Figurenanalyse am Beispiel der Mina in Bram Stoker’s „Dracula“


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Theoretische Ansätze zur Figurenanalyse
2.1 Französische Ansätze zur Analyse der filmischen Figur
2.1.1 Die vier Komponenten von Gardies
2.1.2 Narratologischer Ansatz zur Figurenanalyse
2.1.3 Figurative Aspekte des Darstellers
2.2 Facetten der menschlichen Figur im Spielfilm
2.2.1 Der Körper im Film
2.2.2 Der Charakter
2.2.3 Der Protagonist
2.2.4 Der Held/die Heldin
2.2.5 Der Typ
2.2.6 Die Rolle
2.2.7 Die Figur als Facetten-Konglomerat
2.3 Zusammenfassung der Figurenkonzepte

3 Figurenanalyse der Mina Murray
3.1 Vorbemerkungen
3.1.1 Die Frau in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts
3.1.2 Der weibliche Vampir
3.2 „Bram Stoker’s Dracula“
3.2.1 Inhalt
3.2.2 Die Figur Mina Murray
3.2.3 Anwendung des Figurenkonzepts am Beispiel der Figur Mina

4 Schlussbemerkung

Quellenangaben
Literaturverzeichnis
Filmverzeichnis

1 Einleitung

„Die Analyse der Personen, Charaktere und Figuren in Filmen und Fernsehsendungen ist be­sonders wichtig, weil diese in den Erzählungen die Handlung vorantreiben“ (Mikos 2008, 163). Meist ist es eine der handelnden Figuren, aus deren Perspektive ein Spielfilm erzählt wird. Je nach Inszenierung funktionieren Figuren als Träger von Sympathie und Antipathie und stellen Identifikationsfiguren dar (ebd.). Da es sich beim Film um ein audiovisuelles Me­dium handelt, sind Gefühle, Gedanken und innere Zustände von Personen jedoch schwieriger zu gestalten, als etwa in einem Buchroman. Daher kommt den tatsächlich eingesetzten und inszenierten Figuren eine besondere Bedeutung zu (vgl. Faulstich 2002, 95).

Die Figurenanalyse stellt somit einen unverzichtbaren Bestandteil der Filmanalyse dar. Auf­grund der vielfältigen Aspekte, die eine Figur betreffen und die sich in Kombination miteinander ergänzen, überschneiden und verdichten, ist eine komplexe Figur schwer zu ana­lysieren. Auch die unterschiedliche Begrifflichkeit der einzelnen Facetten stellt eine Heraus­forderung dar, da verschiedene Begriffe oft unterschiedlich verwendet werden und zum Teil schwer voneinander abzugrenzen sind.

In der vorliegenden Arbeit versuche ich ein zur praktischen Analyse geeignetes Modell zu finden. Dazu stelle ich im 2. Kapitel zunächst die theoretischen Ansätze zur Figurenanalyse von Dominique Blüher, sowie Margrit Tröhler und Henry Taylor vor und fasse sie an­schließend zusammen. Nach einigen theoretischen Vorbemerkungen zur Rolle der Frau im 19. Jahrhundert und zur Rolle des weiblichen Vampirs prüfe ich die beiden Ansätze auf ihre An­wendbarkeit. Dazu werde ich am Beispiel von Francis Ford Coppola’s „Bram Stoker’s Dra­cula“ die Figur der Mina Murray analysieren und dabei die theoretisch untersuchten Modelle praktisch anwenden. Dabei möchte ich die Frage beantworten, inwieweit die vorgestellten Analysemodelle ein geeignetes Hilfsmittel darstellen, um komplexe Filmfiguren umfassend zu analysieren.

2 Theoretische Ansätze zur Figurenanalyse

2.1 Französische Ansätze zur Analyse der filmischen Figur

Dominique Blüher stellt in ihrem Artikel „Französische Ansätze zur Analyse der filmischen Figur“ drei Ansätze zur Figurenanalyse vor. Diese Ansätze werden im Folgenden vorgestellt.

2.1.1 Die vier Komponenten von Gardies

In seinem Artikel „L’acteur dans le système textuel du film“ unterscheidet Gardies zur Be­schreibung der Figur im Film zwischen Aktant, Figur, Rolle und Schauspieler und sorgt damit für eine gewisse Klarheit innerhalb der vorhandenen Begrifflichkeit (vgl. Blüher 1999, 61 f.).

