Geschlechtsübergreifende Personenbezeichnungen - Magnus Petterssons Referenz- und Relevanzanalyse an Textauszügen von Sophie von La Roche


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

22 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Der theoretische und methodische Ansatz M. Petterssons zu geschlechtsübergriefenden Personenbezeichnungen
II.1. Beweggründe Petterssons
II.1.1. Der sprachsystematische Hintergrund
II.1.2. Der gesellschaftliche Hintergrund
II.1.3. Der feministische Sprachwandel und der Gebrauch von Personenbezeichnungen mit geschlechtsübergreifender Referenz
II.1.4 Der psychologische Status von Personenbezeichnungen mit geschlechtsübergreifender Referenz
II.2. Theoretische und methodische Ausgangspunkte
II.2.1. Sprachphilosophische und erkenntnistheoretische Ausgangspunkte
Der realistische Ansatz
II.2.2. Referenzsemantische Ausgangspunkte
II.2.2.1. Personenbezeichnung und Referenz
II.2.2.2. Bedeutung als Konzept und Referenz
II.2.2.3. Referenztypen bei Personenbezeichnungen

III. Anwendung
III.1. Fragestellung und Quellenauswahl
III.2. Untersuchung
III.2.1. „Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim“
III.2.2. „Über Engelland“
III.2.3. „Über Italien“

IV. Schlussbetrachtung

V. Literaturverzeichnis und Onlinequellen

I. Einleitung

In dem Hauptseminar zur feministischen Sprachkritik entwickelte sich bei mir ein gesteigertes Interesse an den geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen und ihren verschiedenen Realisierungsformen im Alltag. In dieser Arbeit soll es mir insbesondere darum gehen, die sprachlichen Variationen geschlechtsübergreifender Personenbezeichnungen im Alltag und der Erfahrungswelt einer Frau im 18. Jahrhundert an drei konkreten Beispielen aufzuzeigen.

Zu diesem Zweck habe ich meine Hausarbeit in zwei Teile gegliedert, wovon sich der erste mit den theoretischen Grundlagen beschäftigt und der zweite Teil sich der Untersuchung der drei Auszüge aus den Beispieltexten widmet.

Mit Hilfe von Magnus Petterssons Arbeit über die „Geschlechtsübergreifende[n] Personenbezeichnungen“ sollen zunächst theoretische und methodische Ansätze besprochen werden, um schließlich die Hintergründe für Petterssons Untersuchungen anhand von Sprachsystematik, der Gesellschaft, dem feministischen Sprachwandel und letztlich dem psychologischen Status von Personenbezeichnungen mit geschlechtsübergreifender Referenz nachvollziehen zu können.

Dann sollen, mittels seiner Arbeit, auch die theoretisch und methodischen Ausgangspunkte geklärt werden, wie die der Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie und außerdem die der Referenzsemantik.

Die Anwendung der Theorie und Methodik soll anschließend an drei ausgewählten Texten von Sophie von La Roche geschehen. Es soll den Fragen nachgegangen werden, inwiefern in dem Romanauszug der „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“ und den Auszügen aus den Beiträgen der Frauenzeitschrift „Pomona für Teutschlands Töchter“ eine Variation der geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen herrscht und in welchen Kontext die aktuelle Referenz steht .

Bevor mit der Analyse im zweiten Teil begonnen werden kann, soll in den folgenden Kapiteln erst die Grundlage für die Untersuchung durch das Klären und Differenzieren des sprachlichen Werkzeugs und des Hintergrundwissens gelegt werden.

II. Der theoretische und methodische Ansatz M. Petterssons zu geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen

II.1. Beweggründe Petterssons

In den folgenden Abschnitten sollen die Hintergründe und schließlich die Beweggründe geklärt werden, die Magnus Pettersson veranlasst haben sich einer genaueren Betrachtung der geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen zu widmen. Dazu werden der sprachsystematische Hintergrund sowie der gesellschaftliche Hintergrund und die, in dieser Hinsicht bedeutende, feministische Sprachkritik näher ausgeführt. Ebenso wird auch der feministische Sprachwandel und der Gebrauch von Personenbezeichnungen mit geschlechtsübergreifender Referenz sowie der psycholinguistische Status von Personenbezeichnungen mit geschlechtsübergreifender Referenz kurz erklärt, da sie Magnus Petterssons Arbeit als Ausgangspunkte dienten und auch für den zweiten Teil dieser Arbeit von Interesse sind.

