Simulation zur Planung und Gestaltung von Servicekapazitäten


Bachelorarbeit, 2011

43 Seiten


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

I. Abkürzungsverzeichnis

II. Symbolverzeichnis

III. Abbildungsverzeichnis

IV. Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Service-Systeme im Fokus der Kapazitätsplanung
2.1 Charakteristika von Service-Systemen
2.2 Problemidentifikation und -formulierung
2.2.1 Prozess der Dienstleistungsproduktion
2.2.2 Herausforderungen der Abstimmung von Kapazität und Nachfrage
2.3 Service-Systeme als Warteschlangenmodelle

3. Simulation zur Planung und Gestaltung von Servicekapazitäten
3.1 Simulation als Entscheidungsunterstützung
3.2 Vorgehensweise bei der Simulation unterschiedlicher Servicekapazitäten
3.3 Auswertung von Simulationsläufen
3.4 Statistische Probleme bei endlichen Simulationsläufen
3.4.1 Der Umgang mit der Einschwingphase
3.4.2 Bestimmung der notwendigen Anzahl an Simulationsläufen

4. Anwendungsbeispiel
4.1 Abbildung des Service-Systems als computergestütztes Simulationsmodell
4.2 Auswertung der Simulationsergebnisse .

5. Fazit und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

I. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

II. Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

III. Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.1: Kurzfristiges Modell der Dienstleistungsproduktion

Abb. 2.2: Implikationen von Nachfrageschwankungen bei fixer Kapazität

Abb. 2.3: Zusammenhang zwischen Warteschlangenlänge und Kapazitätsauslastung

Abb. 3.1: Entwicklung von Mittelwert und Standardabweichung im Laufe der Simulation

Abb. 4.1: Struktur des Service-Systems „Bank-Filiale“

Abb. 4.2: WITNESS-Simulationsmodell mit fünf Kundenschaltern

Abb. 4.3: Zusammenhang von Wartezeit, Auslastungsgrad und Anzahl der Kundenschalter

Abb. 4.4: Anzahl der Abfertigungen in Abhängigkeit von der Anzahl an Kundenschaltern

Abb. 7.1: Hierarchiesystem der Kapazitätsplanung in Service-Systemen

IV. Tabellenverzeichnis

Tabb. 4.1: Ergebnisse der Simulationsstudie

Tabb. 4.2: Entscheidungswerte der unterschiedlichen Handlungsalternativen

Tabb. 7.1: Übersicht über durchgeführte Studien im Hinblick auf Servicekapazitäten und eingesetzte Methoden

1. Einleitung

Die Struktur der internationalen Wirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Ein Großteil der westlichen Volkswirtschaften hat sich seit den 1970er Jahren von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft gewandelt, in der die Effizienz und vor allem die Kundenzufriedenheit eine immer wichtigere Rolle spielen, um am wettbewerbsintensiven Markt zu bestehen.1 Die Servicequalität ist hierbei neben dem Preis der Leistung ein Entscheidungskriterium auf dessen Basis Kunden sich für einen Anbieter entscheiden.2 Sie wird zentral über die Unmittelbarkeit der Bedienung bestimmt - lange Wartezeiten reduzieren die Kundenzufriedenheit und sollten vermieden werden.3 Für die Entscheidungsträger entsteht somit ein Trade-Off zwischen der Verkürzung von Wartezeiten und den Kosten zusätzlicher Kapazitäten.4 Das Ziel des Unternehmens ist deshalb eine möglichst kosteneffiziente, gelungene Abstimmung der Kapazität auf die indeterminierte Nachfrage. Durch ihre Potenzialorientierung haben Kapazitätsentscheidungen hierbei eine konstitutive Natur und in erster Linie eine strategische Dimension.5

