Das Verhältnis von WEU und NATO


Seminararbeit, 2003

29 Seiten, Note: 15


Leseprobe


Inhalt

A. Die Vorverträge zur WEU
I. Vom Dünkirchener Vertrag zum Nordatlantikpakt
II. Die Bildung der NATO und das Scheitern der EVG

B. Errichtung der WEU und Unterordnung unter die NATO
I. Die Pariser Verträge
II. Die „Lethargie“ bis 1984

C. Reaktivierung der WEU von 1984 (Konferenz von Rom) bis 1987 (Haager Plattform)
I. Die Erklärung von Rom 1984
II. Die Haager Plattform von 1987

D. Die Bildung einer ESVI innerhalb von WEU und NATO
I. Erklärungen der NATO von Kopenhagen und Rom
II. Der Vertrag von Maastricht und die Erklärung der WEU-Außenminister
III. Die Petersberg-Erklärung

E. Anerkennung und Entwicklung der ESVI in der NATO (1994-1999)
I. Die Erklärung der NATO von Brüssel vom 11. Januar 1994
II. Der Berliner NATO-Gipfel vom 03. Juni 1996

F. Die Integration der militärischen Strukturen der WEU in die EU (von Amsterdam 1997 bis Marseille 2000)
I. Der Vertrag von Amsterdam und die Annexerklärung der WEU
II. Die Erklärung der Staats- und Regierungschefs der NATO vom 08. Juli 1997
III. Die Erklärung von Saint Malo vom 4. Dezember 1998
IV. Die Erklärung des Washingtoner Gipfels der NATO vom 24. April 1999
V. Die Erklärung von Köln vom 04. Juni 1999
VI. Die Erklärung von Marseille vom 13. November 2000

G. Schlussfolgerungen

Das Verhältnis von WEU und NATO

WEU und NATO sind beides rechtlich gesehen Verteidigungsorganisationen, die im selben geographischen Gebiet angesiedelt sind und deren Zentrum die jeweiligen Beistandsklauseln der Mitgliedsstaaten sind (Art. V WEU-Vertrag und Art. 5 NATO-Vertrag). Auch die Mitgliedschaften in beiden Organisationen überschneiden sich. So waren die WEU-Mitglieder auch regelmäßig NATO-Mitglieder.

Es stellt sich daher die Frage, warum es in Europa zwei, auf den ersten Blick auf das gleiche Ziel gerichtete Organisationen gibt und wie sich das Verhältnis zwischen beiden Organisationen sowohl rechtlich als auch praktisch entwickelt hat.

Da beide Organisationen im Abstand weniger Jahre im selben sicherheitspolitischen Umfeld gegründet wurden, lassen sich die Fragen am besten beantworten, wenn man die Entwicklung der Organisationen von der Gründung bis heute betrachtet, wie sie sich den sich ändernden Umständen angepasst haben und wie sich aufgrund dessen ihr Verhältnis zueinander gewandelt hat.

A. Die Vorverträge zur WEU

I. Vom Dünkirchener Vertrag zum Nordatlantikpakt

Die Verteidigungs- und Außenpolitik der Nachkriegszeit war geprägt von der Befürchtung, dass Deutschland wiedererstarken und erneut eine Bedrohung für Europa darstellen könnte, eine Angst, die besonders in Frankreich gehegt wurde. Aus diesem Grund schlossen Frankreich und Großbritannien am 04. März 1947 den Dünkirchener Pakt[1], in dem sie sich zu gegenseitigem militärischen Beistand für den Fall eines deutschen Angriffs verpflichteten.

