Theodor FONTANE gilt in der erzählanalytischen Forschungsliteratur durch Romane wie Effi Briest als typischer Vertreter der synthetischen Erzählung, die durch ihren chronologischen Aufbau grundsätzlich ohne markante Anachronien auskommt.
Zugleich wird FONTANE von dem Schriftsteller Alexander KLUGE jedoch als Erfinder des „Vielfältigkeitsromans“ gerühmt, der die „Dominanz einer Handlung zurückdräng[t] und stattdessen ‚den Zusammenhang vieler Handlungen und die Reflexion ausbreitet‘ “. Gemeint ist ein erzähltechnisches Verfahren, das den Eindruck einer Gleichzeitigkeit der erzählten Geschehnisse herzustellen vermag. Jochen VOGT nennt in diesem Kontext auch den „Roman des Nebeneinander“. Bei FONTANE werden besonders die Figurengespräche „Medium der Vielfältigkeit“.
In der folgenden Arbeit werde ich mich mit der temporalen Ordnung und Dauer in FONTANES Grete Minde (1879) befassen, da sich hier wiederholt zeitliche Besonderheiten auffinden lassen. Hierzu möchte ich auch die Frage klären, ob die literaturgeschichtliche Einordnung der Geschichte in das Genre „Novelle“ berechtigt sei oder nicht, da dies nicht unerheblich zur Bewertung der Erzähltechnik beiträgt. Weiterhin werde ich einige exemplarische Textpassagen aus Grete Minde analysieren und auf ihre erzähltechnische Funktion hin interpretieren. Hierbei steht für mich die Frage im Vordergrund, ob sich neben den „gängigen“ Funktionen, die Anachronien in der Forschungsliteratur allgemein zugeschrieben werden, eventuell auch spezifische Funktionen für etwa die Figurenkonstellation in der Geschichte ausmachen lassen. Da im Zusammenhang von Anachroniefunktionen und FONTANES Grete Minde bisher kaum Forschungsliteratur existiert, werde ich hierbei größtenteils auf meine eigenen Interpretationsansätze zurückgreifen, wie sie sich aus dem literarischen Kontext und unseren im Seminar erarbeiteten Erkenntnissen ergeben haben.
Im letzten Kapitel folgt dann ein kurzes Resümee, das versucht, die Einzelergebnisse zu einem Gesamteindruck zusammenzufassen.
Beginnen möchte ich mit einer kurzen Einführung in die später verwendeten erzählanalytischen Begriffe. Da es in der genauen Benennung temporaler Phänomene je nach Forschungsliteratur leichte Unterschiede gibt, beziehe ich mich hierbei auf die Einführung in die Erzählanalyse von Matias MARTINEZ und Michael SCHEFFEL, ergänzend auf Jochen VOGTS Aspekte erzählender Prosa.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Erläuterung der erzählanalytischen Begriffe
- Ordnung
- Dauer
- Analyse und Interpretation der temporalen Ordnung in Theodor Fontanes Grete Minde
- Zeitsprünge und die damit einhergehende Frage nach der literarischen Einordnung der Grete Minde
- Analepsen
- Prolepsen
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die temporale Ordnung und Dauer in Theodor Fontanes „Grete Minde“ (1879) und analysiert dabei die Funktion von Anachronien in der Erzählung. Insbesondere wird die Frage der Einordnung des Werks in das Genre der Novelle beleuchtet. Die Arbeit zielt darauf ab, die erzähltechnischen Besonderheiten des Romans zu erforschen und deren Einfluss auf die Figurenkonstellation zu analysieren.
- Analyse der temporalen Ordnung in Fontanes „Grete Minde“
- Funktion von Anachronien in der Erzähltechnik
- Einordnung von „Grete Minde“ in das Genre der Novelle
- Einfluss der erzähltechnischen Besonderheiten auf die Figuren
- Interpretation der Anachronien im Hinblick auf ihre spezifische Funktion
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der temporalen Ordnung und Dauer in Fontanes „Grete Minde“ ein und stellt die Forschungsfrage nach der Funktion von Anachronien in der Erzählung. Zudem wird die Einordnung des Romans in das Genre der Novelle diskutiert.
Das Kapitel „Erläuterung der erzählanalytischen Begriffe“ definiert die wichtigsten narratologischen Begriffe, die in der Arbeit verwendet werden, insbesondere in Bezug auf die Ordnung und Dauer von Ereignissen in einer Erzählung. Die Kapitel „Analepsen“ und „Prolepsen“ untersuchen die Funktion von Rückwendungen und Vorausdeutungen im Text, wobei auch die Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen dieser Anachronien erläutert wird.
Das Kapitel „Analyse und Interpretation der temporalen Ordnung in Theodor Fontanes Grete Minde“ befasst sich mit den Zeitsprüngen im Roman und analysiert deren Einfluss auf die literarische Einordnung der Geschichte.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen dieser Arbeit sind die Analyse der temporalen Ordnung und Dauer in Theodor Fontanes „Grete Minde“, die Funktion von Anachronien, insbesondere Analepsen und Prolepsen, sowie die Einordnung des Werks in das Genre der Novelle. Weitere wichtige Schlüsselbegriffe sind Figurenkonstellation, erzähltechnische Besonderheiten und die Interpretation der Anachronien im Hinblick auf ihre spezifische Funktion im Roman.
- Quote paper
- Wiebke Hugen (Author), 2009, Die Funktion der Anachronien in Theodor Fontanes "Grete Minde", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205731