Ein Großteil der heutigen Organisationen wenden sich von einer rein festverbindlichen Entlohnung ab und tendieren zu einer Kombination aus einem fixen und variablen Vergütungsanteil. Das Ziel dieser Vergütungsform liegt in den motivationalen Anreizen, die durch den variablen Entlohnungsanteil zum Ausdruck kommen. Dieser monetäre Anreiz hat das Ziel, die Motivation eines Mitarbeiters zu erhöhen, um den damit korrelierenden Unternehmenserfolg positiv zu beeinflussen.Seit längerem werden ähnliche Ansätze im Rahmen der Gesundheitsökonomie hinterfragt und diskutiert. Hierbei geht es um die Fragestellung, ob durch ein adäquates System von erfolgsorientierter Vergütung, die Versorgungsqualität verbessert, respektive die Versorgungskosten reduziert werden können.Die vorliegende Arbeit erläutert die wesentlichen Grundzüge dieser variablen Vergütungssystematik und gibt Einblicke in bereits bestehende Indikatorenprogramme, mit denen die jeweilige Leistung gemessen und anschließend vergütet werden kann. Die Arbeit fokussiert damit die Methodik und Praxisrelevanz des P4P Konzeptes im Rahmen niedergelassener Leistungserbringer und betrachtet die Wirkungsmechanik dieses Entgeltprinzips kritisch. Neben der Entstehungsgeschichte von P4P werden zudem Spezifika des deutschen Gesundheitssystems, wie gesetzliche Anforderungen, unterschiedliche Vergütungsformen und Implementierungsmodalitäten erläutert, um anschließend den Aufbau des P4P Konzeptes ausführlich zu beschreiben. Das grundlegende Problem bei der performancebasierten Vergütung stellt die objektive Operationalisierung von medizinischen Leistungen dar. Hierfür werden im dritten Kapitel neben allgemeinen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen von Qualitätsindikatoren, die Qualitätsdimensionen nach Avedis Donabedian dargestellt. Die Quali-tätsindikatorenprogramme QiSA und AQUIK sind praxistaugliche und evidenzbasierte Projekte, mit denen der Leistungserfolg eines Anbieters evaluiert werden kann. Diese Programme werden daher eigenständig und umfassend im vierten Kapitel detailliert beschrieben. Inwieweit Wirtschaftlichkeitsüberlegungen sowie Akzeptanz und Nutzung im Praxisalltag Berücksichtigung finden, werden in Kapitel fünf kritisch betrachtet. Beendet wird dieses Kapitel mit dem Betrachtungsobjekt der Vereinbarkeit der P4P Systematik mit dem Ärztestand und beschreibt den Zusammenhang zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Konzept des P4P Ansatzes
2.1 Begriffsdefinition von Pay for Performance
2.2 Entstehung und Entwicklung des P4P Konzeptes
2.3 Einordnung des P4P Ansatzes in das System des deutschen Gesundheitswesens
2.3.1 Gesetzliche Anforderungen und Möglichkeiten
2.3.2 Vergütungsformen im Gesundheitssystem
2.3.3 Implementierungsmodalitäten im Gesundheitssystem
2.4 Ziele und Aufbau des P4P Konzeptes
2.4.1 Ziele des P4P Konzeptes
2.4.2 Erfolgsorientierte Vergütung
2.4.3 Public Reporting
3 Qualitätsmessung im Rahmen des P4P Ansatzes
3.1 Rahmenbedingungen und Voraussetzungen von Qualitätsindikatoren
3.2 Qualitätsindikatoren nach Avedis Donabedian
4 Ausgewählte Indikatorenprogramme im deutschen Gesundheitssystem
4.1 Das Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung
4.1.1 Entstehung und Zieldimensionen von QiSA
4.1.2 Methodik und Module von QiSA
4.1.3 Einsatzfelder von QiSA
4.1.4 Entwicklung von neuen Qualitätsindikatoren für die ambulante Versorgung
4.2 Ambulante Qualitätsindikatoren und Kennzahlen
4.2.1 Ziele des Projektes AQUIK
4.2.2 Methodischer Aufbau des AQUIK Projektes
4.2.3 Ergebnisbetrachtung
