Die "Brevísima Relación" des Las Casas und die Leyenda Negra


Seminararbeit, 2003

22 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Biografie
2.1. 1484 bis
2.2. Die Bekehrung
2.3. 1542 bis

3. Brevísima Relación de la destrucción de las Indias
3.1. Entstehungsgeschichte
3.2. Inhalt und Aufbau

4. Die Leyenda Negra
4.1. Entstehung und Definition
4.2. Europäische Rezeptionsgeschichte

5. Stilistische Mittel
5.1. Oppositionen
5.2. Hyperbeln
5.3. Häufung und Steigerung
5.4. Ironie
5.5. Metaphern und Symbolik

6. Literarische Wirkung

7. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die „Brevísima Relación“ des Bartolomé de las Casas nimmt in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung ein, wirkt politisch und literarisch vielfach bis heute fort und war in der Zeit ihres Erscheinens ein argumentatives und persuasorisches Meisterwerk, das die Leyenda Negra, die schwarze Ära in der Geschichte Spanien, wesentlich beeinflusste.

Nach einem kurzen Blick auf das Leben des Las Casas und auf die Entstehung des besagten Werkes, soll im Folgenden das Phänomen der Leyenda Negra geklärt werden, mit besonderem Augenmerk auf den Inhalt der Schrift und die stilistischen Mittel, die Las Casas nutzt, um sein Anliegen hervorzubringen, es vielmehr aufzudrängen und argumentativ zu verankern.

Ein Blick auf die außerspanische, europäische Rezeptionsgeschichte gibt dabei einige wichtige Aufschlüsse darüber, wie Gegner Spaniens sich die Schrift politisch zu Nutze machten.

Das Kapitel über die Metaphorik und Symbolik (5.5.) bildet ein zentrales Thema vor dem christlichen Hintergrund Las Casas’. Aus der vielfältigen biblischen Symbolik, die er nutzt, sollen hier einige Beispiele erläutert werden.

Nachdem er bereits zu Lebzeiten umstritten war und sich mit Gegnern wie Motolonía oder Sepúlveda konfrontiert sah, die ihn als überaus lästigen, aufrührerischen und streitsüchtigen Menschen im Ordensgewand oder als schlauen Fuchs und schädlichen Skorpion betitelten[1], diente er angeblich Miguel Cervantes, der ihn als junger Mann auf seiner Beerdigungsfeier 1566 in Madrid selbst gesehen hatte, als Modell für dessen glücklosen Ritter Don Quijote.

Drucke von Anti-LasCasas-Werken wurden im 16. Jahrhundert aufgrund seiner Autorität häufig verboten, er wurde gefeiert als der Genialste aller Spanier, aber auch verrufen als paranoider Geisteskranker. Las Casas war ein Stein des Anstoßes, an dem die Geister sich schieden und noch heute schwankt die Meinung über ihn zwischen totalem Widerspruch oder totaler Zustimmung.

Einige Beispiele für die Wirkung Las Casas’ in der neueren Literatur, die zumeist als positiv zu werten sind, soll das 6. Kapitel eröffnen.

2. Biographie

2.1. 1484 - 1513

Der Zeitpunkt der Geburt des Bartolomé de las Casas in Sevilla fällt ins Ende des 15. Jahrhunderts, eine Zeit des Umbruchs und der Entdeckungen, und ist in verschiedenen Quellen ganz unterschiedlich angegeben: Neben dem Jahr 1484, finden sich auch 1474 oder 1485. Sein Vater, ein mäßig begüterter Kaufmann, hatte Kolumbus auf seiner zweiten Schiffsreise begleitet.

Las Casas selbst studierte Theologie und Jura in Salamanca, bevor er sich dann im Jahre 1502, zunächst als Soldat und Goldsucher, nach Española (heutiges Haiti) begab.

