Niklas Luhmann (1927 – 1998) gilt als der Begründer der soziologischen Systemtheorie. Der Soziologe und Gesellschaftstheoretiker hat mit der Systemtheorie versucht, die Gesellschafte zu definieren, indem er die Gesellschaft nicht als eine Ansammlung von Menschen mit Blutkreisläufen und sonstigen, nicht-sozialen Systemen versteht, sondern als einen operativ geschlossenen Prozess sozialer Kommunikation. Anzumerken ist, dass Luhmanns Theorien nicht als Wissenschaft sondern als Philosophie verstanden werden, da „seine theoretische Arbeit nicht Hypothesenbildung ist, die dann empirische Untersuchungen anleitet und durch diese bestätigt oder falsifiziert wird.“
Seine Theorien, insbesondere die soziale Systemtheorien bieten die Möglichkeit, die Gesellschaft als System zu definieren. Dabei hat Luhmann eine funktionale Differenzierung zwischen verschiedenen Bereich der Gesellschaft durchgeführt, die viele andere Theoretiker übernommen und weiter ausgearbeitet haben.
In dieser Arbeit soll der Journalismus aus systemtheoretischer Sicht betrachtet werden. Dabei soll aufgezeigt werden, dass die Kriterien eines sozialen Funktionssystems für den Journalismus erfüllt sind. Ziel der Arbeit ist es auch, die soziale Systemtheorie in Anwendung auf den Journalismus auf Empirie zu überprüfen und nachzuweisen, ob die theoretischen Ansätze der Systemtheorie auch in der Praxis Anwendung finden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Konzeptionelle Grundlagen
2.1 Systemtheorie nach Niklas Luhmann
2.1.1 Allgemeine Systemtheorie
2.1.2 Theorie sozialer Systeme
2.1.3 Gesellschaftssysteme
2.2 Journalismus
3 Journalismus als Teil der sozialen Systemtheorien
4 Empirische Anwendungen
4.1 Selbstreferenz und Empirie
4.2 Autopoiesis und Empirie
5 Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: System and Environment
Abbildung 2: System Operations
Abbildung 3: Neuere systemtheoretische Ansätze der Journalismusforschung
1 Einleitung
Niklas Luhmann (1927 - 1998) gilt als der Begründer der soziologischen Systemtheorie. Der Soziologe und Gesellschaftstheoretiker hat mit der Systemtheorie versucht, die Gesellschafte zu definieren, indem er die Gesellschaft nicht als eine Ansammlung von Menschen mit Blutkreisläufen und sonstigen, nicht-sozialen Systemen versteht, sondern als einen operativ geschlossenen Prozess sozialer Kommunikation. Anzumerken ist, dass Luhmanns Theorien nicht als Wissenschaft sondern als Philosophie verstanden werden, da „seine theoretische Arbeit nicht Hypothesenbildung ist, die dann empirische Untersuchungen anleitet und durch diese bestätigt oder falsifiziert wird.“1
Seine Theorien, insbesondere die soziale Systemtheorien bieten die Möglichkeit, die Gesellschaft als System zu definieren. Dabei hat Luhmann eine funktionale Differenzierung zwischen verschiedenen Bereich der Gesellschaft durchgeführt, die viele andere Theoretiker übernommen und weiter ausgearbeitet haben.
In dieser Arbeit soll der Journalismus aus systemtheoretischer Sicht betrachtet werden. Dabei soll aufgezeigt werden, dass die Kriterien eines sozialen Funktionssystems für den Journalismus erfüllt sind. Ziel der Arbeit ist es auch, die soziale Systemtheorie in Anwendung auf den Journalismus auf Empirie zu überprüfen und nachzuweisen, ob die theoretischen Ansätze der Systemtheorie auch in der Praxis Anwendung finden.
Um die Forschungsfragen zu klären wird in Kapitel 2 zunächst die Systemtheorie erläutert, wobei erst die komplexe Systemtheorie allgemein erklärt wird, und dann die Theorie sozialer Systeme um schließlich die Gesellschaftssysteme zu definieren. Des Weiteren wird in diesem Kapitel der Journalismus kurz definiert, um im dritten Kapitel mit der Systemtheorie nach Luhmann und anderen Vertretern der Theorie verbunden zu werden. Im anschließenden Kapitel soll festgestellt werden, ob die Theorie in der Praxis funktioniert und ob die systemtheoretischen Ansätze der Systemtheorie empirisch nachweisbar sind. Schließlich werden im letzten Kapitel die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst.
