Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Skandalkonglomerat
3. Die Berichterstattung in der „Thüringer Allgemeinen“
3.1 Der Unfall
3.2 Die Verurteilung
3.3 Zwischen Tabuisierung und Eigennutz: Der Umgang Althaus' mit der Presse
4. Fazit
5. Quellenverzeichnis
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
So manche Politiker, deren Karriere einiges an Höhe erreicht hatte, fielen durch einen Skandal umso tiefer. So auch bei Dieter Althaus, ehemaliger Ministerpräsident Thüringens – wobei „Fall“ auch wortwörtlich zu nehmen ist – nachdem er am 1. Januar 2009 auf der Piste mit einer anderen Skifahrerin zusammenstieß, welche daraufhin starb. Althaus landete im Koma, wurde im März 2009 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt und trat, nach der verlorenen Landtagswahl im August selbigen Jahres, von seinen politischen Ämtern zurück.
Warum ist dieser Skandal es wert, ein Objekt näherer Betrachtung zu sein? Zum einen, weil es nicht einfach ist, den Skandal um Althaus exakt zu bestimmen. Vielmehr muss, wenn von dem Skandal um Althaus gesprochen wird, wie im Titel dieser Hausarbeit geschehen, die Verbindung zwischen mehreren, zum Skandal taugenden Ereignisse gesehen werden, die jedoch erst zusammengenommen den hier zu untersuchenden Skandal ergeben. Weiterhin ist die Thematik interessant, da hier zwar ein Skandal beleuchtet wird, der bundesweit für Aufsehen sorgte, deren Skandalisierter aber fast nur auf Länderebene, sprich einer kleineren Öffentlichkeit, bekannt und bedeutend war. Hier ist die Sicht der „Thüringer Allgemeinen“, der größten Regionalzeitung Thüringens, besonders interessant. Aus diesem Grund wurde sich vor allem auf diese Zeitung konzentriert, um an ihrer Berichterstattung eine Skandalentwicklung nachzuvollziehen. Der Gedanke war, nicht immer nur die „ganz großen“ Skandale der Bundesrepublik zu beleuchten, sondern sich auch einmal einem Skandal zu widmen, welcher eher durchschnittliche Aufmerksamkeit in Deutschland erregte. Dadurch konnte die Bedeutung der hier untersuchten Zeitung in ihrer regionalen Ausrichtung noch besser herausgearbeitet werden, weil davon ausgegangen wird, dass eine Regionalzeitung über ein regional bedeutendes Thema mehr berichtet als eine überregionale Zeitung. Würde man nur die größten, wichtigsten, dramatischsten und folgenreichsten Skandale betrachten, so könnte man zwar diverse Superlativen in seine Betrachtungen mit einbeziehen, doch die Mehrheit der Skandale, jene die ein regional stark begrenztes Publikum, wie hier die Thüringer, stärker betreffen, würde außer Acht gelassen werden und so die Wirklichkeit verfälscht.
In dieser Hausarbeit soll die Frage beantwortet werden, wie sich der Skandal, bzw. die Skandale, um Althaus in der Thüringer Allgemeinen herausbildeten. Wo wurden Schwerpunkte gesetzt? Welche Haltung nahm die Zeitung ein? Inwiefern folgt sie damit den bisherigen Erkenntnissen der Skandalforschung?
Dazu sollen im ersten Kapitel die Ereignisse um Althaus, welche mit dem Skiunfall beginnen und mit seinen Interviews gegenüber der Bild-Zeitung enden, näher analysiert werden. Es geht hierbei zum einen um die Frage, ob die Ereignisse für sich allein bereits einen Skandal darstellten und so verbreitet wurden oder ob sie lediglich durch ihre Mehrzahl einen Skandal ergaben. Zum anderen soll geklärt werden, inwiefern die Ereignisse um Althaus als politischer Skandal gewertet werden können – wenn sie das überhaupt können.
