Happy American Dream: Die großen amerikanischen Mythen und ihre Dekonstruktion bei Francis Scott Fitzgerald, Jonathan Franzen und Philipp Roth


Magisterarbeit, 2011

102 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Gliederung

1.0 Einleitung
1.1 Der Mythosbegriff
1.2 Die Myth and Symbol School
1.3 Definition des Mythosbegriffs für vorliegende Arbeit
1.4 Thesenbildung

2.0 Hauptteil
2.1 U.S.-amerikanische Mythen allgemein
2.2 Entzauberung der Mythen?
2.3 Die Mythen in den Romanen
2.3.1. Die Happy American Family
2.3.1.1. Der große Gatsby: Die Bilderbuchfamilie
2.3.1.2. Amerikanisches Idyll: Die Kernzelle als Keimzelle des Terrors
2.3.1.3 Die Korrekturen: Die Unhappy American Family
2.3.2 Der American Dream
2.3.2.1. Der Self-Made Man
2.3.2.2. From Rags to Riches
2.3.2.3. Upward Mobility
2.3.2.4. Land of Endless Opportunities
2.3.2.5. Die Frontier
2.3.2.6. Der American Dream in den Romanen
2.3.2.6.1. Der große Gatsby – Eine Erfolgsstory?
2.3.2.6.2. Amerikanisches Idyll – Fall einer Familie, Fall einer Stadt und Fall eines Mädchens
2.3.2.6.3. Die Korrekturen – Eine Familie im Krebsgang
2.3.3 American Exceptionalism und Manifest Destiny
2.3.3.1. American Exceptionalism und Manifest Destiny in Amerikanisches Idyll

3.0 Was noch zu sagen bleibt (Schluss)91

I. Literaturverzeichnis

II. Appendizes

1.0 Einleitung

1.1 Der Mythosbegriff

Myth is a powerful presence in Western thinking, despite the alleged victory of logos over mythos in Greek antiquity and despite all the attempts of the Enlightenment to denigrate it and explain it away.“[1]

Mythen bestimmen den Alltag der Menschen und sind omnipräsent. Oft unbewusst trifft man jeden Tag auf sie. Man begegnet ihnen am häufigsten in Gestalt des Ausspruchs 'das ist ein Mythos'. Dieser Satz soll auf eine allgemeine Annahme hinweisen, die von vielen Menschen geglaubt wird, nach Meinung desjenigen, der diesen Ausspruch tätigt, aber unwahr ist. Hinter einem Mythos steckt also immer auch etwas Unwahres, zumindest nach der Definition des Volksmunds.

Der Begriff findet jedoch auch Anwendung für eine Vielzahl anderer Dinge. Produkte der freien Wirtschaft werden beispielsweise manchmal als mythisch bezeichnet. Wenn etwa ein Werbetext der potentiellen Käuferschaft verspricht, 'der Mythos ist zurück', es dabei um einen Schuh, eine Handtasche, eine Waschmaschine, etc. geht die eine Wiedereinführung auf dem Markt erhalten ̶̶ und dabei offenbart sich der teilweise inflationäre Gebrauch des Begriffs ̶̶ gilt das den Werbetreibenden bereits als ausreichend, etwas zu mystifizieren. Maßgeblich dabei ist wohl, dass das Produkt sich einige Zeit regen Zuspruchs der Verbraucherschaft erfreut hat, dann eingestellt wurde und nun wieder auf den Markt geworfen wird. Ob das Produkt die Bezeichnung 'Mythos' verdient, ist fragwürdig bzw. schwer nachweisbar, da Konsumgüter von der Geisteswissenschaft kaum beachtet werden. Der französische Semiotiker, Philosoph und Kritiker Roland Barthes schreibt in seinem Werk Mythologies, auf Deutsch treffend in Mythen des Alltags übersetzt, jedoch von alltäglichen Dingen, die zu Mythen geworden sind und dabei abstrakte Ideen wie zum Beispiel das 'Franzosentum' geradezu verkörpern. Barthes spricht diese Eigenschaften etwa dem Beefsteak oder dem Auto Citroën DS[2] zu. Daraus folgt, dass vieles, selbst die banalsten Dinge, mystifiziert werden können.

Auch in Kultur und Politik haben Mythen kaum an Boden verloren. Im Gegenteil scheint es, als ob sie größere Popularität denn je zuvor besitzen.[3] Massen- und Hochkultur, will man diese Unterscheidung bemühen, generieren neue bzw. rekurrieren auf bestehenden Mythen. Ein Beispiel etwa findet sich, blickt man auf die Fernsehsendungen mit dem Titel 'Legenden', die in der Hauptfernsehsendezeit und mit großem Erfolg läuft. Der Titel deutet es bereits an, es geht um zu Mythen gewordene Persönlichkeiten; Ein weiteres Beispiel wären die Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth und die damit verbundene und Jahr für Jahr wiederkehrende Aufführung des Ring des Nibelungen. Hier werden die angeblich deutschen Mythen wiederbelebt; Nicht zuletzt auch Politiker greifen zu der wirksamen Waffe Mythos. Zum Beispiel indem sie sich auf legendäre Vorgänger berufen, in dessen Tradition sie stehen wollen. Jüngst sah man dies am SPD-Politiker Peer Steinbrück, der mit dem in Deutschland hoch geschätzten Ex-Kanzler und zur 'Lichtgestalt' gewordenen Helmut Schmidt ein Buch veröffentlichte. 'Er kann es' zitierten die Postillen den Altkanzler über die Chancen seines Schützlings bei der Bundestagswahl 2013. Der Ältere wollte so dem Jüngeren einen Teil seiner Strahlkraft als mythisches Vorbild verleihen.

Die Gründe jedoch, warum Mythen gerade heute derart dominieren sind schwierig zu analysieren und sind für vorliegende Arbeit irrelevant, da sie eine Analyse im sozialwissenschaftlichen und nicht im literaturwissenschaftlichen Bereich erforderten. Es bleibt nur zu sagen, dass Mythen omnipräsent sind, weil ihre Rolle eng mit der zunehmenden Komplexität und den fundamental antithetischen Erfordernissen und Strukturen der westlichen Gesellschaften zusammenhängt.[4] Mythen liefern Erklärungsversuche einer unerklärlichen Welt. Dazu später mehr.

Da eine Vielzahl von Dingen als Mythos betrachtet wird, ist es notwendig, einen praktikablen Mythosbegriff zu erarbeiten, der für vorliegende Arbeit verwendet werden kann. Surft man durch das Internet und sucht beispielsweise (und in der Wissenschaft bislang verbotenerweise) auf der Seite von Wikipedia den Begriff 'Mythos', erhält man eine Fülle an Informationen. Der Mythosbegriff ist keineswegs eindeutig definiert. Mehrere unterschiedliche wissenschaftliche Fachrichtungen bieten hier eine oder gleich zwei und drei, mehr oder weniger genaue Definitionen feil: die Semiotik, die Psychologie, die Politikwissenschaft, die Ethnologie, die Religionswissenschaft und nicht zuletzt die Literaturwissenschaft. Die erzählende Literatur ist es auch, um die es in vorliegender Arbeit geht. Zunächst gilt es also, einen Mythosbegriff zu finden, mit dem gearbeitet werden kann.