2 Konzeptionelle Grundlagen
2.1 Systemtheorie nach Niklas Luhmann
2.1.1 Allgemeine Systemtheorie
Um die Systemtheorie zu analysieren, muss zunächst der Begriff System erläutert werden. Es gilt zunächst, eine Differenz aller Dinge herzustellen. Die Abgrenzung erfolgt durch die Zusammenstellung von gleichen Elementen zu einem geordneten Ganzen.2 Für Luhmann stellen Systeme weiterhin Einheiten in Differenz zur Umwelt dar (Vgl. Abbildung 1 im Anhang). Wenn ein System durch Unterscheidung geschaffen wurde, muss sich im nächsten Schritt das System von etwas anderem unterscheiden, all jenem, das außerhalb des Systems liegt, der Umwelt. Ein System ist folglich immer System in einer Umwelt. Das bedeutet, dass eine Umwelt nicht ohne System existieren kann, sie ist immer Umwelt für oder in Bezug auf ein System. Es besteht immer ein Verhältnis zwischen Umwelt und System.3 Die Systemtheorie ist eine funktional-strukturelle Theorie. Dinge müssen differenziert werden, um das Chaos, die absolute Komplexität zu verringern, und dies zwingt zur Selektion. Luhmann sieht in dieser Reduktion durch Komplexität die elementare Funktion von Systembildung.4 Nach Luhmann ist die Umwelt immer komplexer, als ein System, und es gibt folglich so etwas wie „eine Gesamtheit der möglichen Ereignisse, (...) eine „Bezugseinheit, die keine Grenzen mehr kennt“5. Nach dieser Definition ist Komplexität dreigliedrig, geordnet nach 1. Weltkomplexität (d.h. die Komplexität der systemrelativen Umwelt), 2. Umweltkomplexität und 3. Systemkomplexität.6 Da es also dem System um sich selbst geht, spricht Luhmann von einem operativ geschlossenen System. Der "Beobachter" eines Systems ist immer Bestandteil des Systems und kann das System grundsätzlich nicht von außen sehen. Ausgangspunkt dieser Sichtweise ist die Selbstreferenz des Systems: Jedes System interessiert sich nur für solche Fakten und Prozesse, die seiner eigenen Existenz und ihrer Erhaltung dienen. Im Mittelpunkt stehen also interne systemerhaltende Prozesse, während von der Außenwelt nur der Teil wahrgenommen wird, der der Erhaltung des Systems dient oder diese gefährdet. Anderes interessiert das System nicht. Nur das Eigeninteresse veranlasst ein System, seine Umwelt zu beobachten.7 Ein geschlossenes System impliziert weiterhin, dass die Elemente eines Systems autopoietisch sind, d.h. sich selbst reproduzieren. Während Luhmann in den siebziger Jahren noch die Komplexität der Welt zu den Systemen in den Mittelpunkt stellte, setzt in den achtziger Jahren die autopoietische Wende ein. Luhmann beruft sich dabei auf die Biologen H. Maturana und F. Varela, die die Autopoiesis in den sechziger Jahren entwickelten.8 Ein System, dessen Ziel es selbst ist, und das die Elemente und Relationen, aus denen es besteht, reproduziert, ist ein autopoietisches System.9
2.1.2 Theorie sozialer Systeme
„Ein soziales System kommt zustande, wenn immer ein autopoietischer Kommunikationszusammenhang entsteht und sich durch Einschränkung der geeigneten Kommunikation gegen eine Umwelt abgrenzt. Soziale Systeme bestehen demnach nicht aus Menschen, nicht aus Handlungen, sondern aus Kommunikation.“10 Neben den sozialen Systemen gibt es noch psychische, biologische und mechanische Systeme, die sich aber von den sozialen Systemen unterscheiden, da ihnen der Sinngebraucht fehlt. Gerade mechanische Systeme sind nicht autopoietisch, sondern allopoietisch, d.h. sie produzieren etwas von sich unterschiedliches. Luhmanns Theorie setzt an den psychischen und sozialen Systemen an. Das Bewusstsein ist ein psychisches System, dessen Elemente die Gedanken sind. Element der sozialen Systeme ist die Kommunikation (Vgl. Abbildung 2 im Anhang). Damit ist Luhmanns Systemtheorie eine unmenschliche Theorie, da er die Menschen als psychische, organische