Die Figuration Prometheus im Wandel

Beeinflusst(e) der Mythos Prometheus das Denken und Handeln?


Hausarbeit, 2012

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Prometheus im Wandel der Literaturgeschichte
2.1 vom Ursprung bis zum Sturm und Drang
2.2. Grundposition der Sturm und Dränger
2.3. Weitere Rezeptionen

3. Prometheus und Goethe
3.1 Goethe und seine Geniegestalten
3.2 das dramatische Fragment
3.2.1 Inhalt und Deutung
3.3 Die Ode und das dramatische Fragment

4. Frankenstein oder der moderne Prometheus

5. Prometheus in der Gegenwart

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Figuration bzw. der Mythos Prometheus taucht schon seit Jahrhunderten auf und ist immer noch nicht aus der Gesellschaft wegzudenken. In vielen Bereichen des Lebens tritt oder trat Prometheus auf, sogar in der Werbung. Es könnte behauptet werden, dass viele, selbst Kinder, Prometheus kennen ohne etwas vom Mythos um ihn selbst zu wissen. Vor allem in der heutigen medialen Zeit ist eine derartige Verbreitung leichter und effizienter. In sämtlichen Künsten lassen sich Spuren erkennen, selbst ein Mond des Saturns trägt seinen Namen. Vasen aus der Antike und Bilder aus dem Barock und späteren Zeichen zeigen sein Abbild. „Prometheus hat Konjunktur. Die allerneusten Entwicklungen in der Gentechnologie rücken unsere kulturelle Jetztzeit einmal mehr in riskante Nähe zu den Selbstermächtigungen des titanischen Menschenbildners“.1

Anhand Goethes dramatischem Fragment Prometheus, Frankenstein und weiteren Rezeptionen soll erläutert werden, wieweit der Mythos Prometheus die Literaturwissenschaft und das Denken der Kultur im Allgemeinen beeinflusst hat und ob die heutige Geisteshaltung in den verschiedenen Bereichen immer noch beeinflusst. Es soll beleuchtet werden, wieweit dieser Mythos wichtig für bestimmte Personen - hier Goethe - und Epochen - vor allem den Sturm und Drang - ist. Das dramatische Fragment und die Ode werden verglichen und es soll untersucht werden, ob Gemeinsamkeiten bestehen und wo diese liegen. Schicksal ist eine Macht, die für beide Werke eine wichtige Rolle spielt und auch unüberwindbar ist.

Für die heutige Zeit spielt Prometheus noch immer eine wichtige Rolle. Er wird nicht nur in der Literaturwissenschaft rezipiert, sein Geist taucht auch in anderen Zusammenhängen auf. In welcher Form und Weise Prometheus auftritt und ob er noch immer die Aktualität behält wie einst, dass soll hier anhand gewählter Beispiele belegt werden.

2. Prometheus im Wandel der Literaturgeschichte

Die Figuration des Prometheus reicht bis in die Antike zurück. Seitdem ist seine Rolle stets ähnlich, aber wird sie doch in verschiedenen Positionen dargestellt.

Im folgenden Abschnitt soll dieser Wandel seiner Figuration aufgezeigt werden und welche Ähnlichkeiten bestehen. Es lässt sich in beinahe jedem Jahrhundert etwas finden, worin Prometheus erkannt werden könnte. Aufgrund der Grundposition der Stürmer und Dränger spielt Prometheus eine wichtige Rolle, welche z.B. von Herder und Goethe aufgegriffen wurde. Letzteres soll in einem späteren Abschnitt näher betrachtet werden. Noch heute lässt Prometheus finden, z.B. in der Roboterfrage. Hier wird der Mensch zum Schöpfer, zu einem Prometheus.

Die Geschichte des Prometheus ist die Geschichte des ständigen Widerstandes gegen die Götter und - bezogen auf die Menschen - ein Kampf gegen Autoritäten. Prometheus bedeutet übersetzt vorbedacht.

