Das Internet und der Wandel des Wissenschaftsjournalismus

Chancen, Risiken und Perspektiven


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2012

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Einleitung

Dass die Welt mit dem Einzug des Internet einen deutlichen Wandel in fast allen Lebensbereichen erfahren hat, ist unumstritten; dass dies indes auch auf die Medienwelt im Allgemeinen und auf die unterschiedlichen Kanäle und Darstellungsformen im Besonderen zutrifft, steht außer Frage. Im Feld des Wissenschaftsjournalismus konstatieren Experten bereits einen kompletten Wandel des Faches (Granado 2011, S. 809).

Die Fragen, die durch diese Entwicklung aufgeworfen werden, lassen sich aus zahlreichen Perspektiven und von unterschiedlichen theoretischen Höhen betrachten. Die Kraft, mit der das Internet die Medienwelt beeinflusst, verändert nicht nur die alltägliche, praktische Arbeitsweise des Journalismus grundlegend, sondern wirft auch ein völlig neues Licht auf seine Funktion innerhalb der Gesellschaft. Allein die Möglichkeit der Partizipation durch den Rezipienten, das Aufheben der einseitigen Kommunikationsrichtung der Massenmedien, stellt anerkannte Konzepte und Rollenbilder, angefangen von der Gatekeeper-Funktion bis hin zur Rolle des sogenannten „watchdog“ zunehmend in Frage.

Der Wissenschaftsjournalismus als Subsystem des Journalismus hat sich in seinen Funktionen und Arbeitsweisen indes schon seit dem Anfang seines Entstehens vom klassischen Nachrichtenjournalismus unterschieden. Das geflügelte Wort vom „verspäteten Ressort“, welches der Medienwissenschaftler Walter Hömberg 1989 in seiner Zustandsbeschreibung des Wissenschaftsjournalismus prägte, taucht bis heute immer wieder in unterschiedlichen Publikationen zum Thema auf, wird jedoch durch den Medienwandel nicht nur zunehmend in Frage gestellt, sondern teilweise gar als Ausgangspunkt für ein neues Zeitalter des Wissenschaftsjournalismus betrachtet.

Dieser hatjedoch, unabhängig vom Internet, in den letzten beiden Jahrzehnten, eine deutlichen Wandlung vollzogen, sowohl im Selbstverständnis, als auch in den Anforderungen, die an ihn gestellt werden (Gerber 2011, S. 9). Nicht nur allein die speziellen Eigenschaften, die ihn vom klassischen Journalismus abheben, auch strukturelle und ökonomische Änderungen haben das verspätete

Ressort beeinflusst. Die mit dem Auftauchen des Internets zu begründen, würde jedoch zu kurz greifen. Vielmehr sind bestimmte strukturelle Änderungen auch Grundlage für Chancen und Risiken, die das neue Medium für das Ressort bietet. Ein einfacher Abgleich der Vorher/Nachher-Dimension allein genügt also nicht, auch die Betrachtung von Ursache und Wirkung ist vonnöten.

Welche Änderungen ergeben sich explizit für den Wissenschaftsjournalismus durch den Medienwandel, welche Risiken birgt das Internet und welche Chancen verspricht es? Kann sich der Wissenschaftsjournalismus durch die neuen Kanäle lösen von seinem Nischendasein, ja sogar seine Funktion innerhalb der Gesellschaft grundlegend erneuern? Diese Fragen sollen innerhalb der vorliegenden Arbeit geklärt werden. Dabei wird zunächst ein Blick auf den Wissenschaftsjournalismus im Allgemeinen geworfen, seine historische Entwicklung und seine Funktion innerhalb der Gesellschaft beleuchtet sowie ein Überblick über seine Rolle innerhalb des Mediensystems, inhaltlich und ökonomisch umrissen. Zudem werden die Besonderheiten der praktischen Arbeit eines Wissenschaftsjournalisten sowie das sich wandelnde Rollenbild der Profession betrachtet. Im zweiten Teil der Arbeit werden zunächst die Folgen und Konsequenzen der Verlagerung journalistischen Arbeitens ins Internet skizziert. Die Diskussion der Auswirkungen dieser Entwicklungen auf den Wissenschaftsjournalismus, der Chancen, die sich aus den Konsequenzen ergeben und nicht zuletzt der Risiken, bilden dann den zweiten Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit.

