Nach Dieter Grimm wird „Verfassung“ seit den ideengeschichtlichen Umwälzungen des späten 18. Jahrhunderts als „Normenkomplex identifiziert, der die Einrichtung und Ausübung der Staatsgewalt sowie die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft grundlegend regelt. Sie ist das dem Souverän zugeschriebene, die Staatsorgane bindende und insofern vorrangige, meist in einer Urkunde zusammengefaßte und erschwert änderbare Recht“. In „The Law of Peoples“ entwirft John Rawls die „realistische Utopie“ einer „Society of Peoples“, in der Kants oben genanntes „negatives Surrogat“ in Konzept und Bedingungen stark nachhallt. Der Begriff der realistischen Utopie ist auch im liberalen Spektrum des europäischen Verfassungsdiskurses angekommen und versucht den Fokus der Finalitätsdebatte vom Ziel auf den Weg zur Realisierung zu lenken; nicht etwa, um das Ziel eines formal verfassten Europas zu marginalisieren, sondern um Freiraum für eine konzeptionelle Ausgestaltung verschiedener Dimensionen vom Theoretischen (Menschenrechte, Gerechtigkeit im vereinten Europa) zum Konkreten (Verwaltungsorganisation, demokratisches Verfahren etc.) zu gewinnen. „Braucht die Welt eine Verfassung“ war die Ausgangsfrage unserer Diskussion. In dieser Arbeit möchte ich mich auf der Suche nach einer Antwort aus zwei Richtungen annähern: In einem ersten Abschnitt über die Reichweite und Grenzen des Verfassungsbegriffes. In einem zweiten Abschnitt über die Beschaffenheit der „Welt“ als politischem Interaktions-, aber auch Rechtsraum im Spiegel von Kants civitas gentium, der die Idee einer Weltverfassung eigen ist. Zusammengeführt werden diese Überlegungen abschließend in einer Auseinandersetzung mit dem Konzept der realistischen Utopie. Dabei wird die Frage zu klären sein, ob „eine Verfassung“ für „die Welt“ nicht letztlich eine unrealistische Utopie darstellt. Dem begrenzten Umfang der Arbeit entsprechend wird vieles skizzenhaft bleiben müssen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Verfassung
- Dimensionen des Verfassungsbegriffes
- Probleme des Verfassungsbegriffes in den Internationalen Beziehungen
- „Konstitutionalismus“ und internationale „Konstitutionalisierung“?
- Welt und Verfassung
- Kants Civitas Gentium & Rawls „Society of Peoples"
- Beispiel 1: Civitas Gentium und multinationale Verfassungseinheiten
- Beispiel 2: Negatives Surrogat und Vereinte Nationen
- Schlussbetrachtung: Von realistischen und unrealistischen Utopien
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob die Welt eine Verfassung braucht. Sie untersucht die Idee einer Weltverfassung kritisch aus verschiedenen Perspektiven, insbesondere im Hinblick auf die Reichweite und Grenzen des Verfassungsbegriffes sowie die Beschaffenheit der Welt als politischer Interaktions- und Rechtsraum. Die Analyse stützt sich dabei auf das Konzept der „realistischen Utopie“ und untersucht, ob eine Verfassung für die Welt nicht letztlich eine unrealistische Utopie darstellt.
- Der Verfassungsbegriff und seine Dimensionen
- Die Herausforderungen des Verfassungsbegriffes in den internationalen Beziehungen
- Die Rolle von Kants „Civitas Gentium“ und Rawls „Society of Peoples“ im Kontext einer Weltverfassung
- Beispiele für multinationale Verfassungseinheiten und die Rolle der Vereinten Nationen
- Die Frage nach der realistischen Utopie einer Weltverfassung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt die Frage nach der internationalen Friedenssicherung und dem Schutz von Individuen vor Krieg und Leid ein. Sie stellt Kants „Zum ewigen Frieden“ und die beiden darin entwickelten Modelle der Weltrepublik („Civitas Gentium“) und des „negativen Surrogates“ vor.
Verfassung
Dieses Kapitel befasst sich mit dem Verfassungsbegriff und seinen Dimensionen. Es werden der empirische und der normative Verfassungsbegriff unterschieden und ihre zentralen Aufgaben erläutert. Die symbolische Dimension von Verfassungen als „Erinnerungsorte“ wird ebenfalls behandelt.
Welt und Verfassung
Dieses Kapitel untersucht die Idee einer Weltverfassung im Lichte von Kants „Civitas Gentium“ und Rawls „Society of Peoples“. Es werden Beispiele für multinationale Verfassungseinheiten und die Rolle der Vereinten Nationen analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Konzepte von Verfassung, Internationalen Beziehungen, Weltverfassung, „Civitas Gentium“, „Society of Peoples“, „realistische Utopie“, normativer und empirischer Verfassungsbegriff, Friedenssicherung und Schutz von Individuen.
- Quote paper
- Arian Teltschow (Author), 2012, Braucht die Welt eine Verfassung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200379