In seiner Promotionsarbeit Family, Frontier and American Dreams bestätigt André Hahn die Omnipräsenz von Mythen und fügt hinzu, dass „[t]rotz [dieser Allgegenwärtigkeit] [...] Mythen teilweise nicht mehr als solche wahrgenommen werden, sondern entweder unbewusst sind oder manchmal sogar als wahr akzeptiert werden.“[5]

Tiefer gehend betrachtet, lässt sich sagen, „dass ein Mythos für gewöhnlich sehr eng mit Erinnerung verknüpft ist, da ersterer zumeist aus letzterer hervorgeht.“[6] Hier kommt der Begriff des kulturellen Gedächtnisses ins Spiel. Es ist eher selten, dass eine Sache zum Mythos wird, wenn sie nur in den Gedanken eines einzelnen Individuums kursiert, denn Mythen sind meist Erinnerungen von Gruppen, oftmals Volksgruppen, sogenannten Ethnien, und Nationen – das Kollektiv ist stets entscheidend. Umgedreht sind Mythen auch in „jeder Gesellschaft vorhanden“[7]. Gruppen erinnern sich gemeinsam an etwas, etwa im Laufe von festlichen Ritualen wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten. Lange Zeit wurde der Begriff so vor allem für die kollektive Erinnerung von Religionsgemeinschaften an ihre Götter- und Heiligengeschichten verwendet. Auch erinnern sich Gesellschaften gemeinsam an bestimmte Ereignisse, zum Beispiel in Form von nationalgeschichtlichen Entstehungsmythen.

Daraus lässt sich eine wichtige Funktion der Mythen ableiten: „Durch die Erinnerung an bestimmte Geschehnisse vergewissert sich die Gruppe der Erinnernden ihrer Zusammengehörigkeit und vor allem auch ihrer eigenen Identität.“[8] Der Wahrheitsgehalt der gemeinsamen Erinnerung spielt dabei kaum eine Rolle – in der Vorstellung der Erinnernden sind sie schlichtweg 'wahr' und werden nicht in Frage gestellt. Das gemeinsame Memorieren wichtiger Ereignisse hat natürlich Folgen für die Gruppe:

„Aus gemeinsamen Glauben und geteilten Erinnerungen gehen [...] Zusammengehörigkeit, eine gemeinsame Vorgeschichte und somit auch eine gemeinsame Identität hervor. Identität drückt hier das aus, was einen Menschen oder eben eine Menschengruppe von einem oder einer anderen unterscheidet.“[9]

Mit anderen Worten: „By designating the whole of shareable representations held in common by the members of a community, myth provides society with collective values and beliefs“[10]. (Da auch der Begriff 'Identität' sehr schwierig zu definieren ist und es mehr als eine gültige Definition des Terminus gibt, soll der Begriff im Weiteren als das Zugehörigkeitsgefühl zu einer sozialen Gruppe gebraucht werden, wie etwa ein Franzose sich dem 'Franzosentum' oder ein Amerikaner dem A merican Way of Life verpflichtet fühlen mag.) Bei den beiden obigen Zitaten fühlt man sich an das Beispiel des französischen Automobils oder Nationalgerichtes, das den Charakter der Gruppe aller Franzosen versinnbildlichen kann, erinnert. Die Rechtfertigung der gedachten Verbindungen zwischen Signifikat ('Franzosentum') und Signifikant (Auto, Beefsteak) ist natürlich durchaus Kritik würdig, dennoch ist es unbestreitbar wahrscheinlich, dass ein Großteil der Franzosen, zumindest zur Zeit der Veröffentlichung von Mythen des Alltags, sich mit diesen und deren Repräsentation ihrer Nationalzugehörigkeit einverstanden erklärt hätte. Mythen schaffen also Identität.

„Ein Mythos ist eine Geschichte, die man sich erzählt, um sich über sich selbst und die Welt zu orientieren, eine Wahrheit höherer Ordnung, die nicht einfach nur stimmt, sondern darüber hinaus auch normative Ansprüche stellt und formative Kraft besitzt.“[11] Diese Aussage lässt sich relativieren, wie man bereits gehört hat. Denn ein Mythos muss keinesfalls eine Geschichte im klassischen Sinne sein, muss nicht zwingend eine Narration mit Anfang und Ende, Plot und Charakteren, etc. sein. Vielmehr ist „jedweder Zeichen- bzw. Kommunikationsträger potentiell dazu in der Lage, als Mythos zu fungieren bzw. einen solchen zu enthalten.“[12] So eben auch das Auto und das Beefsteak, die beide eine Vielzahl von nonverbalen Aussagen treffen und auf die sich zudem eine Vielzahl von Inhalten projizieren lassen. Als Beispiele: Ein 'schicker Wagen' sagt etwas über Status und das Selbstbild seines Besitzers oder Fahrers aus, kann aber Anderen dafür gelten, dass der Autobesitzer sich nicht um Belange des Umweltschutzes kümmert; das Beefsteak ist auch ein Zeichen sozialer Ranghöhe kann aber auch eine Verweigerung von Vegetarismus versinnbildlichen. So „kann alles, wovon ein Diskurs Rechenschaft ablegen kann, Mythos werden“[13], zudem kann der Mythos wiederum eine Vielzahl an Rechenschaften ablegen. Mythen sind ubiquitär aber auch schwer fassbar und in höchstem Grade interpretativ.

Gilt die identitätsstiftende Funktion von Mythen bei Gruppen, so gilt sie, wie bereits erwähnt und nun in der Absicht zu vertiefen, ganz besonders für Nationen und Nationalstaaten. „Jede Nation benötigt eine Nationalgeschichte, in der ihre Entwicklung und Existenz erklärt und validiert ist.“[14] So hat jede Nation eine Vielzahl eigener Nationalmythen. In Deutschland gibt es zum Beispiel den Mythos des Götz von Berlichingen, tradiert durch das Drama von Johann Wolfgang von Goethe; aber auch der Mythos der zweiten Reichsgründung von 1871 ist einer der gängigsten Mythen Deutschlands. Dieser wird vor allem von der mystifizierten Persönlichkeit, wenn man so will der 'Legende', Otto von Bismarck, verkörpert. Frankreich beansprucht einen der weltweit einflussreichsten Mythen für sich: den der französischen Revolution und deren demokratische Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Die Nationalmythen sorgen dafür, dass „auf die große Kontinuität zwischen den vergangenen Zeiten und der gegenwärtigen Situation aufmerksam gemacht [wird]. Durch Erinnerung an die frühere Größe verleiht man ihnen eine kollektive Würde. Und schließlich beschwört man durch Präsentation der Vergangenheit als einen Spiegel der Zukunft ein glorreiches Schicksal, das jedem Bewohner bevorstehe.“[15] Dadurch soll den Menschen einer Nation verdeutlicht werden, „dass sie über eine gemeinsame Mentalität und über ähnliche Denkweisen verfügen.“[16] Mythen sind also unabdingbar für eine Nation. Sie fördern den Zusammenhalt der Individuen, sind sozusagen der 'Kitt' einer jeden Gesellschaft.

Aber Mythen haben noch andere Funktionen. In Amerikanische Mythen erklärt Frank Unger:

„Mythen sind eine Kategorie menschlicher Erkenntnis der Wirklichkeit. Durch sie haben sich vor langen Zeiten die Menschen all die Dinge erklärt, auf die sie sich mit ihrem gewöhnlichen Verstand und ihrer Alltagserfahrung keinen Reim machen konnten.“[17]

Unger meint hier zwar wohl am ehesten die im Volksmund gebräuchliche Form der Mythen, d.h. Geschichten über Götter, Heilige, Helden, etc., also nicht den breit gefassten Mythosbegriff von Roland Barthes, dennoch spricht er eine wichtige Eigenschaft an: sie dienen oft dazu, das Unbegreifliche zu erklären: Fragen „wie die Welt entstanden ist, woher die Götter kamen und die Zivilisation, weshalb Vulkane mitunter Feuer speien und manche Flüsse im Frühjahr über die Ufer treten“[18], konnten, zu einer Zeit als es wissenschaftliche Erklärungen basierend auf Forschung und Fakten noch nicht gab, durch Mythen, in diesem Fall der Glaube an höhere Mächte, erklärt werden. Heute verlässt sich die Menschheit auf Forschung und Wissenschaft, früher waren es Mythen, auf die man sich verlassen musste. Als dann die (Natur-)Wissenschaften antraten, den Menschen die Welt zu erklären, gerieten die Mythen allmählich ins Hintertreffen, waren nicht mehr geeignet, Unerklärliches erklärbar zu machen: „Die Aufklärung ist über diese Art, sich Wirklichkeit verständlich zu machen, mit strengem Spott hergezogen; für sie waren Mythen eine Erscheinungsform der Unreife des Menschengeschlechts, von Naivität, Angst und Aberglauben.“[19] Das erste Zitat dieser Arbeit beweist es schon: Mythen feiern in der heutigen Zeit ihr Comeback. Am Beispiel der Eurokrise sah man, dass selbst wissenschaftliche Aussagen zu Mythen wurden, zumindest was ihre Eigenschaft angeht, häufig unwahr zu sein: Zahlreiche Experten äußerten sich darüber, wohin der Euro geht, die meisten dieser sogenannten Experten lagen falsch. So gab es keine Fakten mehr, sondern nur mehr Mythen, um die Krise, ihre Ursachen und Auswirkungen zu erklären. Es scheint, als ob der Mensch die von ihm geschaffene Welt nicht mehr versteht und nun, wie in vor-aufklärerischen Zeiten, auf Mythen zurückgreift, um sich die Dinge, auf die er sich mit Verstand und Alltagserfahrung keinen Reim mehr machen kann verständlich zu machen.

Neben der Identität stiftenden, der Nationen 'kittenden' und der Welt erklärenden Funktion der Mythen, gibt es darüber hinaus noch eine andere wichtige Funktion von Mythen: die „Stiftung von Hoffnung“[20]. Von jeher speist sich die Absicht des Menschen, trotz widriger Umstände 'weiterzumachen' und 'durchzuhalten', d.h. nicht einfach Selbstmord zu begehen, die Widrigkeiten des Lebens zu akzeptieren, aus Hoffnung. Eine

„bürgerliche Gesellschaft ist, aller politischen Demokratie und aller denkbaren sozialstaatlichen Abmilderung zum Trotz, ihrem Wesen nach dadurch bestimmt, daß [sic!] ein kleinerer Teil ihrer Mitglieder sich systematisch auf Kosten eines weitaus größeren Teils bereichert und dadurch ständig aufs neue [sic!] soziale Ungleichheit reproduziert. Dies gerät in Widerspruch zum bürgerlichen Grundwert der Gleichwertigkeit aller Menschen. Dadurch ergeben sich Friktionen und Konflikte, die den für den ordnungsgemäßen Ablauf der Geschäfte unerläßlichen [sic!] Konsens innerhalb der politisch-ökonomischen Einheit gefährden.“[21]

Eine Gesellschaft wird auch durch das Prinzip Hoffnung am Leben erhalten. Dabei ist die Hoffnung auf sozialen Aufstieg und die Hoffnung auf Verbesserung des eigenen Zustandes die Antriebsfeder der 'Massen' schlechthin, nicht auf die Barrikaden zu gehen, den Palästen den Krieg zu erklären. Hoffnung entschärft die soziale Ungleichheit, diese 'Friktionen und Konflikte'. Hoffnung verleitet die Menschen zum Stillhalten, zur Akzeptanz und zum stillen Erdulden ihres oftmals kläglichen Schicksals. Durch ihre optimistischen Aussagen und ihrer Verheißung von etwas Besserem, malen manche Mythen den Menschen ein positiveres Bild von der Zukunft. Auch durch das Prinzip Hoffnung wird der Nationalstaat gekittet.

Mythen dienen aber auch essentiellen sozio-politischen Intentionen wie der Etablierung und Aufrechterhaltung von Autorität[22] einer Gruppe oder eines Einzelnen über Andere innerhalb einer Gesellschaft. Längst ist es hierbei nicht mehr nur der religiöse Diskurs, in dem Mythen zur Machterhaltung dienen (man denke an den Handel mit Ablässen im Mittelalter oder die Inquisition bis weit in die Renaissance). Religionen haben in der westlichen Kultursphäre an Macht verloren, Mythen aber dienen immer noch dazu, Autorität auszuüben. Man denke an den Politiker, der sich auf seinen 'legendären' Vorgänger beruft und dadurch Wahlen gewinnt oder den Mythos vom sozialen Aufstieg durch harte Arbeit und Bejahung des status quo der gesellschaftlichen Normen, um Revolutionen zu vermeiden.

1.2 Die Myth and Symbol School

Eine Theoretikergruppe, die sich mit Mythen, vor allem mit den amerikanischen, befasste, war die Myth and Symbol School, deren Blüte in den Jahren zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und den späten 60er Jahren des 20. Jahrhunderts lag . Die Bewegung formte zugleich den ersten theoretischen Ansatz der damals in den Kinderschuhen steckenden Amerikanistik/American Studies.[23]

„Die Terminologie der frühen Schriften betont einen holistischen Zugriff auf die U.S.-amerikanische Geschichte und Gesellschaft und deren individuelle und kollektive Ausdrucksformen.“[24] Die Vertreter der Myth and Symbol School und ersten Philologen der Amerikanistik, etwa Henry Nash Smith, Leo Marx oder John William Ward, versuchten, geprägt von der Annahme, dass die Gesamtheit der U.S.-amerikanischen Geschichte und Kultur kohärent und konsensual aus ihren symbolischen Repräsentationen heraus zu begreifen ist[25], eine Essenz der USA, die 'americanness'per se, zu finden. Dabei folgten sie „ganzheitlich-kulturhistorischen Ansätzen der 1920er und 1930er Jahre“[26]. Durch die Analyse repräsentativer und individueller Werke der U.S.-amerikanischen Literatur und Kunst sollten „repräsentative Mythen und Symbole“ gefunden werden, welche „die kollektiven Ideale, Wertvorstellungen, Identitätskonstruktionen und Handlungsweisen repräsentieren, die die Geschichte und Gesellschaft der USA historisch wie gegenwärtig bestimmen.“[27]

In seinem wegweisenden Essay „Can >American Studies< Develop a Method?“ schreibt Henry Nash Smith auch von der Wichtigkeit der Verquickung von Literatur und Soziologie:

„What is needed is a method of analysis that is at once literary (for one must begin with an analytical reading of the texts that takes into account structure, imagery, diction, and so on) and sociological (for many of the forces at work in the fiction are clearly of social origin)“[28]

Udo Hebel bemängelt jedoch das Ausbleiben eines methodischen Apparates oder einer spezifischen Theorie, die der Interdisziplinarität der Amerikanistik/ American Studies gerecht werden konnte.[29]

Die Bewegung hat natürlich auch ihre eigene Vorstellung von dem, was ein ein Mythos ist. Richard Slotkin, ein späterer Vertreter der Myth and Symbol School, definiert den Begriff wie folgt: „Myth is the primary language of historical memory: a body of traditional stories that have, over time, been used to summarize the course of our collective history and to assign ideological meanings to that history.“[30]

Für vorliegende Arbeit hat der Ansatz der Myth and Symbol School Hilfreiches und weniger Hilfreiches zu bieten. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Mythen, Symbole und Motive einen ernstzunehmenden Platz in der Kultur einer Gesellschaft einnehmen, nicht zuletzt in der U.S.-Gesellschaft. Sie sind überaus wichtig in der Prägung der Gemeinschaft und haben, wie bereits erklärt, eine der Schaffung und Aufrechterhaltung der Gemeinschaft zuträgliche Funktion.

Auch die Verbindung von Soziologie und Literatur, wie von Henry Nash Smith propagiert, ist positiv zu bewerten. Die Soziologie ist die Lehre von der Gesellschaft. Eine Gesellschaft besteht aus Menschen. Diese schaffen wiederum Literatur. Insofern sind die Einflüsse auf deren Leben und somit auf die Literatur ernst zu nehmen.

Die Idee, die einer Kritik jedoch nicht standhält, ist die einer holistischen Analyse einer Kultur. Dieser Ansatz ist veraltet und schlichtweg falsch, zumal es in den USA, und das gilt genauso für die anderen Länder der Erde, nicht die eine Kultur gibt. Selbst wenn man 'Kultur' mit 'Ethnie' substantiviert, gibt es kaum ein Land der Erde, welches nur von einer Ethnie bewohnt wird. Zudem besteht die Nation der USA aus den verschiedensten, teilweise gegeneinander agitierenden Ethnien. Diese können und wollen sich kaum auf eine einzige gültige Repräsentationen ihrer Selbst, etwa als Volksgemeinschaft der USA, und der damit einhergehenden nicht-Beachtung ihrer Unterschiede einigen. Demzufolge ist eine kulturelle Analyse der USA als ein homogenes Ganzes schlichtweg unmöglich.

Ein weiterer Kritikpunkt an der Myth and Symbol School ist die Distanzlosigkeit ihrer Vertreter, zumindest jener der ersten Stunde, zu den U.S.-amerikanischen Mythen. Es scheint, als ob sie nur nach dem 'Schönen und Guten' suchten, eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Ergebnissen jedoch scheuten. Dies wurde von Bruce Kuklick als philosophischer Idealismus, Elitarismus und als Mangel an soziologisch-theoretischem Unterbau kritisiert[31].

Fragwürdig ist auch die Definition des Mythosbegriffs durch Richard Slotkin. Dass Mythen die Sprache der 'historischen Erinnerung' sind, ist zweifelhaft. Die Historiographie ist eine eigene Wissenschaft, welche vornehmlich die Aufgabe hat, die Erinnerung der Menschen an die 'Geschichte' zu speisen. 'Geschichte' basiert eher auf dem, was die Historiker gerne 'Fakten' nennen, nicht auf mythischen Erzählungen, da diese oft, wie eingangs bereits erwähnt, als unwahr betrachtet werden. Die Begriffe 'kulturelle/kollektive Erinnerung' oder 'kulturelles/kollektives Gedächtnis' wären hier passender.

Auch die Annahme, dass es sich bei Mythen allein um einen Korpus von Geschichten handelt, ist nicht haltbar. Wie bereits erwähnt, muss ein Mythos nicht immer nur eine Erzählung sein, sondern kann ein Konsumgut, eine Geschichte, eine Person, etc. sein.

Die These, Mythen verliehen der 'Vergangenheitserinnerung' der sich an sie Erinnernden und der mit ihnen in Kontakt tretenden Gesellschaft ideologischen Unterbau, lässt sich wiederum kaum von der Hand weisen. Da Mythen unter anderem Machterhalt von Herrschern oder Herrschaftssystemen sichern und Nationalstaatenkitt liefern, ist ihnen eine ideologische Komponente durchaus immanent.

So scheitert die Myth and Symbol School an der Versteifung ihrer Analyse auf Literatur und Kunst und versäumt dabei andere Diskurse einzubeziehen. Daher ist sie weder gänzlich für vorliegende Arbeit noch für die Amerikanistik, die mit den Cultural Studies letztendlich einen überzeugenderen Ansatz gefunden hat, geeignet.

1.3 Definition des Mythosbegriffs für vorliegende Arbeit

Anhand der obigen Sachverhalte kann nun ein für die weitere Ausführung notwendiger Mythosbegriff gefunden werden: Es lässt sich sagen, dass 'jedweder Zeichen- bzw. Kommunikationsträger' ein Mythos sein kann. Dies reicht vom kleinsten Konsumgut bis zur komplexesten epischen Erzählung; auch Personen können Mythen sein; Mythen sind ubiquitär und bleiben als solche doch manchmal unerkannt; ein Mythos trägt auch stets etwas Unwahres in sich; meist hängt ein Mythos mit der Erinnerung von Menschen zusammen, ist oftmals eine kollektive Erinnerung im kulturellen Gedächtnis; Mythen haben gewisse Funktionen: Identitätsstiftung von Menschen und Generierung des Zusammenhalts von Gesellschaften und/oder sozialen Gruppen, Machterhalt ihrer Autoritäten, Erklärung des Unerklärbaren und Erzeugung und Erhaltung von Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft; Zudem treten Mythen oft in Zusammenhang mit dem Konzept des Nationalstaats auf;

Mythen werden in den verschiedensten Diskursen tradiert. Für die vorliegende Arbeit maßgeblich ist aber der kulturelle, insbesondere der literarische Diskurs, der aber natürlich, wie sonst auch alle Diskurse, wiederum von allen anderen Diskursen beeinflusst wird. Den Ansatz der Verquickung von Literatur und Soziologie der Myth and Symbol School verfolgt auch vorliegende Arbeit, die immer wieder auch versucht, Beispiele aus dem 'wahren Leben' einzubeziehen, um die Wichtigkeit und Allgegenwärtigkeit der beschriebenen Mythen zu veranschaulichen.

1.4 Thesenbildung

Vorliegende Arbeit soll die U.S.-amerikanische Mythen Happy American Family, American Dream und American Exceptionalism/Manifest Destiny zunächst erklären. Dies erfolgt in drei großen Kapiteln, die jeweils den Namen des betreffenden Mythos tragen. Hierbei wird erst auf die geschichtlichen Ursprünge des entsprechenden Mythos eingegangen, dann werden seine Charakteristika und Eigenschaften geklärt. Anschließend soll die Darstellung des jeweiligen Mythos in den drei Romanen Der große Gatsby von Francis Scott Fitzgerald, Amerikanisches Idyll von Philipp Roth und Die Korrekturen von Jonathan Franzen geprüft und in der Arbeit erörtert werden. Wenn es eine Destruktion dieser Mythen gibt, soll diese auch beschrieben und bewertet werden. Es stellt sich also die Frage, wie die drei U.S-amerikanischen Mythen Happy American Family, American Dream und American Exceptionalism/Manifest Destiny in den Romanen Der große Gatsby von Francis Scott Fitzgerald, Amerikanisches Idyll von Philipp Roth und Die Korrekturen von Jonathan Franzen dargestellt und wie sie in selbigen als illusorisch entlarvt werden.

2.0 Hauptteil

2.1 U.S.-amerikanische Mythen allgemein

Zunächst soll auf die Wichtigkeit von Mythen für die Gesellschaft der USA eingegangen werden. Wenn die USA eines nicht haben, so ist das eine ethnische Homogenität ihrer Bürger. Die heutige Bevölkerung ist eine Mischung aus vielerlei Volksgruppen, die aus allen Kontinenten der Erde eingewandert sind. Die Amtssprache der USA ist zwar Englisch, dennoch haben viele dieser Gruppen eigene Muttersprachen und Spanisch ist gerade dabei, Englisch als meist gesprochene Sprache zu überholen. Sprache ist insofern wichtig, als dass sie einen 'natürlichen' Aspekt in der Konstruktion einer gemeinsamen Identität innerhalb einer Gesellschaft bildet. Natürlich haben all diese verschiedenen Ethnien nicht nur ihre eigene Sprache und Mundart, sondern auch ihre eigene Kultur mit allem was dazu gehört: eine eigene Religion oder/und eigene Götter, eigene Riten und Traditionen, eigene Essgewohnheiten und Gerichte und vieles mehr. So muss Zusammengehörigkeit und Einheit innerhalb des Staates auf anderen Wegen entstehen. Da sie sich für diese Funktion anbieten, haben Mythen in den USA immer schon eine speziell wichtige Rolle im öffentlichen Bewusstsein ihrer Bewohner gespielt[32] und besitzen „eine anhaltende […] Popularität“[33].

Die Gründe für diese Popularität sind in der Geschichte zu suchen und sind ein direktes Ergebnis der gesellschaftlichen Strukturen der frühen Siedler und ihrer politischen Bedürfnisse.[34] Die neu-englischen Gründerväter stützten die moralischen, ethischen und juristischen Aspekte ihrer Gesellschaft in der Neuen Welt auf Gottes Wort.[35] Die Lutherbibel war das Gesetz nach dem es sich für die Bürger zunächst zu richten galt. Nach der Säkularisierung durch die Verfassung der Vereinigten Staaten löste sich diese Gesetz- und Rechtsprechung auf. Es entstand ein moralisches, ethisches und juristisches Vakuum[36]:

“This void was gradually filled by a similarly universal and no less authoritative referential system – myth. The settlers urgently needed its identificatory properties in the critical transitional phase between the separation from their mother country and their reconstitution as an independent state.”[37]

Durch Etablierung und Verbreitung der amerikanischen Mythen war es möglich, dass die schnell wachsenden Einzelstaaten, denn immer mehr Siedler kamen aus Europa und Asien, e pluribus unum, zu den Vereinigten Staaten von Amerika wurden. Im Lauf der Geschichte schloss man sich immer wieder gegen gemeinsame Feinde zusammen, etwa die englischen und französischen Kolonialherren, und erkannte dabei, dass Gemeinsamkeit große Vorteile hat. Da die Mythen viele Menschen ansprachen und sich viele Individuen mit ihnen identifizieren konnten, aus ihnen Hoffnung und Vertrauen schöpften und sich durch sie ihre Identität erklärten, war es möglich, durch die ihnen immanenten Vorstellungen einen ideologischen Unterbau für die Staatsgemeinschaft der USA zu liefern.

Die U.S.-Mythen dienen „der nationalen Sinngebung“[38] der USA, denn sie dienen den U.S.-Amerikanern dazu,

„Widersprüche zwischen Legitimation und Wirklichkeit, zwischen äußerer Fassade und innerer Struktur, Elend und Verheißung, Verfall und neuem Leben [zu überbrücken]. Mythen erfüllen u.a. die Funktion, auf die dialektischen Fragen, die eine Gesellschaft stellt, keine unangenehmen Antworten geben zu müssen.“[39]

Fragen nach dem 'Wie?' und dem 'Wer?' der Nation werden durch die Mythen hinreichend beantwortet, sodass Friktionen und Widersprüche wenn nicht aufgelöst, so doch auch nicht prävalent werden.

Zudem dienen die Mythen „[…] der internationalen Wahrnehmung“[40] der Vereinigten Staaten. So wird beispielsweise der American Dream nicht mit dem gesamten nordamerikanischen Kontinent, der auch Grönland, Kanada und die Karibikstaaten einschließt, sondern allein mit den USA in Verbindung gebracht. Dies gilt auch für die Happy American Family und den American Exceptionalism.

Des Weiteren haben Mythen „bestimmte, gewissermaßen mit einem Skepsistabu belegte 'Wahrheiten' über den historischen Ursprung und den prinzipiellen Charakter der Gesellschaft der Vereinigten Staaten zum Inhalt“[41]. Auf die angesprochene Eigenschaft hin, dass Mythen immer auch etwas Unwahres in sich tragen, muss hier geantwortet werden, dass es schlicht eine Frage des Glaubens des Individuums an einen entsprechenden Mythos ist, ob er oder sie ihm 'Wahrheit' zugestehen mag oder nicht. Die Wissenschaft muss hierbei anders vorgehen und so stellt sich diese Arbeit auch der Aufgabe, die Dekonstruktion der U.S.-Mythen zu analysieren.

Die U.S.-amerikanischen Mythen haben auch und vor allem die Aufgabe, Hoffnung zu stiften. Sie „machen sicherlich vielen [Bürgern] ihre Rolle in diesem gesellschaftlichen Zusammenhang [die USA] subjektiv plausibel und damit nicht selten auch erst erträglich.“[42] Dies gründet darin, dass das in der U.S.-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung propagierte „'Streben nach Glück' zu einem Recht aller [U.S.-amerikanischen] Menschen“[43] gemacht wird. Pursuit of Happiness ist so ein Auftrag der Gründer der USA, namentlich Thomas Jeffersons und der der anderen Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung, an die Bevölkerung ihrer 'eigenen Glücke Schmied' zu sein. Was aber noch wichtiger ist, ist, dass viele Bürger an das Glück glauben, das ihnen von ihren Gründern versprochen wurde. So ist jeden Tag aufs Neue die Hoffnung auf Glückseligkeit für alle, zumindest gefühlt, nicht mehr fern.

2.2 Entzauberung der Mythen?

Die amerikanischen Mythen, die hier Behandlung finden sollen sind nicht ausgereifte Geschichten mit Plot, Charakteren, etc., wie etwa die Legende von Pocahontas und Kapitän Smith. Zudem sollen sie alle im Lauf dieser Arbeit als „beflissen akzeptierte Plattitüden, die alle im Prinzip auf ein und dasselbe hinauslaufen, nämlich die Bestätigung der 'Einzigartigkeit' der Vereinigten Staaten“[44], entlarvt werden.

Selbst der Pocahontas -Mythos nutzt sich durch seine ständige Wiederholung ab und wird zur Plattitüde. Dies nicht zuletzt, weil er von der Freundschaft und Liebe zwischen einer Indianerin und einem Weißen handelt, wo doch der Umgang der USA mit den Natives, gelinde ausgedrückt, kaum Freundschaft und Liebe zum Thema hatte. Dennoch oder gerade deshalb wird der Mythos als common truth akzeptiert. Wohl auch, um die Idee von der 'unschuldigen Nation' nicht zu demontieren, was später noch genauerer Analyse unterzogen werden soll.

Ein weiteres Beispiel, wie flach ein Mythos sein kann, ist der Satz 'vom Tellerwäscher zum Millionär'. Die der deutschen Wendung zugrunde liegende Phrase in den USA heißt 'from rags to riches'. Diesem Satz ist keinerlei Prädikat zu eigen, er hat also keinerlei 'Satzaussage'. Dennoch war und ist sie für viele Menschen überall auf der Welt eine Ermunterung, dem Mythos des amerikanischen Traumes zu folgen, ihr 'Glück am Schopf zu packen' und nach Amerika zu gehen. Da sich die Phrase so vielseitig auslegen lässt, wird sie umso glaubhafter. Für jeden sich in seiner individuellen Lage befindlichen Interpreten ergibt der Satz einen anderen Sinn und der From-Rags-to-Riches -Mythos ist äußerst weit verbreitet: Gleichnamige Fernsehserien mit entsprechender Thematik erfreuen sich in den USA größter Beliebtheit; Hollywood-Filme, schier endlos das Motiv des Aufstiegs des Protagonisten zu Ruhm und Reichtum variierend, sind nicht nur in den USA Publikumsrenner; Menschen, 'die es geschafft haben', erfreuen sich kultischer Verehrung, wie der Ex-Schauspieler, Ex-Gouverneur und Wieder-Schauspieler Arnold Schwarzenegger. Dabei wird sogar nicht selten über, für andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens unverzeihliche, Fehltritte wie Ehebruch hinweggesehen. Dies ist sonst unvorstellbar in der puritanisch geprägten U.S.-Gesellschaft. Schwarzenegger durfte nach seinem öffentlichen Outing als Fremdgänger weiter Filme drehen. (Dies alles betrifft auch den übersteigerten Promi-Kult in den USA, wenngleich auch dieser etwas mit der Wirkung von Mythen auf die Menschen zu tun hat.) Scheinbar ist es gerade diese Vielseitigkeit und Plattheit, die die amerikanischen Mythen so erfolgreich und ubiquitär werden lässt.

So lassen sich viele der Widersprüche innerhalb dieser riesigen, komplexen, hochbegabten und mit allen Potentialen ausgestatteten Nation durch die Verheißungen von Mythen überbrücken und unterdrücken. Solange an die amerikanischen Mythen, trotz ihrer Eigenschaft illusorisch zu sein, geglaubt wird, solange wird die Gesellschaft der USA funktionieren.

2.3 Die Mythen in den Romanen

2.3.1 Die Happy American Family

Der erste Mythos, um den es geht, ist der der glücklichen und gesunden amerikanischen Familie – die Happy American Family. Bei dem Mythos handelt es sich um ein gewisses tradiertes Bild der traditionellen U.S.-Familie und ihrer spezifischen Charakteristika. Die Idee hat ihren Ursprung im Puritanismus der Gründungszeit der Vereinigten Staaten. André Hahn erklärt in Family, Frontiers and American Dreams: „Aufgrund der Tatsache, dass auch nach 1776 die Majorität der Bevölkerung puritanischen Glaubens war, stellte der Puritanismus die erste dominante religiöse Strömung Amerikas dar. Die Familie bedeutete eine der wichtigsten Institutionen dieser Religion.“[45] Die Familie wurde von Anbeginn der USA als die 'Kernzelle Amerikas', als die kleinste gesellschaftliche Einheit der Nation gesehen.

Bezüglich der weiteren Herkunft dieses von Traditionen bestimmten Idealbilds der Familie schreibt Hilde Lindemann Nelson, dass die wichtigsten Charakteristika dieses Konzeptes aus gewichtigen Veränderungen im sozialen Leben in Westeuropa und Nordamerika im 18. und 19. Jahrhundert stammten[46]: „In Europa setzte ein Umdenken in Bezug auf die Familie ein, welches ihr einen größeren Stellenwert einräumte“.[47] In der Biedermeierzeit flüchtete man vor der rigiden Obrigkeit verstärkt in den privaten Raum. Heim und Familie wurden zu einem immens wichtigen Faktor im Leben der Menschen. Bis zum späten 19. Jahrhundert hatte sich das Bild der „engen Familienstrukturen“[48] verfestigt, speziell in den Vereinigten Staaten.[49] „Die Tradition der engen Familienstrukturen setzte sich bis ins 19. Jahrhundert fort, da während der Besiedlung des amerikanischen Westens die Bedingungen ähnlich hart waren wie während der Gründerzeit“.[50] 'Enge Familienstrukturen' meint hier vor allem das Zusammenleben mehrerer Generation unter einem Dach: Während der Gründerzeit und der Besiedlung des Westens musste ob der drohenden Gefahren durch die Natur und um sich besser gegen eventuelle Angriffe der native americans verteidigen zu können, zusammengewohnt werden. In Zeiten der Wirtschaftskrise der 1920er Jahre mussten viele, wegen der prekären Lage ihrer ökonomischen Situation, unter einem Dach Leben. Auch war Wohnraum schlicht zu knapp.

Das 20. Jahrhundert, speziell die Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, befeuerte das Idealbild der glücklichen Familie: Anders als beispielsweise in Deutschland, das bis zum Hals vorerst in ideologischen, finanziellen und materiellen Trümmern verschüttet lag, brach für die USA eine Periode höchster Prosperität an. Die Vereinigten Staaten hatten einen Boom im Häuserbau zu verzeichnen, der aus der Knappheit der Eigenheime[51] vor dem Krieg und nicht zuletzt wegen des Bedarfs an Wohnraum der Baby-Boomer-Generation entstand. Es gab schlicht sehr viele Menschen, die untergebracht werden mussten. Diese Menschen entwickelten Lebensentwürfe nach einem relativ neuen und sehr spezifischen Ideal des Familienlebens[52].

Die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts bescherten dem Mythos der Happy American Family den Siegeszug und eine ganz spezifische, von klaren Charakteristika geprägte idealisierte Vorstellung gelangte in der Massenkultur an[53]:

„[...] und so schuf die amerikanische Mittelschicht völlig neue Strukturen, die keine Fortsetzung dessen war, was vorausgegangen war, sondern einen Bruch damit darstellte. In den neuen Riten, die sich ab der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts herausbildeten, war Liebe eine Voraussetzung für eine Ehe und nicht mehr die ersehnte bzw. mögliche Folge davon. [...] Die Familie wurde immer noch als ein geheiligtes Gut angesehen [...]. Die Liebe zwischen Mann und Frau und zu den gemeinsamen Kindern stand nun im Vordergrund.“[54]

War in Zeiten des Aufbruchs nach Westen und in den wirtschaftskritischen Jahren der 1920er und 1930er Pragmatismus noch gefragt, Mädchen wurden oftmals wie schon in der 'alten Welt' möglichst gewinnbringend an den an Aussteuer meistbietenden Freier verschachert, wehte nun ein neuer Geist durch die Zimmer der heiratsfähigen Amerikaner. Als Hauptcharakteristikum einer Eheschließung und somit als Voraussetzung für den Erfolg einer Familiengründung kommt das Konzept der Liebe der Beteiligten zueinander ins Spiel. Weiterhin wird die Familie als ein geschützter Raum betrachtet, ein Zufluchtsort, in dem es nun nicht mehr gilt, sich gegen gewalttätige Angriffe und Naturkatastrophen zu verteidigen. Nun will man aber im Kreis der Lieben von den alltäglichen Strapazen und Anforderungen außerhalb dieses Schutzraumes ausspannen, sich behütet fühlen und Kraft für den nächsten Tag schöpfen.

Da der Einfluss der puritanischen Religion auf die in den USA bis heute dominante angelsächsische Kultur von beispielloser Wichtigkeit ist, „ist es nicht verwunderlich, dass viele der damit verbundenen Qualitäten und Moralvorstellungen teilweise noch bis in die heutige Neuzeit nichts von ihrer Gültigkeit verloren haben“[55]:

„Die Puritaner legten Wert auf strenge Disziplin, Selbstaufgabe im Familienleben, strikte Alkoholabstinenz und hohe moralische Tugenden, da sie dies alles als Grundvoraussetzungen in einer Umgebung ansahen, in der das Überleben einen harten Kampf bedeutete und nur durch Zusammenhalt und Einhaltung der aufgestellten Regeln gewährleistet werden konnte.“[56]

Diese an die Frontier geknüpften Eigenschaften der Familie (die Frontier ist selbst ein Mythos, dazu jedoch später mehr) und „die Einsicht, dass die Familie essentiell für die Bewältigung des Lebens“[57] in einer feindlichen Umgebung sei , haben sich im Laufe der Jahre und Jahrhunderte zwar leicht abgewandelt, da die Amerikaner heute nicht mehr den Bären fürchten müssen, der hinter der Holzhütte lauern könnte, die puritanisch geprägten Vorstellungen sind aber dennoch wichtige Charakteristiken der bis heute gültigen Interpretationen und Abwandlungen des Mythos.

Die Wahrung des Ideals „erfordert genau organisierte, konservative Strukturen.“[58] So hat der Mythos der Happy American Famiily gewisse Eigenschaften. Das Bild, die „common conception of a 'proper' family life“[59], ist daher im Wesentlichen davon geprägt, dass eine Familie aus einem verheirateten Paar besteht, das zusammen mit den gemeinsamen Kindern unter einem Dach lebt“[60] - die „Ideal[vorstellung] des Mannes als Ernährer und seiner Gattin als Hausfrau“.[61] Dabei zeigt sich, dass auch die idealisierte U.S.-Gesellschaft von patriarchalischen Vorstellungen geprägt ist - der Vater und Ehegatte steht an der Spitze der Familie[62]:

„Die Domäne der Frau ist hingegen darin weiterhin ihr Zuhause, wo sie als Hüterin Befriedigung in liebevoller Unterstützung ihres Ehemannes und ihrer Kinder findet. […] Selbstaufopferung ist ihr Hauptcharakteristikum, wobei sie besonderen Wert auf die Vermittlung von Anstand und Moral bei ihren Kindern legt, für die sie sich so lange verantwortlich fühlt, bis diese das Haus verlassen, um eine eigene Familie zu gründen.“[63]

Hahn beschreibt die Vorstellung des Mythos auch als „amerikanische[n] Familienzirkel, bestehend aus Heirat, Errichten eines eigenen Heimes, Zeugen von Kindern und dem Großziehen dieser [...]. Sobald die Kinder erwachsen sind, sollen sie nun eine eigene Familie gründen und der Kreislauf beginnt von neuem.“[64] So dient die glückliche Familie nicht nur der traditionalistischen Fortschreibung des eigenen Namens, sondern auch der Arterhaltung der Menschheit per se. Zudem nimmt die Frau den Familiennamen des Gatten an.[65] Das Patriarchat ist somit sowohl auf der U.S.-amerikanischen Mikroebene als auch auf der Makroebene fest verankert: ein Präsident ist das Staatsoberhaupt, ein Ehemann und Vater das Familienoberhaupt. Trotz der feministischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts spiegelt dies bis heute noch amerikanische Realitäten und ist in den im Folgenden analysierten Romanen zum Großteil die gelebte Norm der Protagonisten.

Des Weiteren ist die Ehe eine lebenslange Verbindung und Verpflichtung der Ehepartner, der Geschlechtsakt ist ausschließlich auf die Ehe beschränkt,[66] Scheidung ist verpönt.[67] Außerehelicher oder gar vorehelicher Sex ist tabu und ist im Idealbild der Happy American Family lediglich als Gegenbild und Negativbeispiel einer verdorbenen und unchristlichen Kultur präsent. Auch Homosexualität, Abtreibung sowie häusliche Gewalt sind tabu. Unverheiratete Männer ('confirmed bachelors') oder Frauen ('spinsters') sind äußerst selten[68] und sind der Kleinstadtgemeinde, wo die glückliche Familie zu finden ist, stets suspekt.

Die Eltern tragen die ausschließliche Verantwortung für ihre Kinder, bis diese in den Kindergarten gehen können. Selbst nach dieser Zeit steht es den Eltern frei, ihre Sprösslinge nach Gutdünken zu disziplinieren und für ihre Bildung, ohne äußere Einflüsse, selber zu sorgen.[69] Familien, die nicht nach diesen konformistischen Ansätzen leben, werden als Außenseiter betrachtet und gelten als 'troubled-' oder 'problem families'[70].

Auch die Vorstellung, dass jeder seine Nachbarn kennt[71], spielt eine wichtige Rolle, helfen sich diese sich in freundschaftlichem Verhältnis zueinander befindlichen Familien doch stets untereinander. In der Kleinstadt spiegelt sich der Zusammenhalt des Landes wider und der Kitt, der Familie und Nachbarschaft zusammenhält, bindet auch auf den jeweils höheren Ebenen Gemeinde, County, Bundesstaat, Nation.

Einen weiteren wichtigen Platz im Mikrokosmos der glücklichen amerikanischen Familie nimmt die Religion ein: Am besten alle Familienmitglieder besuchen zumindest einmal wöchentlich eine Art christlicher Kirche[72]. Hier finden sich alle Familienangehörigen zusammen, präsentieren sich der gesamten Gemeinde und treffen die anderen Familien aus der Nachbarschaft. Der sonntägliche Kirchgang hat die Funktion der sozialen Überwachung der Gemeindemitglieder: Verhält sich ein Mitglied entgegen den Regeln oder kommt erst gar nicht zum Gottesdienst, 'schrillen die Alarmglocken' – die Gemeinde weiß, etwas liegt im Argen.

Das Ideal der Happy American Family ist ausgesprochen traditionalistisch geprägt: „Jede nachfolgende Generation schützte und vermehrte das mühsam gewonnene Gut der Familie.[73] Eine der wichtigsten Aufgaben in der (Groß-)Familie ist somit die Wahrung des gemeinsamen Vermögens. Die damit verbundene ökonomische Komponente der Familie ist gleichzeitig Teil des Mythos des American Dream und eine Instanz, die großen Anteil an seiner Tradierung hat[74], erklärt Jochen Baier.

So wie der American Dream und der Frontier -Mythos ist auch der Mythos der Happy American Family heute noch von größter Bedeutung. Genau wie es für die Amerikaner immer wieder neue Frontiers gibt, neue, anfänglich feindliche Lebensräume, die es gilt zu amerikanisieren und zu demokratisieren, zum Beispiel die von John F. Kennedy formulierte New Frontier[75], ist auch der Mythos der glücklichen, gesunden und netten amerikanische Familie nicht ad acta gelegt. Auch zeigt die Verquickung von American Dream und der Happy American Family die überaus enge Verbindung und regelmäßige Überschneidung der amerikanischen Mythen.

Die idealisierte Vorstellung der Happy American Family findet ausreichend Tradierung, oft in leichter Abwandlung, durch zahlreiche Medien des U.S.-amerikanischen Kulturbetriebs: Beispielsweise in bis heute zahlreichen Fernsehserien (Die Waltons, Happy Days, McLeod's Töchter, Desperate Housewives, etc.) und Filmen (Air Force One, die Ice Age- Reihe, Der König der Löwen) sowie in den im folgenden analysierten Romanen.

2.3.1.1 Der große Gatsby: Die Bilderbuchfamilie

Stellt man sich nun obiges Idealbild der glücklichen amerikanischen Familie vor, kommt schnell eine Fotografie in den Sinn: ein Mann, eine Frau, ein Kind, wie sie lächelnd dem Betrachter entgegenblicken – die Bilderbuchfamilie. Als solche könnte man die Buchanans in Der große Gatsby bezeichnen.

Tom und Daisy Buchanan bilden mit ihrer kleinen Tochter die klassische Konstellation der jungen Familie: Vater – Mutter – Kind. Tom fungiert als Ernährer von Frau und Kind, er ist reich von Geburt an und Daisy, die aus weniger begütertem Hause stammt, wird von ihm versorgt:

„Seine Familie war unermesslich reich. Sogar auf dem College war er durch seine protzige Geldverschwendung unangenehm aufgefallen. Nun war er aus Chicago hierher in den Osten übergesiedelt, und das in einem Stil, dass einem vor Staunen die Luft wegblieb.“[76]

Die Buchanans sind zwar nicht die klassische Happy American Family der 1950er Jahre, da der Roman in den 1920er Jahren geschrieben wurde, also vor dem Aufkommen des Ideals. Auch ist ihr Leben nicht auf das Streben nach Wohlstand hin ausgerichtet, denn sie sind, durch die vermögende Familie des Ehemannes, bereits reich. Tom ist daher auch nicht der Ernährer im klassischen Sinn, der für seinen und den Lebensunterhalt seiner Familie arbeiten muss. Dennoch passen sie in das Schema der glücklichen amerikanischen Familie.

Das Bild hängt jedoch von Anbeginn des Romans schief und hier findet sich die Destruktion des Mythos. Denn Tom und Daisy befinden sich laufend im Streit miteinander, ein aggressiver Unterton beherrscht zeitweise gänzlich ihre Kommunikation:

„Seht doch!“ klagte sie. „Verletzt.“ Wir sahen ihn uns an – der Knöchel war grün und blau. „'Das warst du, Tom', sagte sie vorwurfsvoll. 'Nicht mit Absicht, ich weiß, aber du warst es. Das hat man davon, wenn man so einen ungeschlachten Kerl von Mann heiratet, so ein großes massiges, brutales Exemplar von - ' 'Ich kann das Wort brutal nicht leiden', entgegnete Tom scharf, 'auch nicht im Scherz.' 'Brutal', beharrte Daisy.“[77]

Im weiteren Verlauf der Passage gibt es noch mehrere dieser spitzfindigen Kommentare und offenen Attacken der Eheleute gegeneinander.

Oben angeführte Passage ist nicht nur ein Beispiel für den Ehezwist, den die beiden miteinander haben. Der verletzte Knöchel könnte auch dahingehend interpretiert werden, dass bei den Buchanans häusliche Gewalt ein Thema ist, die es in einer 'glücklichen Familie' nicht geben darf. Auch wenn Daisy beteuert, Tom habe ihr die Verletzungen unabsichtlich zugefügt, bleibt der Verdacht, verstärkt durch die Streitereien der Beiden und das 'brutale' und „gewaltig[e]“[78] Wesen Toms. Weitere Erwähnungen, die darauf schließen ließen, Tom sei seiner Frau gegenüber gewalttätig, finden sich im Roman jedoch nicht.

