Nationale und regionale Identitäten in Spanien


Diplomarbeit, 2002

185 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsüberblick

1. Einführung: Heutige Relevanz der Konzepte von Nation und nationalen Bewegungen
1.1. Ziele der Arbeit
1.2. Problemskizzierung und Fragestellungen
1.3. Aufbau der Arbeit

2. Theoretische Ansätze
2.1. Staaten, Nationen und Regionen
2.2 Typologische Unterscheidung des nationalen Selbstverständnisses: Ethnos - Demos - Konzept nach Francis .11
2.3. Identitätskonzepte
2.4. Historische Entwicklung und heutige Situation in Spanien
2.5. Entwicklungen der Nationalismen und Regionalismen
2.6 Überblick über den gegenwärtigen empirischen Forschungsstand zu nationaler/ regionaler Identität
2.7. Hypothesen

3. Methodische Vorgehensweise: Vorstellung des Datensatzes
3.1. Spezifika der erhobenen Daten in Spanien
3.2 Untersuchte Regionen der Auswertung
3.3. Operationalisierung von kollektiver Identität sowie des Ethnos und Demos - Konzeptes

4. Empirischer Teil
4.1. Deskriptive Statistik: Kollektive Identität(en) in Spanien und objektive Ausprägungen
4.2. Induktive Statistik

5. Ergebnisse für die spanischen Regionen
5.1. Die baskische Situation anhand des WVS
5.2. Einschätzung der Aussagekraft der Daten für das Baskenland ...123
5.3. Die katalanischen Situation anhand des WVS
5.4. Einschätzung der Aussagekraft der Daten für Katalonien
5.5. Die Galizische Situation nach Daten des WVS
5.6. Einschätzung der Aussagekraft der Daten für Galizien
5.7. Situation in Andalusien und Valencia
5.8. Einschätzung der Aussagekraft der Daten für Andalusien und Valencia
5.9. Gesamtkritik am Fragebogen des Word Values Survey

6. Gesamtspanische Situation und zukünftige Probleme der gesamtspanischen Politik

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Objektiver und subjektiver Nationenbegriff

Tabelle 2: Zusammenfassung ethisches/demotisches Nationenverständnis

Tabelle 3: Triebkräfte des Regionalismus

Tabelle 4: Pro- Kopf- Einkommen und Arbeitslosenquote für ausgewählte Regionen

Tabelle 5: Nationales/regionales Bewusstsein

Tabelle 6: Prozentwerte der Befragten, die ihre Region als „Nation“ betrachten im Zeitverlauf

Tabelle 7: Bedeutung Spaniens für die Regionen

Tabelle 8: Überblick über die Erhebungswellen, Forschungsinstitute und Anzahl der Befragten .

Tabelle 9: 1990 Dokumentierte DATA-Regionen

Tabelle 10: Überblick über Variablen Ethnos-Demos

Tabelle 11: Nationales/regionales Bewusstsein

Tabelle 12: Zusammenfassende Darstellung der Identitäten 1996

Tabelle 13: Soziodemographie 1996

Tabelle 13a: Signifikanzen für Regionen: Soziodemographie

Tabelle 14: Verteilung der regionalen Bevölkerung nach Geburtsort 1996

Tabelle 15: Regionalsprachen in den Regionen 1996

Tabelle 16: Parteiauflistung Nationalparteien - Regionalparteien

Tabelle 17: Häufigkeiten für Wahlabsicht einer nationalen vs. regionalen Partei 1996

Tabelle 18: Wahlabsichten 1996 im Baskenland und Galizien

Tabelle 19: Wahlabsichten 1996 in Valencia und Katalonien

Tabelle 19a: Signifikanzen für Regionen: Rechts-links-Einstufung

Tabelle 20: Signifikanz der Identitäten: Rechts-links-Einstufung

Tabelle 21: Zusammenfassung der Ergebnisse für die Basken

Tabelle 22: Zusammenfassung der Ergebnisse für die Katalanen

Tabelle 23: Zusammenfassung der Ergebnisse für die Galizier

Tabelle 24: Nationalstolz 1990 nach Regionen und Nationalstolz 1996 nach Regionen und Identitäten

Tabelle 24a: Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Nationalstolz

Tabelle 25: Militärische Landesverteidigung für Regionen 1990 und für Regionen und Identitäten 1996

Tabelle 25a: Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Landesverteidigung

Tabelle 26: Einstellung zu Ausländern und ausländischen Waren 1996

Tabelle 26a: Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Ausländer /Waren

Tabelle 27: Ethnische und soziale Toleranz 1996

Tabelle 27a: Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Toleranz

Tabelle 28: Regierungsaufgabe: Ordnung vs. Freiheit 1996

Tabelle 28a: Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen

Tabelle 29: Landesziele Spanien 1996

Tabelle 30: Demokratieindex 1996

Tabelle 30a: Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen

Tabelle 31: Demokratieverständnisindizes 1996

Tabelle 31a: Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Demokratieverständnis-indizes

Tabelle 32: Bereitschaft zur Gewaltanwendung 1996

Tabelle 32a: Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Gewaltanwendung

Tabelle 33: Korrelationen für Vertrauen in Institutionen der jeweiligen Regionen 1996

Tabelle 34: Vertrauen in Institutionen 1996

Tabelle 35: Zufriedenheit mit der zentralstaatlichen Regierung 1996

Tabelle 35a: Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Zufriedenheit Regierung

Tabelle 36: Überblick über spanische Regionen

Tabelle 37: Geographische Identifikation der Regionen

Tabelle 38: Geographische Identifikation der spanischen Identitäten 1996

Tabelle 39: Schulbildung der spanischen Regionen 1996

Tabelle 40: Geschlecht der spanischen Regionen und Identitäten 1996

Tabelle 41: Gewählte Partei 1996 in Spanien

Tabelle 42: Mittelwerte Rechts-Links-Einstufung

Tabelle 43: Nationalstolz Häufigkeiten pro Region 1996

Tabelle 44: Nationalstolz - Objekte 1 1990

Tabelle 45: Nationalstolz - Objekte2 1990

Tabelle 46: Vorzug spanischer Arbeitskräfte bei knappen Arbeitsplätzen 1996

Tabelle 47: Demokratie bestes politisches System für das Land 1996

Tabelle 48: Demokratie besser als andere Systeme 1996

Tabelle 49: Einstellungen zum politischen System früher und heute 1996

Tabelle 49a: Signifikanz Regionen: politisches System Franco 1996

Tabelle 49b: Signifikanz Identitäten: politisches System Franco

Tabelle 49c: Signifikanz Regionen: politisches System heute

Tabelle 49d: Signifikanz Identitäten: politisches System heute

Tabelle 49e: Signifikanz Regionen: politisches System Zukunft

Tabelle 49f: Signifikanz Identitäten: politisches System Zukunft 1996

Tabelle 50: Politisches System Index (Spaltenprozente) 1996

Tabelle 51: Einzelwerte Demokratieverständnis 1 1996

Tabelle 52: Einzelwerte Demokratieverständnis 1996

Tabelle 53: Politikinteresse der Regionen und Identitäten 1996

Tabelle 53a: Signifikanz politisches Interesse

Tabelle 54: Politische Partizipation

Tabelle 55: Vertrauen in Institutionen

Tabelle 56: Vertrauen in Mitmenschen

Tabelle 57: Vertrauen in spanische Mitbürger 1990

Tabelle 57a: Signifikanz Vertrauen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklungsphasen des Nationalismus

Abbildung 2: Meinung der Katalanen und Basken zur Unabhängigkeit

Abbildung 3: Identitäten und deskriptive Variablen

Abbildung 4: Abhängige Variablen und Identitäten

Abbildung 5: Ausländer in Spanien

Abbildung 6: Spanien nach Sprachgebieten

Abbildung 7: Rechts-links-Einstufung der spanischen Bevölkerung 1996

Abbildung 8: Nationalstolz in Spanien im Zeitverlauf

Abbildung 9: Vertrauen in Institutionen in Spanien über drei Erhebungswellen

Abbildung 10: Vertrauen in Institutionen in der jeweiligen Region 1996

Abbildung 11: Spanisches Wahlsystem

Abbildung 12: Wahlergebnisse aus dem Baskenland 1980-2001

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung: Heutige Relevanz der Konzepte von Nation und nationalen Bewegungen

Prozesse der Globalisierung und der Bildung größerer, suprastaatlicher Einheiten, Regionalisierung und Föderalisierung haben in den letzten Jahren nicht dazu beigetragen, dass nationale Autonomie- und Unabhängigkeitsbewegungen von der Bildfläche verschwanden (Nordirland, Quebec, Baskenland) (Westle, 1999a: 279).

Im 20. Jahrhundert gab es verschiedene Wellen der Staats- und Nationenbildung[1]. Sie gingen einher mit dem Zerfall bestehender Staaten oder dem Auflösen von Bündnissen. Begleitet waren sie von zahlreichen Minderheiten- bzw. Nationalitätenkonflikten, wie z.B. der Zerfall des kommunistischen Regimes der Sowjetunion und seine begleitenden Prozesse in Osteuropa (Haller 1993: 30). Mit dem Einsetzen der Regimewechsel hat sich in einem Großteil der Gesellschaften hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang eine explosive Mischung zwischen demokratischer und nationaler Frage ergeben (Kraus 1996: 49).

Ebenfalls in Westeuropa nehmen nationale, regionale, lokale sowie damit zusammenhängende kulturelle Bewegungen zu oder leben wieder auf. Diese äußern sich zum Teil in Unabhängigkeitsbewegungen, wie z.B. im spanischen Baskenland. Auch Tendenzen, dass starke nationale Subregionen[2] ihren eigenen nationalen Regierungen kritisch gegenüberstehen, sind zu erkennen (Leggewie 1994: 48). Das bedeutet, dass insbesondere in Spanien die Problematik ethnoterritorialer Konflikte nach jahrhundertelanger Geschichte und auch seit dem Übergang vom Franco-Regime[3] auf die Demokratie keinesfalls an Brisanz verloren hat.

