[...] Immer mehr Lehrerinnen und Lehrer empfinden den Umgang mit
verhaltensauffälligen Schülern als schwierig und belastend. Es wird beklagt, dass
Schüler unsozial und egoistisch seien. Man benötigt mehr Zeit, um sie zu den
Verhaltensweisen zu bewegen, die für einen normalen Unterrichtsverlauf unerlässlich
sind. Darüber hinaus sind Lehrer und öffentliche Meinung der Ansicht, Konflikte würden
heute härter und rücksichtsloser ausgetragen als früher.1
Die Situation im Klassenzimmer hat sich im Verlauf der letzten Jahre offenbar drastisch
verändert. Die Lebensbedingungen heutiger Schülern verändern sich rasant und
spiegeln sich auch in deren schulischen Verhaltensweisen. Auffälliges Verhalten kann
nicht ausschließlich den Kindern zum Vorwurf gemacht werden. Denn es ist oft
Ausdruck von Problemen, die sie aus dem häuslichen Bereich in die Schule
hineintragen. Viele Schüler sind introvertiert oder aggressiv, weil sie sich mit Problemen
auseinandersetzen, die eigentlich ihre Eltern lösen müssten2.
Bei einer Scheidungsrate von 50 Prozent in Großstädten ist es natürlich, dass viele
Schulkinder lang andauernde Konfliktsituationen und Trennungen durchstehen müssen.
Innere Turbulenzen werden in der Schule und anderen sozialen Situationen ausgelebt.
Das Verhalten vieler Kinder verweist auf eine große Beziehungsunsicherheit.3
Ein Schüler ist in diesem Verständnis nach kein isoliertes Individuum, sondern in ein
System von sozialen Beziehungen eingebettet, das sein Verhalten beeinflusst. Ein
Problemschüler wird somit von seinem sozialen Netzwerk geprägt. Die Familie und die
Schule sind dabei die beiden Hauptbezugssysteme. Wiederum beeinflusst er durch sein
Verhalten die anderen Mitglieder seines Bezugssystems (Familie, Schulklasse).4
Die systemische Sichtweise ist, die individuellen Störungen unter dem Aspekt des an
der Störung beteiligten System zu betrachten. In diesem Kontext spricht man von
systemischer Familientherapie bzw. wenn ein weiteres soziales Umfeld betrachtet wird,
von Systemtherapie. Nach diesem Ansatz werden Disziplinstörungen bzw.
Verhaltensauffälligkeiten von Schülern in ihrem familiären Kontext betrachtet. Doch
welche Verhaltensauffälligkeiten weisen Schüler überhaupt auf?
1 Vgl. Jürgens, B., 2000, S. 1.
2 Vgl. Gebauer, K., 1997, S. 17.
3 Ebenda, S. 18.
4 Vgl. Hennig, C., Knödler, U., 1998, S. 25.
Inhaltsverzeichnis
- Fragestellungen der Arbeit
- Disziplinstörungen in der Schule
- Inhalt und Aufbau der Arbeit
- Grundlagen der systemischen Familientherapie
- Systemtheoretische Aspekte der Familientherapie
- Was ist ein System?