Danach werden die einzelnen Ereignisse des Skandalkonglomerats Althaus bezüglich ihrer Darstellung in der Thüringer Allgemeinen untersucht. Beginnend bei dem Skiunfall, über die juristische Verurteilung, bis zur Kritik an den exklusiven Interviews in der Bild-Zeitung. Am Ende werden die Ergebnisse in einem Fazit zusammengefasst.
Als Quellen dienten hier vorrangig gedruckte Ausgaben der „Thüringer Allgemeinen“. Dazu wurden alle Ausgaben vom 2. Januar, dem Tag nach dem Skiunfall, bis Anfang April durchgesehen und auf Artikel über Althaus geprüft. Auch auf Artikel, die nur am Rande mit den Vorfällen zu tun hatten, aus ihnen abgeleitete Themen behandelten oder nur in indirekten Bezug standen, wurde Rücksicht genommen.
Wichtig war es ebenfalls, diverse Fachliteratur zu verwenden. Dabei wurde einerseits die Skandalforschung berücksichtigt, wie etwa Steffen Burkhardt oder Karl Otto Hondrich. Dies war wichtig, um verschiedene Definitionen und Abgrenzungen des Begriffes „Skandal“ herauszuarbeiten und so den Althaus-Skandal mit diesen abgleichen zu können. Andererseits wurde auch bewusst auf Literatur zurückgegriffen, in der Fragestellungen aufgeworfen wurden, welche die Thematik „Skandal“ nur peripher berühren. Dazu zählen etwa die Werke von Marcus Maurer oder Arthur Engelbert. In diesen Werken fanden sich ebenfalls Gedanken und Ansichten, welche die Ausarbeitung sinnvoll förderten. Literatur über den Skandal um Dieter Althaus existiert indes nicht. Dies könnte zum einen daran liegen, dass die Ereignisse noch nicht allzu weit zurückliegen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass bisher hierzu nichts erschienen ist, da es nicht genügend öffentliches Interesse besitzt. Wenngleich der Skiunfall von Althaus bundesweit für Aufsehen sorgte, so scheint es doch, dass er in Zukunft nicht bei allzu vielen Menschen im Gedächtnis bleiben wird. Auch in kommenden Jahren dürfte über weiter zurückliegende, aufsehenerregendere Skandale, wie die Hitler-Tagebücher oder Tschernobyl mehr geschrieben, als über jene Ereignisse vom Neujahrstag 2009 und den folgenden Monaten. Dies macht den Althaus-Skandal jedoch keineswegs uninteressanter, sondern lädt dazu ein, ihn solange zu begutachten, solange er noch im Gedächtnis der Öffentlichkeit verankert ist.
2. Das Skandalkonglomerat
Im Wesentlichen sind es drei Ereignisse, welche das Skandalkonglomerat Althaus bilden. Zum einen Althaus' Skiunfall am 1. Januar 2009, zum anderen seine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung nach nur einem Prozesstag am 3. März sowie sein Umgang mit den Printmedien, insbesondere der „Bild“, in den folgenden Wochen. Die Bezeichnung „Skandalkonglomerat“ impliziert dabei nicht, dass diese drei Ereignisse zu Skandalen wurden – dies muss erst noch untersucht werden – sondern, dass sie Skandalpotenzial besaßen. Doch was lässt Ereignisse überhaupt erst zu potenziellen Skandalen werden?