1.1. Ziele der Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist zu untersuchen, ob es in Spanien heute eine national einende, kollektive Identität gibt, oder ob nach wie vor unterschiedliche kollektive Identitäten in verschiedenen Teilregionen vorherrschen. Diese Identitäten werden hinsichtlich ihrer objektiven Unterschiede, wie z.B. Sprache und Parteien, ihrer kollektiven Bindungen an die Nation und an die Regionen sowie nach ihrem Demokratieverständnis analysiert. So kann der Beitrag der Identitäten zum nationalen Selbstverständnis Spaniens und ihre förderlichen bzw. hinderlichen Einstellungen zur Demokratie ermittelt werden.

1.2. Problemskizzierung und Fragestellungen

Spanien, einer der ältesten Nationalstaaten Europas, war lange durch starken Zentralismus beherrscht, der nur zweimal kurzzeitig durch dezentrale Ausprägungen unterbrochen wurde. 1978 wurde eine neue Verfassung in Kraft gesetzt, aus der sich die Einteilung Spaniens in „Nation“, „Nationalitäten“ und „Regionen“ ergab. Die entstandene territoriale Machtverteilung sollte den Zentralstaat beenden und einen demokratischen Rechtsstaat zwischen politischem Zentralismus und Einheitsstaat sowie dezentraler Version schaffen (Nohlen/Hildenbrand 199a: 294).

Seit 1983 gibt es in Spanien 17 autonome Regionen, die sogenannten „Comunidades Autónomas“. Diese neue Gebietsaufteilung stellt einen tiefgreifenden Wandel in der Geschichte Spaniens dar. Aufgrund der Unterdrückung der ethnischen und nationalen Identitäten sowie jeglicher regionaler Eigenständigkeit der einzelnen Landesteile in Spanien während des Franco-Regimes (1939-1975) kamen fast in allen Gebieten neue regionalistische[4] Kräfte zum Vorschein. Vor allem im Baskenland und Katalonien sind nationale Emanzipationsbestrebungen verstärkt zu beobachten. Bis heute ist die „regionale Frage“[5] in Spanien nicht gelöst, und weiterhin bestimmt das Problem der „peripheren oder lokalen Nationalismen und Regionalismen“[6] die Schlagzeilen in spanischen Tageszeitungen. Außerdem wurde dieses Problem zu einem wichtigen Prüfstein für Spaniens junge Demokratie (Nohlen/ Hildenbrand 1992a: 294).

Angesichts der Transitionsphase[7] und nationalistischer Entwicklungen in den einzelnen Peripherien ist es fraglich, ob damals, bei Verfassungsbeginn, eine spanische Nation als nationale, die Staatsbürger einenden Identität geschaffen wurde, oder ob nach wie vor einzelne ethnische Bezugsgemeinschaften in den Regionen überwiegen. Davon ausgehend sollen folgende erste Forschungsfragen beantwortet werden:

Gibt es eine national einende, kollektive Identität der „Spanier“ oder sind die regionalen Identitäten nach wie vor vorherrschend oder stärker ausgeprägt? Sind die Identitäten der Regionen vorwiegend als ethnisch oder demotisch[8] zu bezeichnen?

In der soziologischen und normativen Demokratietheorie ist das Verhältnis von ethnischem Pluralismus und stabiler demokratischer Herrschaft immer wieder als problematisch beurteilt worden (Kraus 1996: 50). Mit Blick auf Geschichte und aktuelles Geschehen zeigt sich, dass „ die gleichzeitige Inanspruchnahme des demokratischen Prinzips und des Nationalit ä tenprinzips - verstanden als Selbstbestim- mungsrecht politisch mobilisierter, ethnischer Gruppen - in den unterschiedlichsten geographischen und kulturellen Kontexten, ..., zu heftigen politischen Auseinandersetzungen gef ü hrt hat und f ü hrt “ (Kraus 1996: 50).

Ebenfalls nationale bzw. regionale Identitäten stehen ihrer eigenen Nation zum Teil kritisch gegenüber, wie es auch im spanischen Baskenland oder Katalonien der Fall ist. Diese kollektiven Identitäten äußern sich, begründend auf objektiven Differenzen, in Form von Nationalis[6] siehe Kapitel 2.2.1.1., 2.2.1.2. mus oder Regionalismus bis hin zum Separatismus[9] (Schmitt-Egner 1999: 141). Versuche der Anpassung und Festigung politischer und institutioneller Stabilität seitens der Regierung münden in multiethnischen Staaten oft in das Auseinanderbrechen des Staates oder in einem autoritären Regierungssystem (Moreno, 1998: 2).

Aber ethnoterritoriale Differenzen innerhalb pluralistischer Gesellschaften müssen nicht zwangsläufig zu Konflikten und Divergenzen führen, sondern kulturelles Miteinander kann auch zu einer Stärkung[10] der Demokratie beitragen.

Es stellt sich hieraus die Forschungsfrage, inwieweit die einzelnen vorgefundenen kollektiven Identitäten eher zur Stabilität oder zur Instabilität[11] der spanischen Demokratie beitragen. Das zweite Forschungsanliegen dieser Arbeit ist die Ermittlung des Verhältnisses der Identitäten zur Demokratie.

1.3. Aufbau der Arbeit

Der erste, theoretische Teil dieser Arbeit besteht in der typologischen Trennung des Nationenbegriffs anhand von Betrachtungsweisen soziologischer und politikwissenschaftlicher Diskussionen. Um zu einer eindeutigen Definition von „Nation“ zu gelangen, wird ein Überblick über verschiedene Erklärungsansätze geboten, die „Region“ definitorisch beschrieben und Spanien klassifiziert.

Es folgt eine typologische Unterscheidung in das ethnische und demotische Nationenkonzept nach Francis (1965) einschließlich damit heute einhergehender Konzepte und seiner Kritik, um anschließend zu den Identitätskonzepten zu gelangen. Diese spielen für die empirische Auswertung eine wichtige Rolle.

Im Rahmen dieser Identitätstheorien wird die Theorie der sozialen Identität Tajfels (1975, 1982) aufgenommen, mit dem Nationenbegriff verknüpft und in Verbindung zu den genannten Problemen gesetzt.

Im Anschluss daran wird auf die spanische Situation eingegangen. Dieses Kapitel beinhaltet die Geschichte und die heutige Situation, den Staatsaufbau sowie die Regionalismen der peripheren Regionen Spaniens. Sie werden in drei Entwicklungsstufen nach Miroslav Hroch (1968) geteilt und geschichtlich zugeordnet, um sie dann genauer zu charakterisieren.

Abschließend stellt der theoretische Teil neueste empirische Erkenntnisse über die Forschung nationaler und regionaler Identität in Spanien vor sowie die aus der Theorie abgeleiteten Hypothesen. Diese werden im praktischen Teil anhand einer Sekundäranalyse des World Values Surveys (WVS)[12] überprüft.

Auf die Vorstellung des Datensatzes folgen die Besonderheiten der spanischen Daten. Danach werden die Variablen und das weitere Vorgehen beschrieben.

2. Theoretische Ansätze

Neben politikwissenschaftlichen Ansätzen haben geschichtliche Hintergründe und der aktuelle Forschungsstand zum Thema eine wichtige Bedeutung.

2.1. Staaten, Nationen und Regionen

Wenn von Nationalstaaten die Rede ist, dann ist der Staat nicht gleichbedeutend mit der Nation, denn sie müssen nicht deckungsgleich sein. Ein Nationalstaat kann theoretisch mehrere Nationen umfassen (Fröschl/Mesner/Ra’anan 1991: 33). In manchen Fällen ist der Staat größer als die Nation oder umgekehrt. Grenzen des Staates fallen also nicht zwangsläufig mit der Nation zusammen. Genauso können Loyalität und Bindung an einen Staat und eine Nation in Konflikt zueinander stehen (Fröschl/Mesner/Ra’anan 1991: 24). Es muss demnach zwischen Nation und Staat differenziert werden.

Staat wird oft als handlungsfähige, politische Einheit beschrieben (Kluxen-Pyta 1990: 121), der das Zusammenleben der Menschen in einem Gemeinwesen gewährleisten soll (Nohlen 2001: 476). Nation dagegen gilt als reale Gemeinschaft, die sich aus ethnischen, sprachlichen, kulturellen, historischen und/oder politischen Gründen zusammengehörig und von anderen verschieden fühlt (Nohlen 2001: 313). Nationalgefühl ist das Bewusstsein, durch Nationalität einer Gemeinschaft anzugehören und ist konkreter als allgemeines Staatsbewusstsein. Die Nation existiert heute als sozialer Bestand: Die nationale Identität[13] wird als die des Gemeinwesens, der sozialen Großgruppe oder des Staates erfahren (Kluxen-Pyta 1990: 121). Unter den unzähligen Definitionsversuchen und Typologien der Nationskonzepte werden bei der Bestimmung des Nationenbegriffs häufig objektive und subjektive Elemente unterschieden.

2.1.1. Objektiver und subjektiver Nationenbegriff

Die objektiv-kulturelle Sicht definiert die Nation in Begriffen einer allgemeinen Kultur, während die subjektive Sicht dagegen besonders den politischen Charakter der Nation hervorhebt (Richter 1994: 313). Tabelle Nr. 1 gibt die wesentlichen Merkmale dieser beiden Modelle wieder:

Tabelle 1: Objektiver und subjektiver Nationenbegriff

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung (Vgl. Schieder 1965, Kohn 1945, Richter 1994, Puhle 1994)

Unter das östliche Nationenenmodell[14] fallen vor allem Nationen des östlichen Teils Europas sowie Deutschland (Kraus 1996: 60), bei dem es zu einem „state-building“ der Nationen kam. (National-) Staaten entstehen aus staatlich getrennten Teilen von Nationen (Puhle 1994: 197). Das subjektive Element entstammt hauptsächlich der französischen Denktradition, und war im westeuropäischen Raum einflussreicher (vgl. Renan 1882). Als klassische Beispiele gelten Frankreich oder England (Schieder 1965: 69). Nationen sind reine Willensgemeinschaften von Menschen (Westle 1999b: 20). Nach diesem Prinzip kam es zu einem „nation-building“[15], denn es waren die neuen Staaten, die die Schaffung von Nationen unterstützten (Fröschl/Mesner/Ra’anan 1991: 32).