Durch den offenen Ausbruch des Ost-West-Konflikts 1947, den Beginn militärischer Aufrüstung in der sowjetischen Besatzungszone und den kommunistischen Staatsstreich in der Tschechoslowakei im Februar 1948, stellte sich allerdings ein grundlegend geändertes Bedrohungsbild dar[2]. Auf eine britische Initiative hin wurde daher der Dünkirchener Pakt um die BENELUX-Staaten erweitert, am 17. März 1948 wurde durch die fünf Außenminister der Paktstaaten der Brüsseler Vertrag (‚Westunion’)[3] unterzeichnet. Vorrangiges Ziel blieb die gemeinsame Verteidigung für den Fall der Erneuerung einer deutschen Aggressionspolitik[4], doch war die Beistandsverpflichtungsklausel in Art. IV allgemein gehalten: „Wenn eine der Hohen vertragsschließenden Parteien das Ziel eines Angriffs in Europa werden sollte, so werden die anderen Hohen vertragsschließenden Parteien in Übereinstimmung mit den Klauseln der Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht liegende militärische und sonstige Hilfe und Unterstützung leisten.“ Damit war auch eine Bedrohung von außerhalb Europas umfasst, speziell aus dem Osten. Der Vertrag installierte allerdings noch keine Organisation.

Die Berlin Blockade im Juni 1948 und die generelle Verschärfung des Ost-West-Konflikts begünstigten die Auffassung, dass der Brüsseler Vertrag kein ausreichendes militärisches Gegengewicht zur sowjetischen Bedrohung darstellte. So sollte eine amerikanische Unterstützung für die Verteidigung Europas gesichert werden[5], indem durch den Vertrag die USA davon überzeugt werden sollten, dass die Europäer sich über ihre zukünftige Sicherheit im Klaren waren und sich selbst organisieren können[6]. Die Annahme des Brüsseler Vertrags war eines der Hauptargumente, die Präsident Truman benutzte, um die Zustimmung des US Senats zur Aufgabe der Doktrin der Bündnislosigkeit in Friedenszeiten und zur Zustimmung zum Washingtoner Vertrag zu erlangen[7].

Daraufhin unterzeichneten die USA am 04.April 1949 in Washington den Nordatlantikpakt[8]. Signatarstaaten dieses Paktes waren die USA, Kanada, Belgien, Dänemark, Frankreich, Island, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und Großbritannien. Die Staaten des Brüsseler Pakts unterzeichneten den Pakt mit, da unzweifelhaft eine effektive Verteidigung Westeuropas gegen die UdSSR ohne Teilnahme der USA nicht möglich war und er daher auch ihren Sicherheitsbedürfnissen entsprach.

Auch der Nordatlantikpakt enthält eine militärische Beistandspflicht in Art. 5 Nato-Vertrag, die im Gegensatz zu Art. IV WEU-Vertrag aber lediglich relativen Beistand gewährleistet. Jede Partei trifft die Maßnahmen „die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten“.

II. Die Bildung der NATO und das Scheitern der EVG

Im Juni 1950 brach mit einer von der UdSSR unterstützten Invasion Nordkoreas nach Südkorea der Koreakrieg aus. Man befürchtete, dass es sich um ein Vorspiel zu einer sowjetischen Attacke auf Westdeutschland handelte[9]. Der Nordatlantikpakt musste in Anbetracht dieser Entwicklung mit einer angemessenen politischen und militärischen Struktur untermauert werden[10]. Er wurde von seinen Führern in eine militärische Organisation umgeformt, die eine integrierte Kommandostruktur und eingesetzte alliierte Oberkommandierende für Europa und den Atlantik hatte[11]. Der erste alliierte Oberkommandierende in Europa (SACEUR) war der amerikanische General Dwight D. Eisenhower.

Weiterhin entstand die Notwendigkeit, die inzwischen gegründete Bundesrepublik Deutschland in das westliche Verteidigungsbündnis zu integrieren, damit an der Schnittstelle zwischen Ost und West kein Machtvakuum entstehen konnte, auf das die UdSSR irgendwann zugegriffen hätte[12]. Ein Verteidigungsbeitrag Westdeutschlands wurde nicht nur aus der Sicht der USA zu einer conditio-sine-qua-non europäisch-atlantischer Sicherheit[13]. Auch für die Bundesrepublik Deutschland war die Wiederbewaffnung von Interesse, war sie doch bis dato bündnis- und streitkräftelos.