Steffen Burkhardt ist hier der Auffassung, dass theoretisch jedes Ereignis skandalträchtig wirken kann, wobei die Inszenierung am wichtigsten sei. Jedoch hätten bestimmte Bereiche mehr Skandalpotenzial, wozu auch die Politik gehöre. Die Politik sei deshalb ein so skandalträchtiger Bereich, da sie für eine breite Öffentlichkeit wichtig sei, aber oft in privaten Räumen geschehe, was die Enthüllung jenes Privaten umso interessanter mache . Dabei müsse kein Verstoß gegen eine von der Mehrheit akzeptierte Moral vorliegen, sondern lediglich angenommen werden.[1]
Burkhardts Formulierung, dass jedes Ereignis zum Skandal werden kann, ist etwas übertrieben. Vielmehr sollte, um in seinem Argumentationsmuster zu bleiben, gesagt werden, dass jedes Ereignis, von dem ein Moralbruch angenommen werden kann, zum Skandal taugt. Dies sind zwar nicht alle Ereignisse, aber doch ein bedeutender Prozentsatz. Richtig liegt Burkhardt damit, wenn er sagt, dass die Inszenierung letztlich am wichtigsten ist. Auch das von ihm beschriebene Interesse der Öffentlichkeit an der Entprivatisierung der Politik ist ein interessanter Ansatz. Jedoch gibt es noch weitere Gründe, welche die Politik zu einem skandalträchtigen Feld werden lassen. Es ist unter anderem auch wichtig, dass die Politik und Politiker letztlich von Steuergeldern, also vom Geld der meisten Bürger, finanziert werden. Auch gibt es zu den Entscheidungen der Politik keine Alternative, wir können uns ihnen nicht verweigern oder kurzfristig einen anderen Anbieter wählen. Dies sind zwei wichtige Unterschiede, welche die Politik hinsichtlich ihres Skandalisierungs-potenzials etwa von der Wirtschaft unterscheiden. Gehen Firmen verschwenderisch mit selbst erwirtschafteten Geldern um, so trifft dies höchstens Angestellte und Kunden, was eine wesentlich kleinere Masse ausmacht als jene, die durch die Politik betroffen sind – denn letztlich sind wir das alle. Auch können wir bei Firmen, die unliebsame Entscheidungen, wie eine Preiserhöhung, treffen, meist zu konkurrierenden Unternehmen wechseln. Wollen wir politischen Entscheidungen entkommen, so müssten wir aus dem betreffenden Gebiet – der Kommune, dem Bundesland, der Bundesrepublik – wegziehen oder warten, bis die uns unliebsamen Entscheidungen rückgängig gemacht werden. Wie können wir aber erkennen, dass jene Ereignisse um Dieter Althaus nicht nur Skandalpotenzial hatten, sondern auch ein Skandal waren? Dazu müssen wir uns ansehen, wie ein Skandal definiert wird.
Nach Karl Otto Hondrich braucht es für einen Skandal drei Dinge: eine moralische Verfehlung, die Enthüllung dieser Verfehlung und eine kollektive Empörung.[2] Besonders wichtig ist ihm dabei die kollektive Empörung, da es ohne diese lediglich beim Skandalversuch bliebe.[3] Ab wann eine Empörung jedoch als kollektiv gelten kann, bleibt dabei offen. Kein Skandal erzürnt jeden Einzelnen, es gibt immer Menschen, die sich mehr, weniger oder gar nicht entrüsten. Eine eigentlich so eindeutige Bezeichnung wie „kollektiv“ wird somit schwer eingrenzbar. In jedem Fall dürfte Hondrich Recht getan werden, wenn gesagt wird, dass die öffentliche Entrüstung deutlich wahrnehmbar sein muss.