In der vorliegenden Arbeit soll die Frage geklärt werden, inwieweit der Einsatz stochastischer Simulation auf Prozessebene die Entscheidungsfindung bei der Planung und Gestaltung von Servicekapazitäten unterstützen kann. Die Entwicklung eines aussagekräftigen Simulationsmodells beinhaltet hierbei drei Elemente: das zu analysierende Realsystem, ein theoretisches Modell des Systems und die computerbasierte Repräsentation des Modells im Simulationsprogramm.6 Die vorliegende Arbeit ist dementsprechend so aufgebaut, dass in Kapitel 2 zunächst die Charakteristika von Service-Systemen beschrieben werden und anhand theoretischer betriebswirtschaftlicher Modelle ein Verständnis für die Prozesse in der Dienstleistungserstellung geschaffen wird. Die Abbildung von Service-Systemen in Warteschlangenmodellen bildet im Anschluss den ersten Schritt in Richtung Simulationsmodell. Kapitel 3 setzt sich mit der Vorgehens- und Arbeitsweise von Simulationsstudien auseinander und beleuchtet ihre Anwendbarkeit zur Entscheidungsunterstützung sowie auftretende Probleme bei der Auswertung von Simulationsläufen.

In Form eines Anwendungsbeispiels wird die Errichtung einer fiktiven Bankfiliale im Hinblick auf die Anzahl einzurichtender Kundenschalter geplant. Zu diesem Zweck werden verschiedene Handlungsalternativen mithilfe der Simulationssoftware WITNESS model- liert und die entstehenden Konsequenzen simuliert und ausgewertet, um auf dieser Basis eine Entscheidung zu treffen. Das Fazit schließt die Arbeit mit der kritischen Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse ab und gibt einen Ausblick auf weiterführende Forschungsansätze.

2. Service-Systeme im Fokus der Kapazitätsplanung

Zu Beginn dieser Arbeit sollen die spezifischen Charakteristika von Service-Systemen herausgearbeitet und anhand betriebswirtschaftlicher Modelle ein Grundverständnis für die zugrunde liegenden Prozesse bei der Dienstleistungserstellung geschaffen werden. Zudem folgt eine Auseinandersetzung mit den Implikationen aus der schwankenden Nachfrage und den hieraus resultierenden Herausforderungen bei der Planung und Gestaltung von Servicekapazitäten. Die Überführung der Problemstellung in ein Warteschlangenmodell im Anschluss ermöglicht eine detailliertere quantitative Analyse der Konsequenzen aus dem Zusammentreffen von Kapazität und Nachfrage und liefert grundlegende Erkenntnisse für die Kapazitätsgestaltung in Service-Systemen.

2.1 Charakteristika von Service-Systemen

Differenziert man Unternehmen nach der Art der erstellten Leistung, lassen sich Dienstleistungsbetriebe und Sachleistungsbetriebe unterscheiden.7 Dies geht auf das dichotome Verhältnis zwischen Dienstleistungen und Sachgütern zurück. Eine genaue Definition von Dienstleistungen wird durch ihre Heterogenität erschwert und ist in der Literatur uneinheitlich. Eine Betrachtung im Rahmen des Drei-Phasen-Konzeptes hat sich allerdings durchgesetzt. Meffert und Bruhn (2009) beschreiben Dienstleistungen in ihrer integrierten Definition als

„ selbständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind (Potenzialorientierung). Interne und externe Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung) [] [und die] Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen und deren Objekten nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen (Ergebnisorientierung).“8

Die Produktion von Dienstleistungen erfolgt in Unternehmen, die im Ganzen oder in Teilbereichen als Systeme interpretiert werden können. Ein System ist eine Ansammlung von Elementen, die zur Erfüllung eines logischen Zweckes interagieren.9 Was unter dem zu analysierenden System allerdings genau zu verstehen ist, hängt von den Zielen der einzelnen Studie ab. Die untersuchten Elemente des Systems einer Studie sind häufig Teilmenge eines Gesamtsystems einer anderen Studie. Beispielsweise können in einer Bank nur der Schalterbereich mit den wartenden Kunden analysiert oder darüber hinaus auch Prozesse im Back-Office Bereich der Bank miteinbezogen werden.

Was die Analyse von Service-Systemen erschwert, ist, dass sie selten ausreichend definiert sind und im Gegensatz zu industriellen Produktionssystemen eine detaillierte Dokumentation des Produktionsablaufes meist fehlt. Dies führt dazu, dass derjenige, der das System analysieren möchte, die zugrundeliegenden Prozesse zuerst im Detail nachvollziehen muss. Allgemein lässt sich für Service-Systeme festhalten, dass sie stochastisch komplexe Prozesse beinhalten, die in einem Umfeld mit begrenzten Ressourcen stattfinden.10 Im Vergleich zu Produktionsssystemen sind Service-Systeme zudem durch folgende Charakteristika gekennzeichnet:

Die Wartezeit einzelner Teile bzw. Kunden ist eine zentrale Messgröße der Performance und wichtiger als die reine Abfertigungsrate.