Eine Aufnahme der BRD als gleichberechtigtes, souveränes Mitglied in die NATO wäre eine infrage kommende Lösung gewesen, doch war die Aufnahme ohne Kontrolle der militärischen Wiederbewaffnung insbesondere für Frankreich angesichts der noch frischen Erinnerung an die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges nicht akzeptabel[14].

Im Oktober 1950 wurde der Pleven-Plan für eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) vorgelegt. Er sollte einen Rahmen für die deutsche Wiederbewaffnung im Angesicht des Koreakrieges bilden. Vorgesehen war die Gründung einer europäischen Armee durch die sechs Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Der EVG-Vertrag wurde am 09.05.1952[15] in Paris unterzeichnet. Das Projekt der EVG scheiterte allerdings schon wieder am 30.08.1954, als die französische Nationalversammlung einen Antrag auf Absetzung des Punktes „EVG-Vertrag“ von der Tagesordnung annahm und somit seine Ratifizierung verhinderte.

B. Errichtung der WEU und Unterordnung unter die NATO

I. Die Pariser Verträge

Das Scheitern des EVG-Vertrages bedeutete, dass ein neuer Weg gefunden werden musste, um die BRD in das westliche Sicherheitssystem zu integrieren.

Den entscheidenden Schritt machte der britische Außenminister Anthony Eden, der durch intensive Reisediplomatie die Interessen Frankreichs, der BRD und Großbritanniens abglich. Als einzige konkrete Lösung blieb eine möglichst enge Kooperation zwischen den westeuropäischen Nationalstaaten[16]. Dazu bot sich eine Revision des Brüsseler Vertrags an.

Im September 1954 fand in London die Neun-Mächte-Konferenz statt, an der die Staaten des Brüsseler Vertrags, sowie die USA, Kanada, die BRD und Italien teilnahmen. Hier schlug Eden vor, einen Direktbeitritt Deutschlands zur NATO zu unterstützen und gleichzeitig Deutschland und Italien einzuladen, dem Brüsseler Vertrag beizutreten, der entsprechend modifiziert werden sollte[17]. Innerhalb des Rahmens der zu gründenden WEU sollte dann die von Frankreich verlangte Kontrolle der deutschen Armee erfolgen. Um dies zu erreichen, musste dem Brüsseler Vertrag seine Zielrichtung gegen Deutschland genommen werden; gleichzeitig musste er in eine Komplementärorganisation zur NATO umgestaltet werden[18]. Deutschland verpflichtete sich, freiwillig auf die Herstellung und Erlangung von atomaren, biologischen oder chemischen Waffen auf seinem Staatsgebiet zu verzichten. Unter diesen Umständen konnte Frankreich der Schlussakte der Neun-Mächte-Konferenz[19] zustimmen.

Am 23./24. Oktober 1954 wurden die Pariser Verträge zur Abänderung des Brüsseler Vertrags (WEU-Vertrag) geschlossen. Hierin wurden beschlossen die eingeschränkte Wiederherstellung der Souveränität der BRD, der Beitritt der BRD und Italiens zur WEU, sowie ein Abkommen über die Saarfrage. Es wurden ein Verwaltungsorgan, der Rat der Westeuropäischen Union und ein parlamentarisches Organ, die Versammlung der Westeuropäischen Union gegründet. Damit wurde der Brüsseler Vertrag in ein Grunddokument einer internationalen Organisation, der WEU, weiterentwickelt[20].