Auch andere Indizien dafür, dass der Haussegen schief hängt, gibt es. Tom hat „'da so eine Frau in New York'“[79], also eine Geliebte, wie Jordan Baker, Daisys Freundin, dem Erzähler verrät. Dies ist sehr wahrscheinlich auch der Grund für die Zankereien zwischen den Ehepartnern. Hier erhält das Bild der idealisierten Familie zum ersten Mal deutliche Risse. Die Problematik des Ehebruchs wird nicht nur angedeutet, wie die häusliche Gewalt, sondern tatsächlich beim Namen genannt.

Am auffälligsten dem Ideal widersprechend ist jedoch die Oberflächlichkeit mit der Tom und Daisy ihre Tochter Pammy behandeln und die Verantwortung für diese von sich weisen. Zwischen dem gesellschaftlichen Jet-Set-Leben im Jazz-Age mit Partys, Ehebruch und Flirtereien, scheint ihnen die Erziehung ihres Kindes, wenn überhaupt, Nebensache zu sein.

Dies beweisen zum Einen die wenigen Passagen, in denen das Kind überhaupt Erwähnung findet, diesen gegenüber aber eine erkleckliche Anzahl anderer Passagen steht, in welchen die Eltern ohne ihren Sprössling auftreten, auch tagsüber, wenn das Kind nicht schlafen müsste. Daraus lässt sich schließen, dass die Eltern mit ihrer Tochter kaum Zeit verbringen wollen. Dies verdeutlicht folgende Passage: „Dann fuhr sie [Daisy] beiläufig fort: 'Du müsstest die Kleine sehen.' 'Gern.'[, antwortet der Erzähler] 'Sie schläft gerade. Sie ist jetzt drei Jahre. Hast du sie eigentlich schon mal gesehen?' 'Nein, nie.'“[80] Allein die genannte Beiläufigkeit, mit der die junge Mutter von ihrem Kind spricht, ist verwunderlich. Im Konzept der Happy American Family sind Kinder ein Quell der Freude und des Glücks. Daisy hingegen scheint kaum einen Gedanken an ihr Kind zu verschwenden.

[...]


[1] Gudrun Grabher und Martin Heusser, American Foundational Myths (Tübingen: Narr, 2002) 9.

[2] Roland Barthes, Mythen des Alltags (Frankfurt am Main: Edition Suhrkamp, 1964) 38.

[3] Grabher, Heusser 9.

[4] Grabher, Heusser 9.

[5] Hahn, André. Family, Frontier and American Dreams – Darstellung und Kritik nationaler Mythen im amerikanischen Drama des 20. Jahrhunderts (Trier: Wissenschaftlicher Verlag, 2009), 9.

[6] Hahn 11.

[7] Hahn 11.

[8] Hahn 12.

[9] Hahn 12.

[10] Grabher, Heusser 10.

[11] Hahn 14.

[12] Hahn 17.

[13] Hahn 17.

[14] Hahn 14.

[15] Hahn 14.

[16] Hahn 14.

[17] Frank Unger, Amerikanische Mythen – Zur inneren Verfassung der Vereinigten Staaten (Frankfurt: Campus, 1988) 8.

[18] Unger 8.

[19] Unger 8.

[20] Hahn 14.

[21] Unger 9.

[22] Grabher, Heusser 9.

[23] II. Myth and Symbol School“ in Cultural Theory. Culturalpolitics.net. 11. Nov. 2011 <http://culturalpolitics.net/cultural_theory/myth>.

[24] Hebel 393.

[25] Hebel 394.

[26] Hebel 394.

[27] Hebel 393.

[28] Henry Nash Smith, „Can >American Studies< Develop a Method?“in Studies in American Culture – Dominant Ideas and Images. Hgg. Joseph J. Kwiat und Mary C. Turpie. (Minneapolis: University of Minnesota Press, 1960) 7.

[29] Hebel 393.

[30] Richard Slotkin, „Myth and the Production of History“ in Ideology and Classic American Literature, Hgg. Sacvan Bercovitch and Myra Jehlen (Cambridge: Cambridge University Press, 1986), 70.

[31] Bruce Kuklick. "Myth and Symbol in American Studies." in American Quarterly 24 (1972): 435-450.

[32] Unger 9.

[33] Hebel, Udo. Einführung in die Amerikanistik/American Studies (Stuttgart: Metzler, 2008) 303.

[34] Grabher, Heusser 11.

[35] Grabher, Heusser 11.

[36] Grabher, Heusser 11.

[37] Grabher, Heusser 11.

[38] Unger 11.

[39] Unger 11.

[40] Hebel 303.

[41] Unger 9.

[42] Unger 9.

[43] Unger 10.

[44] Unger 10.

[45] Hahn 33.

[46] Hilde Lindemann-Nelson. „The Myth of the Traditional Family“ in Feminism and Family. Hg. Hilde Lindemann Nelson. (New York: Routledge, 1997) 27.

[47] Hahn 33.

[48] Hahn 34.

[49] Lindemann-Nelson 27.

[50] Hahn 34.

[51] Lindemann-Nelson 27.

[52] Lindemann-Nelson 28.

[53] Lindemann-Nelson 27.

[54] Hahn 35.

[55] Hahn 33.

[56] Hahn 33.

[57] Hahn 33.

[58] Hahn 36.

[59] Steven Mintz und Susan Kellogg, Domestic Revolutions: A Domestic History of American Family Life (New York: The Free Press, 1988) xiii.

[60] Mintz, Kellogg xiii.

[61] Hahn 33.

[62] Hahn 36.

[63] Hahn 36.

[64] Hahn 36.

[65] Mintz, Kellogg xiii.

[66] Mintz, Kellogg xiii.

[67] „Family Values“. Critical Enquiry. Criticalenquyry.com <http://www.criticalenquiry.org/theory/society.shtml>.

[68] „Family Values“

[69] Mintz, Kellogg xiii.

[70] Mintz, Kellogg xiii.

[71] „Family Values“.

[72] „Family Values“.

[73] Hahn 34.

[74] Jochen Baier. The Long Delayed But Always Expected Something: Der 'American Dream' in den Dramen von Tennessee Williams, in Studien zur anglistischen Literatur- und Sprachwissenschaft, Band 14 (Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier, 2001) S. 23.

[75] Hebel 323.

[76] F. Scott Fitzgerald, Der große Gatsby (München: Süddeutscher Verlag, 2004) 16.

[77] Fitzgerald 18.

[78] Fitzgerald 18.

[79] Fitzgerald 21.

[80] Fitzgerald 16.

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Happy American Dream: Die großen amerikanischen Mythen und ihre Dekonstruktion bei Francis Scott Fitzgerald, Jonathan Franzen und Philipp Roth
Hochschule
Universität Augsburg  (Historisch-philologische Fakultät)
Note
2,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
102
Katalognummer
V198840
ISBN (eBook)
9783656282006
ISBN (Buch)
9783656282532
Dateigröße
965 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Amerikanistik, Literatur, Amerikanische Literatur, Fitzgerald, Franzen, Roth, Mythen, American Dream, Upward Mobility, Manifest Destiny, Happy American Family, Frontier, From Rags to Riches, The Great Gatsby, The Correktions, American Pastoral, Der große Gatsby, Die Korrekturen, Amerikanisches Idyll, Mythen des Alltags, Roman
Arbeit zitieren
M.A. Lukas Dingelmaier (Autor:in), 2011, Happy American Dream: Die großen amerikanischen Mythen und ihre Dekonstruktion bei Francis Scott Fitzgerald, Jonathan Franzen und Philipp Roth, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198840

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