„Aus derLiteraturzum Wissenschaftsjournalismus lässtsich vor allen Dingen entnehmen, was Journalismus nicht ist.“

(Kohring 2005, S. 243)

Im Folgenden soll neben einer einschlägigen Definition eine Bestandsaufnahme des Wissenschaftsjournalismus dargelegt werden. Dabei wird nach einem kurzen Abriss zur geschichtlichen Entwicklung insbesondere die ökonomischen Veränderungen, das Arbeiten im Wissenschaftsjournalismus und das Verhältnis zwischen Forschern und Wissenschaftsjournalisten umrissen.

Deutlich konkreter, als das vorangestellte Zitat, bezeichnet der Medienwissenschaftler Matthias Kohring den Wissenschaftsjournalismus. Er beschreibt ihn als journalistisches Thema, welches ein Ereignis „aus dem Wissenschaftssystem zugleich als ein Ereignis in der Umwelt des Wissenschaftssystems auszeichnet“ (Kohring 2005, S. 273). Vereinfacht dargestellt, thematisiert der Wissenschaftsjournalismus alle tatsächlichen und möglichen Beziehungen zwischen Gesellschaft und Wissenschaft (Burkard, Trepte & Weidner 2008, S. 26).

Die Funktion, die dem Wissenschaftsjournalismus heute zugeschrieben wird, hat sich in Deutschland in den vergangenen einhundert Jahren deutlich gewandelt. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde er in Deutschland als „reines Vermittlungsinstrument für wissenschaftliches Fachwissen“ betrachtet und gesellschaftliche Konsequenzen, die aus der technischen Entwicklung resultierten, standen im Vordergrund (Kohring 2005, S.15). Während im Folgenden der Journalismus insbesondere als Befürworter und damit als Dienstleister die wachsende Technisierung begleiten sollte, begann in den sechziger Jahren wieder die Rolle als Anstoßgeber und Moderator öffentlicher Diskussionen von gesellschaftlichen Konsequenzen technischer Entwicklungen in den Vordergrund zu rücken (ebd., S. 27). Bis in die Mitte der Neunziger Jahre etabliert sich der Wissenschafts-journalismus auch als kommunikationswissenschaftlicher Gegenstand und das „Paradigma der „Wissenschaftspopularisierung“ findet Einzug in die Diskussion. Kohring beschreibt zwei grundlegende Strömungen, die sich in dieser Zeit entwickelt haben. Zum Einen wird der Wissenschaftsjournalismus „als Wegbereiter einer kritischen Öffentlichkeit, die den technokratischen Herrschaftsanspruch von Wissenschaft und Technik kontrollieren soll“, zum anderen als reiner Informationsvermittler zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit betrachtet (Kohring 2005, S. 64f.). Insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten hat der Wissenschafts-journalismus seine Nische indes verlassen lässt sich nunmehr quantitativ und qualitativ mit den etablierten Ressorts vergleichen (Leßmöllmann 2009, S. 137). Bis dato wurde das Thema in den Medien nur für eine kleine Zielgruppe geschaffen und von Journalisten geschaffen, die zum Teil selbst hauptsächlich in anderen Ressorts zuständig waren und ihre Arbeit im Wissenschaftsjournalismus nur als Ergänzung geleistet haben (Badenschier & Wormer 2011, S. 201). Zum Teil war insbesondere in den Printpublikationen kein eigener Teil für Wissenschaft vorgesehen, wissenschaftliche Themen wurden vielmehr in anderen Ressorts, bei entsprechendem Nachrichtenwert bisweilen auch auf den Titelseiten untergebracht (Ruß-Mohl 1991, S. 35). Jene, die sich zur seltenen Art der Wissenschaftsjournalisten zählten, wurden oft als vereinzelte Mediatoren betrachtet, die, innerhalb bestimmter Grenzen, alle relevanten Informationen aus der Wissenschaft übersetzten und an eine breite Öffentlichkeit brachten (Shanahan 2011, S. 905; Schäfer2011, S. 1).

