Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Der linguistische Stilbegriff
2.1 enger und weiter Stilbegriff
2.2 Stil als Phänomen der Wahl
2.3 Die Bezugsebene des Stils
2.3.1 Kohäsion
2.3.2 Kohärenz
2.4 Stilbestimmende Faktoren
2.5 Stilwirkung
2.5.1 Markiertheit
2.5.2 Stileffektivität
3. Stil und Werbung
3.1 Stil im Funktionsbereich Werbung
3.2 Stilfunktionen im Online-Marketing
4. Die impliziten Stilregeln des SEO
4.1 Die richtigen Keywords
4.2 Keyword-Dichte
5. Grenzen der Stilerfassung und Stilbewertung
6. Kongruenz des linguistischen Stilbegriffs mit dem SEO-Stil
1. Einleitung
Das Internet und die Digitalisierung im Zeitalter moderner Kommunikationsmittel haben neben dem Hervorbringen neuer Formen der Kommunikation auch weitreichenden Einfluss auf die klassischen Formen der Kommunikation und Textproduktion genommen. Davon ist auch die Textproduktion im Bereich Marketing und Absatzwirtschaft nicht unberührt geblieben. Im Zuge dieser Entwicklungen sind neben den üblichen Methoden der Verkaufsförderung, das heißt die gezielten Maßnahmen bei der Erstellung von Texten für den Bereich Werbung in Printmedien oder ähnlichem, weitere Möglichkeiten entstanden, mit denen sich nicht nur Einfluss auf den Rezipienten eines Textes ausüben lässt, sondern auch eine Wirkung bei den vom Rezipienten genutzten Medium erreichen lässt.
Im Laufe der Fortentwicklung der digitalen Kommunikation über das Internet, vor allem in Hinsicht auf die Fülle an Informationen, die dem Nutzer des Internets zur Verfügung stehen, bildeten sich Dienstleistungen heraus, die es dem Nutzer ermöglichen, gezielt Informationen zu erlangen, die in seinem Interessenbereich liegen. Das Nutzen einer Suchmaschine zur Erlangung von ausgewählten Inhalten aus dem weltweiten Netz von Informationen, ist für den Nutzer geradezu zur Selbstverständlichkeit erwachsen. Eine solche Dienstleistung arbeitet mit Prozessen beim Durchsuchen der Informationsfülle und keineswegs nach reiner Willkür. Dabei werden auch explizit Anforderungen an den Text gestellt.
Es geht dabei nicht mehr primär um das Ansprechen des Rezipienten, im Vordergrund steht zusätzlich die Relevanz der gegebenen Informationen für den Service der Suchmaschine, dessen sich der Nutzer bedient. Es hat sich daher im Marketing mit dem Fokus auf dem Internet ein Geschäftsbereich herausgebildet den man als SEO (Suchmaschinenoptimierung oder search engine optimization) bezeichnet. Er beschäftigt sich mit der Erstellung von Texten, die durch ihre Struktur und ihren Stil von den Suchmaschinen besonders berücksichtigt werden und somit für den Nutzer überhaupt erst sichtbar werden. Dabei entstanden eine Reihe von Stilmerkmalen, die ein Text aufweisen muss, damit diese Sichtbarkeit in höchstem Maße erreicht werden kann.
Eine Frage, die sich diesbezüglich stellt, ist, ob es möglich wäre, diese Verfahren bei der Textproduktion beschreibar zu machen. Hierbei soll der Versuch unternommen werden, diesen Stil der Textproduktion im SEO mit den Methoden der Textanalyse und Stilistik aus dem Bereich der Linguistik zu beschreiben. Weiterhin wird der Versuch unternommen, zu prüfen, ob dem SEO-Stil ein Stilbegriff nach dem Vorbild der Stilistik innewohnt und inwieweit dieser genutzt wird, beziehungsweise mit diesem kongruent ist.
Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen somit die Fragestellungen: Wie lässt sich der Stil der suchmaschinenoptimierten Textproduktion aus Sicht der linguistischen Stilistik beschreiben? Ist es möglich eine Stilistik des Online-Marketings mit den Kategorien der Linguistik zu beschreiben? Welches Bündnis gehen in diesem Bereich die Linguistik und Absatzwirtschaft ein?
Hierzu folgt zunächst eine Definition des linguistischen Stilbegriffs um anschließend die Spezifität des Stils nach Ansichten des SEO zu beschreiben. Hierbei sollen auch praxisnahe Beispiele zur Analyse und Verdeutlichung herangezogen werden. Nachfolgend werden die Auffassungen verglichen und in Beziehung gesetzt, wobei die Vereinbarkeit und Unvereinbarkeit dieser beiden deutlich werden soll. Die technischen Aspekte sollen hierzu nur wenn nötig aufgegriffen werden. Ziel soll es sein, aufzuzeigen, wo die Berührungspunkte der Textproduktion im OnlineMarketing mit den Beschreibungskategorien der Stilistik liegen.