Die eben vorgestellten zwei Modelle liegen heute kaum noch in Reinform vor, genauso wie der „Nationalstaat“ äußerst selten existiert. Die Bestimmungsmerkmale von Nationen sind zu eng und situativ (Nohlen 2001: 314).

Beim Versuch, den Begriff „Nation“ zu definieren, ist heute die Kombination von objektiven und subjektiven Elementen gängig. Objektive Komponenten werden als Vorgänger der subjektiven Komponenten betrachtet. Bei subjektiven Elementen sind Gemeinschaftsbewusstsein und/oder Zusammengehörigkeitsgefühl in den Mittelpunkt gestellt, die sich dann weiter zu einem politischen Zusammengehörigkeitswillen entwickeln können (Westle 1999b: 21). Für eine weiterführende theoretische Analyse sei z.B. auf Estel (1994) verwiesen, der in seiner Nationendefinition beide Elemente verschmelzt [16]. Doch bleibt auch der Wert der Kombinationen aus subjektiven und objektiven Elementen zur Erklärung der Nationendefinition fraglich, da diese typologische Trennung zu inneren Widersprüchen führt (Westle, 1999b: 24). Aus diesen Gründen wird Spanien unter Kapitel 2.1.3. anderweitig klassifiziert und dann unter Kapitel 2.2. auf eine analytische Trennung des Nationenbegriffs zurückgegriffen, welche die weitere Grundlage des Nationenverständnisses dieser Arbeit bildet.

2.1.2. Regionen als Subeinheiten der Nation

Trotz Einheitlichkeitsbestrebungen der „Nationalstaaten“ gibt es nach wie vor territoriale und kulturelle Differenzierungen von Nationen. Als Region wird ein Gebiet bezeichnet, das wegen meist objektiver, historischer, ethnischer, kultureller oder religiöser Gemeinsamkeiten seiner Bevölkerung als Einheit betrachtet wird (Münch/Meerwaldt 2002: 5). Diese subnationalen Einheiten von Nationen sind oft historisch gewachsene Regionen, die nicht immer mit modernen politischadministrativen Ländern, Bezirken oder Kreisen in Deckung zu bringen sind. Wie die Nation können sie nicht nur als territoriale Größe, sondern auch durch spezifische kulturelle Prägungen verstanden werden. Diese können teilweise in Ergänzung zu nationalen Vorgaben, teilweise aber auch in Konkurrenz dazu entstanden sein[17] (Bornewasser/ Wakenhut, 1999: 55). Mitglieder der Regionen bilden also ebenso wie die Bürger einer Nation regionales Bewusstsein und Identität, welche verschiedene Begründungen erfahren können.

2.1.3. Die Klassifizierung Spaniens anhand der Gesellschaftstypen von Haller

Die analytischen Ordnungskategorien in objektive und subjektive Nationenbestimmung sind, wie bereits oben angesprochen, in ihrer Anwendbarkeit problematisch bzw. nicht auf den spanischen „Nationalstaat“ anwendbar. Eine Zuordnung zu einem dieser Modelle würde Mängel aufweisen (z.B. Fehlen einer allgemeinen Kultur, Fehlen eines typischen Volksgeistes, Loyalität und Bindung an den Staat) bzw. sich als unzureichend darstellen. Spanien besteht aus verschiedenen unterschiedlichen Regionen und Nationalitäten[18], die sich selbst teilweise als Nation begreifen. Francis hat diese Staatsform als Nationalitätenstaat[19] bezeichnet. (Beck 1977: 799, Lepsius 1986: 757).

Auch andere Autoren haben sich mit der Mehrvölkerproblematik beschäftigt. So findet Max Hallers Typologie von Gesellschaften auch für den spanischen Staat Gültigkeit. Er unterscheidet diese nach ihrer internen ethnisch-nationalen Struktur, ob ethnische oder nationale Subgruppen in einer Gesellschaft vorkommen, anhand ihrer numerischen Stärke, den Grad der territorialen Konzentration innerhalb des Landes und der soziokulturellen Stärke dieser Subgruppen. Dabei differenziert er in ethnische homogene Gesellschaften, pluriethnische Gesellschaften[20], Minoritätengesellschaften und multinationale Gesellschaften eine Einheit, die nach diesem Verständnis ein natürliches Recht nach außen besitzt, und die deshalb auch einen eigenen, den Nationalstaat, errichten oder behalten soll.“ (Estel, 1994: 19) (1993: 35). Der Nationalstaat Spanien kann nach Haller in letztere beiden Gesellschaftstypen klassifiziert werden.

In den Minoritätengesellschaften steht eine soziokulturell und politisch dominante Mehrheit kleineren ethnisch-nationalen Minderheitengruppen in den Peripherien des Staatsgebietes gegenüber, die ihren Partikularismus kulturell wie politisch deutlich artikulieren. Mit Blick auf die Galicier und Valencianer (siehe Kapitel 3.3.) bezeichnet Haller Spanien als Minoritätengesellschaft (1993: 36).

Den zweiten Typus, die multinationale Gesellschaft, bezeichnet Haller als:

„ ... Gesellschaften mit zwei oder mehr ethnisch-nationalen Sub gruppen von jeweils erheblicher St ä rke, hohem kulturellem Ni veau und betr ä chtlichem Grad politischer Organisation und politischen Einflusses “ (Haller, 1993: 37).

Aufgrund der außergewöhnlichen soziopolitischen Artikulationsstärke der von Basken und Katalanen gebildeten Untergruppen lässt sich die spanische Gesellschaft auch als multinationale Gesellschaft charakterisieren (Haller 1993: 37). Juan Linz drückt diese ethnische Pluralität so aus:

Spain today is ... the largest and most complex multilingual and ... multinational societey in Western Europe” (Linz 1989: 262).

Spanien ist also ein ethnisch-pluraler[21] Nationalitätenstaat mit offizieller Anerkennung verschiedener kultureller Zugehörigkeiten der Staatsangehörigen, die über gemeinsame politische Institutionen verbunden sind (Heckmann 1992: 210ff).

Pluriethnische Gesellschaften enthalten mehrere ethnische Subgruppen, die sich oft einer präzisen quantitativen und qualitativen Bestimmung entziehen (Haller 1993: 35f).

2.2 Typologische Unterscheidung des nationalen Selbstverständnisses: Ethnos - Demos - Konzept nach Francis

Im deutschen Sprachgebrauch führte Francis (1965) mit seiner Begriffsunterscheidung zwischen „Ethnos” und „Demos” eine typologische Unterscheidung des Nationenbegriffs bzw. der sich vermischenden Begriffe von „Volk“ und „Nation“ ein, die von Lepsius (1986) noch weiter ausgebaut wurde. Francis kritisiert in seinem Werk die bisherigen Versuche, Nationen zu definieren aufgrund ihres variablen Bezugs zur Realität. Sie sind aus der „Vorstellungswelt des modernen Nationalismus“ (Francis 1965: 78) hergeleitet, der „sich in erster Linie auf die Gestaltung der politischen Ordnung richtet“ (Francis 1965: 78). Er führt den variablen Realbezug auf zwei gegensätzlichen Grundtypen der nationalen Idee zurück. Diese finden bei der Schaffung und bei der Erhaltung von Nationalstaaten Anwendung.

2.2.1. Der Ethnos (nationalistisches Modell)

Beim ersten Typ, aus dem die nationale Idee wächst, müssen das Staatsgebiet und der Ethnos, also ein „Volk“ als kulturelle oder ethnische „Einheit“, samt seinem Raum zusammenfallen (Francis 1965: 74). Das „Ethnos“ wird also zur Nation, wenn die nationale Einheit durch Deckungsgleichheit ethnischer und staatlicher Grenzen entsteht (Kraus 1996: 62). Das „Ethnos“ bedeutet dabei im engen Sinn eine kollektive Identifikation, die sich auf die Vorstellung einer Abstammungsgemeinschaft gründet. Es schließt im weiten Sinne die Vorstellungen einer kulturell oder historisch determinierten Schicksalsgemeinschaft ein. Außerdem ist es „indifferent gegenüber der politischen Ordnungsform“ (Westle 1999a: 280) und ist nur auf die Ausschließung zwischen Staaten konzentriert (Westle 1999b: 27).

Der ethnische Nationenbegriff fordert nach Francis:

ein Ethnos, das durch politische Grenzen geteilt ist, in einem ihm allein zugeh ö rigen Staat zu vereinigen, oder einem Ethnos, das einer gr öß eren politischen Einheit einverleibt ist, regionale Autonomie bzw. staatliche Selbst ä ndigkeit zu gew ä hren “ (Francis 1965: 88).

Wo dies nicht gelingt ergeben sich nach Francis Minderheitenprobleme (1965: 88).

Häufig werden die nationalistischen Interessen einer ethnischen Minderheit oder Region mit „ethnic nationalism“, also ethnischem Nationalismus[22] oder Separatismus in Verbindung gebracht - die des Zentrums identifizieren sich mit „civic nationalism“[23] (Kößler /Schiel 1995: 15). Die Unterscheidung zwischen Ethnos und Demos sowie Überschneidungen mit dem objektiven und subjektiven Nationenbegriff werden hier sichtbar (Richter 1994: 313).

2.2.1.1.Ethnischer Nationalismus

Entsprechend dem Ethnos gelten beim Nationalismus dieselben Kriterien, wie z.B. innergesellschaftliche Homogenität der Mitglieder einer Nation (Exklusivität) (Richter 1994: 312f). Nationalismus stellt eine soziale Bewegung und Ideologie dar, die territorial und werteorientiert auf die Nation bzw. den Nationalstaat ausgerichtet ist und eine bewusste Identifikation und Solidarisierung mit der nationalen Gemeinschaft voraussetzt (Nohlen 2001: 314).

Ethnische Gruppierungen und nationale Bewegungen geraten häufig unter Verdacht, separatistische Potentiale zu haben und dazu zu neigen, in „Ethno-Nationalismus“ umzuschlagen (Kößler /Schiel 1995: 15). So werden ethnische Konflikte auch als „Zentrum -Peripherie-Konflikte“ nach Rokkan und Urwin (1983: 14) bezeichnet. Das sind Konflikte, die um die territoriale Kontrolle politischer, ökonomischer und kultureller Ressourcen innerhalb eines Staatsgebietes bzw. innerhalb Teilen eines Staatsgebietes konkurrieren (Rokkan /Urwin 1983: 14). Der Staat ist als „Zuschreibungsinstanz“ und Repräsentation gemeinschaftlicher Identitäten sowie durch seine Ausübung administrativer Kontrolle und der Verteilung der ökonomischen Ressourcen der Hauptadressat ethnischer Mobilisierungen (Rokkan /Urwin 1983: 14).

Dabei reichen die Handlungsformen solcher Bewegungen von verbalen Artikulationsformen, der Organisation von Protestaktionen und der Gründung politischer Partien bis hin zu Gewalt und Terror. Ein geeignetes Beispiel stellen das spanische Baskenland bzw. die ETA[24] dar. Ihre Forderungen richten sich an die nationalstaatliche Ebene, während die (Gewalt-) Aktionen auch die weniger radikalen Bevölkerungsgruppen der Region treffen. In dieser Gruppe konkurrieren separatistische Bestrebungen häufig mit weniger radikalen Formen der Selbstverwaltung, wie Autonomie oder Föderalismus (Nohlen 2001: 445). Deshalb soll an dieser Stelle der Begriff des Regionalismus eingeführt werden.

2.2.1.2.Regionalismus

Regionalismus[25] bedeutet, dass ethnisch-mobilisierte Gruppen (Haller 1993: 44) auf der Basis soziokultureller Zuschneidungen ihrer Region und mit der Behauptung ihrer Homogenität die bestehenden Räume des Nationalstaates ausgrenzen. Dabei greifen sie auf die sie konstituierenden Merkmale zurück, die für sie identitätsbestimmend sind, um sich hinreichend von der Großgruppe abzugrenzen (Puhle 1994: 197). Der Übergang von schwächeren Stufen des Regionalismus zum Nationalismus ist also durchweg fließend (Puhle 1994: 193). In Spanien werden beide Begriffe zum Teil synonym verwendet und die Regionalismen in den Regionen oft als „Mini-Nationalismen“ bezeichnet (Yun, 1990: 532). Denn aus regionalistischen Bewegungen können sich u.U. natio

2.2.2. Der Demos (patriotisches Modell)

Der zweite Typus der nationalen Idee, das demotische Nationenverständnis, bezieht sich nur auf die Frage der Herrschaftsberechtigten innerhalb des Staates (Westle 1999b: 27). Bei Francis stellt das demokratische Prinzip die Beziehung zwischen „Herrschaftsunterworfenen und Herrschenden in einem vorgegebenen Staat“, also von Demos und Staat (Francis 1965: 74), dar.

Lepsius (1986) geht noch weiter und definiert den Demos als „Träger der politischen Souveränität, welcher in demokratischen Systemen die gesamte Bevölkerung sein sollte. Er ist in die politische Ordnung eingebunden, ordnet sich in einen eigenständigen, über-ethnisch begründeten Solidaritätsverband ein, der dadurch inter-ethnische Beziehungen zivilisiert“ (Lepsius, 1986: 756). Der Demos bezieht sich also auf das „Volk“ als den Träger der politischen Souveränität (Lepsius 1986: 753). Die demotisch orientierte, nationale Identifikation ist auf die Akzeptanz der demokratischen Selbstbestimmung konzentriert (Lepsius, 1986: 753).

Der Demos steht nach Francis in keinem Zusammenhang mit der Vorstellung des Ethnos, da das demokratische Prinzip zwar das Vorhandensein eines Demos als den legitimen Träger des politischen Willens voraussetze, aber nicht dessen ethnische Homogenität verlange (Westle 199: 28). Ethnische Gesichtspunkte spielen nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle (Richter, 1994: 313). Durch seine Einbindung in eine politische Ordnung ist der „Demos“ nach Francis verfassungsmäßig konkret definiert. Die politische Verfassung des Demos ist eine eigene Wertentscheidung, die sich nie auf ein spezifisches Schickregionaler Sonderstellungen in kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Angelegenheiten (Nohlen 2001: 430). sal eines Volkes zurückführen lässt. Deshalb lassen sich für die Kriterien der Verfassung des Demos weder aus zugeschriebenen Eigenschaften noch aus einer Rekonstruktion seiner Geschichte herleiten (Lepsius 1986: 756). Ethnische -kulturelle Nationalidee und politisch demokratische Verfassung der Staatsbürgernation sind also scharf getrennt (Lepsius 1986: 755).

Neben dem „ethnischen“ Nationalismus, gibt es gemäß dem demotischen Nationentyp auch den „civic nationalism“ oder den Patriotismus. Er „soll sich von seiner ethnischen Bedeutung her nicht lediglich auf die bloß faktische Herkunft aus einer Nation gründen, sondern auf die mit der national geprägten Gemeinschaft verbundene und vermittelte Sittlichkeit“ (Kluxen-Pyta 1990: 124). Generell schließt er alle politischkulturellen Gruppen ein und wird als liberal, willentlich, universalistisch und „gut“ beschrieben (Brubaker 1999:56). Außerdem sind innergesellschaftliche Vielfalt, demokratische Prinzipien, Mitbestimmung und das Ernstnehmen verfassungsmäßiger Grundrechte charakteristisch (Schmidt 1998: 270). Neben der Verfassung sind demokratische politische Institutionen unter anderem Bezugspunkte des demokratieförderlichen Patriotismus (Nohlen 2001: 314).

Der demotischen Nationendefinition wird also eine größere Kompatibilität mit der Demokratie zugeschrieben als der ethnischen Nationendefinition, da sie eng mit dem Konzept der Demokratie verknüpft ist. Auch eine höhere Friedfähigkeit im Inneren sowie im Äußeren misst man ihr bei, da sie ethnisch durchmischt ist (Westle, 1999a: 280). Folgende Tabelle Nr. 2 zeigt die beiden Typen des Staatsverständnisses noch einmal auf:

Tabelle 2: Zusammenfassung ethisches/demotisches Nationenverständnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung (Vgl. Francis 1965, Lepsius 1986)

2.2.3. Zusammenfassende Diskussion und Kritik

Das Ethnos darf nach Francis und Lepsius inhaltlich nicht wirksam werden auf die Verfassung des Demos. Die Aufwertung ethnischer Merkmale als Bestimmungsgründe für die politische Verfassung, die Ableitung der Formung des Demos aus Eigenschaften des „Ethnos“ führt der Tendenz nach zu einer Verschleierung politischer Werteentscheidungen (Lepsius 1986: 756). Daraus folgt, dass die Gleichsetzung von Demos als Träger der politischen Souveränität mit dem Ethnos zu einer Unterdrückung oder Zwangsassimilation von anderen ethnischen, kulturellen, religiösen oder sozio- ökonomischen Bevölkerungsteilen innerhalb eines politischen Verbandes führt (Lepsius 1986: 753).

Diese Gleichsetzung führte immer wieder zu politischen Auseinandersetzungen in den unterschiedlichsten geographischen und kulturellen Kontexten. Ethnischer Pluralismus in Nationalitätenstaaten und stabile demokratische Herrschaft wurden in der normativen Demokratietheorie immer wieder als problematisch beurteilt (Kraus 1996: 50). Ethnischregionale Konflikte hängen in starkem Maße vom Charakter der politischen Verfassung einer Gesellschaft wie auch von den Aktionen des Zentralstaates ab (Haller 1993: 45).

Spannungsverhältnisse in multiethnischen Staaten wie in Spanien können zu großen Konflikten führen, müssen dies allerdings nicht. Es gibt auch das andere Extrem: die vollständige Befriedigung und Integration des Spannungsverhältnisses zwischen zentralen und regionalen Interessen, welches auf der Einschließung der regionalen Besonderheiten in die nationale Kultur, in ihrer Anerkennung als legitime, konstitutive Bestandteile der „Nation“ beruht. So kann Ethnizität als Beitrag zu nationaler Kultur verstanden werden, der ihre Vielfalt und Reichtum vergrößert (Kößler /Schiel 1995: 16f). Langfristig ist die Existenz einer „multinationalen Gesellschaft“ nur in zentralistischen-autoritären oder aber in föderalen verfassten demokratischen Staaten möglich (Haller 1993: 45).

Die typologische Trennung zwischen Ethnos und Demos bzw. zwischen ethnisch-kultureller Nationalidee und der normativen Verbindung einer demokratischen Verfassung an den demotischen Nationenbegriff hat in den letzten Jahren allerdings von verschiedenen Seiten Kritik erfahren (Vgl.: Brubaker 1999, Brown 1998, 1999, Richter 1994, Kraus 1996). So wird u.a. bemängelt, dass die in der Trennung von Ethnos und Demos anklingenden Gegensätzlichkeiten von „ethnic nation“ und „civic nation“ (ethnische und demotische Nation) in der Realität selten in Reinform auftreten. Es stellt sich das Problem, dass die nationalstaatliche Realität die Grenzen zwischen diesen Idealtypen immer wieder verwischt (Kraus, 1996: 61). Es gibt kaum demotische Nationen, die sich nur am Prinzip der kulturellen Neutralität orientieren, sondern sie tendieren dazu, minoritäre Kulturen zu assimilieren. Heute wird von einer Koexistenz im kollektiven Selbstverständnis beider Prinzipien des Ethnos und Demos in westeuropäischen Staaten ausgegangen (Westle 1999a:280).

Außerdem lässt sich die Politisierung von Ethnizität als Ausgangspunkt für die Entstehung einer nationalistischen Bewegung ansehen. Durch diese Politisierung ist es oft unmöglich, eine klare begriffliche Trennung zwischen einer „ethnischen Gruppe“, einer Nationalität und - sobald eine politisierte ethnische Gemeinschaft über institutionalisierte Gruppenrechte verfügt - einer „Nation“ als politischem Verband aufrechtzuerhalten. So entwickeln sich die Übergänge zwischen den Konzepten fließend (Kraus 1996: 61).

Ein weiterer Punkt ist, dass sich in der modernen Weltgesellschaft von Nationalstaaten nur wenige Beispiele für Demokratien finden lassen, die nicht auch in einem ethnischen Begründungszusammenhang entstanden sind. Es spielt deshalb nur eine untergeordnete Rolle, ob ein Nationalstaat sich als Produkt des Staatsnationalismus (der Staat schafft die Nation) oder des Ethnonationalismus (die Nation bringt „ihren“ Staat hervor) begreift: Die Symbiose beider Nationalismustypen mit der Idee der Volkssouveränität zeigte in der Praxis ähnliche Resultate (Kraus 1996: 67).

Für die empirische Forschung stellt sich hier nicht die Frage, ob nur das analytische Konzept des demotischen Nationalstaats in der Lage ist, nationale Identitätsphänomene zu erfassen. Die idealtypische Unterscheidung von Ethnos und Demos ist in diesem Fall durchaus gehaltvoll und hilfreich bei der empirischen Analyse. Diese Typologie stellt ein analytisches Instrument zur Untersuchung ihres empirischen Realitätsgehalts in Spanien dar (Westle 1999b: 35). So lassen sich durch die typologische Unterscheidung in Ethnos und Demos entsprechende Veränderungen der nationalen Identität innerhalb von Staaten hin zu einer stärker ethnischen oder demotischen Prägung herausarbeiten (Westle 1999b: 35).

2.3. Identitätskonzepte

Wie der Nationenbegriff weisen auch die Konzepte nationaler Identität auf der Mikroebene eine große Spannbreite und konkurrierende Vorstellungen auf. Es werden deshalb vor allem die relevanten Theorien der kollektiven und nationalen Identität für das Forschungsvorhaben vorgestellt, die auf der sozialpsychologischen Theorie der sozialen Identität von Tajfel und Turner (1986) basieren.

2.3.1. Identitätsbegriff und kollektive Identität als Teilbereich der sozialen Identität

Der Begriff „Identität“ wird häufig in politikwissenschaftlichen und sozialpsychologischen Arbeiten verwendet. Im politikwissenschaftlichen Sinne wird er oft im Sinne eines Zugehörigkeitsgefühls gebraucht (Riketta /Wakenhut 1998: 17) bzw. auf historische Forschungen zur Nationenbildung zurückgegriffen (Westle 1999b: 35). Sozialpsychologische Ansätze, die heute mit den politikwissenschaftlichen und soziologischen Nationen-Konzepten verknüpft werden, stützen sich dagegen auf das Konzept der sozialen Identität (Tajfel/Turner 1986) wie ihre weitere Präzision der Theorie der Selbstkategorisierung (vgl. Turner 1987, Oakes et al. 1994). Persönliche und Gruppenidentitäten spielen hierbei eine wichtige Rolle (Westle 1999b: 35), die Bildung der Nationalität gilt als eine Form der sozialer Kategorisierung (Nicklas 1996: 77).

Menschliche Individuen haben ein emotionales Bedürfnis danach, sich mit anderen menschlichen Individuen und sozialen Gruppen zu identifizieren, also neben ihrer individuellen bzw. personalen Identität soziale Identitäten auszubilden. Soziale Identität ist die über die Mitgliedschaft in Gruppen bis hin zum Anteil an Kollektiven wie Geschlecht oder Nation vermittelte Identität. Sie stellt die Voraussetzung für die kollektive Identität dar (Weller 1999: 265f).

Diese kollektive Identität ist das Produkt von Kommunikation und Interaktion innerhalb einer sozialen Gruppe, die sich bestimmter, mehr oder minder objektivierbarer Gemeinsamkeiten bewusst ist (ingroup). Sie betont diese Gemeinsamkeiten in Abgrenzung zu anderen Individuen und Gruppen (outgroup) als identitätsbildend. Das heißt, dass durch das Selbstbild und Wir-Bewusstsein einer Gruppe von Individuen sich diese durch bestimmte Gemeinsamkeiten von ihrer Umwelt abgrenzen (Weller 1999: 266f). Auf Grundlage der sozialen Identität dieser IdentitätsTheorie bietet sich die Möglichkeit, ganz verschiedene kollektive Identitäten zu analysieren. Personen können sich zu einem territorialen Kollektiv zuordnen, sei es lokal, autonom, national oder international. Es gibt verschiedene Ebenen mit unterschiedlich großem Umfang des Kollektivs (Stadt, Dorf, Region, Spanien, Kontinent, Welt) (Sangrador Garcia 1996: 26).

2.3.2. Nationale und regionale Identität

Nationale und regionale Identität sind spezifische Formen kollektiver Identität (Weller 1999: 259). Sie basieren zum einen auf der subjektiven Identifikation mit der „Nation“ oder „Region“ und der emotionalen Bewertung dieser als Ganzes (Schmidt 1998: 270). Mit „kollektiver Identität“ wird also vor allem auf den subjektiven Aspekt der Gemeinschaft abgehoben. Doch spielen auch gemeinsame objektive Merkmale, wie z.B. Sprache, Kultur oder Geschichte eine wichtige Rolle als wichtige Identifikationsmerkmale für diese Identitäten (Weller 1999: 259). Das kommt auch in Estels Definition zur kollektiven, nationalen Identität zum Ausdruck. Sie basiert auf der Konstruktion einer gemeinsamen Geschichte, die durch nationale politisch-kulturelle Eliten verbreitet und in eine allgemeinverbindliche soziale Ordnung durch diese Eliten transformiert wird (Estel 1994: 44). Objektive Merkmale stellen hier also die inhaltliche Grundlage für nationale Identität dar.

Für manche Personen ist die Zugehörigkeit zu einem Kollektiv bzw. einer Nation oder Region sehr wichtig, für andere nicht. Die jeweiligen Extrempole werden als nicht zu günstig betrachtet (Nationalismus, bzw. zu geringes Nationenbewusstsein) (Sangrador-Garcia 1996: 26). Das bedeutet, dass nationale Identität positive oder negative politische Funktionen ausbilden kann: So wird analog der Nationenunterscheidung in Demos und Ethnos hier zwischen gesundem Patriotismus und exzessivem Nationalismus unterschieden (Westle 1999b: 37).

Staatliche, kollektive Identität, die „nationale Identität“, kann zu regionalethnischen und kulturellen Identitäten in Konkurrenz stehen (Minderheitenkonflikte). Allgemein gilt, wenn kollektive, nationale und regionale Identitäten komplementär sind, sie dann die vertikale Kooperation zwischen Nation und Region begünstigen. Instabilität in Form von Konflikten (Regionalismus, Nationalismus) entsteht dann, wenn die regionale und die übergeordnete Identität gegensätzlich wahrgenommen werden oder in Widerspruch kommen (Schmitt-Egner 1999: 141).

Identitäten können also ebenso ethnisch oder demotisch ausgeprägt sein. Dabei kann ein größeres Kollektiv mehrere kleine Identitätsgruppen umfassen, die von der übergeordneten „nationalen Identität“ abweichen können.

2.4. Historische Entwicklung und heutige Situation in Spanien

Lange Zeit galt Spanien in der Geschichtsschreibung als ein früh geeinter, europäischer Nationalstaat (Linz 1973: 32-116). Doch lassen sozialer und kultureller Zusammenhalt, die die Einheit Spaniens ausmachen, nicht die internen Widersprüche und Gegensätze verblassen.

Spain … is a state for all Spaniards, a nation - state for a large part of the Spanish population, and only a state but not a nation for important minorities” (Linz 1975: 423 )

Im Laufe der Geschichte ist es zwar gelungen, mit machtpolitischen Mitteln ein rechtlich und verwaltungsmäßig vereinigtes Territorium, also einen Staat, zu bilden. Angesichts der Sonderentwicklung der Peripherien blieb es jedoch problematisch und fraglich, ob eine Nation als kulturelle Bezugsgemeinschaft mit einer die Staatsbürger einenden Identität konstruiert wurde (Koninski 1982: 157). „State- und Nationbuilding“[26] klafften also auseinander (Hettlage 1994:166). Trotz theoretischer religiöser und politischer Einheit war die Vielfalt das herausragende Charakteristika der spanischen Geschichte (Bernecker 2002:7). Wie oben geschildert, trugen diese geschichtliche Hintergründe nicht zur Bildung eines Nationalstaates, sondern eines Nationalitätenstaates bei. Spannungen zwischen politischen Vereinheitlichungstendenzen und kultureller Verschiedenartigkeit blieben bis heute ein Grundzug der spanischen Entwicklung (Bernecker 2002: 8). Da vor allem neuere Tendenzen von Relevanz für diese Arbeit sind, wird im Folgenden vor allem auf die Etappe ab dem Franco-Regime eingegangen, um dann die heutige Lage in Spanien zu beschreiben.

2.4.1. Historischer Befund bis zum Franco- Regime

Spanien ist durch das starke Eigenleben multipler Regionen, die sich oft als Nationen verstanden haben, gekennzeichnet. Vier Sprachen, eigene Kulturen, unterschiedliche Rechtssysteme und Institutionen sind Kennzeichen der spanischen Entwicklung. Diese geht bis zur Eroberung der islamischen Königreiche zurück, aus der sich regional unterschiedliche Institutionen und Traditionen herausbildeten (Puhle 1994: 190). Das Staatsgebilde war lange eine instabile Allianz christlicher, unabhängiger Königreiche (Navarra, (Kastilien)-León, Aragón, Katalonien) (Hettlage 1994: 148) dessen Einheitsidee auf der christlichen Opposition gegen die islamische Bedrohung beruhte. Regionale Traditionen, Identifikationen und Institutionen waren und sind nach wie vor in Spanien -vor allem durch die Personalunion der Krone seit Karl V.- von starker Wirkung und Dauer (Puhle 1994: 190).

Forciertes „state building“ durch absolutistische Vereinheitlichung, Zentralisierung, Ausbau staatlicher Lenkung und Abschöpfung der zentralen Bürokratie geschah in drei Schüben (Puhle 1994: 190): Der erste Schub fing mit der Machtübernahme der Bourbonen Anfang des 18. Jahrhunderts an. Hier verlor Katalonien seine eigene Regierung, aber noch nicht alle Rechte und Institutionen. Die bourbonischen Reformen vertieften die Zentralisierung und den Ausbau der Bürokratie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Der zweite Schub bezieht sich auf die Wegnahme der regionalen Vorund Autonomierechte nach dem Ende der dritten Karlistenkriege 1868. Auch die deutlichen Ansätze zum Ausbau der staatlichen Interventionen in Wirtschaft und Gesellschaft bis zur Diktatur von Primo de Rivera in den 20er Jahren wirkten sich zentralisierend aus.

Der verstärkende dritte Schub vollzog sich während des Franco- Regimes. Dieses stellte die extremste Form des Zentralismus in der Neuzeit dar (Puhle 1994: 191).

2.4.2. Autoritäres Franco-Regime

Am 1.4.1939 endete der Bürgerkrieg[27] mit dem Sieg der Frankisten. Die Gesellschaft war tief gespalten in frankistische Sieger und republikanische Verlierer (Bernecker 2002: 171-174). Franco sah nun die Chance gekommen, ein vereintes, freies Großspanien zu schaffen. Kulturelle, ethnisch-regionale Differenzierung musste ausgelöscht und ein zentralistischer Einheitsstaat geschaffen werden (Hettlage 1994: 158f).

Bestimmend für den politischen Prozess war die außerordentlich hohe Konzentration der Macht in der Person des Staatschefs. Dieser verstand es, die zum Teil gegensätzlichen gesellschaftlichen und ideologischen Kräfte in das Regime einzubinden, sie auszubalancieren und gegebenenfalls zu neutralisieren. Der katholische Staat, monarchistische Staatsform und standesähnliche Struktur wurden für alle verpflichtend. Nach dem Scheitern der Autarkiepolitik[28] waren es in den sechziger Jahren konservative, technokratische Eliten[29] (Opus Dei), die an die Schalthebel der Macht kamen (Vgl. Bernecker 2002: 185ff).

Das zentralistische Franco-Regime hatte durch seine harten Maßnahmen alle Bestrebungen nach Eigenart oder Eigenständigkeit zu unterdrücken versucht (Nohlen/Hildenbrand 1992a: 295). Kulturell wurde die Einheit Spaniens unter Franco durch einheitliche Kultur und Sprache symbolisiert. Differenzierung bedeutete Separatismus. Kastilisch galt als einzig offizielle Sprache und als das Symbol der Einheit der Nation. Am härtesten betroffen waren die Regionen mit dem stärksten regionalen Bewusstsein, das Baskenland und Katalonien. Dort wurde unter Franco der Gebrauch der „Regionalsprachen“ in Öffentlichkeit und Verwaltung verboten (Gonzáles Encinar, 1992: 218). Außerdem verloren die Regionen jegliches Bestimmungsrecht in der Wirtschafts-, Innen-, Kultur- und Sozialpolitik (Hettlage 1994: 158f). Durch die fremde Besatzungsmacht aus Madrid lebte das kulturelle Minderheitsbewusstsein noch mehr auf und stärkte die innere Solidarität (Waldmann, 1989: 69f). Trotz der Versuche Francos, die regionalen Identitäten zu zerstören, blühte der Regionalismus in Spanien als kulturelles, sprachliches, politisches und ökonomisches Phänomen (Hettlage, 1994: 161).

Erst in den siebziger Jahren konnte sich Spanien in Richtung Demokratie bewegen. Dieser Demokratisierungsprozess resultierte nicht wie oft in totalitären Regimes aus einer revolutionären Bewegung, sondern aus den politischen Institutionen des Regimes heraus. Er geschah einmal durch Druck von außen (Forderung des europäischen Auslands nach Demokratisierung, Wirtschaftskrise) und zum andern durch Druck von innen (Wirtschaftseliten, König) (Nohlen/Hildenbrand 1992a: 276f). Für den Elitenwettbewerb wurde schon in Francos Lebzeiten der Spielraum des Regimes zu eng, doch wagte an der Festung Francos zu dieser Zeit niemand zu rütteln. Dafür war dieser Wettbewerb schon auf den Tag danach ausgerichtet. Die frankistischen Eliten wussten, dass Franco einzigartig und unersetzbar war. Mit seinem Tod musste auch sein Frankismus untergehen (Nohlen/ Hildenbrand, 1992a: 274-275).

Die politische Dezentralisierung nach Francos Tod am 20. November 1975 stellte eine der tiefgreifendsten Wandlungen in der Geschichte Spaniens dar. Aus den Entwicklungen in den Peripherien resultiert, dass ein demokratischer Neuanfang nach Francos Tod zuerst die Regionalfrage lösen musste (Hettlage 1994: 160).

2.4.3. Wandel in einen demokratischen EU-Staat und eine neue Verfassung

Während der Transitionsphase oder dem Übergang zur Demokratie wurden die autoritären Strukturen des Frankismus in rapidem Tempo abgebaut und durch demokratische Institutionen ersetzt. Basken und Katalanen forderten die Wiederherstellung ihrer Institutionen und Selbstregierung. Auch in den anderen Regionen wurden Autonomieforderungen laut. Aus Konfrontationen zwischen unterschiedlichen Positionen entstand dann ein Verfassungskompromiss (Hettlage 1994:163). Die demokratische Verfassung wurde Ende Oktober 1978 nach intensiver Diskussion vom Parlament verabschiedet (Hettlage 1994: 164). Der asymmetrische Bundesstaat[30] (González Encinar 1992: 227) ist nun ein demokratischer und sozialer Rechtstaat. Die Souveränität gehört dem spanischen Volk, von dem alle Gewalten des Staates ausgehen. Regierungsform ist eine parlamentarische Monarchie, wobei der König der Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und seine Krone vererbt wird (del Burgo 2001: 21).

Die Verfassung stützt sich auf die "unauflösliche Einheit der spanischen Nation" (Art. 2 spanische Verfassung), erkennt gleichzeitig die Existenz von Nationalitäten und Regionen an und räumt diesen das Autonomierecht[31] ein (del Burgo 2001: 21). Nationalitäten und Regionen besitzen demnach das „Recht auf Selbstverwaltung“ (González Encinar 1992: 221f), oder einen Autonomiestatus (del Burgo 2001: 21).

Die 17 autonomen Regionen Spaniens bildeten sich ab 1979 bis 1982 heraus (del Burgo 2001: 21). Durch die Trennung von Nationalitäten und Regionen wurde den Vorstellungen der historischen Nationalitäten (Baskenland, Katalonien und Galizien) Rechnung getragen (Hettlage 1994: 163-164). Obwohl die Existenz von „Nationalitäten“ anerkannt wird, gibt es aber hinsichtlich der Verfassung nur eine Nation (del Burgo 2001: 21).

Die Verteilung der Kompetenzen zwischen Zentralstaat und autonomen Gemeinschaften war bei der Verfassungsausarbeitung eine der umstrittensten Fragen (Nohlen/ Hildenbrand 1992a: 318) und wird im Folgenden genauer betrachtet.

2.4.4. Kompetenzverteilung innerhalb Spaniens

Spanien ist keine Föderation von Staaten, es ist aber auch kein Zentralstaat. Aus politischen Gründen hatten sich die spanischen Verfassungsväter seinerzeit bei der territorialen Ordnung für das Konzept der Territorialautonomie (López-Pina 2001: 5) bzw. des asymmetrischen Föderalismus[32] entschieden (Schneckener/Senghaas 1997: 18). Während Territorialautonomie eine Form der Dezentralisierung darstellt, beruht der Föderalismus auf einer polyzentrischen Struktur. Unter Territorialautonomie kann das Delegieren von Machtbefugnissen an eine untere Ebene verstanden werden, das durch einfache Gesetze (Autonomiestatute [33] ) ebenso wie durch ein "Verfassungsrecht auf Autonomie" geschehen kann. Föderalismus beinhaltet hingegen eine verfassungsmäßig garantierte Machtaufteilung zwischen Gesamtstaat und föderalen Gliedstaaten (Schneckener/Senghaas 1997: 16) .

Das Konzept der Territorialautonomie bezieht sich auf die Selbstverwaltung für ein bestimmtes Gebiet, meistens auf eine historische Region, in der eine nationale Minderheit die örtliche Mehrheit stellt. (Schneckener/Senghaas 1997: 16f).

Als wichtige Kriterien für den Grad der Autonomie gelten:

1.) die Existenz von gewählten Entscheidungsträgern
2.) die Möglichkeiten der eigenen Gesetzgebung
3.) die unabhängige Finanzverwaltung (z.B. durch Steuerhoheit) (Suksi 1997: 225).

Alle Regionen besitzen in Spanien die gleichen gewählten Organe: Regierungen und gesetzgebende Parlamente, die jeweils neben dem spanischen Parlament stehen. Der Präsident der autonomen Gemeinschaft ist der Chef der jeweiligen Regierung bzw. Exekutive. Er ist zugleich oberster Repräsentant der autonomen Gemeinschaft sowie Vertreter des Staates in ihr. Das Parlament wählt ihn aus den Reihen seiner Mitglieder. Die Parlamente selbst werden aus allgemeinen und direkten Wahlen gebildet[34] (Vgl. Nohlen/Hildenbrand 1992a: 315ff).

Die Möglichkeit zur Gesetzgebung sind in der spanischen Verfassung geregelt. Sie enthält einen Katalog von Sachgebieten, die zur ausschließlichen Zuständigkeit der Zentralgewalt zählen (Art. 149 Abs. 1 CE), und sie bestimmt zusätzlich, dass die nicht ausdrücklich dem Staat zugeordneten Materien von der Autonomen Gemeinschaft im Autonomienstatut übernommen werden können (Art. 149 Abs. 3 S. 1CE). Allerdings stehen alle Materien dem Staat zu, die vorher nicht eindeutig dem Staat zugewiesen oder im Autonomiestatut aufgenommen wurden. Außerdem können die Autonomen Gemeinschaften unterschiedlich viele und weit reichende Kompetenzen übernehmen (Ibler 2001: 34).

Die Kompetenzen, die auf Grundlage der Verfassung und der Autonomiestatute von der Zentralregierung an die regionalen Parlamente und Regierungen übertragen wurden, konzentrieren sich auf Bereiche der internen Kommunikation, der Kultur und Erziehung, bestimmte Ordnungsfunktionen, institutionelle Regelungen sowie die Koordination lokaler Institutionen, lokalen Verwaltungshandelns und lokaler Steuern (Puhle 1994: 206). Allgemein ist die Regelung als relativ zentralstaatfreundlich zu bezeichnen (Ibler 2001: 34).

Im Rahmen der Finanzverwaltung haben die Regelungen für den interregionalen Finanzausgleich zwischen den Regionen und der Zentrale eindeutig die „starken“ Regionen bevorzugt (Puhle 1994: 206). Die Ausnahme bildet das Baskenland, das aufgrund traditioneller Vorrechte ("fueros") als einzige spanische "Communidad" über eine verfassungsmäßig garantierte Steuer- und Finanzhoheit verfügt (Schneckener/Senghaas 1997: 17), sowie die Katalanen, die ebenso ein besonderes Abkommen erhalten haben (vgl. Puhle 1994: 206). Sonst findet sich die Möglichkeit, eigene Steuern zu erheben, in Spanien kaum. Die autonomen Regionen werden generell aus Steuern finanziert, die durch den Staat eingezogen werden, und auf die die autonomen Gebiete einen gesetzlichen Anspruch haben (z.B. interterritorialer Ausgleichsfonds). Diese Analyse zeigt, dass die meisten Autonomiegebiete finanziell abhängig von der Zentralregierung sind, was immer wieder Anlass für Konflikte zwischen den beiden Ebenen bietet (Schneckener/Senghaas 1997: 17).

Durch gesonderte Regelungen im Hinblick auf die Kompetenzniveaus[35] und den Finanzausgleich haben sich inzwischen drei Klassen von Autonomien etabliert:

Katalonien und das Baskenland, die ganz oder überwiegend von ihren jeweiligen „nationalistischen“ Parteien regiert werden, die anderen großen kulturelle starken Regionen wie Galizien, Asturien, Valencia und auch Andalusien, Aragón und die Inselregionen (Kanarische Inseln, Balearen) sowie die restlichen autonomen Gemeinschaften (Puhle 1994: 206). Als abschließende Bewertung lassen sich die Mitwirkungsmöglichkeiten der CCAA[36] hinsichtich der Einflussnahme auf die Gesetzgebung des Gesamtstaates, der Sicherung der Eigenständigkeit durch die Finanzverteilung und sich selbst eine Verfassung zu geben als schwach bezeichnen. Insgesamt hat die spanische Machtverteilung deutliche Tendenzen zum Zentralstaat (Ibler 2001: 36-41).

2.5. Entwicklungen der Nationalismen und Regionalismen

Spanien war für viele nur ein Staat, aber keine Nation geworden (Vgl. Linz 1973: 79). Verschiedene Regionen in Spanien zeigen verschiedene Ausprägungen von Nationalismus bzw. Regionalismus. Am meisten betrifft dies die zwei historischen Nationalitäten Baskenland und Katalonien. Sie zeigen nach wie vor die größten Spannungen und werden im Folgenden ausführlicher als die kleineren Regionalismen charakterisiert.

2.5.1. Periphere Nationalismen in Katalonien und im Baskenland

Baskische und katalanische Nationalbewegungen sind nach Gerhard Brunn (1999: 29) Bewegungen von Nationen, die Recht auf einen eigenen Staat erheben, sich schließlich mit der Forderung nach weitgehender Autonomie innerhalb des spanischen Staates zufrieden gegeben haben. Sie stellen aber ein klassisches Beispiel dafür dar, dass regionalistische Bewegungen „regionbuilding“ so wie kulturnationale Bewe gungen „nationbuilding“ betreiben. Diese weiten sich dann teilweise zu Nationalbewegungen aus, vor allem dann, wenn sie ihre Forderungen ethnisch und mit einer eigenständigen Geschichte begründen, ob real oder erfunden. Baskischer Nationalismus wird oft auch als MiniNationalismus bezeichnet (Brunn 1999: 29).

In der vergleichenden Analyse der nationalen Bewegungen hat Miroslav Hroch den „kleinen“ meist ost- oder ostmitteleuropäischen Völkern vorgeschlagen, drei Entwicklungsstufen auf dem Wege zum politischen Nationalismus zu unterscheiden (1968: 24-26). Diese sind auch in den westeuropäischen Fällen zu erkennen:

Abbildung 1: Entwicklungsphasen des Nationalismus

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung (vgl. Hroch 1968).

Gerhard Brunn hat in Anlehnung an diese Typologie den Beginn der ersten Entwicklungsphase des katalanischen Nationalismus (siehe folgendes Kapitel) auf 1840, den der zweiten Phase auf 1880 und den der dritten Phase auf 1901 (Konsolidierung der nationalen Bewegung als Partei) datiert (1978a: 294f).

Analog hierzu hat Puhle den baskischen Nationalismus um drei Jahrzehnte verspätet datiert: Beginn der ersten Phase um die Mitte der 1870er Jahre, Anfang der zweiten Phase um die Mitte der 90er Jahre (Organisationsgründung Sabino Aranas) und der Durchbruch zur dritten Phase nach 1931 (Beginn der Republik, Wahlerfolge der PNV) (1982: 60f).

2.5.1.1.Katalanischer Nationalismus

In Katalonien hat der (ethnische) Nationalismus wie im Baskenland eine herausragende Bedeutung. Der sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts äußernde Kulturnationalismus („renaixença“, regionale Bewegung), folgte dem Muster anderer nationalistischer Bewegungen in Westeuropa. Die „Renaixença“, die durch die Wiederbelebung katalanischen Geschichtsbewusstseins, katalanischer Sprache und Literatur geprägt war, vollzog sich allmählich zu einer politischen Autonomiebewegung (nationale Bewegung, 1880 I. Katalanisten - Kongress) (Bernecker 2002: 138), die unter anderem aus sozioökonomischen Strukturgegensätzen zwischen Zentrum und Peripherie entstand. Da seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung Kataloniens viel weiter als in den restlichen Regionen fortgeschritten war, begannen sich auch politische Wirkungen zu zeigen. Knapp die Hälfte des industriellen Steueraufkommens von Spanien wurde 1918 in der katalanischen Region erwirtschaftet. Der Agrar-Bereich war um einiges produktiver und konkurrenzfähiger als das Zentrum (Hettlage 1994: 194).

Dieser „nationale Regionalismus“ Kataloniens war zunächst am Aufbau einer modernen, katalanischen Gesellschaft orientiert, forderte später eine politische und rechtliche Re-Katalanisierung (z.B. Wiederherstellung katalanischer Gerichtsbarkeit, politische Entscheidungshoheit) (Hettlage 1994: 154), historische Individualität Kataloniens und wandte sich gegen das unitaristische Regime Spaniens . Das Sonderbewusstsein rührte mit aus der Distanz der Katalanen zum Zentrum Madrid. Spanien wurde als Staat, nicht aber als Nation anerkannt (Bernecker 2002: 138). Unterstützt durch fortschrittsorientierte Industriebürger konnte mit der regionalistischen Liga Kataloniens (1901) eine politische, reformorientierte Massenbewegung heranwachsen, die die Frage der regionalen Autonomie als politische Forderung fest zu ihrem dominierenden Ziel verankerte (Hettlage 1994: 155). Die konservativautonomistische Partei wurde in mehrere Gebieten Kataloniens zur Führungsmacht (Bernecker 2002: 140). Der von allen Volksschichten getragene Nationalismus regte sich dann vor allem in den beiden letzten Jahrzehnten der systematischen Unterdrückung durch das FrancoRegime. Nach dem Übergang zur bürgerlichen Demokratie (Transition) demonstrierten am 11. September 1977 1,5 Mio. Katalanen für die Autonomie (Nohlen/ Hildenbrand 1992a: 297).

Heute verfügt Katalonien als historische Nationalität mit Sonderstatut über ein hohes Niveau an Kompetenzen zur Selbstregierung (siehe Kapitel 2.4.4.). Innerhalb des Autonomiestaates weist es aber institutionell gesehen (auf Meso-Ebene[37] ) keine grundlegenden Unterschiede zu den anderen Regionen und Institutionen auf (gewöhnliches Finanzierungssystem im Gegensatz zum Baskenland) (Kraus 1996:211).

Doch handelt es sich bei Katalonien um eine Gemeinschaft mit relativ starkem Autonomiewillen. Wegen seines kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Eigengewichts fällt Katalonien eine Schlüsselstellung im spanischen Staat zu (Kraus 1996: 211). Zum Beispiel übernahm es bei der Errichtung der Fundamente des Autonomiestaats eine aktive Rolle (Kraus 1996: 212).

Katalonien war schon lange durch intensive Einwanderungstradition geprägt - ein Phänomen, das während des Franco-Regimes quantitativ noch weitaus größere Dimensionen annahm, allerdings ohne die Möglichkeit von Integrationsmaßnahmen der Migranten (Kraus 1996: 214). Alle spanischen Staatsbürger, die in Katalonien ihren Wohnsitz haben, werden vom Autonomiestatut (Art.6) politisch und rechtlich als Katalanen betrachtet. Der eindeutige Verzicht auf politische Betonung kultureller Trennlinien bildet das Selbstverständnis aller wichtigen Strömungen des Katalanismus[38] (Kraus 1996: 233). Sowohl katalanische Links- als auch Rechtsparteien vertreten diese Ansicht. Der katalanische Nationalismus nähert sich deshalb dem nach dem Konzept von Hans Kohn (1968: 66) getroffenen Typus des „offenen“ Nationalismus an, der auf der Grundlage politisch-territorialer Organisationsprinzipien danach trachtet, „fremde“ kulturelle Elemente zu absorbieren. Die Absicht, die eigene Kultur zu wahren, bedeutet deshalb keineswegs die Abschottung gegenüber äußeren Einflüssen (Conversi 1990: 63). Diese „offizielle“ komplexe Definition der katalanischen Identität als ethnonationale

Dimension der Sozialstruktur wird im zweiten Teil durch die subjektive Einstellungen auf der Mikroebene ergänzt (siehe Kapitel 4.1ff) (Kraus 1996: 233).