„Es wird eine weitere Verlagerung in den Online- Bereich geben und ein weiteres Sterben etablierter Print-Medien.“ Ulrich SchnabelWissenschaftsredakteur, Die ZEIT (Gerbner2011, S. 25)

In den letzten Jahren sieht sich der Journalismus im Allgemeinen und der Wissenschaftsiournalismus im Besonderen nicht nur mit ökonomischen und .

Medienkrise

technischen Änderungen gegenüber, sondern auch die Rezipienten haben sich hinsichtlich ihrer Medienkonsumgewohnheiten gewandelt. Eine der deutlichsten Veränderungen wird im Pressewesen sichtbar: sinkende

Auflagenzahlen und Werbeumsätze machen den Verlagen zu schaffen und dieser Trend geht auch an den Wissenschaftstiteln selbst nicht vorbei (vgl.

Abb. 1)

Abb.l - Auflagenentwicklung deutscher Wissenschaftstitel

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Gerbner2011, S.12)

In einer Delphi-Runde zum Thema zeigten sich viele Experten einig, dass ein Bedeutungsverlust bei den klassischen Printmedien nicht zuletzt auch eine Verkleinerung der Wissenschaftsressorts zur Folge haben (Gerber 2011, S. 43).

Wissenschaftsjournalismus wird in einigen Redaktionen zum Luxusgut, auf den man zugunsten von anderen, billigeren Nachrichtentypen, die zudem mehr Anklang beim Publikum finden, verzichten kann (Allan 2011, S. 773).

Ungeachtet dieser Situation scheint sich die Rolle des Wissenschaftsressorts insbesondere in Deutschland konträr zu entwickeln. Bereits 2001 bemerkte die Entwicklung in Deutschland dpa: „wissenschaftliche Themen sind attraktiv für die mediale Aufmerksamkeit und das mehr als jemals vorher“ (Badenschier, Elmer & Wormer 2008, S. 878). Seit einigen Jahren finden sich in den meisten deutschen überregionalen Tageszeitungen auch zum Teil mehrere Wissenschaftsseiten (Schmid-Ruhe 2005, S. 205), der Anteil wissenschaftlicher Artikel in den Tageszeitungen stieg von 2% in den achtziger Jahren zwar nur unwesentlich auf etwa 3% im Jahr 2007 (Badenschier, Elmer & Wormer 2008, S. 880ff.), dafür erlebte das Ressort in anderen Kanälen einen deutlichen Boom. Populärwissenschaftliche Magazine wie SZWissen, ZeitWissen oder GEOkompakt strömten auf den Markt (Artz & Wormer 2011, S. 872), Wissenschaftsendungen wie „Welt der Wunder“ auf Pro7 oder „Future Trend“ auf RTL boomten (Badenschier &

Wormer 2011, S. 201) und die Redaktionen wurden nicht nur mit eigenen Wissenschaftsressorts ergänzt, auch die Anzahl der Mitarbeiter stieg an (Artz & WormerR 2011, S. 872), und zwar quer durch alle medialen Bereiche (Meier & Feldmaier 2005, S. 212). Auch für die Zukunft sehen Experten einen steigenden Bedarf an Wissenschaftsjournalisten (Blöbaum et. al 2003, S. 36).

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das Internet und der Wandel des Wissenschaftsjournalismus
Untertitel
Chancen, Risiken und Perspektiven
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
25
Katalognummer
V229726
ISBN (eBook)
9783656449270
ISBN (Buch)
9783656449850
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
internet, wandel, wissenschaftsjournalismus, chancen, risiken, perspektiven
Arbeit zitieren
B.A. Julia Hoffmann (Autor:in), 2012, Das Internet und der Wandel des Wissenschaftsjournalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229726

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Internet und der Wandel des Wissenschaftsjournalismus



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden