Die Novelle „Schach von Wuthenow“ (Untertitel: Erzählung aus der Zeit des Regiments Gensdarmes)
erschien in Jahre 1882. Damals war Theodor Fontane bereits 62 Jahre alt, doch sollte er den Höhepunkt
seines Schaffens noch lange nicht erreicht haben. In den darauffolgenden 13 Jahren steigerte er seine
Dichtkunst kontinuierlich bis hin zu „Effi Briest“ im Jahre 1895, drei Jahre vor seinem Tode. Daß ein
Künstler bis ins hohe Alter und vor allem erst im hohen Alter so eine Hochphase seines Schaffens hat, ist
sicherlich ungewöhlich und in dieser Form wohl auch einmalig, wenn auch im Realismus häufiger als bei
anderen literarischen Strömungen. Theodor Fontane hat wie kein anderer deutscher Dichter lange Jahre
der Vorbereitung und Reife gebraucht, um zu dem Künstler zu werden, als der er heute Weltruhm
genießt.
„Schach von Wuthenow“ war nach „Vor dem Sturm“ (1878) Fontanes zweite größere Novelle bzw.
Roman, und zusammen sind beide auch die einzigen historischen Romane Theodor Fontanes, und bei
„Schach von Wuthenow“, dem zweiten der beiden, kann man durchaus schon eine Hinwendung zum
späteren für Fontane typischen Gesellschaftsroman feststellen. Es soll hier jedoch keine Betrachtung der
Novelle im Kontext der anderen Fontaneschen Werke erfolgen. Daß es Parallelen und
Anknüpfungspunkte gibt, sollte man allerdings nicht völlig verschweigen, so zum „Wanderungen“-Band
„Oderland“ (Tamsel-Kapitel). Auch das Motiv der Melusine, auf die Frau von Carayon die Carayonsche
Familienlinie zurückführt1, findet sich in vielen der folgenden Werke Theodor Fontanes.
In der Literaturwissenschaft finden sich durchweg zwei völlig unterschiedliche Deutungsansätze des
Grundkonfliktes der Hauptfigur Schach von Wuthenow, was schon auf eine Ambivalenz bzw. Mehr- oder
Doppeldeutigkeit des Werkes hinweist.
Benno von Wiese schreibt zum Beispiel über die Person Schachs: „Schach ist hier weit mehr
Repräsentant als individuelle Person.“2. Allerdings erkennt er auch die „doppelte Optik“ der Geschichte,
nämlich die der geschichtlichen Situation und der menschlichen Existenz. Die geschichtliche ist für ihn
aber die uneingeschränkte Hauptbedeutung, denn seiner Meinung nach hätten sich die psychologischen
Umstände dem Prinzip nach auch zu anderen Zeiten entwickeln können. 3
Jürgen Manthey dagegen fragt: [...]
1Schach von Wuthenow, Reclam-Ausgabe, Stuttgart 1961, S.120. Im Folgenden zitiert als „SvW“.
2Benno von Wiese: Die deutsche Novelle von Goethe bis Kafka. Düsseldorf 1986, S. 240
3a.a.O., S. 239
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Erzähltechnische Mittel und ihre Bedeutung für die Novelle
- Historische Vorbilder für Fontanes Novellenfiguren
- Der Rittmeister Schach von Wuthenow - Major Otto von Schack
- Bülow - Frau von Carayon - Victoire
- Die Struktur der Novelle
- Das Expositionskapitel „Im Salon der Frau von Carayon“
- ,,Die Weihe der Kraft“
- Schach und Victoire
- ,,In Wuthenow am See“
- Die starke Frau, der schwache Mann
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die Handlungsmotive in Theodor Fontanes Novelle „Schach von Wuthenow“. Dabei soll untersucht werden, wie die Handlungen der Hauptfiguren Schach, Victoire und Frau von Carayon motiviert und in der Novelle dargestellt werden. Die Arbeit befasst sich insbesondere mit der Darstellung der Konflikte und der Frage, wie die literarische Ironie des Erzählers die Interpretation des Textes beeinflusst.
- Die Rolle der Ironie als erzähltechnisches Mittel in Fontanes Werk
- Die Ambivalenz der Hauptfigur Schach von Wuthenow und seine Handlungsmotive
- Die Darstellung der weiblichen Figuren und ihre Bedeutung für den Konflikt
- Die Beziehung zwischen dem individuellen Schicksal und der historischen Situation
- Die Interpretation der Novelle im Kontext der Literaturwissenschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext der Novelle „Schach von Wuthenow“ dar und führt in die Thematik der Handlungsmotive ein. Sie beleuchtet die unterschiedlichen Interpretationsansätze der Literaturwissenschaft und legt den Fokus auf die Rolle des Individuums in der Gesellschaft.
Das erste Kapitel analysiert die erzähltechnischen Mittel, insbesondere die Ironie, und ihre Bedeutung für die Novelle. Es zeigt, wie Fontane durch die ironische Distanz des Erzählers die Interpretation der Figuren und Handlungen beeinflusst.
Das zweite Kapitel untersucht die historischen Vorbilder für die Figuren der Novelle. Dabei wird die Beziehung zwischen der realen und der fiktiven Welt herausgearbeitet.
Das dritte Kapitel analysiert die Struktur der Novelle und fokussiert auf die zentralen Kapitel und ihre Bedeutung für die Handlungsentwicklung.
Das vierte Kapitel befasst sich mit der Darstellung der starken Frau und des schwachen Mannes und untersucht die Konflikte, die sich aus diesem Spannungsverhältnis ergeben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit analysiert die Novelle „Schach von Wuthenow“ von Theodor Fontane im Hinblick auf ihre Handlungsmotive, Ironie als erzähltechnisches Mittel, historische Vorbilder, die Bedeutung der Figuren Victoire und Frau von Carayon, und die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Luise A. Finke (Autor:in), 1995, Handlungsmotive in Theodor Fontanes 'Schach von Wuthenow', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21899