Im Folgenden nahm er wahrscheinlich an kriegerischen Expeditionen teil, war selbst Encomendero und wurde Zeuge an schrecklichen Indio-Massakern.

1513 nahm er als Feldkaplan an der Eroberung Kubas teil und wurde durch Diego Velázquez mit einer wohl ausgestatteten Encomienda (Grundbesitz und indianische Arbeitskräfte) für seine Dienste belohnt.

2.2. Die Bekehrung

Im Jahre 1514 gab er seinen öffentlichen Verzicht auf diese Encomienda bekannt und wurde damit frei, sich dem Kampf der Dominikaner anzuschließen. Diese Bekehrung des Las Casas` bildet einen zentralen Punkt in seiner Biographie: Er sieht sich selbst als von Gott Erwählter durch die Berührung mit dem Buch Sirach bei der Vorbereitung einer Pfingstpredigt 1514.

Wer von unrechtem Gut opfert, dessen Opfer ist Lästerung;

Und solche Gaben der Gottlosen sind nicht wohlgefällig.

Die Gaben der Gottlosen gefallen dem Höchsten gar nicht,

auch vergibt er Sünden nicht, selbst wenn man viel opfert. –

Wer vom Besitz der Armen opfert, der ist wie einer,

der den Sohn vor den Augen des Vaters schlachtet.

Der Arme hat nichts zum Leben als ein wenig Brot;

Wer ihn auch noch darum bringt, der ist ein Mörder.

Wer seinem Nächsten die Nahrung nimmt, der tötet ihn.

Wer dem Arbeiter seinen Lohn nicht gibt, der ist ein Bluthund. –[2]

Auch die Begegnung mit Pedro Córdoba, dem Oberhaupt der ersten Dominikanerkommunität auf Española[3], trug wesentlich zu dieser Bekehrung bei. Er wurde für Las Casas zum Seelenführer, von dessen Spiritualität er sich nicht mehr lösen konnte.

Der Dominikanerorden zeichnet sich durch apokalyptische Züge aus, d.h. durch eine Naherwartung des Endes der Welt, das gleich nach dem Ende der Conquista erreicht werden würde. Die Angst vor weltlicher Macht ist den Dominikanern genommen, unter der Prämisse, dass man Gott mehr gehorchen müsse, als den Menschen.

Im Jahr 1522 trat er selbigem Orden bei, worauf gemäß der ordensüblichen Ausbildungsordnung stille Jahre des Studiums und der Besinnung folgten.

2.3. 1542 – 1566

Am 20. November des Jahres 1542 unterzeichnete Karl V. die Neuen Gesetze (Leyes Nuevas), die wesentlich von Las Casas mitbestimmt worden waren. Sie beinhalteten eine Verwaltungsreform des Indienrates, buen tratamiento[4] der Indios als personas libres y vasallos nuestros[5], das Verbot der Sklaverei und sklavereiähnlicher Arbeiten, die Encomienda und ihre Vererbung – nicht aber die conquistas, wie er gefordert hatte. Diese wurden stattdessen mit dem Begriff des descubrimiento[6] umgangen.

In dieser Zeit folgte Las Casas dem Hof und verfasste seine „Brevísima Relación de la destrucción de las Indias“.

Im Jahre 1544 wurde er als Bischof von Chiapas eingesetzt und versuchte in dieser Zeit rigoros, die Spanier zu sittlich einwandfreiem Verhalten zu erziehen, musste aber bald vor den aufgebrachten Encomenderos und Verwaltungsbeamten nach Spanien fliehen, da diese um ihren Besitz und ihr Einkommen fürchteten. Las Casas hatte ihnen u.a. damit gedroht, auf dem Sterbebett keine Absolution zu erteilen, wenn sie nicht ihr Raubgut zurückgaben. Dieses geschah auf der durchaus festen Grundlage der „Bulle Sublimis“ des Papstes Paul III, in der er das Versklaven und Berauben der Indios untersagt und eine Bekehrung durch gutes Beispiel verlangt hatte.

