Soziokulturelle Bedingungen der Entwicklung des Judeo-Espanol del Oriente


Hausarbeit, 2007

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Historischer Hintergrund

3 allgemeine Charakteristika des Judeo-Español
3.1 Orthografie
3.2 Archaismen
3.3 dialektale Einflüsse
3.4 sprachliche Entwicklungen
3.5 Einfluss semitischer Sprachen
3.5.1 Hebräisch
3.5.2 Arabisch

4 Soziokulturelle Einflussfaktoren auf das Judeo-Español des Orients
4.1 das jüdische Gemeindeleben – von der Isolation zur Koinésation
4.2 Das osmanische Reich – ein liberaler Staat
4.3 Westeuropäische Einflüsse – Zeitgeist und Zionismus
4.3.1 Italienisch – Die Centros Dante Alighieri
4.3.2 Französisch – Die Alliance Universelle Israélite
4.4 Nationalstaatsbildung

5 Quo vadis ? – aktuelle Tendenzen des Judeo-Español

1 Einleitung

Language has always been the mirror to society.[1] Diese These trifft auf das Judeo-Español in besonderer Weise zu. Es ist die Sprache der Sefarden, der spanischen Juden, welche 1492 aus ihrer Heimat vertrieben und in alle Welt zerstreut wurden. Wie ein Tagebuch verrät das Judeo-Español viel über seine Sprecher, ihre kulturellen Eigenheiten und ihr Schicksal. Die folgende Arbeit versucht Verbindungen zwischen der heutigen Form des Judeo-Español und den Lebensbedingungen der Sefarden im osmanischen Exil zu ziehen. Es gibt nur wenige Orte auf der Welt, an denen sich das Judeo-Español so erhalten hat wie auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Aufgrund der Liberalität des osmanischen Reiches konnte das Judeo-Español dort über Jahrhunderte hinweg in seiner ursprünglichen Form konserviert werden. Entwicklungen innerhalb der jüdischen Gemeinden führten später zur Herausbildung einer spezifisch osmanischen Koiné, des Judeo-Español del Oriente . Bedeutende fremdsprachliche Einflüsse traten erst mit dem Zerfall des osmanischen Reiches Ende des 19. Jahrhunderts ein und gaben dem Judeo-Español seine heutige, einzigartige Form. Ein kurzer historischer Überblick und eine Beschreibung der allgemeinen Charakteristika des mittelalterlichen Judeo-Español sollen nun zunächst den Rahmen schaffen, in den sich die späteren Entwicklungen einordnen lassen.

2 Historischer Hintergrund

Das jüdische Leben in Spanien kann auf eine lange Tradition zurückblicken deren Wurzeln bis in das 3. Jahrhundert v.Chr. zurückreichen.[2] Unter der Herrschaft der Westgoten waren die Juden zunächst allen anderen Untertanen rechtlich gleichgestellt. Diese Liberalität wich aber nach dem Übertritt der Herrscher zum christlichen Glauben einer strikten Verfolgung Andersgläubiger. Viele Juden begrüßten daher die Eroberung der Halbinsel durch die Mauren im frühen 8. Jahrhundert. Unter der arabischen Herrschaft konnten sie ihre Religion frei ausüben und ihre Fähigkeiten auf allen Gebieten voll entfalten. Aufgrund ihrer umfassenden Bildung und ihrer Loyalität besetzen sie bald Schlüsselpositionen im maurischen System.[3] Auch spanische Könige, wie z.B. Alfonso X, erkannten den Wert der Juden, welche Spanien mit ihren Kenntnissen und Fertigkeiten den Aufstieg zur Weltmacht ermöglichten.

Der Reichtum und Einfluss der Juden rief innerhalb der Bevölkerung nicht nur Bewunderung, sondern auch großen Neid hervor. Angefacht von der katholischen Kirche wandte sich im Zuge der Reconquista die allgemeine Stimmung gegen die Juden und es kam zu Gewaltakten, welche im Pogrom von Sevilla 1391 ihren Anfang fanden.[4] Den traurigen Höhepunkt der Verfolgung bildete das Edikt von Granada der Reyes Católicos Isabella und Ferdinand vom 31.März 1492, welches die Juden vor die Wahl zwischen Flucht oder Tod stellte.[5] Angesichts dieser Alternativen entschieden sich die meisten Juden für den Weg ins Exil.[6]

Viele gingen zuerst nach Portugal, von wo sie aber 1497 ebenfalls vertrieben wurden. Einige Juden wanderten nach Marokko aus und ließen sich dort v.a. in den Städten Tanger und Oran nieder. Der größte Strom der Vertriebenen richtete sich jedoch auf das osmanische Reich, wo sie von Sultan Bayazit II. mit offenen Armen empfangen wurden.[7] Der mit der Abwanderung der Juden verbundene Verlust an finanziellem, wissenschaftlichem und kulturellem Potential traf Spanien tief und verzögerte die weitere Entwicklung des Landes entscheidend.