Die Performance hängt von menschlichen Faktoren ab, deren Verhalten dazu tendiert weniger vorhersehbar und variabler zu sein als das von Maschinen. Die Variabilität spielt demnach eine wichtigere Rolle.

Die Fluktuationen der Nachfrage beeinflussen stark die Fähigkeit des Systems, guten Service anzubieten.11

Aufgrund der starken Abhängigkeit von externen Faktoren, die sich dem Dispositionsbereich des Dienstleisters entziehen und häufig Schwankungen unterliegen, hat man es in der Realität (in der Regel) mit indeterminierten Dienstleistungsprozessen zu tun.12

In der vorliegenden Arbeit werden Service-Systeme in ihrem Systemverhalten analysiert und die Entscheidungsfindung innerhalb der taktischen Kapazitätsgestaltung unterstützt. Sie resultiert in Ausstattungsentscheidungen bezüglich der Anzahl der Servicestationen und beruht auf einer prozessualen Betrachtung.13 Abbildung 7.1 im Anhang verdeutlicht die hierarchische Struktur bei der Planung und Gestaltung von Servicekapazitäten.

Vgl. Law (2007), S. 3.

2.2 Problemidentifikation und -formulierung

Um ein Fundament für die quantitative Analyse der Kapazitätsdimensionierung in ServiceSystemen zu legen, wird anhand des kurzfristigen Modells der Dienstleistungsproduktion zuerst das Verständnis für die Prozesse geschaffen, bevor die Entscheidungssituation detaillierter analysiert wird. Die Adaption der industriell-orientierten Produktionstheorie bildet hierbei eine gelungene Basis, um das nötige Verständnis bezüglich der Anforderungen an die Kapazitätsplanung aufzubauen.

2.2.1 Prozess der Dienstleistungsproduktion

Die auf Gutenberg (1983) zurückgehende, industriell-geprägte Produktionstheorie kann unter bestimmten Annahmen für Dienstleistungen adaptiert werden und orientiert sich an rationalen Aspekten der Dienstleistungsproduktion. Sie hat das Ziel, Produktivitätsbeziehungen im Input-Output-Modell auf Basis objektiver Messgrößen zu verbessern und bietet sich deshalb für die Kapazitätsplanung an. Voraussetzungen für ihre Anwendbarkeit sind quantitativ bewertbare In- & Output-Faktoren mit effektiver Kausalbeziehung. Sie lässt sich gut auf Dienstleistungen anwenden, die einen hohen Produktionscharakter besitzen und sich vornehmlich auf das Objekt des Leistungsbeziehers beziehen, sodass die sachlichen Aspekte in der zwischenmenschlichen Beziehung die emotionalen überwiegen.14 Beispiele wären Supermarktkassen, Reinigungen oder Standardtätigkeiten an einem Bankschalter, wie sie auch im Anwendungsbeispiel in Kapitel 4 simuliert werden. Je personenorientierter allerdings eine Dienstleistung ist, desto wichtiger werden weiche Faktoren in der Interaktionsbeziehung zwischen Nachfrager und Anbieter, die in dem von Klaus (1984) vorgestellten interaktionsorientierten Modell berücksichtigt werden.15 Coaching, Unternehmensberatung oder Ärzte sind Beispiele für personenorientierte Dienstleistungen. Auch bei ihnen stellt die Kapazitätsdimensionierung anhand rein quantitativer Kapazitätsüberlegungen die Basis zur Schaffung von Servicequalität dar, wird aber durch weitere, weiche Faktoren im Kommunikations- und Austauschprozess zwischen Anbieter und Nachfrager beeinflusst. Diese Einflussfaktoren sind allerdings nicht Teil dieser Arbeit.

Innerhalb des Paradigmas der Produktionstheorie lässt sich die Dienstleistungsproduktion als mehrstufiger Prozess verstehen, welcher sich aus zwei Phasen zusammensetzt: Die Herstellung der Leistungsbereitschaft (in der Vorkombination) und die objektbezogene Leistungserstellung (in der Endkombination).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1: Kurzfristiges Modell der Dienstleistungsproduktion (Quelle: in Anlehnung an Klinge (1997), S. 31 f.)