Der Aktant betrifft die „semantische Tiefenstruktur des Films“ (ebd., 63). Unabhängig da­von, wie der Aktant tatsächlich verkörpert wird, ist er vor allem eine abstrakte Konstellation und kann von verschiedenen Figuren dargestellt werden. Dabei ist es nicht einmal zwingend, dass der Aktant anthropomorph repräsentiert wird (ebd.).

Unter dem Begriff der Rolle versteht Gardies eine „soziokulturelle Einheit“ (ebd.). Sie ist auch außerhalb einzelner Werke und Medien vorhanden, kann jedoch je nach Genre unter­schiedlich geformt sein. Als Beispiel erwähnt Gardies die Rolle des Dieners, die in einer Ko­mödie anders ist als in einer Tragödie (ebd.).

Im Gegensatz zur Rolle kommt die Figur nur in einer bestimmten Erzählung vor. In dieser Erzählung wird sie durch ganz konkrete Ereignisse bestimmt, wodurch es auch zu Über­schneidungen mit der Rolle kommen kann. Zwingende Voraussetzung für die Figur im Film ist nach Gardies ein Darsteller, dessen physische Merkmale sie annimmt (ebd., 63 f.). Eine Untergruppe der Figur ist nach Gardies der Held, dessen diegetische Funktion mit der der Figur identisch ist (ebd.).

Die vierte Komponente, der Schauspieler oder Darsteller [1] , gehört nach verbreiteter Mei­nung nicht zum narrativen Prozess. Gardies widerspricht dem jedoch und reduziert den Schauspieler nicht „auf einen Signifikanten […], dessen Signifikat die Figur wäre“ (ebd., 64). Er betont die textuelle Wirklichkeit des Schauspielers. Es gibt keinen Verweis auf seine reale Person, lediglich transtextuell seine weiteren filmischen Darstellungen.

Diese vier Komponenten zusammen bezeichnet Gardies als aktorielle Instanz. Während ein­zelne dieser Aspekte in allen Arten von Narration vorkommen, findet sich eine Kombination aller Komponente nur im Film, wodurch ein Mehrwert der Filmfigur entsteht (vgl. Blüher 1999, 64 f.).

2.1.2 Narratologischer Ansatz zur Figurenanalyse

Marc Vernet stellt in seinem Artikel „Le personnage de film“ ein Modell vor, mit dem die rein narrativen Aspekte einer Figurenkonstellation analysiert werden. Inspiriert wurde er von Philippe Hamon, nach dem sich die Figur während des Handlungsablaufs fortwährend aufbaut und am Anfang lediglich eine „mit einem Namen versehende Leerstelle“ (ebd., 65) ist. Im Gegensatz dazu geht Vernet davon aus, dass sich die Figurenkonstellation während des Handlungsverlaufs ständig verändert, was in einem Analysemodell berücksichtigt werden muss. Damit verändert Vernet das eher statische Figurenmodell in eine dynamische Richtung (ebd.).

Gemeinsam ist beiden Ansätzen, dass sie die Figur als ein „Bündel differentieller Elemente“ (ebd., 65 f.) verstehen. Das bedeutet, dass sich die Figur durch ihre Eigenschaften und Taten definiert. Daneben spielen auch ihre Beziehungen zu anderen Figuren eine Rolle, die in einer Analyse ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Als Besonderheit der filmischen Figur sieht Vernet die „körperlich-ikonischen Merkmale des Darstellers“ (ebd., 66), sowie in vorherigen Filmen verkörperte Merkmale. Mögliche Gegenüberstellungen dieser Eigenschaften der Figurenbeziehungen fasst Vernet unter den vier Kategorien Identität, Antinomie, Differenz und Komplementarität zusammen (ebd., 66).