und mechanische Systeme wahrnimmt und sie in die Umwelt platziert. Dadurch können sich die Menschen individueller entfalten, als in einem System, indem sie selbst zum Element werden.11 Kommunikation hingegen, als wichtigstes Element der sozialen Systeme, versteht Luhmann als eine Operation, die gleichermaßen auf sich selbst und auf ihre Umwelt Bezug nehmen kann. Somit vereint Kommunikation nach Luhmanns Annahme Selbstreferenz, also Mitteilung und Fremdreferenz, also Information. Es geht allerdings nicht darum, dass etwas kommuniziertes verstanden wird, sondern dass es schlichtweg „was sich in der Kommunikation selbst als Verstehen beschreiben lassen kann“.12 Folglich ist nur das, was kommuniziert, z.B. ausgesprochen wurde, sozial existent und kann verstanden werden. In einem sozialen System entsteht Kommunikation weiterhin aus Kommunikation desselben Typus, womit schließlich die Autopoiesis gemeint ist.13 Die Teile innerhalb eines Systems werden nach Art ihrer Relation zueinander geordnet, nach der die Prozesse eines Systems gesteuert werden und als Code bezeichnet. Diese machen die Struktur des Systems aus. Ein Code reduziert damit nicht nur die Komplexität innerhalb eines sozialen Systems, sondern bezeichnet auch einen spezifischen Umweltbezug. Durch den Code werden demnach Unterschiede innerhalb eines Systems und zwischen System und Umwelt aufgebaut.14 Als Code der Massenmedien könnte bspw. Information/Nicht-Information dienen.15
2.1.3 Gesellschaftssysteme
„Die Gesellschaftstheorie ist die Theorie des umfassenden sozialen (und somit auch au- topoietischen) Systems, dass alle anderen sozialen Systeme in sich einschließt.“16 Soziale Systeme zeichnen sich durch Sinngebrauch aus. Sinn ist in Luhmanns Theorie einer der fundamentalen Begriffe. Dabei ist Sinn kein Erzeugnis des Geistes oder des Subjekts, sondern, wie es klassisch für Luhmanns Wissenschaft ist, funktional zu betrachten, als Einheit der Unterscheidung von Aktuellem und Möglichem. Sinn wird als Medium verstanden, mit dem der Komplexität begegnet werden soll, dabei soll durch den Sinn gleichermaßen der Erhalt und die Reduktion der Komplexität ermöglicht werden. Das Sinnsystem konstituiert sich also aus Beobachten, Erleben und Handeln.17 Alles was in diesem Sinnsystem abläuft, sind Formen im Medium des Sinns. Luhmann schreibt dazu: “Die Funktion von Sinn ist die Anzeige von und Kontrolle des Zugangs zu anderen Möglichkeiten.
[...]
1 Vgl. Krieger, D.J.: Einführung in die allgemeine Systemtheorie, 1996, S. 12
2 Zitat von Spaemann in Männle, Philipp: Verwaltung (in) der Gesellschaft, 2011, S. 16
3 Vgl. Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung, 1984, S. 39ff
4 Vgl. Männle, Philipp: Verwaltung (in) der Gesellschaft, 2011, S. 447f
5 Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung, 1984, S.115
6 Vgl. Krieger, D.J.: Einführung in die allgemeine Systemtheorie, 1996, S. 16f
7 Vgl. Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung, 1984, S. 143ff
8 Vgl. Borch, Christian: Niklas Luhmann, 2011, S. 26ff
9 Vgl. Krieger, D.J.: Einführung in die allgemeine Systemtheorie, 1996, S. 36f
10 Luhmann, Niklas: Ökologische Kommunikation, 1986, S. 269
11 Vgl. Männle, Philipp: Verwaltung (in) der Gesellschaft, 2011, S. 18
12 Witt, J.M.: Systemtheorie konkret, 2010, S. 17
13 Vgl. Witt, J.M.: Systemtheorie konkret, 2010, S. 17ff
14 Vgl. Krieger, D.J.: Einführung in die allgemeine Systemtheorie, 1996, S. 22ff
15 Vgl. Weber, Stefan: Theorien der Medien, 2003, S.210
16 Männle, Philipp: Verwaltung (in) der Gesellschaft, 2011, S. 18
17 Vgl. Männle, Philipp: Verwaltung (in) der Gesellschaft, 2011, S. 445f
- Arbeit zitieren
- Milana Kogan (Autor:in), 2012, Anwendung der sozialen Systemtheorie auf den Journalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215487