Geschlecht. Karl Kraus und die Erotik der Wiener Moderne. Frankfurt am Main 1987, S. 138.

[24] Wagner, Nike: Geist und Geschlecht, S. 137.

[25] Doppler, Alfred: Der Wandel der Darstellungsperspektive in den Dichtungen Arthur Schnitzlers. Mann und Frau als sozialpsychologisches Problem, in: Akten des Internationalen Symposiums. ‘Arthur Schnitzler und seine Zeit’. Hrsg. von Giuseppe Farese, in: Jahrbuch für Internationale Germanistik. Reihe A. Bd.13. Bern · Frankfurt am Main · New York 1985, S. 41-59. Hier S. 44.

[26] Doppler, Alfred: Der Wandel der Darstellungsperspektive in den Dichtungen Arthur Schnitzlers, S. 46-47.

[27] Weinhold, Ulrike: Arthur Schnitzler und der weibliche Diskurs. Zur Problematik des Frauenbilds der Jahrhundertwende, in: Jb. für Internationale Germanistik. Heft 1. Jg. 19. 1987, S. 112-145.

[28] Zum Status der Frau als Bild oder Zeichen siehe: Bovenschen, Silvia: Die imaginierte Weiblich­keit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen literarischen Präsentationsformen des Weiblichen. 2. Auflage. Frankfurt am Main 1980.

[29] Weinhold, Ulrike: Arthur Schnitzler und der weibliche Diskurs, S. 123.

[30] Vgl. Schier, Rudolf: Zigarre, Mieder und Madonna: Schnitzlers Reigen im Hinblick auf Ibsens Ein Puppenheim, in: Modern Austrian Literature. Vol. 36. Heft 3-4, 2003, S. 1-18. Hier S. 1.

[31] Schier, Rudolf: Zigarre, Mieder und Madonna, S. 8.

[32] Thomè, Horst: Arthur Schnitzlers „Reigen“ und die Sexualanthropologie der Jahrhundertwende, in: Text + Kritik. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. Heft 138-139. München 1998, S. 102-113.

[33] Wardy, Rania el: Liebe spielen - spielend lieben. Arthur Schnitzler und seine Verwandlung der Liebe zum Spiel. Marburg 2008.

[34] Keller, Ursula: Boser Dinge hübsche Formel. Das Wien Arthur Schnitzlers. Berlin/Marburg 1984.

[35] Polt-Heinzl, Evelyne: Schnitzlers Reigen - sozialpsychologische Momentaufnahmen, in: Arthur Schnitzler. Affairen und Affekte. Hrsg. von Evelyne Polt-Heinzl und Gisela Steinlechner. Wien 2006, S.49-59.

[36] Helduser, Urte: Geschlechterprogramme. Konzepte der Literarischen Moderne um 1900. Köln · Weimar · Wien 2005.

[37] Wicke, Andreas: Jenseits der Lust. Zum Problem der Ehe in der Literatur der Wiener Moderne.

1. Auflage. Siegen 2000.

[38] Fliedl, Konstanze, Polt-Heinzl, Evelyne, Urbach, Reinhard: Schnitzlers Sprachen der Liebe, Wien 2010.

[39] Fauser, Markus: Einführung in die Kulturwissenschaft. 3. Auflage. Darmstadt 2006, S. 100.

[40] Fauser, Markus: Einführung in die Kulturwissenschaft, S. 101.

[41] Schößler, Franziska: Einführung in die Gender Studies. Berlin 2008, S. 10.

[42] Butler, Judith: Performative Akte und Geschlechterkonstitution. Phänomenologie und feministische Theorie, in: Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Hrsg. von Uwe Wirth. Erste Auflage. Frankfurt am Main 2002, S. 302.

[43] Butler, Judith: Performative Akte und Geschlechterkonstitution, S. 304.

[44] Vgl. Austin, John L: Zur Theorie der Sprechakte, in: Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Hrsg. von Uwe Wirth. Frankfurt am Main 2002, S. 63-71.

[45] Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter. Erste Auflage. Frankfurt am Main 1991, S. 209.

[46] Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter, S. 173.

[47] Butler, Judith: Körper von Gewicht, S. 36.

[48] Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter, S. 200.

[49] Butler, Judith: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Frankfurt am Main 1997, S. 30.

[50] Vgl. Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter, S. 215-216.

[51] Leiser Gjestvang, Ingrid: Machtworte: Geschlechterverhältnisse und Kommunikation in dramatischen Texten (Lenz, Hauptmann, Bernstein, Streeruwitz), Wisconsin-Madison 1998, S. 11.

[52] Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter, S. 139.

[53] Vgl. Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter, S. 148.

[54] Butler, Judith: Körper von Gewicht, S. 318.

[55] Butler, Judith: Körper von Gewicht, S. 318-319.

Ende der Leseprobe aus 73 Seiten

Details

Titel
Konstruktionen der Weiblichkeit in der Literatur der Wiener Moderne am Beispiel von Arthur Schnitzlers "Reigen"
Hochschule
Technische Universität Darmstadt
Note
2,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
73
Katalognummer
V190520
ISBN (eBook)
9783656152538
ISBN (Buch)
9783656152804
Dateigröße
606 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
konstruktionen, weiblichkeit, literatur, wiener, moderne, beispiel, arthur, schnitzlers, reigen
Arbeit zitieren
Irma Mardaleishvili (Autor:in), 2011, Konstruktionen der Weiblichkeit in der Literatur der Wiener Moderne am Beispiel von Arthur Schnitzlers "Reigen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190520

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