2. Der linguistische Stilbegriff
2.1 enger und weiter Stilbegriff
Stil ist im Allgemeinen das „Wie“ eines Textes. Diesem „Wie“ ist ein Funktionsbereich immanent, das heißt die Verwirklichung eines solchen „Wie“ verfolgt einen kommunikativen Zweck. Stil beschreibt dabei immer den Text in seiner Ganzheit. Dieser Vorstellung liegt zu Grunde, dass jeder Text einen Stil aufweist, der für ihn durch den kommunikativen Zweck, der die Rahmenbedingung bei der Entstehung bildet, definiert wird. Man geht hier von einem weiten Stilbegriff aus, da dem Produzent des Textes unterstellt wird, den Text vollkommen seinem Zweck dienlich zu machen.
Neben diesem weiten Stilbegriff existiert ein enger Stilbegriff, dem zugrundeliegt, dass festgeschriebene Regeln zur Realisierung von Stil existieren. Es handelt sich hierbei um einen normativen Stilbegriff, der bereits in der Antike durch die Kunst der Rhetorik, genauer durch die Elocutio, die Einkleidung der Gedanken in Worte, definiert wurde. Es handelt sich dabei um eine Regel, die vorschreibt welcher Stil als angemessen zu gelten hat, um den kommunikativen Zweck in angemessener Weise zu verfolgen.1
Beiden Ausprägungen des Stilbegriffs liegt demnach der kommunikative Zweck zugrunde, der die Wahl des Stils nach Ansichten des engen Stilbegriffs vorgibt, oder nach dem weiten Begriff diesen maßgeblich bestimmt, wenn auch nicht in normativer, sondern eher deskriptiver Hinsicht.
2.2 Stil als Phänomen der Wahl
An dieser Stelle wird deutlich, dass es sich bei dem Phänomen des Stils um eine Möglichkeit der Wahl handelt. Das heißt Stile sind voneinander unterscheidbare Variationen der sprachlichen Ausformung, aus denen bei der Produktion eines Textes ausgewählt werden kann. Stil wird somit - gleich ob in normativer oder deskriptiver Weise - zu einem Phänomen der Wahl.2
Wenn Stil sich als Phänomen der Wahl auszeichnet, handelt es sich um ein Faktum, das für sich beschrieben und analysiert werden kann, weil ein Stil von einem anderen abgrenzbar ist. Somit wird auch die Produktion eines Textes immer zum Wahlakt.
Die Teile des Stils werden aus verschiedenen Paradigmen entnommen um denselben zu realisieren. Ein Paradigma stellt eine Sammlung austauschbarer semantisch-lexikalischer Merkmale dar, die der gleichen Kategorie entstammen. Man spricht hier auch von einem Wortfeld oder auch von Synonymen. Diese werden semantisch zusammengehalten, stellen aber für sich einzelne sprachliche Phänomene dar, die jeweils einem anderen kommunikativen Zweck dienlich werden können.3
2.3 Die Bezugsebene des Stils
Die Bezugsebene des Stils ist der Text als Ganzes. Ein Element des Textes kann somit nicht ausgegliedert und stilistisch beschrieben werden, ohne den Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Es handelt sich somit um ein Syntagma, eine Zusammenstellung sprachlicher Elemente in einer konkreten Äußerung. Versucht man die Stilistik eines Textes zu beschreiben, setzt man einzelne sprachliche Mittel in eine Relation zu den restlichen vorhandenen. Eine Bewertung der einzelnen Phänomene ist somit nicht möglich. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem transphrastischen Zugang zum Stil, da einzelne Sätze immer auf einer höheren Ebene der Verkettung betrachtet werden. Diese Verkettung wird durch Kohäsion und Kohärenz erreicht.4
2.3.1 Kohäsion
Die Kohäsion beschreibt dabei eine Verkettung durch Verbindungsstellen zwischen den Sätzen. Das heißt in einem Satz ist mindestens ein Ausdruck zu finden, der an den vorhergehenden anschließt. Dieses Moment der Textproduktion verhält sich stilneutral, ist aber erforderlich, damit von einem Text als Geflecht aus einzelnen Sätzen gesprochen werden kann. Es handelt sich demnach um Faktoren der Textkonstitution. Die Kohäsion beschränkt sich auf die grammatischen Aspekte der Verflechtung von Sätzen zu einem Text. Wesentliche Abweichungen von den Normen der Grammatik hätten zur Folge, dass der Text als lose Aneinanderreihung von Sätzen angesehen wird. Alle Mittel auf einer tieferliegenden Ebene, die vor allem Inhaltliche Aspekte umfasst werden der Kohärenz zugeordnet.5
2.3.2 Kohärenz
Die Kohärenz umfasst alle inhaltsseitigen Aspekte eines Textes. Hierzu gehört beispielsweise das Thema eines Textes. Zu den wichtigsten Mitteln der Kohärenz zählen jene Aspekte, die unter der Isotopie sowie der Frame-und-Script-Theorie zusammengefasst worden sind.6
Die Isotopie bezeichnet eine Kette semantischer Merkmale, die in einem kohärenten Text zu finden sind. So lassen sich beispielsweise die Lexeme „Pedal“ und „Windschutzscheibe“ semantisch betrachtet dem Konzept des Fahrzeuges unterordnen und stehen somit in einer Verbindung, die als semantische Kette fungiert.
