Fallbeispiel nhd. haben


Hausarbeit, 2013

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

1.0 Zielsetzung

2.0 Die Natürlichkeitstheorie

3.0 Diachrone Betrachtung von haben
3.1 Ahd. haben/haben
3.2 Mhd. han/haben
3.3 Nhd. haben in Standart- und Umgangssprache

4.0 Die Natürlichkeitstheorie auf dem Prüfstand

5.0 Irregularität
5.1 Die Entstehung von Irregularität
5.2 Frequenz- und relevanzgesteuerte Irregularität
5.3 Ausdruckskürze und Differenzierung

6.0 Die Ökonomietheorie

7.0 Zusammenfassung

8.0 Literaturverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Nhd. haben in Standart- und Umgangssprache

Tabelle 1: Die Flexionsparadigmen von ahd. haben/haben

Tabelle 2: Mhd. han/haben

Tabelle 3: Die frequentesten Verben des Nhd

1.0 Zielsetzung

Bei diachroner Betrachtung deutscher Verben ist ein deutliches Streben hin zu re­gelmäßigen Flexionsparadigmen zu verzeichnen. So ist die Gruppe der starken Ver­ben im Laufe der vergangenen Jahre dramatisch geschrumpft, da ein Großteil ihrer Mitglieder zur schwachen Klasse übergegangen ist (vgl. bäckt/buk -> backt/backte). Dieser Regularisierungsprozess ist nach wie vor in vollem Gange.

Nun lässt die oben genannte Beobachtung vermuten, dass es sich dabei um einen allgemeinen Vorgang handelt, der sich ausnahmslos durch die Reihen der (noch) starken Verben zieht. Doch das entspricht nicht ganz der Realität: Bei einer Hand voll Verben ist nämlich eine genau entgegengesetzte Entwicklung der Fall. Dies betrifft unter anderem auch das neuhochdeutsche Verb haben.

Ziel dieser Hausarbeit ist es, das Phänomen der Irregularisierung am Beispiel von nhd. haben (bzw. ahd. haben und mhd. han/haben) zu analysieren und sinnvolle Gründe für diesen Prozess zu finden. Dabei werden die Natürlichkeitstheorie als Ausgangspunkt und die Ökonomietheorie als möglicher Lösungsansatz eine wichti­ge Rolle spielen.

2.0 Die Natürlichkeitstheorie

Die Natürlichkeitstheorie geht im Allgemeinen davon aus, dass eine Sprache ver­schiedene Methoden zum Ausdruck unterschiedlicher Merkmale kennt. Dabei wer­den natürliche Merkmale weniger markiert als unnatürliche, da letztere zusätzliche Informationen verkörpern. So ist es beispielsweise üblich, dass man sich selber als einzelne Person in der Realität und Gegenwart wahrnimmt - folglich sind die Infor­mationen 1. Person Singular, Indikativ und Präsens der natürlichste und somit am wenigsten markierte Fall.

Nach Mayerthaler (1981) gibt es drei Natürlichkeitsprinzipien, gemäß denen sich jede Sprache entwickelt. Der konstruktionelle Ikonismus wurde im voraus­gehenden Absatz bereits erläutert und bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Erklä­rung. Das Prinzip der Uniformität hingegen schon. Dieses besagt, dass jede Spra­che nach einer 1:1-Relation zwischen Funktion und Form strebt - im Idealfall soll also ein und dieselbe Funktion nicht von mehreren Morphemen übernommen wer­den. Allomorphie wie bei der Pluralbildung des Deutschen (vgl. Frau+en, Teppich+e, etc.) tendiert demnach zum Abbau.

Das Prinzip der Transparenz stellt das umgekehrte Gegenstück zur Uni­formität dar: Diesem zufolge streben Sprachen nach einer l:l-Relation zwischen Form und Funktion. So sollen ein und demselben Morphem nicht mehrere Bedeu­tungen zukommen, wie es beispielsweise bei dem Morphem {en} der Fall ist, wel­ches neben dem Infinitivmarkervon Verben auch ein Pluralsuffix darstellt.

Bezieht man diese Prinzipien nun auf die Entwicklung der deutschen Verben, so prophezeien sie einen umfangreichen Wachstum der typenfrequenten, regelmä­ßigen Klassen, wie er tatsächlich auch beobachtet wird. Folge dieses Prozesses sind unter Anderem längere - dafür aber einheitliche und leichter zu bildende Formen. Doch gibt es nichtsdestotrotz einige wenige Verben, deren Entwicklung den Prinzi­pien der Natürlichkeitstheorie zuwider laufen. Eines davon ist das neuhochdeutsche Verb haben, dessen Werdegang im Folgenden genauer betrachtet werden soll.