Des Weiteren ist die Sprache Kernbestandteil der ethnischen Differenzierung in Katalonien. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist sie das konstitutive Merkmal des katalanischen Partikularismus. Sämtliche Strömungen des politischen Katalanismus leiten die Legitimität ihrer Autonomieforderungen gegenüber dem Zentralstaat aus der Existenz einer eigenen Sprache ab. Der ethnische Nationalismus in Katalonien artikuliert sich früher und heute also im Wesentlichen als ein linguistischer Nationalismus (Conversi 1993: 191f). Doch weist die spanische Verfassung das Kastilische eindeutig als einzige offizielle Sprache des gesamten Staatsgebietes aus. Die politische Ordnung gesteht den Nationalitäten zwar linguistische Rechte zu, befreit sie damit jedoch nicht von ihren sprachlichen Pflichten gegenüber dem spanischen Staat (Kraus 1996: 257b).

Das katalanische Parteiensystem entspricht dem Typ des gemäßigten Pluralismus. Unter den seit 1968 gegründeten regionalistischen Parteien wurden die gemäßigt-konservative, von Jordi Pujol geführte CiU (Convergència i Unió[39] ), und die Anfang der 70er Jahre neu organisierte, linksnationalistische ERC (Esquerra Republicana de Cataluna[40] ) zu den wichtigsten Vertretern des Katalanismus, auch wenn sie das Konzept auf verschiedenartige Weise definieren. Die CiU strebt an ein oben nicht begrenztes Maximum an Autonomie für Katalonien, jedoch nicht nach Forderung der Unabhängigkeit vom spanischen Staat (Kraus 1996: 218). Im Kern geht es inhaltlich um das katalanische „nationbuilding“. Sie wird vor allem von wirtschaftlichen Eliten unterstützt. Der Nationalismus der CiU ist eher als moderat zu bezeichnen (Kraus 1996: 227).

[...]


[1] Siehe Kapitel 2.

[2] Beispiel: Katalonien

[3] Siehe Kapitel 2.4., insbesondere 2.4.3.

[4] siehe Kapitel 2.2.1.2.

[5] siehe Kapitel 2.2.1.2., 2.5.

[7] Übergangsphase zur Demokratie. Kapitel 2.4.3.

[8] siehe Kapitel 2.2.

[9] Separatismus bedeutet, dass sie einen eigenen Staat einfordern und als politisches Ziel die Unabhängigkeit anstreben (Nohlen 2001: 445).

[10] Diese Vertiefung geschieht u.a. anhand der engagierten Teilnahme der Bürger in der politischen Entscheidungsfindung und auf allen Ebenen der Institutionen

[11] auch durch Polarisierung der politischen Meinungsbildung durch die Ethnien

[12] Datensatzbeschreibung siehe Kapitel 3: Vorstellung des Datensatzes

[13] Siehe Kapitel 2.3.2.

[14] Theodor Schieder (1965) hat in seinem historisch-typologischen Ansatz den Prozess der „Nationalisierung“ im modernen Europa in drei Etappen eingeteilt. Die erste Phase: Nationalstaat bildet sich durch innerstaatliche Revolution aufbauend auf Volkswillen (Frankreich), zweite Phase: Nation schafft Nationalstaat aus verschiedenen Nationen (Deutschland), dritte Phase: kleine Staaten trennen sich ab aus Großmonarchien (Osteuropa) (1965: 68-70). Andere Autoren (Kohn 1945, Meinecke 1908, Alter 1985, Richter, 1994) finden lediglich andere Bezeichnungen der objektiven und subjektiven Definition, wie westliches und östliches Modell bzw. Volks- oder Kulturnation und Staats- bzw. Staatbürgernation.

[15] Überwindung traditioneller partikularer Loyalitäten, Solidaritäten und Identitäten zugunsten eines neuen Fokus, den die Gemeinschaft der aufzubauenden Nation abgeben soll. Dem Nationenbau werden vornehmlich interne, d.h. integrierende Konsequenzen und Funktionen zugesprochen (Richter 1994: 312).

[16] „Eine Nation ist eine ... Bevölkerung, die eine eigene, arbeitsteilige Gesellschaft auch modernen Zuschnitts bildet ... und deren Angehörige sich mehrheitlich als eigene ethnische oder historische, d.h. durch Gemeinsamkeiten des kollektiven, insbesondere: des politischen Schicksals begründete Einheit verstehen;

[17] Beispielsweise liegen Andalusien und Katalonien im Blick auf religiöses Brauchtum diesseits und in sprachlicher Hinsicht jenseits der politisch-administrativen Grenzen (Goetze 1992: 190).

[18] Bei den spanischen Regionen wird im Fall der historischen Nationalitäten Baskenland, Katalonien und Galizien von Nationen oder Nationalitäten, sonst von Regionen gesprochen.

[19] Voraussetzung ist, dass Nationalitäten in mehr oder weniger großem Ausmaß einem übergeordneten Herrschaftssystem unterworfen sind, während Nationen der Idee nach souverän in der Bestimmung ihrer politischen Fähigkeiten sind. Sie besitzen nur relative Autonomie innerhalb des Gesamtstaates (Francis 1965: 180).

[20] Ethnisch-homogene Gesellschaften: keine signifikanten ethnischen Subgruppen.

[21] In dieser Arbeit werden „ethnisch -plural“ und „multiethnisch“ als allgemeine Oberbegriffe für alle Formen innergesellschaftlicher soziokultureller (ethnischer oder nationaler) Differenzierung verwendet.

[22] Siehe folgendes Kapitel

[23] „bürgerlicher Nationalismus“, demotisch, siehe Kapitel 2.2.2.

[24] ETA= Euskadi Ta Askatasuna= Baskenland und Freiheit

[25] Aus innenstaatlicher Sicht basiert Regionalismus auf der internen Differenzierung von Einheiten in homogene abgrenzbare regionale Räume, der Betonung der regionalen Unterschiedlichkeit und der Teilfunktion nalistische Bewegungen bilden, die bestrebt sind, für die Nation den Status eines Nationalstaates zur erreichen (Unabhängigkeit, Separatismus) (Schmitt-Egner 1999: 145). Der Regionalismus greift meistens nicht so weit. Er möchte höchstens Autonomie bzw. eine unabhängige Regierung erreichen, wie z.B. die Katalanen (Schmitt-Egner 1999: 141).

[26] Siehe Kapitel 2.1., 2.1.1.

[27] Während des Bürgerkriegs 1936-39 standen sich Volksfront (Sozialisten und Kommunisten, Republikanische Linke, regionalistische Kräfte und Anarchisten) und Nationale Front (katholische Konservative, Monarchisten verschiedener Richtungen, Rechtsrepublikaner und die faschistische Falange (Partei Francos)) gegenüber (Bernecker 2002: 167). Entscheidende Wende nahm der Bürgerkrieg durch Einfluss der Achsenmächte (z.B. deutsch-italienische Militär- und Truppenhilfe). Durch diese Unterstützung siegten am Ende die nationale Front, bzw. die Frankisten (Bernecker 2002: 173).

[28] Autarkie: wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Ausland (Fremdwörterbuch 1994: 89)

[29] Elite: Minderheit, die dem Rest der Gesellschaft überlegen ist und durch Auslese zustande kommt (Nohlen 2001: 73).

[30] Siehe folgendes Kapitel: Die Organe und Kompetenzverteilungen der autonomen Gemeinschaften

[31] Dieses Recht wird durch Gründung von autonomen Gemeinschaften ausgeübt, die in demokratischen Prozessen aus den ehemaligen Provinzen entstanden sind.

[32] Im asymmetrischen Föderalismus sind Befugnisse der insgesamt 17 "Autonomen Gemeinschaften" uneinheitlich verteilt, sie besitzen unterschiedliche Kompetenzen (Schneckener/Senghaas 1997: 18)

[33] Autonomiestatute sind besondere Gesetze des spanischen Parlaments, keine Staatenverfassungen (Ibler 2001: 35).

[34] Zur Beschreibung des spanischen Wahlsystems samt Abbildung sei auf den Anhang Kapitel 2 verwiesen. Sonderregelungen gibt es vor allem im Baskenland und Katalonien, wie z.B. die vorzeitige Parlamentsauflösung oder der Misstrauensantrag (nur im Baskenland gegenüber Landesminister). Lediglich die Präsidenten der Autonomen Gemeinschaften des Baskenlandes und Kataloniens haben ein Recht zur vorzeitigen Parlamentsauflösung (Nohlen/Hildenbrand 1992a: 316).

[35] Materien, in denen die Autonomien Kompetenzen ausüben können

[36] Abkürzung für „Comunidades Autonomas“ =autonome Regionen Spaniens

[37] Ebene zwischen Mikro- und Makroebene. Die Ebene der Institutionen, Regierungen etc.

[38] Katalanischer Nationalismus

[39] Ein Überblick aller spanischer Parteien wird unter4.1.5. gegeben. CiU: Katalanische Nationalisten, Mitte-rechts

[40] Katalanische Linke

Ende der Leseprobe aus 185 Seiten

Details

Titel
Nationale und regionale Identitäten in Spanien
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Sozialwissenschaftliche Fakultät)
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
185
Katalognummer
V19938
ISBN (eBook)
9783638239608
Dateigröße
1577 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nationale, Identitäten, Spanien
Arbeit zitieren
Ulrike Reitmann (Autor:in), 2002, Nationale und regionale Identitäten in Spanien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19938

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