3 allgemeine Charakteristika des Judeo-Español

Das Spanisch der Sefarden wich vor ihrer Vertreibung nur in geringem Maße vom Standard ab. Sie sprachen die Dialekte ihrer Umgebung und erweiterten diese durch Entlehnungen aus dem Hebräischen und Arabischen. Im Laufe der Zeit entwickelten sie auch sprachliche Eigenheiten, welche generell auf ihre soziale Isolation zurückzuführen sind.

3.1 Orthografie

Um die allgemeinen Charakteristika des Judeo-Español zu beschreiben lässt es sich nicht vermeiden, vorher auf die Besonderheiten der Orthografie einzugehen. Das Schriftsystem des Judeo-Español basiert auf Konventionen und wird mehr oder weniger frei angewendet. Die vorwiegend religiöse Literatur wurde ursprünglich in Rashi -Schrift geschrieben. Diese erwies sich durch fehlende Unterscheidungsmöglichkeiten zwischen den Vokalen und die nachlassenden Hebräischkenntnisse der Sefarden als ungeeignet. Deshalb führte man in den 1930er Jahren die lateinische Schrift ein.[8] Bis heute herrscht jedoch Uneinigkeit über die Verschriftung des Judeo-Español. Wagner verfasst seine Werke in der für Laien schwer lesbaren wissenschaftlichen Lautschrift. Einige Sefarden verwenden die altspanische Schreibweise, mit <ç> und <x>, andere nutzen die türkische Orthografie, welche am phonologischen Prinzip orientiert ist.[9] Ich greife bei meinen Beispielen auf die angelsächsische Verschriftung zurück, die sich meiner Meinung nach auch ohne Vorkenntnisse gut lesen lässt.

3.2 Archaismen

Das Judeo-Español weist eine Fülle altspanischer Elemente auf, die sich insbesondere in der Lautung niederschlagen. Durch die Vertreibung seiner Sprecher blieb das Judeo-Español von den Veränderungen der Revolución Fonológica des 16. und 17. Jahrhunderts vollkommen unberührt. Es fand daher keine Entsonorisierung der Sibilanten statt und man unterscheidet immer noch /z/ und /s/ in Wörtern wie kaza (ssp. casa).[10] Gleichzeitig blieben die Sibilanten /š/, /ž/, sowie /dž/ erhalten und fielen nicht wie im modernen Spanisch zu /x/ zusammen.[11] So finden sich im Judeo-Español

[...]


[1] Mc Crum (1986: 349f.).

[2] Es handelt sich dabei laut Schreiner (Cf. 1990: 46) um eine Grabinschrift in Adra. Er weist aber auch darauf hin, dass einige Forscher von einer früherer Besiedlung ausgehen.

[3] Cf. Schreiner (1990: 49).

[4] Cf. Nezirovic (1986: 101).

[5] Cf. Harris (1994: 33).

[6] Schätzungen über die Zahl der Auswanderer schwanken stark. Nesirovic (1986: 102) geht von insgesamt etwa 240 000 bis 250 000 Vertriebenen aus.

[7] Seine Beweggründe dafür werden aus dem ihm zugeschriebenen Ausspruch deutlich: “What! Call ye this Ferdiand `wise`- he who depopulates his own diminions in order to enrich mine?“ (Harris 1994: 34.).

[8] Cf. Nezirovic (1986: 105f.).

[9] Cf. Hetzer (2001: 3).

[10] Cf. Wagner (1990: 11).

[11] Cf. Díaz-Mas (1986: 105).

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Soziokulturelle Bedingungen der Entwicklung des Judeo-Espanol del Oriente
Hochschule
Universität Passau  (Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaften)
Veranstaltung
PS Spanische Sprachgeschichte
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V196290
ISBN (eBook)
9783656222903
ISBN (Buch)
9783656226802
Dateigröße
434 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Judeo-Espanol, Orient, Sprachwissenschafte, Linguistik, Hispanistik, Spanisch, Sprachgeschichte, Geschichte, historische Linguistik, Türkei, Osmanisches Reich, Spanien, Juden, soziokulturelle Bedingungen, Sprache im Wandel, Sprachwandel, Mittelmeerraum, Levante, Reconquista, Sefardim, Sephardim, Exil-Juden, Flucht, 1492, Judeo-Espanol del Oriente
Arbeit zitieren
MSc Ricarda Röleke (Autor:in), 2007, Soziokulturelle Bedingungen der Entwicklung des Judeo-Espanol del Oriente, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/196290

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