II.1.1. Der sprachsystematische Hintergrund

Das zentrale Anliegen von Petterssons wissenschaftlicher Arbeit ist es, „Variationen im Gebrauch unterschiedlicher Realisierungstypen geschlechtsübergreifender Personenbezeichnungen textlinguistisch zu untersuchen“ (Pettersson, 2011: 13). Dafür schafft er im sprachsystematischen Hintergrund zuvor die Grundlage, indem er drei der Realisierungstypen der geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnung vorstellt: das Maskulinum, die Neutralform und die Beidbenennung (vgl. Pettersson, 2011:13).

Nach Pettersson ist jedes Substantiv entweder Maskulinum, Femininum oder Neutrum (vgl.2011:13). Demnach verfügen auch die geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen über ein grammatisches Geschlecht. Für Pettersson stellt sich ein Zusammenhang von grammatischen (=Genus) und dem biologischen Geschlecht (=Sexus) heraus, den es näher zu betrachten gilt. Auch wenn Genus und Sexus zwei unterschiedliche Kategorien sind, spricht Pettersson von „viele[n] Übereinstimmungen zwischen diesen beiden Systemen“ (2011: 14).

An einer maskulinen Personenbezeichnung wie „der Lehrer“ (2011: 14) verdeutlicht er, dass es zwei Lesarten gibt: zum einen könnte es sich um einen Mann handeln oder „der Lehrer“ als neutrale Form dienen, die auch eine Frau bezeichnet. Pettersson verweist darauf, dass mit Hilfe der Motivierung als einem „morphologische[n] Wortbildungsprozess bei dem sich das Genus der aktuellen Personenbezeichnung ändert“ (Pettersson, 2011:14), auch eine eindeutig feminine Personenbezeichnung entstehen kann. So würde durch das Anhängen des Suffixes '-in' ans Wortende eine Frau verstanden werden, die eine Lehrtätigkeit ausübt.

Ausgangspunkt für Petterssons Untersuchungen sind vor allem Probleme, die sich „bei gewissen Personenbezeichnungen, die im konkreten Referenzakt Frauen und Männer oder Personen bezeichnen, deren Geschlecht unbekannt ist“ (Pettersson, 2011: 15) ergeben. An dieser Stelle führt er die wesentlichen geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen weiter aus.

Für Pettersson sind geschlechtsübergreifende Maskulina „solche maskuline Personenbezeichnungen, die im konkreten Referenzakt auf weibliche und männliche Personen zugleich Bezug nehmen“ (2011:15). Durch Motivierung können sie allerdings auch in Feminina umgewandelt werden (vgl. Pettersson, 2011: 16).

Die Beidbenennung[1] ist ein zweiter infrage kommender Realisierungstyp, der „als Oberbegriff für verschiedene Schreibweisen benutzt [wird], bei denen sowohl die maskuline als auch die feminine Form morphologisch vertreten ist (Pettersson, 2011: 16), also beide Geschlechter in ihrer äußeren Gestalt dargestellt werden. Insbesondere ab den 1970er Jahren diente sie als Option zum geschlechtsübergreifenden Maskulinum (vgl. Pettersson, 2011: 16), da sie beide Geschlechter ausdrücklich nennt, sichtbar macht und damit als angemessener erschien.

Schließlich führt Pettersson verschiedene Arten von Neutralformen an, um „gleichstellende und geschlechtsabstrahierende [, also vom Geschlecht abgeleitete] Alternativformen zum geschlechtsübergreifenden Maskulinum“ (2011:16) anzubieten. Dabei schließt er in die Möglichkeiten „beispielsweise substantivierte Präsenspartizipien wie Lehrende und substantivierte Adjektive wie die „Alten“(2011:16) ein.

Weitere sprachliche Mittel bzw. Möglichkeiten der geschlechtsübergreifenden Referenz werden von Pettersson mit dem Vermerk genannt, dass sie ohne Umsetzung und konkrete Verwendung in der textuellen Wirklichkeit kaum Bedeutung tragen.