5 Kritische Betrachtungsfelder des P4P Konzeptes im Gesundheitswesen
5.1 Wirtschaftlichkeit im P4P Konzept
5.2 Akzeptanz und Nutzung des P4P Systems in der BRD
5.3 Vereinbarkeit von P4P mit dem Ärztestand
6 Zusammenfassung und Resümee
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Vergütungsformen
Abbildung 2: Zielfunktionen des P4P Konzeptes
Abbildung 3: Messmethoden
Abbildung 4: QiSA Module
Abbildung 5: Attribute der QiSA-Indikatoren
Abbildung 6: Phasen des AQUIK Projektes
Abbildung 7: AQUIK Indikatorenset
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
In der heutigen Wirtschaftswelt ist es mittlerweile zum Standard geworden, dass die Mitarbeiter in Abhängigkeit des Unternehmenserfolges vergütet werden. Immer mehr Organisationen wenden sich von einer rein festverbindlichen Entlohnung ab und tendieren zu einer Kombination aus einem fixen und variablen Vergütungsanteil. Eine Untersuchung der DAX-30-Unternehmen und weiterer 160 nicht börsennotierter Organisationen zeigt, dass der variable Vergütungsanteil zwischen 15 und 35 Prozent der jeweiligen Gesamtvergütung liegt und diese Entlohnungssystematik bei über 43 Prozent der Mitarbeiter bereits Anwendung in Form von Provisionen, Prämien oder Gratifikationen, findet.[1] Das Ziel dieser Vergütungsform liegt in den motivationalen Anreizen, die durch den variablen Entlohnungsanteil zum Ausdruck kommen. Dieser monetäre Anreiz hat das Ziel, die Motivation eines Mitarbeiters bei seiner Arbeitsverrichtung zu erhöhen, um den damit korrelierenden Unternehmenserfolg positiv zu beeinflussen.[2]
Seit längerem werden ähnliche Ansätze im Rahmen der Gesundheitsökonomie hinterfragt und diskutiert. Hierbei geht es um die Fragestellung, ob durch ein adäquates System von erfolgsorientierter Vergütung, die Versorgungsqualität verbessert, respektive die Versorgungskosten im Gesundheitswesen reduziert werden können, da vermutet wird, dass im deutschen Gesundheitssystem mittelfristig 20 Milliarden Euro an Effizienzreserven schlummern.[3] Gründe solcher Überlegungen sind auch in den stetig steigenden Gesundheitsausgaben sowie im Bedürfnis nach mehr Transparenz in der Versorgung zu finden.[4] So umfasste beispielsweise der deutsche Gesundheitsetat im Jahr 2009, 11,6 Prozent des Bruttoinlandproduktes und lag damit 2,1 Prozentpunkte über dem Durchschnittswert der OECD Länder.[5] Neben den steigenden Gesundheitsausgaben und den damit verbundenen Beitragserhöhungen der Krankenversicherungen, kristallisiert sich sowohl politisch[6], als auch gesundheitsökonomisch ein Handlungsbedarf heraus, der dazu führt, in die bis dato bestehende Vergütungssystematik des Gesundheitswesens einzugreifen. Erstmals im Jahr 1997 wurde durch den „Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“ (SVR), das Thema Pay for Performance, im Rahmen eines Sondergutachtens in den Mittelpunkt gestellt.[7] Mittlerweile hat das Konzept der erfolgsabhängigen Vergütung an Relevanz zugenommen, sodass es in weiten Teilen institutioneller Leistungsfinanzierer wesentlicher Bestandteil der Kostenkompensation ist. Die vorliegende Arbeit erläutert die wesentlichen Grundzüge dieser Vergütungssystematik und gibt Einblicke in bereits bestehende Indikatorenprogramme, mit denen die jeweilige Leistung gemessen und anschließend vergütet werden kann. Die Arbeit fokussiert damit die Methodik und Praxisrelevanz des P4P Konzeptes im Rahmen niedergelassener Leistungserbringer und betrachtet die Wirkungsmechanik dieses Entgeltprinzips kritisch. Einleitend werden dazu in Kapitel 2 definitorische Grundlagen geschaffen. Neben