Die Herstellung der Leistungsbereitschaft stellt einen Zwischenzustand im Prozess der Leistungserstellung und -verwertung dar, bei dem eine bestimmte Leistung als Betriebsleistung zwar teilweise entstanden ist, aber noch nicht in eine Marktleistung umgesetzt oder selbst verbraucht werden konnte.16 Die Produktionsfaktoren, welche die Leistungsbereitschaft determinieren17, sind das effektiv vorhandene Personal sowie die einsatzbereiten Maschinen18 und können in den meisten Fällen zur Anzahl vorhandener Servicestationen zusammengefasst werden. Zusätzlich haben andere Faktoren wie die Anzahl der Warteschlangen und die Schlangendisziplin einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Systems. Sie alle bestimmen die Kapazität eines Servicedienstleisters als „mengenmäßiges Leistungsvermögen einer Produktiveinheit innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts.“19 Die hieraus resultierende Leistungsbereitschaft wird im Folgenden als Servicekapazität bezeichnet, die sich durch die Anzahl an möglichen Abfertigungen pro Zeiteinheit bei Vollauslastung messen lässt. In der Literatur zur Dienstleistungsproduktion wird unter Kapazität die Leistungsbereitschaft mit langfristiger Perspektive verstanden, die statt über Produktionsfaktoren über Potenzialfaktoren bestimmt wird.20 In der vorliegenden prozessbezogenen Analyse spielen diese allerdings eine untergeordnete Rolle und werden ausgeklammert.

Die Endkombination konkretisiert sich in der Verbindung aller Faktoreneinsätze und der Hervorbringung der Marktleistung. Hierbei werden die durch die Bereitstellung der Servicekapazität vorgehaltenen originären und derivativen Faktoren mit dem externen Faktor kombiniert und die Dienstleistung als Ergebnis produziert.21 Anders ausgedrückt heißt das: erst mit dem Eintreffen des Kunden als externem Faktor kann die Dienstleistung erbracht werden. Die Simultanität der Erstellung und Inanspruchnahme von Dienstleistungen22, welche in der Literatur auch als „Uno-acto-Prinzip“ bezeichnet wird, führt zu einem planerischen Problem, denn der Aufbau der Servicekapazität muss in der Regel vor dem Zusammentreffen mit den Kunden geschehen, damit zum Zeitpunkt des Zusammentreffens die Endkombination durchgeführt werden kann. Dienstleistungen sind dementsprechend nicht lagerfähig und Nachfrageschwankungen führen unmittelbar zu Auslastungsschwankungen.23

In Service-Systemen entscheiden somit zwei zentrale Einflussgrößen über die Performance des Systems und den Erfolg des Unternehmens: Die Nachfrage, welche teils starken Schwankungen unterworfen ist und die bereitgestellte Servicekapazität. Nach Lovelock (2007) gibt es zwei Ansätze, wie man dem Problem der unsicheren Nachfrage entgegentreten kann: Entweder man verfolgt das Ziel, das Kapazitätslevel nach den Schwankungen der Nachfrage auszurichten (Kapazitätsmanagement) oder man versucht, die Nachfragekurve im zeitlichen Verlauf durch Auffüllen der Täler und Absenken der Spitzen zu glätten (Marketingmanagement)24

In der folgenden Arbeit soll der Fokus auf die Kapazitätsplanung von Services gelegt werden, welche durch eine Nachfrage charakterisiert sind, die unvorhersehbare Schwankungen aufweist und nicht aktiv beeinflusst werden kann. Da die Nachfrage somit einen Umweltparameter darstellt, ist die effiziente Planung und Gestaltung von Servicekapazitäten als Entscheidungsvariable entscheidend für die Servicequalität und den Erfolg des Dienstleistungsanbieters. Abgebildet in einem einfachen Modell ließe sich die beschriebene Situa- tion wie folgt darstellen:25

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2.2 Herausforderungen der Abstimmung von Kapazität und Nachfrage

Durch die Volatilität der nicht beeinflussbaren Nachfrage ergeben sich bei einer fixen bereitgestellten Maximalkapazität vier mögliche Situationen je nach Höhe der Nachfrage, die in der folgenden Abbildung ersichtlich werden:26

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.2: Implikationen von Nachfrageschwankungen bei fixer Kapazität (Quelle: in Anlehnung an Lovelock/Wirtz (2007), S. 261)

Übersteigt die Nachfrage die maximalen Kapazitäten (1), so kann sie nicht mehr mit den bereitgestellten Ressourcen bedient werden und Geschäftseinbußen sind die Folge, da potentielle Transaktionen nicht zustande kommen.