1547 kehrte Las Casas endgültig nach Spanien zurück und verzichtete 1550 auf sein Bistum.

1550 wurde die Junta de Vallodolid von Karl V. einberufen, in der Las Casas sich der theologisch-juristischen Auseinandersetzung mit seinem Gegner Dr. Juan Ginés de Sepúlveda[7] stellte.

Sepúlveda stufte den Dienst am Staat und an irdischen Herren höher ein und meinte, dass die Indios erst unterworfen, dann christianisiert werden müssen. Las Casas jedoch siegte mit der Auffassung von der friedlichen Verbreitung des Christentums und erlangte so offizielle Anerkennung von Kirche und Krone. Seine Rede muss so stark beeindruckt haben, dass Karl V. zwei Mitglieder des Indienrates sowie den greisen Präsidenten entließ und eine neue Kommission zusammen rief, um eine Rechtsreform durchzuführen.

1566 starb Bartolomé de las Casas in Madrid.

3. „Brevísima Relación de la destrucción de las Indias“

3.1. Entstehungsgeschichte

Die Brevísima Relación nimmt eine Sonderrolle in den Schriften Las Casas` ein: Sie ist eine der wenigen, die schon zu Lebzeiten veröffentlicht wurden und als einzige bis heute immer wieder neu aufgelegt und in zehn Sprachen übersetzt worden.

Las Casas verfasste die Schrift im Jahre 1542, in der Zeit der Leyes Nuevas.[8]

Quellen dafür stellen seine eigene Augenzeugenschaft, sein Werk[9] und andere Berichte, Briefe und Akten dar. Die Erzählperspektive ist immer die des Augenzeugen: er selbst, wie er es mehrmals wiederholt[10] oder andere, auf deren Zeugnisse er zurückgreift.

Die Arbeit am Text wurde im September begonnen und nach eigenen Angaben am 8. Dezember 1542 beendet, 1546 ergänzt und 1552 überarbeitet zum ersten Mal in Sevilla gedruckt, wofür Las Casas Argumento, Prolog und Epilog neu schrieb. Er tilgte die Namen von Tyrannen, um rechtliche Schritte zu vermeiden und ihr Andenken für immer zu beseitigen.[11]

Er wollte die Neuen Gesetze, an deren Formulierung er ja beteiligt gewesen war, durch diese Schrift propagandistisch unterstützen.

3.2. Inhalt - Aufbau

Las Casas kritisiert in seiner Schrift v.a. das System der Conquistas, das mit den Neuen Gesetzen nicht ausdrücklich vom Gesetzgeber verboten worden war.

Es handelt sich um eine Sammlung negativer Exempel, die das Gewissen des Königs belasten[12] und das eigene Gewissen entlasten sollten[13]. Sein Ziel war die zweifache Befreiung des Königs: politisch (die Indios von Tyrannei und Unterdrückung zu erlösen) und religiös (die Spanier von schrecklichen Sünden und der Schuld tyrannischer Freveltaten zu befreien).

Die Brevísima Relación erzählt beispielhafte Episoden aus der Zeit der Eroberung Amerikas und lenkt dabei die Aufmerksamkeit auf die Grausamkeiten der Conquistadoren.

Der Text ist chronologisch aufgebaut, beginnt mit dem Argumento, dem Prolog und folgt dann der zeitlichen Reihenfolge der Entdeckung Amerikas: beginnend bei der Isla Española z.B. nach Jamaica, Cuba, zum Festland, nach Nueva España, Guatemala, Cartagena, Venezuela, Florida, Perú und Granada.