John B. Thompson hingegen sieht nicht in der öffentlichen Entrüstung, sondern im Bruch des Moralcodes die wichtigste Eigenschaft eines Skandals. Weiterhin zeichne sich ein Skandal dadurch aus, dass dieser Bruch aufgedeckt wird, obwohl der Skandalisierte äußerste Geheimhaltung wahren wollte. Auf diese gescheiterte Geheimhaltung folge dann öffentliche Aufmerksamkeit und Empörung. Die Empörung werde folglich innerhalb der Gesellschaft ausgetauscht, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Rahmen. Am Ende stehe der Schaden am Image des Betroffenen.[4]
Insgesamt ist Thompsons Definition wesentlich detaillierter als jene von Hondrich, was jedoch nicht heißt, dass sie automatisch besser ist. Hondrich schafft eher die Grundlagen, auf welche viele andere Skandaldefinitionen aufbauen. Auffällig bei Thompson ist die Betonung der Geheimhaltung seitens des Skandalisierten. Dieses Merkmal trifft jedoch bei keinem der drei Ereignisse im Skandalkonglomerat Althaus zu. Der Skandalisierte hat nie versucht, Dinge geheim zu halten, er hatte allerdings auch nie die Möglichkeit dazu. Skiunfall und Verurteilung waren nicht geheim zu halten und das Verhalten gegenüber den Medien, vor allem gegenüber der „Bild“, waren offensive Aktionen von Althaus, Geheimhaltung daher also überflüssig.
Kann das Skandalkonglomerat also gar kein Skandal sein? Doch, es kann. Nehmen wir Hondrichs allgemeiner ausgerichtete Definition als Grundlage, so müssen wir bei den folgenden Untersuchungen der „Thüringer Allgemeinen“ schauen, ob dort ein Moralbruch sowie eine Entrüstung thematisiert werden. Dies sind die beiden wichtigsten Merkmale, welche in nahezu allen Skandaldefinitionen vorkommen. Wie bereits gezeigt, herrscht in der Politik ein besonders hohes Skandalisierungspotenzial. Doch kann das Skandalkonglomerat Althaus überhaupt als politischer Skandal gewertet werden?
Nach Hondrich entsteht der klassische politische Skandal durch die Überschreitung von Machtbefugnissen seitens der Politiker sowie einer moralischen Verfehlung.[5] Nach dieser Definition ist das Skandalkonglomerat Althaus kein politischer Skandal. In keinem der drei Schlüsselereignisse übertrat der damalige Ministerpräsident seine Machtbefugnisse. Eine moralische Verfehlung ist jedoch eventuell vorhanden.
Etwas anders als Hondrich betrachtet Sighard Neckel politische Skandale: „Skandale in der Politik werden ausgelöst, wenn öffentlich bekannt wird, daß Politiker [...] Normen verletzten, für deren Gewährleistung sie selbst sich als prädestiniert bezeichnen und die Enthüllung dieser Verletzung zum Anlaß eines Konfliktes verschiedener Machtgruppen in der Gesellschaft wird, die sich jeweils der Instanz der Öffentlichkeit bedienen, um der gegnerischen Gruppe die Legitimität ihrer gesellschaftlichen Stellung zu entziehen“[6]. Nach Neckel muss also nicht zwingend eine Überschreitung der Machtbefugnisse erfolgen, sondern Normen verletzt werden, welche der Skandalisierte bisher für sich einnahm. Dies kann zwar ebenfalls mit Machtmissbrauch zu tun haben, muss es aber nicht. Insofern stellt sich jedoch die Frage, ob jeder Skandal, der mit einer politischen Person zu tun hat, als politischer Skandal bezeichnet werden kann. Dies wäre allerdings falsch. Denn als politischer Skandal sollte nur gelten, was unmittelbar mit Politik zu tun hat. Nur weil Althaus im Zeitraum des Skandals ein Politiker war, können die Ereignisse nicht als politischer Skandal gewertet werden. Zwar spielten mit Sicherheit im Vorgehen Althaus politische Gedanken eine wichtige Rolle, vor allem beim Umgang mit den Medien, aber einen direkten Bezug zur Politik hat keines der Ereignisse.
Auch wenn wir es also nicht mit einem politischen Skandal zu tun haben, so besitzen die einzelnen Bestandteile des Skandalkonglomerates Skandalisierungspotenzial. Ein Todesopfer, eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung, fragwürdiger Umgang mit Medien – hier wird einiges geboten, was in einer Zeitung thematisiert und skandalisiert werden könnte. Dass diese drei Ereignisse in dem kurzen Zeitrahmen von gerade einmal dreieinhalb Monaten geschehen, könnte die Skandalwirkung noch bestärkt haben. Andererseits war bei dem jeweiligen Teilskandal nicht absehbar, dass weitere folgen würden. Deswegen sollte davon ausgegangen werden, dass das Skandalkonglomerat ein im Nachhinein entstandenes Konstrukt ist. Zum jeweiligen Zeitpunkt waren es eher die einzelnen Ereignisse, welche Skandalpotenzial besaßen.