2.1.3 Figurative Aspekte des Darstellers

Der Ansatz von Nicole Brenez betont besonders die Figurenaspekte von Film und Darsteller. Wie Gardies schließt sie den Darsteller nicht vom narrativen Prozess aus, sondern analysiert ihn „ähnlich wie die Einstellung oder das Licht als eine kinematographische Form“ (ebd., 67). Dabei geht sie sogar noch weiter, stellt den Darsteller in den Mittelpunkt der Analyse und schließt von seinem Spiel, seiner Gestik, Körperhaltung und Sprechweise auf die Narration. Ein weiterer Aspekt, den Brenez in der Analyse berücksichtigt, ist die „ mise en scène“ (ebd.), wozu neben der Schauspielführung unter anderem Schnitt, Ausstattung und Beleuchtung ge­hören.

Grund für die besondere Beachtung des Darstellers ist, dass in „der Wahl und der In­szenierung des Körpers […] bereits die – seine – ganze Geschichte angelegt“ ist (ebd., 68). Als Beispiel dafür analysiert Brenez den Prolog „von The Killing of a Chinese Bookie von John Cassavetes“ (Blüher 1999, 67), der mit einem theatralischen Auftritt von Ben Gazzara beginnt. Das Verharren des Films auf seinem Körper deutet darauf hin, dass dieser Körper im Zentrum des Films stehen wird und liefert Brenez sogar einen Hinweis auf das Filmende (ebd., 68). Eigentliches Thema des Films ist für Brenez die Rolle, die für sie, im Fall von Ben Gazzara, in der Aufhebung aller Bestimmungen beruht (ebd., 69). Brenez berücksichtigt zwar die traditionelle textuelle Analyse, macht jedoch „das Spiel und den Körper des Darstellers […] zum Schlüssel der Analyse“ (ebd.). Daher kann ihr Ansatz als Fortführung von Gardies‘ aktorieller Instanz gesehen werden, wobei ihr „ikonisch-plastische[r] Ansatz eine notwendige Ergänzung einer rein narratologischen“ (ebd., 69 f.) Figurenanalyse darstellt.

2.2 Facetten der menschlichen Figur im Spielfilm

Henry M. Taylor und Margrit Tröhler versuchen in ihrem Artikel „Zu ein paar Facetten der menschlichen Figur im Spielfilm“ einige Aspekte der filmischen Figur zu beschreiben und voneinander abzugrenzen. Den Begriff der Figur verwenden sie dabei als einen allgemeinen, umfassenden und neutralen Oberbegriff (vgl. Tröhler/Taylor 1999, 149). Dabei sollen die vorgeschlagenen Begriffe nicht als starre Definitionen verstanden werden. Vielmehr sollen sie Hilfsmittel sein, die je nach Genre, Epoche oder Film abgewandelt werden müssen (ebd., 137). Aufgebaut ist der Artikel auf Arbeiten von Gardies und Heath, wobei die aufgegriffenen Konzepte teilweise angepasst wurden (ebd., 137 f.). Zur Zeit der Veröffentlichung ihres Arti­kels gab es 15 Rubriken, in die die Facetten der filmischen Figur eingeteilt waren, wobei eine Zuordnung nach den dominanten Merkmalen erfolgte. Aus diesen Facetten haben Tröhler und Taylor sechs ausgewählt und näher beschrieben (ebd., 138).

Dabei ist zu beachten, dass die Person bei der Filmanalyse nicht berücksichtigt wird. Zwar stellt sie, als realer Mensch, die Grundlage für die filmische Figur dar, „dient jedoch lediglich zur differentiellen Beschreibung der Figur“ (ebd.). Personen sind demnach für die Figuren im fiktionalen Film Vorbilder aus der realen Welt. Dargestellt werden die Figuren im Film durch die Schauspieler. Dieser Begriff beschreibt den Körper im Film und wird von Tröhler und Taylor als „imaginäres Analogon zur Person“ (ebd., 139) verstanden.

[...]


[1] Gardies verwendet beide Begriffe synonym und unterscheidet nicht zwischen professionellem und Laienschauspieler (vgl. Blüher 1999, 63).

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Figurenanalyse am Beispiel der Mina in Bram Stoker’s „Dracula“
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V201333
ISBN (eBook)
9783656273820
ISBN (Buch)
9783656274803
Dateigröße
559 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medien, Kommunikation, Film, Filmanalyse, Figurenanalyse, Bram Stoker, Dracula, Mina, Vampir
Arbeit zitieren
Andrea Harings (Autor:in), 2008, Figurenanalyse am Beispiel der Mina in Bram Stoker’s „Dracula“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201333

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