Übersteigt die Nachfrage die optimalen Kapazitäten (2), kann sie zwar noch befriedigt werden, allerdings geht dies zu Lasten der allgemeinen Servicequalität, da Mitarbeiter und Kapazitäten überlastet sind. Der Nutzen eines Services für den Kunden wird neben den expliziten Kosten in Form des zu zahlenden Preises durch die impliziten Kosten des Wartens verringert.27 Je länger die Wartezeit, desto geringer ist demnach der Nutzen und desto geringer ist die Kundenzufriedenheit.28 So entsteht für das Unternehmen in erster Linie ein Trade-Off zwischen den Kosten zusätzlicher Servicekapazitäten und der Reduktion der Wartezeit von Kunden.29

Leerkosten wiederum entstehen, wenn über die Nachfrage weniger Kapazitäten in Anspruch genommen werden als optimal wäre (4). Zudem entsteht das Risiko einer geringeren Kundenzufriedenheit durch Zweifel bezüglich der Attraktivität und Güte der Leistung30, wie dies beispielsweise in einem leeren Restaurant der Fall wäre. Je nach angebots- und absatzpolitischen Zielen kann es durchaus sinnvoll sein, ein gewisses Maß an Leerkosten in Kauf zu nehmen, um dadurch eine ausreichend große Servicekapazität und dementsprechend hohe Servicequalität sicherzustellen.31 Dieser Zusammenhang wird in 2.3 näher erläutert.

Das Ziel der Kapazitätsplanung ist es demnach, den Umfang bereitzustellender Kapazitäten so zu bestimmen, dass die Nachfrage ohne übermäßige Kostenverursachung durch Kapazitätsvorhaltung bewältigt werden kann und eine Anzahl an Produktionsfaktoren bereitgehalten wird, die es erlaubt, möglichst auf alle Situationen flexibel reagieren zu können, ohne dass lange Wartezeiten entstehen (3).32 Hierbei müssen Personal und Betriebsmittel unter Beachtung der Servicequalität und Kundenzufriedenheit so produktiv (und nicht so viel!) wie möglich eingesetzt werden.33

2.3 Service-Systeme als Warteschlangenmodelle

Bei der Analyse von Servicesystemen hat sich vor allem die Abstraktion in so genannten Warteschlangenmodellen als bewährte Methode erwiesen, um das Phänomen von Warteschlangen zu untersuchen und Rückschlüsse auf die Performance eines Service-Systems zu ziehen. In der Literatur wurden vor allem folgende Warteschlangensysteme immer wieder untersucht und modelliert: Rezeptionen, Banken, Krankenhäuser, Kommunikationsnetzwerke, Supermärkte und Flughäfen. Dabei wurde häufig auf den Umfang der nötigen Servicekapazitäten eingegangen, die nötig ist um lange Wartezeiten zu vermeiden und mit den Budgetvorgaben zu vereinbaren ist. Die Tabelle 7.1 des Anhangs zeigt einen Überblick über durchgeführte Studien und die eingesetzten Methoden sowohl analytischer als auch simulativer Natur.