3.0 Die diachrone Betrachtung von haben

3.1 Ahd. habën/haben

Das althochdeutsche Verb haben/haben ist ein Vollverb und bedeutet so viel wie ,haben' im Sinne von ,etwas besitzen' und .halten' - seine heutige Auxiliarfunktion entwickelte sich erst ab dem Mittelhochdeutschen. Ahd. haben/haben wird zwar der 3. Klasse (en-Klasse) schwacher Verben zugeschrieben, weist aber schon erste Ab­weichungen vom typisch-regelmäßigen Schema auf, wie in der folgenden Tabelle ersichtlich wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Die Flexionsparadigmen von ahd. habën/haben nach Nübling (2000)

Die wohl markanteste Besonderheit ist, dass hier offensichtlich zwei Flexi­onsparadigmen parallel existieren. Bei Betrachtung des irregulären Paradigmas ist an den suppletiven heb- und eig-Formen bereits eine Klasseninstabilität ersichtlich.

Der Grund für die heb-Formen, die sowohl bei der 2. und 3. Person Singular, als auch im Präteritum auftreten, wird in einer einstigen Zugehörigkeit zur jan-Klasse oder in einem Analogieverhalten zu den starken Verben der 6. und 7. Ablautreihe vermutet.

Das heutige haben ist allerdings lediglich aus der regulären Form hervorge­gangen. Doch auf dem Weg dorthin sind ihm noch einige Veränderungen widerfah­ren, die besonders im Mittel- und Frühneuhochdeutschen zu finden sind.

3.2 Mhd. han/haben

Im 11. und 12. Jahrhundert durchläuft haben einen Grammatikalisierungsprozess. Durch den Perfektzuwachs kommt dem Verb seine zuvor nicht dagewesene Funkti­on als Auxiliar zu, wodurch sich direkte Auswirkungen auf Tokenfrequenz und Fle­xionsparadigma ergeben. Inwiefern diese drei Punkte in Zusammenhang stehen, soll zu einem späteren Zeitpunkt genauer Erläutert werden. Für den Moment interes­siert lediglich das Flexionsparadigma an sich:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Mhd. han/haben nach Nübling (2000)

In Tabelle 2 wird deutlich, dass sowohl die heb-, als auch die eig-Formen aus dem Ahd. vollständig abgebaut sind. Stattdessen hat sich aus dem regulären haben durch Schwund des intervokalischen b und Kontraktion des daraus resultierenden ae das einsilbige han entwickelt. Hierbei handelt es sich nach Ronneberger-Sibold (1988) um keinen lautgesetzlichen Wandel, da der Prozess nur in diesem speziellen Fall, nicht aber bei lautlich ähnlichen Wörtern wie zum Beispiel labön ,laben', statt­fand.

Während mhd. haben seine Bedeutung als ,haben/besitzen' beibehält, fun­giert hän einzig und allein als Hilfsverb zur Perfektbildung. Somit existiert hier ein Formenreichtum, wie er bei keinem schwachen Verb sonst zu finden ist. Doch ist die Entwicklung an dieser Stelle noch lange nicht abgeschlossen.

3.3 Nhd. haben in Standart- und Umgangssprache

Wo das Mhd. noch zwei Infinitive zur Unterscheidung zwischen Voll- und Hilfs­verbfunktion kennt, verfügt das Nhd. nur noch über ein einziges Paradigma. Die Fu­sion fand im Frühneuhochdeutschen statt und dem resultierenden Mischparadigma scheint eine gewisse Systematik zugrunde zu liegen. Aus diesem Grund soll es mit Hilfe von Abbildung 1 genauer betrachtet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Nhd. haben in Standart- u. Umgangssprache nach Nübling (2000)

In der linken Spalte sind die standartsprachlichen Flexionsformen von nhd. haben aufgeführt. Das Paradigma besteht aus zwei unterschiedlichen Wurzelvarian­ten, die beide auf das Mhd. zurückzuführen sind. Die längere häb-Wurzel dominiert die kürzere ha-Wurzel in einem Verhältnis von 3:1.

Im Präsens hebt sich die 1. Person Singular von der 2. und 3. ab, da sie die längere Variante verwendet. Dasselbe gilt für den Plural. Während die kürzere ha- Wurzel das Präteritum vom Präsens distanziert, findet im Partizip Perfekt, im Kon­junktiv I und im Imperativ wieder die häb-Wurzel Verwendung. Im Konjunktiv II ist sogar der irreguläre Umlaut ä entstanden, welcher normalerweise nur bei starken Verben vorzufinden ist.

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Fallbeispiel nhd. haben
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
13
Katalognummer
V231287
ISBN (eBook)
9783656464549
ISBN (Buch)
9783656467779
Dateigröße
430 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
fallbeispiel
Arbeit zitieren
Marco Merten (Autor:in), 2013, Fallbeispiel nhd. haben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231287

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