Die Entnazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone (1945-1948)


Hausarbeit, 2002

15 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I Ein Konsens für eine Priorität: die Entnazifizierung.
1) Der Konsens
2) Wer macht was?
3) Die zweite Phase
4) Erste Bilanz

II Instrumentalisierung der Entnazifizierung.
A) Nach der Machtergreifung
1) Legitimierung
2) Faschismustheorie und Enteinungspolitik
B) Die 3. Phase oder die Notwendigkeit der Außenpolitik

III Wenn die Entnazifizierung hinderlich wird
A) Liquidation der Entnazifizierung
1) Die ökonomische Priorität
2) Der SMAD-Befehl Nr. 201.
3) Abschluss der Entnazifizierung
B) Die Internlager

IV Bilanz und Abschluss
1) Die Ziffern
2) Der schwierige Umgang mit der Schuld

Literaturverzeichnis

Einleitung

Neun Millionen NSDAP-Mitglieder in Deutschland: Eine „nazifizierte“ Gesellschaft, die sich scheinbar unmittelbar nach dem Ende des Krieges ihrer Irrungen nicht bewusst ist. Die Alliierten stehen gegenüber den Deutschen, die für Frieden und Vernichtung des Nazismus gekämpft haben. Schon früh im Krieg haben sie an eine „Entnazifizierung“ gedacht Selbst wenn sie zweifellos die Größe der Aufgabe unterschätzt haben, scheint die Entnazifizierung den Alliierten nur natürlich.

Aber die unerwarteten Schwierigkeiten sollen sich anhäufen. Außer der Passivität der Bevölkerung wird die Entnazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) von der politischen Tragweite dieses Prozesses kompliziert. Die Entnazifizierung erweist sich als eine Etappe auf dem Weg des Aufbaus eines kommunistisch stalinistischen Systems und Staats. Das hat zwangsläufig eine Spannung mit den westlichen Alliierten zur Folge (Der kalten Krieg beginnt schon während der Entnazifizierung). Die Entnazifizierung ist daher nicht ohne die drückende Konkurrenz zwischen den Alliierten zu verstehen.

Die Entnazifizierung, die für die SBZ mit dem Ende des Krieges (8. Mai 1945) beginnt und mit der Auflösungen der letzten Berufungskommissionen (10 April 1948) offiziell beendet ist, verläuft nicht geradlinig, Gründe dafür sind, dass die Alliierten oft brutal ihre Entnazifizierungspolitik ändern, um die Irrtümer des Anfang zu korrigieren, oder um von den anderen Alliierten nicht der Kritik unterworfen zu werden (oder einfach um anzugreifen!)

Im Allgemeinen werden vier Phasen bei der Entnazifizierung in der SBZ unterschieden.[1]

- Von der bedingungslosen Kapitulation im Mai 1945 bis im Juli 1945. Man wartet auf allgemeine Direktiven für die Entnazifizierung
- Von der Postdamer Konferenz und Schaffung der Landesverwaltung (August 1945) bis zum Dezember 1946. Die Entnazifizierung wird auf der Ebene der Länder durchführt.
- Im Dezember 1946 setzen die Russen eine strenge Durchführung der Kontrollratsdirektive Nr. 24 und 38 bis im August 1947 durch.
- Die letzte Phase führt in zwei Etappen zur Liquidation der Entnazifizierung durch die Befehlen Nr. 201 und 35.

Aber man kann auch nur drei Phasen bei der Entnazifizierung in der SBZ unterscheiden, die eigentlich immer gleichzeitig vorhanden sind, und chronologisch aneinander folgen:

- Unmittelbar nach dem Krieg, wo die politische Lage noch offen ist, gibt es einen Konsens über die Entnazifizierung. Abrechnung mit dem Nazismus steht im Vordergrund.
- Dann ergreifen die kommunistischen Kräfte (KPD/SED und die sowjetische Verwaltung) die Initiative und instrumentalisieren die Entnazifizierung für ihre Machtergreifung
- Letztendlich wird die Entnazifizierung ein politisches und vor allem ökonomisches Hindernis und wird daher eingestellt .

Ich werde in folgenden die Entnazifizierung in SBZ unter diesen drei führenden Perspektiven untersucht werden.

I) Ein Konsens für eine Priorität: die Entnazifizierung

1) Der Konsens

Alle Sieger sind damit einverstanden, die Deutschen zu entnazifizieren. Die Konferenzen in Jalta (Januar 1945) und Potsdam (17. Juli – 2. August 1945) bestätigen dieses Ziel zusammen mit der Demokratisierung und der Entmilitarisierung durchzuführen. Mit dem Anspruch zur „Beseitigung des deutschen Militarismus und Nazismus“ einigen sich die Alliierte über das Prinzip aber noch nicht über den Rahmen. Die Tägliche Rundschau (Organ der Roten Armee), erklärt noch expliziter, dass „die Aufgabe der Vernichtung des Nazismus untrennbar mit der Aufgabe der Ausrottung seiner Wurzeln“ ist.[2] Durch den Befehl Nr. 1, der die Registrierungspflicht anordnet, und durch den „Berija (Sicherheitsminister der Sowjetunion)-Befehl“ Nr. 00315 (April 1945), der Verhaftungs- und Internierungskriterien festlegt, wird der Entnazifizierungsprozess eingeleitet.[3]

2) Wer macht was?