Das Protokoll Nr. I zur Änderung und Ergänzung des Brüsseler Vertrages ersetzte in der Präambel das Ziel gemeinsamer Aktionen gegen eine Aggression Deutschlands durch einen neuen Passus, der die Förderung der Einheit Europas und seiner fortschreitenden Integration beinhaltete. Weiterhin wurde ein neuer Art. IV in den WEU-Vertrag eingeführt, der den Aufbau einer Parallelorganisation zu den NATO-Stäben für unerwünscht erklärte und die WEU-Organe für Auskunftserteilung und Beratung in militärischen Angelegenheiten auf die zuständigen militärischen NATO-Stellen verwies. Dadurch wurde eine funktionale Hinordnung der WEU zur NATO festgeschrieben. Der Aufbau einer Parallelorganisation war deshalb nicht nötig, da alle WEU-Staaten auch Mitglieder der NATO waren[21]. Bedeutsam aus heutiger Sicht ist vor allem der neu eingefügte Art. VIII, der vorsieht, dass auf Antrag eines Mitgliedsstaates der Rat unverzüglich einberufen wird, um eine Beratung bei jeder Lage zu ermöglichen, die eine Bedrohung des Friedens, gleichviel in welchem Gebiet oder eine Gefährdung der wirtschaftlichen Stabilität darstellt. Hiermit ist die rechtliche Grundlage für out-of-area Operationen gelegt.

Protokoll Nr. IV über das Amt für Rüstungskontrolle regelt die Durchführung der Vereinbarungen aufgrund der Berichte der NATO und der Mitgliedsstaaten.

Am 06. Mai 1955 wurde der Beitritt Deutschlands zur WEU gleichzeitig mit dem Beitritt zur NATO wirksam.

In der Schlussakte der Neun-Mächte-Konferenz wurde vereinbart, dass „alle auf dem europäischen Kontinent stationierten Streitkräfte der NATO-Staaten SACEUR unterstellt werden.“[22] Von diesem Grundsatz sind nur solche Streitkräfte ausgenommen, mit deren Verbleib unter nationalem Oberkommando sich die NATO einverstanden erklärt. Darüber hinaus „(dürfen) diese Streitkräfte auf dem Kontinent ohne seine (SACEURs) Zustimmung weder umdisloziert noch operativ eingesetzt werden.“[23]

Durch diese weitgehende Verpflichtung könnten sich die an der militärischen Integration beteiligten WEU-Mitgliedsstaaten bewusst außerstande gesetzt haben, Art. V WEU-Vertrag zu erfüllen. Zwar enthält auch Art. 5 NATO-Vertrag eine Beistandspflicht, diese ist allerdings, wie bereits gesagt, lediglich relativ. Für eine Verteidigung nach Art. V WEU-Vertrag stünden z.B. in der BRD nur die nicht integrierten Truppenteile zur Verfügung[24]. Zu beachten ist aber, dass alle WEU-Mitgliedsstaaten an der Schlussakte der Neun-Mächte-Konferenz beteiligt waren. Daher ist die Schlussakte als eine einvernehmlich vereinbarte Beschränkung der tatsächlichen Erfüllbarkeit des Art. V WEU-Vertrag zu sehen[25]. Der WEU-Rat vertrat dazu die Ansicht, dass die Brüsseler Pakt-Staaten ihre gemeinsame Verteidigung 1951 an die NATO abgegeben hatten; die WEU stelle nur den „Aufbewahrungsort des in Art. V enthaltenen feierlichen Versprechens gegenseitigen Beistands“ dar[26].Dies gilt auch heute noch: „Ein Aufbau von eigenen Fähigkeiten zur kollektiven Verteidigung ist für die WEU weder politisch gewollt noch erforderlich; die Durchführung der Beistandsgarantie der WEU liegt bei der NATO.“[27]

Hauptziel der WEU war, sozusagen als Vehikel, den Beitritt Deutschlands zur NATO als notwendigen Schritt der effektiven Verteidigung gegen den Ostblock zu ermöglichen. Sie nimmt die von den USA im Rahmen der NATO abgelehnte Rüstungskontrolle war, ohne die Frankreich seine Zustimmung zum NATO-Beitritt der BRD verweigert hätte. Sie ist eine komplementäre Organisation zur NATO, die diese in ihrem Verteidigungsauftrag dahingehend unterstützt, dass sie die Aufgaben wahrnimmt, die die USA der NATO nicht aufbürden wollen, ohne die ein Funktionieren aber unmöglich ist[28]. Im WEU-Vertrag ist die Unterordnung der WEU unter die NATO festgeschrieben, ihr blieben im Schatten der NATO nur wenige Betätigungsfelder, zumal sie durch Art. I und IV des WEU-Vertrags sehr stark eingeschränkt ist, um die Arbeit von NATO und EWG nicht zu behindern. Dies führte dazu, dass die WEU lange Zeit in Lethargie versank.