Insgesamt handelt es sich um 20 Kapitel, die mit einem Amén[14] enden und auf die ein Epilog folgt, in dem Las Casas einige Jahre nach der ersten Abfassung noch einmal den Verrat und die Tyrannei der Spanier deutlich macht und aufzeigt, dass die Neuen Gesetze nicht in aller Konsequenz befolgt wurden. Y con color de que sirven al rey, deshonran a Dios y roban y destruyen al rey.[15]

4. Die Leyenda Negra

4.1. Entstehung und Definition

Betrachtet man die spanische Vergangenheit als eine endlose Kette von Intoleranz, Obskurantismus und Schrecklichkeiten (Vertreibung der Juden und der Moslems, Verfolgung von Dissidenten, Rassismus und letztendlich die Unterdrückung der Indígenas), handelt es sich bei der sog. Leyenda Negra[16] in erster Linie um ein propagandistisches Phänomen, um ein Resultat nationaler Rivalitäten, z.B. mit Holland oder England.

Aus diesem Grund verordnete Philipp II. bald das Schweigen über sämtliche amerikanischen Belange, um propagandistisch geprägten Attacken der ebenfalls an Besitzungen in Übersee interessierten Länder einzudämmen.

Die Brevísima Relación wurde, gegen die Intention des Verfassers, der das Gewissen der Verantwortlichen schärfen wollte, zum Kern eines politischen Mythos umgestaltet und diente zur Bekämpfung des politischen und konfessionellen Gegners. Zu diesem Zwecke taugte es gut, denn der Text ist literarisch gestaltet, ohne dabei unhistorisch zu sein. Es handelt sich nicht um eine forensische Anklageschrift, da sämtliche Namen getilgt wurden, ist aber doch eine einzige Anklage der Spanier und wurde so als antispanische und/ oder antikatholische Kampfschrift instrumentalisiert. Man kann von einem Missbrauch sprechen, da diese Verteidigungswaffe der Indios zu einem Angriffsinstrument der europäischen Rivalen umgelenkt worden ist. Die Brevísima Relación ist eine der Quellen aus der sich der politische Mythos der Leyenda Negra speist – oftmals die einzige in der antispanischen und antikatholischen Geschichtsinterpretation.

[...]


[1] Mariano Delgado, Bd. 1

[2] Sirach 34, 21-27

[3] Der Dominikanerorden wurde vom Spanier Dominikus de Guzmán gegründet. Es handelte sich um eine Ordensgründung von Predigerbrüdern, die das Predigen als Form der Missionierung ansahen. Grundsätzliche Entscheidungen sollten gemeinsam getroffen werden (um sich nicht einem Abt beugen zu müssen). Der Orden wurde im Jahre 1216 durch den Papst bestätigt und Salamanca gilt als sein geistiges Zentrum.

[4] Mariano Delgado Bd. 2

[5] ebd.

[6] ebd.

[7] Dieser war 1490-1573 persönlicher Beichtvater von Karl V., außerdem ein einflussreicher Gelehrter und Hofchronist. Las Casas hatte im Jahre 1547 ein Druckverbot für dessen Buch erreicht.

[8] Siehe Kapitel 2.3.

[9] z.B. die „Historia de las Indias“

[10] «…como hombre que por cincuenta años y más de experiencia, siendo en aquellas tierras presente, los he visto cometer...» (Brevísima Relación, S. 72)

[11] « su memoria está y raída de la haz de la tierra, ...» (Brevísima Relación, S.153)

[12] cargar a conciencia (Prologo)

[13] por no ser reo callando (Prologo)

[14] Brevísima Relación, S. 175

[15] ebd. S. 177

[16] Begriff wurde geprägt durch Julián Juderías Anfang des 20. Jahrhunderts

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die "Brevísima Relación" des Las Casas und die Leyenda Negra
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Romanistik)
Veranstaltung
PS 'Crónicas de Indias'
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V22566
ISBN (eBook)
9783638258616
Dateigröße
701 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Brevísima, Relación, Casas, Leyenda, Negra, Indias“
Arbeit zitieren
Antje Köpnick (Autor:in), 2003, Die "Brevísima Relación" des Las Casas und die Leyenda Negra, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22566

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