3. Die Berichterstattung in der „Thüringer Allgemeinen“
3.1 Der Unfall
Die erste Thematisierung der Ereignisse beginnt in der „Thüringer Allgemeinen“ (TA) am 2. Januar, einen Tag nach dem Skiunfall von Althaus. Im Vordergrund steht hierbei die Tragik des Unfalls, welche ausführlich betont wird. Beata Christandl, welche mit Althaus zusammenstieß und dabei starb, wird nur nebenbei und nicht namentlich erwähnt. Dass Althaus im Mittelpunkt steht und gleichzeitig auch auf die politische Stellvertretung eingegangen wird, ist angesichts der medialen Bedeutung Althaus' als Ministerpräsident nicht verwunderlich. Etwas seltsam erscheint jedoch die Aufmachung, in welcher die „Thüringer Allgemeine“ Althaus darstellt. Während ein Foto eines Rettungshelikopters den Unfall symbolisiert, finden sich weitere Bilder von Althaus, welchen ihn nicht als Politiker zeigen, sondern als Rennsteigläufer, Motorradfahrer und Taucher zeigen – als Skifahrer wohlgemerkt nicht. Dazu heißt es: „Trainierter Mann – Dieter Althaus ist als begeisterter und vielseitiger Sportler bekannt“[7].
Die Anteilnahme der verantwortlichen Redakteure ist einen Tag nach dem Unfall deutlich anzumerken. Es finden sich keinerlei Spuren einer Skandalisierung, was aber auch daran liegen dürfte, dass zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar war, wie es zu dem Unfall gekommen war. Gleichwohl darf gefragt werden, inwiefern es hier von öffentlichen Interesse war, ob und inwiefern Althaus ein „begeisterter und vielseitiger Sportler“ war. Sowohl die visuelle als auch semantische Dimension dieser Schwerpunktsetzung ist nicht einleuchtend und bringt keine Erkenntnisgewinne hinsichtlich des Unfalls. Bevor die Gedanken hierbei jedoch zu weit gehen sei nur gesagt, dass die TA eine, auch über die Landesgrenzen hinaus, anerkannte Regionalzeitung ist, welche sich in der Vergangenheit zu keiner Partei deutlich hingezogen zeigte und weit entfernt ist vom Terrain des Boulevardjournalismus.
Bereits zwei Tage nach dem Unfall widmet die TA dem Unfall eine ganze Seite, wobei die Gesundheit Althaus' sowie das Tragen von Skihelmen am meisten thematisiert werden.[8] Letzteres rührt daher, dass Althaus beim Unfall einen solchen Helm getragen hatte, Christandl jedoch nicht. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie man aus einem Einzelereignis heraus einer damit verbundenen übergeordneten Thematik, wie hier das Tragen von Helmen beim Skifahren, Aufmerksamkeit widmet. Oftmals wird das Interesse der Öffentlichkeit erst durch traurige Ereignisse auf Themengebiete der Sicherheit gelenkt.