Innerhalb eines Warteschlangenmodells ist es möglich, die beiden vorigen Einflussgrößen Nachfrage und Servicekapazität weiter zu detaillieren. Sie werden nun von den fünf Komponenten des Warteschlangenmodells repräsentiert. Das Ankunftsverhalten der Kunden stellt die Nachfrage dar, die Anzahl der Serviceeinrichtungen, auch Kanäle genannt, hat Auswirkungen auf die Abfertigungsrate und determiniert so die Servicekapazität. Die Anzahl und Art der möglichen Warteschlangen, das Warteverhalten der Kunden sowie das Anstellverhalten charakterisieren das System weiter.34 Das Warteverhalten beschreibt das Auftreten von Balking, Reneging und Jockeying. Balking tritt auf, wenn sich die Kunden dazu entschließen, sich nicht in eine Warteschlange einzureihen und das System unbefriedigt wieder verlassen. Beim Reneging stellen sich die Kunden zwar an, verlassen die Warteschlange allerdings bevor sie bedient wurden. Beim Jockeying wechseln Kunden die Warteschlange in Hoffnung auf eine schnellere Bedienung.35 Die zentralen Performanceindikatoren, die einen Rückschluss auf die Servicequalität zulassen, sind die mittlere Wartezeit, die mittlere Länge der Warteschlange, der Auslastungsgrad und die Anzahl an Abfertigungen.

Bei relativ simplen Systemen (die sich im stationären Zustand befinden36 ) können die so strukturierten Modelle mithilfe der analytischen Warteschlangentheorie37 analysiert werden, was neben wesentlich exakteren Ergebnissen zu großen Einsparungen bezüglich Zeit und Kosten führt. Deshalb gilt: wenn ein analytisches Modell anwendbar ist, sollte es der Simulation vorgezogen werden.38 Allerdings unterliegen analytische Modelle teils rigiden Voraussetzungen und scheitern häufig an der Komplexität realer Systeme, weshalb man in vielen Fällen auf den Einsatz von Simulationen angewiesen ist.39 In analytischen Modellen der Warteschlangentheorie wird meist ein poissonverteiltes Ankunfts- und Abfertigungsverhalten unterstellt, welches eine akzeptable Annahme darstellt, wenn die Grundgesamtheit groß und der Zeithorizont lang sind.40 Wenn das Ankunftsverhalten durch eine Poissonverteilung beschrieben wird, kann die Zwischenankunftszeit der Kunden und die Bediendauer als exponentialverteilt angenommen werden. So werden Exponentialverteilungen häufig verwendet, um Zwischenankunfts- und Bedienzeiten in einem sogenannten (M,M,s)-Warteschlangensystem realitätsnah abzubilden.41

Zwar bilden diese Verteilungen die Realität meist nicht exakt nach, doch können sie als nützliche konservative Schätzungen für das Realsystem mit geringem Aufwand dienen. Die konservative Natur dieser Modelle rührt aus der Tatsache, dass Performanceindikatoren wie Anzahl oder mittlere Zeit von Kunden im System mit steigender Varianz zuneh- men und die Exponentialverteilung mit einer Standardabweichung, die ihrem Erwartungswert entspricht, eine höchst variable Verteilung darstellt. Ist das Realsystem also weniger (stärker) variabel als das exponentielle Modell, hat dies zur Folge, dass die Performanceindikatoren systematisch zu hoch (zu niedrig) geschätzt werden.42

Auf Basis von analytischen Modellen mit unterstellten Exponentialverteilungen können dennoch erste Erkenntnisse gewonnen werden, die als fundamentale Handlungsempfehlungen bei der Planung und Gestaltung von Servicekapazitäten dienen und kurz vorgestellt werden sollen.

Zumeist können die Ankunftsrate der Kunden und die Abfertigungsrate einer einzelnen Servicestation zumindest geschätzt werden. Um einen ersten groben Eindruck von der erforderlichen Mindestkapazität zu erhalten, lässt sich folgende Schätzung durchführen, die auch im Bereich der Simulation Anwendung findet, da sie unzureichende Handlungsalternativen aufdeckt: Damit in einem Warteschlangenmodell der stationäre Zustand erreicht werden kann, muss die Ankunftsrate ( ) geringer sein als die Abfertigungsrate aller Kanäle

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Andernfalls wächst die Warteschlange ins Unendliche und eine (analytische) Performanceanalyse ist nicht möglich. Wird diese Ungleichung nach s aufgelöst, ergibt sich die Mindestanzahl nötiger Serviceeinrichtungen, um die Nachfrage bedienen zu können als

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Werden Entscheidungen zur Kapazitätsgestaltung von Service-Systemen auf Basis dieses Grundsatzes getroffen, ist sichergestellt, dass die Nachfrage zumindest im Durchschnitt die Maximalkapazität nicht überschreitet. Wie in Kapitel 2.3 allerdings gezeigt wurde, ist es bei Services aufgrund der Verschlechterung der Servicequalität allerdings nicht sinnvoll die Kapazitäten bis zum Maximum auszureizen. Auch Li et al. (2005) stellen fest, dass bei einer Nachfrage in Höhe des Kapazitätslevels die System Performance aufgrund der hohen Kapazitätsauslastung deutlich abnimmt.