Die unmittelbare Nachkriegszeit ist natürlich eine Übergansperiode. An der Entnazifizierung sind unterschiedliche Akteure beteiligt. Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) ist das höchste exekutive, legislative und judikative Organ in der am 5. Juni 1945 eingerichteten SBZ. Sie ist der Vertreter der Besatzungsmacht. In diesem Sinne muss sie die Rollen verteilen. Genauer gesagt, um Partner in der deutschen Gesellschaft zu haben, erlaubt sie schon am 10. Juni die Schaffung von Parteien (SMAD-Befehl Nr. 2).

Hinter der Roten Armee, die selber zufällige Verhaftungen, Internierungen in ersten Speziallagern, manchmal auch Verschleppungen in die Sowjetunion eingeleitet hat, sind schon moskautreue Gruppen wie die Ulbricht Gruppe gekommen,[4] die die Schaffung der Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) in der SBZ vorbereitet hat. Die KPD „organisatorisch eng mit der SMAD zusammenarbeitend“ tritt in Erscheinung 11. Mai.[5] In der Folge entstehen die CDU, die SPD und die LDPD (Liberal-Demokratische Partei Deutschland). Diese Parteien bilden einen „Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ (Juli 1945) und veröffentlichen am 4. November einen Text, der als „eine erste Richtlinie für eine einheitliche Entnazifizierungspolitik“ betrachtet werden kann, selbst wenn seinen pragmatischen und klugen Ratschläge nicht wirklich berücksichtigt werden.[6] Die deutschen Parteien unterstützen eigentlich - zumindest am Anfang - die Entnazifizierung.

Interessant ist das Phänomen der „Antifaschistischen Ausschüsse“. Sie bilden sich spontan, kennen den Verwaltungsapparat gut und entsprechen der einzigen „autochthonen Selbstsäuberung der deutschen Gesellschaft“.[7] Ihre Wirksamkeit ist unterschiedlich und kann als symbolisch für die erste Phase der Entnazifizierung abgesehen werden: relativ chaotisch (keine Direktive der SMAD), „unsystematisch nach örtlich sehr unterschiedlichen Regelungen und beschränkt sich zumeist auf die provisorische Entnazifizierung der Verwaltungsspitzen sowie auf die Verhaftung aktiver NSDAP-Funktionäre und Gestapospitzel“.[8] Die Antifa-Ausschüsse spielen trotzdem eine wichtige Rolle in der ersten Phase. Dann werden sie von der KPD allmählich verdrängt, schließlich aufgelöst.

Am Ende dieser Eingangsphase vor der Potsdamer Konferenz wird die Entnazifizierung endlich ernst eingeleitet.

3) Die 2. Phase (bis zum Dezember 1946)

Im Juli 1945 werden die Landes- und Provinzialverwaltungen geschaffen. Sie geben den administrativen und gesetzgebenden Rahmen der Entnazifizierung in der SBZ. Im Unterschied zu den amerikanischen und englischen Zonen sind deutsche Stelle, wie in der französischen Zone, daran beteiligt. Das bedeutet, dass die durchgeführte Politik nicht einheitlich ist und jedes Land einen gewissen Spielraum hat, in dem die SMAD die bestimmende Kraft bleibt. Entnazifizierungskommissionen werden von verschiedenen Gruppen (Parteien, Gewerkschaften, Verwaltung) delegierten Vertretern gebildet.

[...]


[1] Vgl. Clement Vollnhals (Hg.): Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945-1949. München 1991, S. 43-55.

[2] Leitartikel der „Täglichen Rundschau“ vom 17. Mai 1945. Zitiert nach C. Vollnhals (Hg): Rehabilitierung. S. 168.

[3] Julia Wilmes: Die sowjetischen Speziallager im Spannungsfeld von Besatzungspolitik, Entnazifizierung und Herrschaftssicherung. Arbeitspapier des Forschungsverbundes SED-Staats Nr. 26. Berlin 1997. S. 36.

[4] Manfred Wille: Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1948. Magdeburg 1993, S, 18.

[5] Ruth-Kristen Rößler (Hg.): Die Entnazifizierung der KPD/SED (1945-1948), Dokumente und Materielen. München 1999, S. 30.

[6] Vollnhals, Rehabilitierung, S. 45.

[7] Olaf Kappelt: Die Entnazifizierung in der SBZ sowie die Rolle und der Einfluss ehemaliger Nationalsozialisten in der DDR als ein soziologisches Phänomen. (Studien zur Zeitgeschichte, Bd. 13), Hamburg 1997, S. 298.

[8] Vollnhalls, Rehabilitierung, S. 43.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Entnazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone (1945-1948)
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Neuere Geschichte)
Veranstaltung
Vergangenheitsbewältigung nach 1945
Note
1,5
Autor
Jahr
2002
Seiten
15
Katalognummer
V21587
ISBN (eBook)
9783638251679
ISBN (Buch)
9783638759472
Dateigröße
454 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ich bin Franzose. Trotz den strengen Korrekturen meines Professors könnte meine Formulierung mancmal unangenehm sein, aber der wissenschaftliche Inhalt stellt keine Frage.
Schlagworte
Entnazifizierung, Besatzungszone, Vergangenheitsbewältigung
Arbeit zitieren
MA Johan Thienard (Autor:in), 2002, Die Entnazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone (1945-1948), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21587

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