der Entstehungsgeschichte von P4P werden zudem Spezifika des deutschen Gesundheitssystems, wie gesetzliche Anforderungen, unterschiedliche Vergütungsformen und Implementierungsmodalitäten erläutert, um anschließend den Aufbau des P4P Konzeptes ausführlich zu beschreiben. Das grundlegende Problem bei der performancebasierten Vergütung stellt die objektive Operationalisierung von medizinischen Leistungen dar. Hierfür werden im dritten Kapitel neben allgemeinen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen von Qualitätsindikatoren, die Qualitätsdimensionen nach Avedis Donabedian dargestellt. Die Qualitätsindikatorenprogramme QiSA und AQUIK sind praxistaugliche und evidenzbasierte Projekte, mit denen der Leistungserfolg eines Anbieters von ambulanten Gesundheitsleistungen evaluiert werden kann. Diese Programme werden daher eigenständig und umfassend im vierten Kapitel detailliert beschrieben. Die zeitintensive und aufwendige Entwicklung eines solchen Programmes zeigt, dass das P4P Konzept ein komplexes Gefüge ist und daher sowohl positive, als auch negative Effekte mit sich bringen kann. Inwieweit Wirtschaftlichkeitsüberlegungen sowie Akzeptanz und Nutzung im Praxisalltag Berücksichtigung finden, werden in Kapitel fünf kritisch betrachtet. Beendet wird dieses Kapitel mit dem Betrachtungsobjekt der Vereinbarkeit der P4P Systematik mit dem Ärztestand und beschreibt den Zusammenhang zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Im sechsten Kapitel der vorliegenden Arbeit werden nochmals die Inhalte der Arbeit komprimiert dargestellt und im Rahmen eines Resümees beendet.
2 Das Konzept des P4P Ansatzes
In diesem zweiten Kapitel werden die Grundlagen für das weitere Verständnis dieser Arbeit geschaffen. Einleitend wird hierzu im ersten Kapitel der definitorische Begriff des P4P Ansatzes erläutert und in Kapitel 2.2 die Entstehung dieser Vergütungssystematik in ihrem zeitlichen Ablauf kurz skizziert. Im Kapitel 2.3 werden zu Beginn die gesetzlichen Anforderungen und Möglichkeiten zur Etablierung eines solchen Ansatzes dargestellt. Eine Einordnung von P4P in den Gesamtzusammenhang der Vergütungslandschaft von Leistungserbringern sowie Aspekte der Implementierung in das Gesundheitswesen werden hier ebenfalls vorgenommen. Anschließend werden anhand zweier Unterkapitel die beiden Säulen des P4P Konzeptes, „Erfolgsorientierte Vergütung“ (Kapitel 2.4.2) und „Public Reporting“ (Kapitel 2.4.3) erläutert und in ihren Zusammenhang gesetzt.
2.1 Begriffsdefinition von Pay for Performance
Das Konzept von Pay for Performance (P4P) versucht mittels Anreize den Erfolg einer Leistung zu erhöhen. Es handelt sich hierbei um eine Vergütungssystematik, die ausgehend vom Erfüllungsgrad einer Verrichtung, den Leistungserbringer entsprechend entlohnt. Im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen wird der Gedanke fokussiert, den Behandlungserfolg und damit die Qualität einer Behandlung zu verbessern. Das P4P Konzept kann somit als ein Vergütungssystem verstanden werden, das versucht, zieladjustiert die Qualität der Leistungen von Anbietern von Gesundheitsleistungen zu vergüten.[8] Die Begrifflichkeit Pay for Performance[9] ist in der gesundheitswissenschaftlichen Diskussion als Weiterent-wicklung von „Public Disclosure“[10] zu verstehen. „Public Disclosure“ stellt hierbei die Veröffentlichung von Ergebnissen, insbesondere von Qualitätsdaten, dar.[11] Zielvorstellungen des P4P Ansatzes sowie der Aufbau und Zusammenhang in Verbindung mit „Public Disclosure“ werden in Kapitel 2.4 näher beschrieben.
Neben dem bisher verwendeten Ausdruck von Pay for Performance werden auch weitere englischsprachige Begrifflichkeiten, wie „Value-Based Performance“ oder auch „Payment for Quality“, unter dem Verständnis einer erfolgs- und qualitätsorientierten Vergütung subsumiert.[12] Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird vereinfachend von P4P gesprochen, um auf einer einheitlichen Begriffsdefinition aufbauen zu können. Im nachfolgenden Kapitel werden der Entstehungsgedanke und die Entwicklung des P4P Konzeptes zusammenfassend dargestellt.
2.2 Entstehung und Entwicklung des P4P Konzeptes
Ausgangspunkt und somit Initialgedanke, welches das P4P Konzept in den öffentlichen Diskurs brachte, war die Veröffentlichung eines Gutachtens des „Institute of Medicine“ (IOM) aus Washington, D.C. im Jahr 1998. Darin dokumentierte das IOM erhebliche Qualitätsprobleme des amerikanischen Health Care Systems und den damit verbundenen Missbrauch des Gesundheitssystems auf Grund von übermäßiger und unterproportionaler Inanspruchnahme von Behandlungsleistungen.[13] In den darauffolgenden Jahren wurden mögliche Lösungsansätze diskutiert und es wurde ein Ansatz fokussiert, der sich die Anreizwirkung von Entlohnungssystemen zur Qualitätssteigerung zu Nutze macht. Absicht hierbei ist nicht die Erhöhung der Effizienz, sondern die Steigerung der Versorgungsqualität.[14] Das bekannteste Projekt, welches konkret an dieser neuen Versorgungssystematik arbeitete und diese weiterentwickelte war die „Integrated Healthcare Association“ (IHA) in Kalifornien. Die IHA initiierte im Jahr 2000 eine Arbeitsgruppe[15], die einen umfassenden Ansatz für performancebasierte Entlohnung erarbeitete. Die IHA formulierte in ihrem Bericht aus dem Jahr 2006 das Ziel ihres P4P Gedankens wie folgt:
„To create a business case for quality improvement through a compelling set of incentives that would drive breakthrough improvements in the quality and experience of health care.”[16]
In den Folgejahren schlossen sich die größten Health Plans der Vereinigten Staaten von Amerika, wie beispielsweise „Aetna“, „Blue Cross of California“ oder „PacifiCare“ diesem Vergütungssystem an und unterstrichen damit die Bedeutung und Relevanz dieses Projektes für das amerikanische Gesundheitswesen. Der wesentliche Aufbau und die jeweils verwendeten Indikatoren zur Messung und Bewertung von Gesundheitsleistungen, um die Leistungserbringer qualitätsorientiert zu vergüten, werden in Kapitel 2.4 und 3.1 ausführlich dargestellt und daher an dieser Stelle nicht weiter erläutert.