2.1 vom Ursprung bis zum Sturm und Drang

In der Antike fußt der Mythos um Prometheus, der schon dort vielerlei beschrieben und dargestellt wurde. Unter anderem gibt es Texte von Platon, Ovid, Hesiod, Aischylos, Äsop und Lukian, wobei der Text von Lukian sich sehr entscheidend von den anderen abhebt, da er eine Art Parodie darstellt.

Um die Rolle Prometheus berücksichtigen zu können, muss beachtet werden, dass die römisch-griechische Antike keine einheitliche Schöpfungsgeschichte kannte oder eine einheitliche Vorstellung der Urzeit hatte. Es gab mehrere gegensätzliche Anschauungen, die die Herkunft erklären sollten. Dazu gehören, dass der Mensch primitiv und tierhaft war und die Kultur ein Aufstieg bedeutete, der Mensch gottähnlich lebte und das Jetzige eine Verschlechterung darstellt oder dass der Mensch ein Tier war aber glücklich und die weitere Entwicklung ebenfalls ein Rückschritt bedeutete. Jedenfalls ist das Feuer, das Prometheus den Menschen überreichte für die Veränderung verantwortlich.2

Im Text „Erga kai Hemerai“ („Werke und Tage“) von Hesoid ist Prometheus der „Feuerbringer“, der mit dieser List Zeus verärgerte. Der Hintergrund des Textes ist der Konflikt zwischen Zeus und Prometheus. Eine große Rolle spielt die List, die oft im Text erwähnt wird. Er ist der, der ständig plant, was auch seinen Namen erklären könnte, denn Prometheus bedeutet so viel wie der Vorausdenkende. Zeus kontert ebenfalls mit einer List, denn er schickt Pandora zu den Menschen, die vorher noch nie eine Frau gesehen haben und Epimetheus ist es, der Pandora bei sich aufnimmt. Pandora ist es, die ein Fass versehen mit Unheil für die Menschen öffnet. Der Feuerraub ist der Grund, warum die Menschen nicht mehr bei den Göttern leben dürfen und warum Pandora zur „Strafe“ entsandt wurde. „Kein Zweifel besteht, daß es Hesiods eigenste Idee war, mit Prometheus‘ Feuerraub die Armseligkeit des menschlichen Daseins zu erklären.“3 Gewagt gesagt könnte die mit der Bibel verglichen werden, wobei das Feuer dort den Apfel kennzeichnet, der zum Kulturerwerb führt. Gemeint ist Genesis und die Vertreibung aus dem Paradies.

Lukian geht sehr satirisch mit dem mythologischen Stoff um. Er kommt zu dem Entschluss - welcher auch bei Goethe zu finden ist - dass die Götter den Menschen brauchen, denn sie brauchen jemanden, der an sie glaubt und für sie Opfergaben bringt und ohne Götter gäbe es keine Menschen. Prometheus schafft seine Menschen aus eigener Hand und mit Hilfe von Minerva. Im Stück von Aischylos wird auch der Kampf zwischen Prometheus und Zeus zum Thema gemacht. Es geht um die Ordnung der Welt und weil Prometheus das Feuer entwendet hat. Zur Strafe wird Prometheus an den Kaukasus gekettet. Er nimmt stellvertretend für die Menschheit eine Strafe auf sich und kann damit als Präfiguration Christi gesehen werden. Am Felsen gefesselt spottet er über Zeus, da er nur quälen, aber nicht töten kann. Prometheus ist bei Aristophanes zum Gott der Töpfer geworden und hier wird er zum ersten Mal in der antiken Rezeption als Menschenbildner dargestellt.4

Bis zum Sturm und Drang ergaben sich noch weitere Rezeptionen. Boccaccio entzog Prometheus die Aufgabe des Menschenschöpfers, denn diese hatte nur Gott inne, der Eine. Was er aber ihm zusprach, das war der Feuerraub und das Bringen der Kultur und des Handwerks. Bei ihm ist die Rede vom zweiten Prometheus und die zweite Menschwerdung und Bildung aus der Natur, und nicht gegen die Natur. Allerdings ist die Natur etwas, was Gott in einem Rohzustand erschaffen hat.5 Das Feuer, das Prometheus den Menschen überreicht, wird von Francis Bacon als das Licht des Verstandes bezeichnet, was den Menschen zu dem macht was ihn von den anderen Geschöpfen unterscheidet.