Der Frame definiert ein Handlungsfeld, das durch bestimmte Lexeme vorgegeben wird. Es handelt sich dabei um erwartbare kommunikative Situationen die vertextet werden. So ruft beispielsweise das Wort „Fahrzeug“ eine Reihe von prototypischen Bedingungen auf, in dem es auf Konzepte kultureller Prägung zurückgreift. Zu einem Frame gehört gewissermaßen mehr als die semantische Kette, wie bei der Isotopie. Es handelt sich dabei um eine Art Komplex, der durch das Weltwissen zusammengehalten wird. Man kann diesen Zusammenhalt auch als situationsspezifisch verfügbares Wissen bezeichnen.7
Somit werden mehr Verbindungen möglich als über den bloßen semantischen Bezug, wie bei der Isotopie. Das „Fahrzeug“ ruft damit weitere Konzepte wie „Tankstelle“ oder „Reparatur“ auf.
Das Skript ist ein dem Frame ähnliches Konzept der Kohärenz, nur dass die Verbindung hier über die Handlungsabläufe hergestellt wird. So ruft „Fahrzeug“ beispielsweise prototypisch das „Fahren in die Garage“ oder das „Anschnallen“ auf.8 Hierbei handelt es sich um die wichtigsten Beschreibungskategorien der Beziehung von sprachlichen Phänomenen auf der Textebene, die verdeutlichen sollen, dass ein Text, und damit ein Stil, durch den Zusammenhalt auf inhaltlicher wie auch grammatischer Ebene konstituiert wird.
2.4 Stilbestimmende Faktoren
Der wesentlichste Faktor bei der Gestaltung des Stils ist der kommunikative Zweck. Das heißt der Stil ist eng an einen Funktionsbereich gekoppelt, den es zu Erfüllen gilt. Das bedeutet, dass je nach Zweck der sprachlichen Mitteilung aus dem Paradigma, welches durch die zweckmäßige Anwendung festgelegt wurde, einzelne sprachliche Phänomene ausgewählt und auf syntagmatischer Ebene angeordnet werden, sodass eine eigene Stilausprägung zustande kommt, welche dem kommunikativen Zweck dienlich wird. Den kommunikativen Zweck kann man als Ziel der Kommunikation beschreiben. Demnach kommt es zu einer Wahl sprachlicher Ausdrücke, die besonders geeignet scheinen. Es handelt sich dabei um eine Ansicht, die der pragmatischen Texttheorie folgt. Einer Bewertung des Stils liegt damit auch immer eine Deutung der Äußerungssituation und des Diskurses zugrunde. Denn es ist davon auszugehen, dass es sich bei einem Text nicht um einen Selbstzweck handelt, sondern dass dieser an einen bestimmten Empfänger oder eine diffuse Empfängerschaft gerichtet ist.9
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1 Vgl. Sandig, Barbara: Textstilistik des Deutschen. Berlin: de Gruyter 2006. S.1-3.
2 Vgl. Eroms, Hans-Werner: Stil und Stilistik. Eine Einführung. Berlin: Schmidt 2008. S.23f.
3 Vgl. Sanders, Willy: Linguistische Stilistik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1977. S.21.
4 Vgl. Eroms, Hans-Werner: Stil und Stilistik. Eine Einführung. Berlin: Schmidt 2008. S.42.
5 Vgl. Eroms, Hans-Werner: Stil und Stilistik. Eine Einführung. Berlin: Schmidt 2008. S.42-45.
6 Vgl. Ebd. S49f.
7 Vgl. Römer, Christine: Lexikologie des Deutschen. Eine Einführung. Tübingen: Narr 2005. S.146.
8 Vgl. Ebd. S.148.
9 Vgl. Eroms, Hans-Werner: Stil und Stilistik. Eine Einführung. Berlin: Schmidt 2008. S.50-53.