II. Die „Lethargie“ bis 1984

Ein Hauptproblem der entstandenen WEU war, dass sie zwischen der militärisch dominanten NATO und der wirtschaftlich dominanten OEEC platziert werden musste[29]. Doch blockierten sich die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsstaaten. Frankreich wollte eine verstärkte Rüstungskontrolle, Großbritannien sah dagegen in jeder Aufgabenausweitung die Gefahr, dass eine Doppelorganisation und eine Schwächung vorhandener NATO-Gremien herbeigeführt würde. Auch die BRD sah ihre sicherheitspolitischen Interessen im Rahmen der NATO besser gewährleistet als im restriktiven Rahmen der WEU[30].

Bis Ende der 1950er Jahre hatte die NATO einen Nuklearstrategieplan aufgestellt und wurde dadurch zur sicherheitspolitischen Macht in Europa. Durch den Sputnikstart der UdSSR spitzten sich die Konflikte zwischen der NATO und der UdSSR weiter zu. Es war unbestritten, dass eine wirkungsvolle Verteidigung ohne die militärische Macht der USA nicht durchführbar war[31].

Am 07. und 11. Mai 1955 fanden Sitzungen des Ständigen Rats der WEU statt, in denen die Errichtung der Amts für Rüstungskontrolle und die Schaffung des Ständigen Rüstungskontrollausschusses beschlossen wurden. Der Ständige Rüstungskontrollausschuss sollte sich in engster Abstimmung mit der NATO mit Fragen der rüstungswirtschaftlichen Zusammenarbeit und europäischen Standards bei Rüstungsgütern beschäftigen[32]. Weitere militärische Funktion stand der WEU danach nicht zu, sie war primär auf die Rüstungskontrolle beschränkt.

Sie löste 1957 in Übereinstimmung mit der Präambel des WEU-Vertrags[33] die Saarfrage zwischen Frankreich und Deutschland und diente als Mittler zwischen der EWG und Großbritannien, nachdem der Beitritt des Landes am Veto Frankreichs gescheitert war.

In den 1950er und 1960er Jahren gab es mehrere Krisen[34], in denen eine militärische Aktivität der WEU hätte zustande kommen können. Trotzdem wurde nie die Beistandsklausel aus Art. V des WEU-Vertrags aktiviert. Dies ist sowohl aus dem WEU-Vertrag, als auch politisch zu erklären. Art. IV des WEU-Vertrags verweist die WEU-Organe auf die zuständigen NATO-Stellen. Aus diesem Artikel folgend, war zunächst immer die NATO als Verteidigungsorganisation zuständig. Dies weist auf eine politische Funktion der WEU hin, der damit eine militärische Bedeutung verwehrt wurde[35].

Als 1966 Frankreich aus dem integrierten Militärsystem der NATO austrat, wurde im Bericht über künftige Aufgaben des Bündnisse (‚Harmel-Bericht’)[36] ausgeführt: „Gleichzeitig (...) müssen wir die Frage der Verteidigung aufwerfen. Sie fällt naturgemäß in die Zuständigkeit der WEU und ihr kommt eine besondere Bedeutung zu, seitdem Frankreich beschlossen hat, sich in Friedenszeiten der Allianz fernzuhalten.“ Der sicherheitspolitische Sonderweg Frankreichs hatte für die Bundesrepublik Deutschland zur Folge, dass sie im Pentagon noch schutzbedürftiger erscheinen musste. Deshalb führte auch die ab 1969 bestehende Möglichkeit, die einjährige Kündigungsfrist des NATO-Vertrags in Anspruch zu nehmen, obwohl sie insbesondere für die Bundesrepublik Deutschland durchaus negative Auswirkungen haben konnte – damit konnte der nukleare Schutzschirm für die Bundesrepublik in Frage gestellt werden – nicht zu einer verteidigungspolitischen Rolle der WEU[37].