2.2 Grundposition der Sturm und Dränger

Der Sturm und Drang ist eine Epoche, oder auch Strömung, die an der Aufklärung anzuknüpfen versucht. Statt wie in der Aufklärung jeden Menschen als gleiches Vernunftwesen anzusehen, steht für Herder die schöpferische und individuelle Freiheit im Vordergrund. Der Bezug zur französischen Literatur und zur Gedankenshaltung wurde abgelehnt, fortan wurde sich auf das Englische bezogen. Dazu gehörten Werke von Shakespeare und auch das Handeln und Denken der englischen Kultur. Herder, der Shakespeare sehr bewunderte meinte, dass der Dichter als Genie in der Lage ist, Geschöpfe zu kreieren, die selbst wie Genies wirken. Shakespeare selbst wurde von den Stürmer und Drängern als Genie bezeichnet. Für Herder war Shakespeare die beispielhafte Verkörperung des Genies.6

„Um 1800 war er [Prometheus] zur mythischen Identifikationsfigur für das rebellische Künstlergenie geworden.“7 Die Überwindung der Autoritäten war ein zielgerichtetes Programm im Sturm und Drang und damit war Prometheus der richtige Held für die Sturm und Dränger. Aber vor allem auch deswegen, weil Prometheus als Genie selbst Menschen schuf, welche in der Lage waren Kunst und Kultur auszuüben.

2.3 Weitere Rezeptionen

Mit Goethe und dem Sturm und Drang hörte der Kult um Prometheus nicht auf. Weiterhin wurde er in zahlreichen Bereichen erwähnt und literarisch aufgearbeitet. Die Figuration ist dabei sehr verschieden, so wird er einmal als absoluter, Christus ähnlicher Held dargestellt, in anderen als ein Protagonist, der durch die Kultivierung des Menschen den Untergang bewirkte. Dadurch, dass Prometheus den Menschen Kunst und Kultur überreichte, lehrte er ihnen auch, wie sie die Technik selbst voran bringen konnten. Der Fluch der Technik und der ethische Konflikt zwischen Technik und Verantwortung ist Prometheus zu verdanken, der sich der Verantwortung entzogen hat und die Menschheit allein ließ. „Der endgültig entfesselte Prometheus, dem die Wissenschaft nie gekannte Kräfte und die Wirtschaft den rastlosen Antrieb gibt, ruft nach einer Ethik, die durch freiwillige Zügel seine Macht davor zurückhält, dem Menschen zum Unheil zu werden.“8 Der Mensch ist mit der erworbenen Technik auf sich selbst gestellt.

Die Zigaretten von Peter Stuyvesant wurden Ende des Jahres 1996 vom Feuer, das Prometheus vom Olymp brachte angezündet. Auf den Packungen der genannten Marke zierte ein Abbild des Titanen, der symbolisch das Feuer reicht.9 Zum 75. Jubiläum des Badischen Landesmuseum trat Prometheus wieder als Figur auf. Diesmal wurde er nicht als Feuerbringer dargestellt, sondern er brachte die Blitze des Zeus, denn es ging hier um die Elektrizität.10

Der Philologe und Philosoph Friedrich Wilhelm Nietzsche bezeichnete das Tier, dass er im Zusammenhang mit Prometheus erwähnte, nicht Adler, wie es häufiger der Fall ist, sondern Geier. Der klassische Philologe nutzt dabei die Doppeldeutigkeit des griechischen Wortes, was sowohl Adler als auch Geier bedeutet. Er entschied sich also nicht für den König der Lüfte, sondern für den Schmarotzer. Das Wort Geier ist etymologisch mit Gier verwandt.11 Eine solche Tat kann nicht von einem Tier ausgeführt werden, welches erhaben ist, denn ein edler Aar ist nicht für eine so niederträchtige Tat gemacht.