II.1.2. Der gesellschaftliche Hintergrund

Die feministische Sprachkritik, die mit den gesellschaftlichen Entwicklungen der 1960er Jahre zusammenhingen und die Kontroversen um ihre Forderungen, nimmt Pettersson als Ausgangspunkt, um die geschlechtsübergreifenden Referenzen der Benennung von Frauen und Männern in deren gesellschaftlichen Kontext einzuordnen. Petterson lässt zu diesem Zweck Vertreter für und gegen die feministische Sprachkritik, und damit vor allem auch für und gegen das generische Maskulinum sprechen.

„Nach Trömel-Plötz besteht […] das Problematische am generischen Maskulinum in der morphologischen Identitätsrelation zwischen geschlechtsspezifisch männlichen und vermeintlich geschlechtsneutralem Maskulinum. So würden Frauen unsichtbar gemacht […]. [Es] sei, so Trömel-Plötz […], eine Manifestation sexistischer Sprachstrukturen.“ (Pettersson, 2011:19)

Trömel-Plötz Auffassung, dass zuerst immer das Männliche im generischen Maskulinum gesehen würde und die Frau immer übersehen und unkenntlich gemacht wäre, musste von Pettersson als deutliche Aussprache für die feministische Sprachkritik und gegen das generische Maskulinum gewertet werden. Ein Kontrast dazu sollte die von Petterson in seine Arbeit aufgenommene Meinung von Kalverkämper sein. Er vertrat die Auffassung, „dass Maskulina in Bezug auf Geschlecht als neutralisierte Archilexeme funktionieren“ (Pettersson, 2011: 19) und man die „Kategorien grammatisches Genus und biologisches Geschlecht“ (ebd.) nicht verwechseln sollte. Kalverkämper sprach sich demnach für den Gebrauch des generischen Maskulinum aus.

In seiner Arbeit nahm Pettersson zudem weiter Kritikpunkte an der Umsetzung der feministischen Sprachkritik, wie die des Zeitfaktors, auf, also das der Zeitaufwand bei geschlechtsspezifizierenden Formen weitaus höher sei. Selbst das sprachtheoretische Argument, dass die Movierung als Ableitung dem Maskulinum nur nachgestellt und damit zweitrangig sei (vgl. Pettersson, 2011: 19), merkte er an.

Allerdings liegt Petterssons Hauptintention wohl darauf zu klären, welche Ziele die feministische Sprachkritik hat und an wen sie sich richtet. In dieser Hinsicht hat er deutlich hervorgehoben, dass die feministische Sprachkritik sich zunächst einmal an alle richtete, die mit Sprache in Kontakt kämen (vgl. Pettersson, 2011: 20). Im Besonderen konnte er einen sprachpolitischen und offiziellen Charakter ausmachen. Da Richtlinien aufgestellt wurden, in denen es hieß: „keine verallgemeinernden Maskulina zu verwenden[..., man stattdessen] bei ausschließlich weiblicher Referenz feminine Formen und bei geschlechtsübergreifender Referenz Beidbenennungen oder Neutralformen benutzen“ (Pettersson, 2011: 20f) soll. Mittels der „von der deutschen UNESCO-Kommission herausgegebenen Richtlinien auf sprachliche Sichtbarmachung von Frauen und auf sprachliche Symmetrie zwischen weiblichen und männlichen Personen“ (ebd.), sollte zudem ein hohes Maß an politischer Korrektheit in Bezug auf Genus, Sexus und Personenbezeichnungen im Deutschen erzielt werden. Dieses hohe Maß an Einfluss, dass der feministischen Sprachkritik zugesprochen wird, geht vor allem auf die auch in Petterssons Arbeit vorgestellte Idee Whorfs[2] zurück, dass „gerade die sprachlichen Bezeichnungen von Frauen und Männern die Vorstellung der Sprachbenutzer über Frauen und Männer [beeinflussen]“ (Pettersson, 2011: 23). Das würde also heißen, dass Sprache und Welt einander beeinflussen und sich mischen. Gisela Schoenthal und insbesondere Jürgen Schiewe stellen zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen der feministischen und der aufklärerischen Sprachkritik fest: So genügt es beiden[3] nicht nur den Zustand der Sprache zu beschreiben, den Sprach- und Zeichenbegriff einer Sprache zu klären und ihre Mängel festzuhalten, sie schaffen darüber hinaus ein Sprachideal und formulieren konkrete Vorschläge zu dessen Umsetzung (vgl. Pettersson, 2011: 21). Es ist demnach „mehr als [nur die] Kritik an Sprache [, sie hat] emanzipatorische Zwecke“ (Pettersson, 2011: 21) und sieht die unmittelbare Veränderung der Sprache als Resultat vor.