Heute zählt die IHA über 200 Institutionen mit über zehn Millionen Mitglieder, die sich dem System angeschlossen haben und gemeinsam mit diesem Projekt die Behandlungsqualität im amerikanischen Gesundheitswesen verbessern.[17]
Der erste Einfluss eines solchen Qualitätsgedankens im deutschen Gesundheitssystem bestand im Rahmen des Gesundheitsreformgesetzes aus dem Jahr 1989. Seither wurde der Qualitätsaspekt im Rahmen des Qualitätsmanagements in Form von Qualitätstransparenz oder Qualitätssteuerung jedem großen Reformgesetz hinzugefügt.[18] Eine konsequente und praxisbasierende Umsetzung der leistungsorientierten Vergütungsdisziplin blieb aber aus. Erstmals im Jahr 1997 nahm der SVR zur Thematik des P4P Gedankens Stellung. In diesem Sondergutachten heißt es, dass „die Vergütung im Mittelpunkt steht“ und „Anreize zu mehr Ergebnisorientierung“ geschaffen werden müssen. Weiterhin betont der SVR, dass „auf diesem Wege (..) die Vergütung zur Erhöhung von Effektivität und Effizienz in der Krankenhausversorgung und gesundheitlichen Betreuung der Bevölkerung“ beiträgt und die „erfolgsorientierten Vergütungsformen einzusetzen“ sind, „wo immer sich eine sinnvolle Möglichkeit dazu bietet.“[19] Eine erste Anwendung von qualitätsorientierten Verträgen zwischen den Leistungsfinanzierern und Erbringern von Gesundheitsleistungen, erfolgte faktisch erst durch die Einführung der neuen Versorgungsformen im Rahmen der Gesundheitsreform aus dem Jahr 2000.[20] Hierbei wurde beispielsweise die Integrierte Versorgung[21] gesetzlich ermöglicht, was dazu führte, dass neben kollektiven Kontrahierungsmöglichkeiten jetzt auch die Möglichkeit des selektiven Kontrahierens in Bezug auf die erfolgsorientierte Vergütung bestand. Weitere Ausführungen hierzu und die Stellung des Paragraphen 136 SGB V, „Förderung der Qualität durch die Kassenärztliche Vereinigungen“[22], werden in Kapitel 2.3.1 ausführlich erläutert. Neben ein durch das Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebenes „Gutachten zur Ermittlung des nationalen und internationalen Sachstandes im Bereich Pay for Performance“[23] aus dem Jahr 2010, gibt es bereits auch praxisbasierte Programme, mit deren Hilfe die Qualität einer Behandlung gemessen und erfolgsadjustiert vergütet werden kann. Beispielhaft ist hier das Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung (QiSA) zu erwähnen, welches ausführlich im vierten Kapitel beschrieben wird.
2.3 Einordnung des P4P Ansatzes in das System des deutschen Gesundheitswesens
In diesem Abschnitt des Grundlagenkapitels wird der P4P Ansatz in den Gesamtzusammenhang des deutschen Gesundheitssystems gesetzt. Zuvorderst werden die gesetzlichen Anforderungen und Möglichkeiten erörtert, die eine Etablierung des P4P Gedankens im Gesundheitssystem der Bundesrepublik Deutschland möglich machen. In Kapitel 2.3.2 werden ausgewählte Vergütungsformen grafisch dargestellt und anschließend in Bezug auf die gesundheitsökonomische Vergütungssystematik detailliert beschrieben. Zum Schluss des Kapitels 2.3, werden ausgewählte Implementierungsmodalitäten kurz erläutert und in Bezug auf das Gesundheitssystem ausgearbeitet.
2.3.1 Gesetzliche Anforderungen und Möglichkeiten
In Kapitel 2.2 wurde aufgezeigt, dass erst durch die Gesundheitsreform aus dem Jahr 2000 der vertraglichen Ausgestaltung zwischen Leistungserbringern und Leistungsfinanzierern mehr Freiraum gegeben wurde. Neben der erwähnten Integrierten Versorgung[24] wurden auch weitere Versorgungsformen, wie die hausarztzentrierte Versorgung[25], die besondere ambulante ärztliche Versorgung[26], die ambulante stationäre Versorgung[27] sowie Rabattverträge[28] und Wahltarife[29], mit zum Teil erheblichem Handlungsspielraum für die Akteure eingeführt. Grundlegend sind qualitätsorientierte Vergütungsmodelle eher den Selektivverträgen zuzuordnen, wenngleich sie im kollektiven Bereich ebenfalls Anwendung finden.[30] Ausschlaggebend beim selektiven Kontrahieren ist, dass die staatlichen Organisationen, Krankenkassen oder einzelne Leistungsanbieter hierbei zu Einkäufern werden. Folglich entwickelt sich daraus eine gewisse Vertragsfreiheit, die aber unter kritischen Gesichtspunkten zu bewerten ist. So müssen beispielsweise Kriterien für die Auswahl von Vertragspartnern und Vertragsgegenständen gefunden werden. Zudem muss es klare Indikatoren geben, mit denen der Outcome bewertet werden kann.[31] Ausführliche Erläuterungen und Prämissen zu solchen Qualitätsindikatoren werden im dritten Kapitel dieser Arbeit beschrieben.
Als wegweisende Norm in Richtung Praxistauglichkeit des P4P Ansatzes, ist der Paragraph 136 SGB V zu erwähnen. Dieser Gesetzesabschnitt verpflichtet die Kassenärztlichen Vereinigungen, zielgerichtet die Versorgungsqualität zu fördern und anhand standardisierter Richtlinien[32] das jeweilige Ergebnis zu evaluieren.[33] In der praktischen Umsetzung bedeutet das, dass zur Wahrnehmung der Förderungspflicht beispielsweise Qualitätsmanagementsysteme entwickelt und implementiert werden.[34] Im Rahmen des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes wurde der Paragraph 136 SGB V durch den Absatz vier ergänzt. Dieser ermöglicht den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen, in ihrem zuständigen Bereich Qualitätssysteme zu implementieren und zu unterhalten. Ihnen obliegt die Verantwortung gesamtvertragliche Vereinbarungen zu schließen, „in denen für bestimmte Leistungen einheitlich strukturierte und elektronisch dokumentierte“ Sollgrößen festgelegt werden, „bei deren Erfüllung, die an dem jeweiligen Vertrag teilnehmenden Ärzte, Zuschläge zu den Vergütungen erhalten.“[35] Diese Sollgrößen und ihre Bedeutung im Rahmen der Qualitätsmessung werden im dritten Kapitel näher erläutert. Durch die Aufnahme des vierten Absatzes im Paragraph 136 SGB V wurde der Idee, höhere Qualität entsprechend höher zu vergüten, die ersten Impulse zum P4P Ansatz im deutschen Gesundheitswesen gegeben. Neben diesen gesetzlichen Anforderungen und Möglichkeiten der erfolgsorientierten Vergütung, gibt es noch weitere Aspekte, die bei der Einordnung des P4P Ansatzes im deutschen Gesundheitswesen berücksichtigt werden müssen. Im folgenden Kapitel wird die performancebasierte Entlohnungsform in den Gesamtzusammenhang der Vergütungslandschaft eingeordnet.
2.3.2 Vergütungsformen im Gesundheitssystem
Das deutsche Gesundheitssystem umfasst acht unterschiedliche Formen der Kompensationszahlungen für Behandlungsausgaben. Die folgende Abbildung zeigt die Vergütungsformen im Überblick.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Vergütungsformen[36]
Nachfolgend werden die Entlohnungselemente im Einzelnen beschrieben und ausgewählte Charakteristika zu erwünschten oder unerwünschten Effekten dargelegt.