3. Goethe und Prometheus

„Goethe erkennt in dem Schicksal des Prometheus das Schicksal des Künstlers; und er fühlt in ihm sein eigenes Los“12 Zeitgenossen Goethes haben ihn als Prometheus bezeichnet und ihn mit den Menschenbildner in Verbindung gebracht. Goethe schuf - wie viele andere Künstler zu dieser Zeit - kunstvolle Geniegestalten. Geprägt vom Sturm und Drang entwickelte der junge Goethe mehrere Antikrezeptionen wie Ganymed oder Prometheus. Die beiden hier behandelten Werke von ihm stammen aus dieser Zeit.

3.1 Goethe das Genie und seine Geniegestalten

„Götz, Werther, Faust wurden in dem Augenblicke zu Gegenständen seiner schaffenden Phantasie, da er in ihnen sich wiedererkannte, da es ihm möglich wurden diese Gestalten dichterisch auszuführen, indem er sich selbst zeichnete.“13 Schon früh erkannte Goethe Prometheus in sich und ahnte eine Verwandtschaft zwischen seiner Persönlichkeit und dem Titanen. Goethe wird selbst zu einem Prometheus, in dem er in der Lage ist jene Geniegestalten zu schaffen, die seinen Werken den Geist seiner Zeit übertreffen und versuchen, eine gewisse Position zu vertreten.

[...]


1 Pankow, Edgar/Peters, Peters: Einleitung In: Pankow, Edgar/Peters, (Hrsg.): Prometheus. Mythos der Kultur. München: Wilhelm Fink Verlag 1999 Seite 7

2 Vgl. Robert Bees: Das Feuer des Prometheus. Mythos des Fortschritts und des Verfalls in Edgar

Pankow/Günter Peters (Hg.): Prometheus. Mythos der Kultur. München (Wilhelm Fink Verlag) 1999 Seite 43f

3 Ebd. Seite 47

4 Vgl. Blumberg, Hans: Arbeit am Mythos. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1979. dritte, erneut durchgesehene Auflage 1984. Seite 355f

5 Vgl. Ebd. Seite 394-396

6 Vgl. Rothman, Kurt: Kleine Geschichte der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam 2009 Seite 101ff

7 Peters, Günter: System Prometheus. Aktuelle Inanspruchnahme eines Mythos. In: Pankow, Edgar/Peters, (Hrsg.): Prometheus. Mythos der Kultur. München: Wilhelm Fink Verlag 1999 Seite 15

8 Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Frankfurt: Suhrkamp Taschenbuch 1984 Seite 7

9 Vgl. Peters, Günter: Seite 13

10 Vgl. Ebd. Seite 19ff

11 Vgl. Pütz, Peter: „Arischer“ Frevel und „semitische“ Sünde. Nietzsches Prometheus-Konzeption In: Pankow, Edgar/Peters, (Hrsg.): Prometheus. Mythos der Kultur. München: Wilhelm Fink Verlag 1999Seite 145

12 Walzel, Oskar: Das Prometheussymbol von Shaftesbury zu Goethe. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1963. 3. Unveränderte Auflage. Seite 57

13 Walzel, Oskar Seite 62

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Details

Titel
Die Figuration Prometheus im Wandel
Untertitel
Beeinflusst(e) der Mythos Prometheus das Denken und Handeln?
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg  (Germanistik)
Veranstaltung
Goethes frühe Lyrik
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V209223
ISBN (eBook)
9783656370543
ISBN (Buch)
9783656371090
Dateigröße
456 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Prometheus, Goethe, Ode, dramatisches Fragment, Germanistik, NDL, Figuration
Arbeit zitieren
René Aderhold (Autor:in), 2012, Die Figuration Prometheus im Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209223

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