II.1.3. Der feministische Sprachwandel und der Gebrauch von Personenbezeichnungen mit geschlechtsübergreifender Referenz

Grundsätzlich wird von einem „abnehmende[n] Gebrauch geschlechtsübergreifender Maskulina“ (Pettersson, 2012: 23) ausgegangen. Allerdings haben sich derartig positiv dargestellte Prognosen wie beispielsweise die von Ingrid Samel im alltäglichen Sprachgebrauch noch nicht bestätigt. Und doch geht Samel davon aus, dass „die feministische Sprachkritik und deren Sprachveränderungsvorschläge wahrscheinlich eine Sensibilität in Bezug auf den Problemkomplex von Genus und Sexus im deutschsprachigen Raum herbeigeführt“ (Pettersson, 2012: 24) haben. Das heißt also, dass im alltäglichen Sprachgebrauch zumindest schon eine Veränderung im Bewusstsein der Sprachbenutzer aufgetreten ist. Bedingt durch zahlreiche Maßnahmen die neben der feministischen Sprachkritik auch auf politischer Ebene und mittels Gesetzen durchgeführt wurden, treten immerhin in Gesetzbüchern, öffentlich-rechtlichen Texten und dem Schriftverkehr an verschiedenen Institutionen zunehmend Movierungen und Beidbenennungen statt des generischen Maskulinums auf (vgl. Pettersson, 2012: 24). In den meisten Tageszeitungen und anderen Texten öffentlicher Medien werden noch häufiger Maskulina und Neutralformen verwendet (ebd.). Beidbenennungen sind in den meisten Textarten immer noch eher selten vertreten, da es sich bei Beidbenennungen oftmals um Passiv-Bezeichnungen handelt (vgl. Pettersson, 2012: 27). „Dagegen wird auf Personen mit Prestige und auf aktive Personen mehrheitlich mit Maskulina sowie Institutions- und Kollektivbezeichnungen Bezug genommen“ (Pettersson, 2012: 27). Interessant ist auch, dass Pettersson neben dem „Handlungsbereich eines Textes“ (2012:30) auch den Sympathiefaktor der zu bezeichnenden Person betont. Wichtige Personen und solche, die als sympathisch erscheinen, werden laut Andersson, „häufiger mit Beidbenennung bezeichnet [und jene,] Personen, von denen Abstand genommen wird [, die ergo als unsympathisch empfunden werden], […] werden [...] häufiger mit dem Maskulinum bezeichnet.“ (Pettersson, 2012: 31). Als Beispiel für die negative Konnotation des Maskulinums führt er „die Personen [an], die als Repräsentanten des Patriarchats“ (Pettersson, 2012: 33) aufgefasst werden und damit der weiblichen Unterdrückung vorstehen.

[...]


[1] Beidbenennung wird gelegentlich auch als Beidnennung, Doppelform und Splittingform bezeichnet (Pettersson, 2011: 16).

[2] Whorf relativiert die im Strukturalismus behauptete Arbitrarität (Willkürlichkeit) des sprachlichen Zeichens. (vgl. Pettersson, 2011: 23)

[3] Mit „beiden“ sind sowohl die feministische wie die aufklärerische Sprachkritik gemeint.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Geschlechtsübergreifende Personenbezeichnungen - Magnus Petterssons Referenz- und Relevanzanalyse an Textauszügen von Sophie von La Roche
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
22
Katalognummer
V202789
ISBN (eBook)
9783656291749
ISBN (Buch)
9783656292678
Dateigröße
529 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
geschlechtsübergreifende, personenbezeichnungen, magnus, petterssons, referenz-, relevanzanalyse, textauszügen, sophie, roche
Arbeit zitieren
Pia-Loreen Kramm (Autor:in), 2012, Geschlechtsübergreifende Personenbezeichnungen - Magnus Petterssons Referenz- und Relevanzanalyse an Textauszügen von Sophie von La Roche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202789

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