- Die Entwicklung der Systemtheorie
- Systemtheoretische Begriffe
- Das systemische- konstruktivistische Denken und Sehen
- Basiskonzepte der Familientherapie
- Das psychoanalytische Konzept
- Das interaktionelle Konzept
- Das strukturelle Konzept
- Das system-phänomenologische Familienkonzept
- Systembeschreibung und Systemanalyse
- Die Familie als soziales System
- Soziale Systeme und ihre Umwelt
- Beziehungen im sozialen System
- Interaktion
- Kommunikation
- Strukturen
- Systemische Handlungsrichtlinien
- Hypothesenbildung
- Zirkularität
- Ressourcen- und Lösungsorientierung
- Systemtherapeutische Praxis
- Das Problemverhalten vor dem familiären Hintergrund
- Informationen und Hypothesen
- Telefonerstgespräch, Anmeldebögen und Akten
- Genogramme
- Systemzeichnungen
- Zuweisungskontext
- Systemische Fragen
- Zirkuläres Fragen
- Anfangs- und Abschlussfragen
- Metaphorische Techniken
- Familienskulptur
- Das Familienbrett
- Familienstellen
- Interventionen und Kommentare
- Positive Konnotation
- Umdeutung - Refraiming
- Splitting Methode und Reflektierendes Team
- Schlussintervention
- Behandlungstechniken für Kinder
- Möglichkeiten des systemischen Arbeitens in der Schule
- Unterstützung der Schule im familiären Therapieprozess
- Kontaktaufnahme des Therapeuten mit dem System Schule
- Diagnostik und Unterrichtsbeobachtung
- Systemische Supervision für Lehrer
- Klassische Familientherapie in der Schulklasse
- Das Landshuter Schulentwicklungsprojekt
- Intension und Ziele
- Struktur des Projekts
- Hintergründe: Schule und das Thema „Gewalt“
- Methoden
- Evaluation und Ausblick
- Das Projekt als Beitrag zur Schulentwicklung
- Grenzen der Familientherapie in schulischen Konflikten
- Familie entzieht sich dem Therapieprozess
- Stationäre systemische Familientherapie
- Schulische Überforderung
- Defizit im Lern- und Arbeitsverhalten
- Pädagogisches Ungeschick des Lehrers
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit den Chancen und Grenzen des systemischen Arbeitens in der Schule, insbesondere im Hinblick auf die Konfliktbewältigung im Klassenzimmer. Die Arbeit analysiert, wie systemische Ansätze zur Familientherapie in der Praxis der Schule eingesetzt werden können, um Disziplinstörungen und Konflikte im Klassenzimmer zu lösen.- Systemische Familientherapie und ihre Anwendung im schulischen Kontext
- Analyse von Disziplinstörungen in der Schule und ihren Ursachen
- Anwendung systemischer Konzepte zur Konfliktbewältigung im Klassenzimmer
- Entwicklung von Strategien zur Unterstützung von Lehrern im Umgang mit schwierigen Situationen
- Evaluation der Möglichkeiten und Grenzen systemischer Methoden in der Schule
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Die Arbeit stellt die relevanten Fragestellungen der Arbeit dar, insbesondere die Problematik von Disziplinstörungen in der Schule. Außerdem wird der Aufbau der Arbeit erläutert.
- Kapitel 2: Dieses Kapitel erläutert die theoretischen Grundlagen der systemischen Familientherapie. Es werden systemtheoretische Aspekte, Basiskonzepte und das system-phänomenologische Familienkonzept vorgestellt.
- Kapitel 3: Hier wird die Schule als soziales System beschrieben und analysiert. Es werden die verschiedenen Beziehungen innerhalb des Systems Schule und die systemischen Handlungsrichtlinien betrachtet.
- Kapitel 4: Dieses Kapitel befasst sich mit der systemtherapeutischen Praxis und den verschiedenen Methoden der systemischen Familientherapie. Es werden wichtige Schritte und Techniken vorgestellt.
- Kapitel 5: Dieses Kapitel beleuchtet verschiedene Möglichkeiten des systemischen Arbeitens in der Schule. Es wird die Unterstützung der Schule im familiären Therapieprozess, systemische Supervision für Lehrer und die Anwendung klassischer Familientherapie in der Schulklasse betrachtet. Das Landshuter Schulentwicklungsprojekt wird im Detail analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Bereiche systemisches Arbeiten, Familientherapie, Schule, Konfliktbewältigung, Disziplinstörungen, Klassenzimmer, systemische Konzepte, systemische Methoden, Lehrer, Schüler, Schulentwicklung, Landshuter Schulentwicklungsprojekt.- Arbeit zitieren
- Stefanie Reitberger (Autor:in), 2003, Systemisches Arbeiten in der Schule: Chancen und Grenzen für die Konfliktbewältigung im Klassenzimmer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20614