[...]


1 Vgl. Kostecki (1996), S. 1.

2 Vgl. Jahnke et al. (2005), S. 1.

3 Vgl. Chebat/Filiatrault (1993), S. 35.

4 Vgl. Paul/Stevens (1971), S. 213.

5 Vgl. Corsten/Gössinger (2007), S. 163.

6 Vgl. Vincent (1998), S. 55.

7 Vgl Wöhe (2008), S. 5.

8 Meffert/Bruhn (2009), S. 19.

9 Vgl. Law (2007), S. 3.

10 Vgl. Laughery et al. (1998), S. 629.

11 Vgl. ebenda, S. 630 f.

12 Vgl. Klinge (1997), S. 47 ff.

13 Vgl. ebenda, S. 159 f.

14 Vgl. Klinge (1997), S. 24 ff.

15 Vgl. ebenda, S. 36 ff.

16 Vgl. Maleri (1997), S. 224.

17 Rohstoffe sind kein Produktionsfaktor von Dienstleistungen und ihr Fehlen als wesentlicher materieller Bestandteil des Endproduktes ist Grund der Immaterialität von Dienstleistungen, vgl. Maleri/Frietzsche (2008), S. 32.

18 Vgl. Klinge (1997), S. 149 f.

19 Clar (1964), S. 30.

20 Vgl. Klinge (1997), S. 150.

21 Vgl. Maleri (1997), S. 223 ff.

22 Vgl. Berekoven (1983), S. 23.

23 Vgl. Maleri/Frietzsche (2008), S. 178.

24 Hierbei sind die Demand Management Options zu erwähnen, vgl. Klassen/Rohleder (2002), S. 11 ff., und insbesondere das Advance Selling hervorzuheben, vgl. Hani et al. (2010).

25 Vgl. Liebl (1995), S. 126.

26 Vgl. Lovelock/Wirtz (2007), S. 260 ff.

27 Die Summe von Preis und Wartekosten wird in der Literatur auch als „Full Price“ bezeichnet. Vgl. Parra Farutos (2010), S. 462 ; Allon/Federgrun (2008), S. 828.

28 Vgl. Tom/Lucey (1995), S. 1.

29 Vgl. Paul/Stevens (1971), S. 213.

30 Vgl. Kostecki (1996), S. 296.

31 Vgl. Oettele (1970), S. 19 ff.

32 Vgl. Klinge (1997), S. 109.

33 Vgl. Lovelock/Wirtz (2007), S. 261.

34 Vgl. Werners (2008), S. 274.

35 Vgl. Solomon (1983), S. 67 f.

36 Der Begriff des stationären Zustandes wird in 3.4.1 näher erläutert.

37 An dieser Stelle sei auf die einschlägige Literatur der Warteschlangentheorie verwiesen: vgl. Hillier/Liebermann (2005); Zimmermann/Stache (2001); Cooper (1990); Ruíz-Palá/Avila-Beloso (1967); Lee (1966).

38 Vgl. Rothstein (1972), S. 140.

39 Vgl. Banks et al. (2005), S. 201 f.

40 Vgl. Lariviere/Van Mieghem (2004), S. 1.

41 Vgl. Werners (2008), S. 291.

42 Vgl. Banks et al. (2005), S. 241 f.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Simulation zur Planung und Gestaltung von Servicekapazitäten
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Autor
Jahr
2011
Seiten
43
Katalognummer
V200579
ISBN (eBook)
9783656266471
ISBN (Buch)
9783656268215
Dateigröße
3311 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
simulation, planung, gestaltung, service, servicekapazitäten, lanner witness, operations research, wartezeit, bankfiliale
Arbeit zitieren
Daniel Gurski (Autor:in), 2011, Simulation zur Planung und Gestaltung von Servicekapazitäten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200579

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