Auch in den folgenden Ausgaben steht in der Berichterstattung vor allem der Gesundheitszustand von Althaus im Mittelpunkt. Gleichwohl wird bereits am 5. Januar der Ton in der TA etwas deutlicher, indem nicht mehr nur von der Tragik des Unfalls geschrieben wird, sondern die Verwicklung Althaus' in einen tödlichen Unfall, dessen Hergang ungeklärt sei, die Rede ist. Gleichzeitig wird ein Bild der Toten, hier noch „Beata Ch.“ betitelt, gezeigt.[9] Am darauffolgenden Tag werden erstmals die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Österreich erwähnt.[10] Kann man also hier bereits von einer Skandalisierung sprechen? Ronald Hitzler meint hierzu, dass ein Skandal in den Medien nicht durch einen Normbruch entsteht, sondern die Titulierung eines Ereignisses in einem Medium als Skandal erst daraus einen Skandal mache.[11] Dem muss jedoch widersprochen werden. Folgt man Hitzler, so wäre jeder Artikel, in dem nicht ausdrücklich das Wort Skandal benutzt wird, automatisch kein skandalisierender Artikel. Um medial einen Skandal zu erzeugen kann man ein Ereignis zwar Skandal nennen, dies ist jedoch nur eine von vielen Vokabeln, mit denen man seine Entrüstung über das Ereignis zum Ausdruck bringen kann. Je nach Ereignis sind andere Wörter ebenso möglich oder gar stellenweise besser geeignet, wie etwa Schande, Schmach, Ungeheuerlichkeit oder Unverschämtheit. Nebenbei sei erwähnt, dass die TA keines der drei Ereignisse des Skandalkonglomerates jemals als Skandal bezeichnete. Ein Moralbruch konnte beim damaligen Kenntnisstand nicht festgestellt werden, da nicht klar war ob überhaupt eine Fahrlässigkeit vorlag und wenn ja, von wem sie ausging.
Im Weiteren beschäftigt sich die TA, wohl auch mangels neuer Meldungen, mit der Landespolitik, in der Althaus trotz, oder gerade wegen, Abwesenheit Erwähnung findet sowie mit diversen Artikeln über Sicherheit in Skigebieten.[12] Am 12. Januar erscheint dann ein Bericht, in welchem eine eventuelle Anklage gegen Althaus Erwähnung findet.[13] Hier wird jedoch weder auf eine mögliche Schuld Althaus' verwiesen, noch wurde diese vorher in Erwägung gezogen, weshalb die Nachricht selbst für den aufmerksamen Leser überraschend erschienen sein dürfte. Es wird nicht einmal der Versuch unternommen für Althaus eine moralische Verfehlung, welche durch eine fahrlässige Tötung erreicht würde, in Betracht zu ziehen.
[...]
[1] Steffen Burkhardt: Medienskandale. Zur moralischen Sprengkraft öffentlicher Diskurse, Köln 2006, S. 122-128 u. 144.
[2] Karl Otto Hondrich: Enthüllung und Entrüstung. Eine Phänomenologie des politischen Skandals, Frankfurt am Main 2002, S. 40.
[3] ebd., S. 16.
[4] John B. Thompson: Political Scandal. Power and Visibility in the Media Age, Malden 2000, S. 14-22.
[5] Karl Otto Hondrich: Enthüllung und Entrüstung. Eine Phänomenologie des politischen Skandals, Frankfurt am Main 2002, S. 14.
[6] Sighard Neckel: „Machen Skandale apathisch?“, in: Ebbighausen, Rolf / Neckel, Sighard (Hg.): Anatomie des politischen Skandals, Frankfurt am Main 1989. S. 234-257, S. 243.
[7] „Thüringer Allgemeine“ vom 02.01.2009.
[8] „Thüringer Allgemeine“ vom 03.01.2009.
[9] „Thüringer Allgemeine“ vom 05.01.2009.
[10] „Thüringer Allgemeine“ vom 06.01.2009.
[11] Ronald Hitzler: „Skandal ist Ansichtssache. Zur Inszenierungslogik ritueller Spektakel in der Politik“, in: Ebbighausen, Rolf / Neckel, Sighard (Hg.): Anatomie des politischen Skandals, Frankfurt am Main 1989, S. 334-354, S. 334.
[12] „Thüringer Allgemeine“ vom 10.01.2009.
[13] „Thüringer Allgemeine“ vom 12.01.2009.