Leistungskomplex
Bei Leistungskomplexen handelt es sich um eine Ansammlung von Leistungen bezüglich der Behandlung eines einzelnen Falles eines Patienten. Diese Behandlungsleistungen können beispielsweise operative Eingriffe, Pflegeleistungen oder auch Verwaltungsaufwendungen darstellen. Hierbei wird der Leistungserbringer in der Summe pauschal vergütet. Unerwünschte Effekte, wie die Ausweitung der Einzelleistungen finden bei dieser Form der Vergütung keine Anwendung.[37]
Fallpauschale
Die Fallpauschale ist als weiterführende Stufe des Leistungskomplexes zu verstehen. Der Leistungserbinger erhält hierbei eine adjustierte Pauschale für den jeweils behandelten Fall. Eine Adjustierung bedeutet in diesem Fall, eine Berücksichtigung von Alter, Prozedur und Krankheitsintensität. Das Morbiditätsrisiko wird in diesem Fall von den Krankenkassen getragen. Ein jeweiliger Mehr- oder Minderaufwand pro Patient wird vom Leistungserbringer getragen.[38] Bei dieser Form bestehen keinerlei Anreize die Leistungen auszuweiten, sehr wohl aber bei der Verlagerung von Behandlungsaufwendungen, um mögliche Kosten auf andere abzuwälzen.[39]
Kopfpauschale
Die Kopfpauschale, auch bekannt unter dem Begriff „capitation“, umfasst einen pauschalierten Grundbetrag, den der jeweilige Leistungserbringer für einen, bei ihm vertraglich verpflichteten Versicherten erhält. Im Gegensatz zur Fallpauschale findet hier eine Risikoadjustierung in Bezug auf Alter, Geschlecht und Morbidität statt. Die Pauschale erhält der Leistungserbringer prospektiv für eine vereinbarte Periode. Die hierbei auftretende Gefahr liegt im Bereich der Risikoselektion. Obwohl Anreize bestehen, alle notwendigen Mittel zur Gesunderhaltung des Patienten einzusetzen, besteht der unerwünschte Effekt, dass beispielsweise chronisch Erkrankte selektiert und damit ausgeschlossen werden, um den ärztlichen Behandlungsaufwand kostengering zu halten.[40]
[...]
[1] Vgl. Focus (2010), S. 1.
[2] Vgl. FAZ (2006), S. 2.
[3] Vgl. Welt (2006), S. 1.
[4] Vgl. Bartholomäus (1999), S. 32.
[5] Vgl. OECD (2011), S. 1.
[6] Vgl. CDU u.a. (2009), S. 85.
[7] Vgl. SVR (1997), S. 66 und 77.
[8] Vgl. Rosenthal, Dudley (2006), S. 1.
[9] Im Deutschen zu übersetzen als „Qualitätsorientierte Vergütung“, vgl. Rieser (2009), S. 13.
[10] Im Deutschen zu übersetzen als „Veröffentlichung von Qualitätsergebnissen“, vgl. Schrappe (2001), S. 647.
[11] Vgl. SVR (2007), Nr. 725.
[12] Vgl. SVR (2007), Nr. 730.
[13] Vgl. IOM (2003), S. 23.
[14] Vgl. Amelung, Zahn (2009), S. 7.
[15] Die Arbeitsgruppe besteht unter Anderem aus amerikanischen Versorgungssystemen, Arbeitgebern, Akademikern, Konsumenten und Repräsentanten der pharmazeutischen Industrie.
[16] IHA (2006), S. 1.
[17] Vgl. Rusin (2012), S. 4.
[18] Vgl. Gruhl (2011), S. 42.
[19] SVR (1997), S. 66 und 77.
[20] Vgl. Klusen u.a. (2009), S. 99.
[21] SGB V, §140a-d.
[22] SGB V, §136.
[23] Vgl. BMG (2010), S. 1.
[24] SGB V, §140a-d.
[25] Ebd., §73b.
[26] Ebd., §73c.
[27] Ebd., §116.
[28] Ebd., §130a.
[29] Ebd., §53.
[30] Vgl. Amelung, Zahn (2009), S. 8.
[31] Vgl. Amelung, Zahn (2009), S. 10.
[32] Die Richtlinien der Kriterien zur Qualitätsbeurteilung sowie die Maßgabe der Vorgaben zur Auswahl, Umfang und Verfahren der Qualitätsprüfungen werden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss entwickelt.
[33] SGB V, §136 Abs. 1 bis 3.
[34] Vgl. Beck (2012).
[35] SGB V, §136 Abs. 4 Satz 1.
[36] Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Amelung, Zahn (2009), S. 14.
[37] Vgl. Amelung, Zahn (2009), S. 15.
[38] Vgl. ebd.
[39] Vgl. Amelung (2009). S. 10.
[40] Vgl. Emmert (2008), S. 224 bis 228.
- Arbeit zitieren
- Jens Dell´Anna (Autor:in), 2012, Leistungsorientierte Vergütung im Gesundheitswesen: P4P bei niedergelassenen Ärzten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205073