[...]


[1] Keesing’s Archiv der Gegenwart, 3./4. März 1947, S. 1031

[2] Birk, Der Funktionswandel der WEU, S. 49; Brandstetter, Die Westeuropäische Union, S. 15

[3] UNTS, Vol. 19, S. 51 ff.

[4] vgl. Präambel: „alle Schritte zu unternehmen, die sich für den Fall der Erneuerung einer deutschen Aggressionspolitik als notwendig erweisen.“

[5] Cahen, L’Union de l’Europe Occidentale et la mise en œuvre de la future défense commune de l’Union Européenne, S. 22

[6] Kaplan, NATO’s first fifty years, S. 7

[7] Cahen, The Western European Union and NATO, S. 17

[8] UNTS, Vol. 34, S. 243

[9] Kaplan, a.a.O., S. 9

[10] Origins of the WEU, www.weu.int

[11] Kaplan, a.a.O., S. 9

[12] Saalfeld, Entwicklung und Perspektiven der Westeuropäischen Union, S. 19

[13] Birk, a.a.O., S. 53

[14] Saalfeld, a.a.O., S. 19

[15] BGBl. 1954 II, S. 343 ff.

[16] Hillgruber, Europa in der Weltpolitik der Nachkriegszeit, S. 67

[17] Brandstetter, a.a.O., S. 18

[18] Saalfeld, a.a.O., S. 22

[19] EA 54/6978 ff.

[20] Marauhn, Building a European defence and security identity, S. 9

[21] Birk, a.a.O., S. 74

[22] Schlussakte der Neun-Mächte-Konferenz vom 03. Oktober 1954, Anlage 5 Nr. 2

[23] a.a.O.

[24] Saalfeld, a.a.O., S. 56

[25] Saalfeld a.a.O.

[26] Antwort des Rats auf die Zusatzfragen des Ausschusses der Versammlung für Verteidigungsfragen und Rüstungen; Assembly of WEU, Dok. 17 vom 10. Juli 1956, II/3, S. 38

[27] BT-Drucks. 13/5181, 02. Juli 1996, S. 8

[28] so Goerens, WEU after Maastricht, S. 183

[29] Brandstetter, a.a.O., S. 20

[30] Thoß, Der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur WEU und NATO im Spannungsfeld zwischen Blockbildung und Entspannung (1954 – 1956), S. 96

[31] Kaplan, a.a.O., S. 11

[32] Thoß a.a.O., S. 131 f.

[33] „Die Einheit Europas zu fördern und seiner fortschreitenden Integrierung Antrieb zu geben“

[34] z.B. die französisch-britische Intervention am Suezkanal am 31. Oktober 1957

[35] Birk, a.a.O., S. 101

[36] EA 24/68, D 610 f.

[37] Birk, a.a.O., S. 102

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Das Verhältnis von WEU und NATO
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Deutsch-Polnische Rechtsschule)
Veranstaltung
Deutsch-Polnisches Rechtsseminar
Note
15
Autor
Jahr
2003
Seiten
29
Katalognummer
V20332
ISBN (eBook)
9783638242356
ISBN (Buch)
9783640385461
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit beschreibt die parallele Existenz zweier vordergründig auf das gleiche Ziel gerichteter Verteidigungsbündnisse, die im selben geographischen Raum agieren. Weiterhin wird kurz auf die Integration der WEU als viertem Pfeiler der EU eingegangen.
Schlagworte
Verhältnis, NATO, Deutsch-Polnisches, Rechtsseminar
Arbeit zitieren
Jan Schneider (Autor:in), 2003, Das Verhältnis von WEU und NATO, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20332

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