Islamische Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht in Österreich. Ein Überblick


Studienarbeit, 2012

53 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Islam in Österreich
2.1. Aktuelle Bevölkerungsdaten
2.2. Geschichtlicher Rückblick

3. Religionsunterricht
3.1. Rechtlicher Hintergrund
3.2. Religionsunterricht - historischer Abriss
3.3 Inhalte des islamischen Religionsunterrichtes

4. Konfessionelle Privatschulen
4.1. Historische Hintergründe konfessioneller Privatschulen in Österreich
4.2. Situation Privatschulen allgemein
4.3. Rechtlicher Hintergrund - Privatschulwesen
4.4. Islamische Glaubensgemeinschaft und ihre Rolle im Privatschulwesen

5. Islamische Privatschulen in Wien
5.1. Überblick
5.2. Private Islamische Volksschule Wien
5.3. Volksschule und Kooperative Mittelschule „Al-Andalus“
5.4. Österreichisch-Ägyptische Privatschule
5.5 Al-Azhar International Schools
5.6. IRGW- Islamisches Realgymnasium Wien
5.7. IFS - Islamische Fachschule für soziale Bildung
5.8. Isma - „Private Gesamtschule Muhammad Asad“

6. Schlussbemerkung

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

In Österreich, genauer genommen in Wien, gründeten in den letzten zehn Jahren immer mehr islamische Vereine ihre konfessionellen Privatschulen. Als anerkannte Religionsgemeinschaft hat die Islamische Glaubensgemeinschaft im europäischen Vergleich gewisse Vorteile. Der Prozess der Errichtung einer islamischen Privatschule gleicht nämlich dem einer katholischen bzw. evangelischen Privatschule. Den Anmeldungen zufolge ist der Bedarf solcher Schulen auch gegeben. Einige Privatschulen können nicht mehr Schüler aufnehmen bzw. das Schulkonzept erweitern, da deren Räumlichkeiten begrenzt sind. Die Schulen sind vor allem in den ersten Jahren mit Schwierigkeiten konfrontiert, da das Öffentlichkeitsrecht vorerst jährlich rückwirkend zuerkannt wird und dies neben einem hohen finanziellen Aufwand mit unsicheren Zukunftsperspektiven verbunden ist. Da ich fünf Jahre an der islamischen Privatschule Al-Azhar als Volksschullehrerin gearbeitet habe und die Schule in all ihren Facetten kennenlernte, wollte ich erfahren ob andere islamische Schulen ähnlich oder anders funktionieren. Bald stellte ich fest, dass wenig bis gar keine Informationen über diese Schulen vorhanden sind. Selbst im universitären Bereich wurde kaum darüber geforscht. Bloß die Hälfte der Schulen besitzt eine gut aufgebaute, informative Homepage. Darum beschloss ich mit den Schulerhaltern Interviews zu führen. Mich interessierten vor allem folgende Aspekte: Leitbild, religiöse Schwerpunkte, Schulstruktur, Unterrichtsorganisation, Profil der Schülerinnen und Schüler, Lehrkörper und Zusammenarbeit mit den Eltern. Ziel ist es einen Abriss der islamischen Privatschulen in Wien zu erstellen. Die Schulen werden einzeln vorgestellt, Vergleiche halten sich in Grenzen.

Zu Beginn der Arbeit erfolgt eine kurze Darstellung der muslimischen Bevölkerungsstruktur in Österreich, in der aufgezeigt wird, welcher Herkunft die Muslime sind. Der geschichtliche Rückblick gibt Aufschluss über die Migrationsströme und vor allem über die Anerkennung der Islamischen Religionsgemeinschaft, basierend auf dem Islamgesetz von 1912.

Bereits vor der Gründung islamischer Privatschulen war der Islam im österreichischen Schulwesen präsent. Landesweit gibt es die Möglichkeit am islamischen Religionsunterricht teilzunehmen. Ich möchte näher auf die Entstehungsgeschichte und Inhalte dieses Unterrichtes eingehen. Bevor die einzelnen islamischen Privatschulen vorgestellt werden, gilt es Begriffe wie konfessionelle und nichtkonfessionelle Privatschulen, sowie Schulen mit und ohne Öffentlichkeitsrecht zu klären. Die Rolle der Islamischen Glaubensgemeinschaft konnte ich leider nicht näher beleuchten, da ich vom zuständigen Fachinspektor keine Antwort erhielt.

Der Hauptteil der Arbeit ist die Darstellung der sieben islamischen Privatschulen in Wien.

2. Islam in Österreich

2.1. Aktuelle Bevölkerungsdaten

Heute leben in Österreich Schätzungen zufolge rund eine halbe Million Muslime, das sind ca. 6% der österreichischen Bevölkerung. Die Angabe genauer Zahlen ist schwierig, da zuletzt bei der Volkszählung im Jahr 2001 das Religionsbekenntnis der Bevölkerung erhoben wurde. Stark verändert hat sich die Staatsangehörigkeit der Muslime, ungefähr die Hälfte der in Österreich lebenden Bevölkerung islamischen Glaubens besitzt heute die österreichische Staatsbürgerschaft. Vor zehn Jahren waren dies weniger als 30 %. Unter den ausländischen Staatsangehörigen islamischen Glaubens stellte 2009 die größte Gruppe Personen aus der Türkei dar (21%), gefolgt von Bosnien und Herzegowina (10%), Serbien, Montenegro und dem Kosovo (7%), der Russischen Föderation (4%) sowie Mazedonien (3%). Personen mit anderer Staatsangehörigkeit stellen jeweils weniger als 1% dar. Die Einwanderung aus der Türkei wie auch Bosnien und Herzegowina nahm im letzten Jahrzehnt ab, gestiegen ist der Anteil von Personen aus Tschetschenien und dem Kosovo. Der Zuzug aus dem Ausland ist jedoch im letzten Jahrzehnt zurückgegangen, der Anstieg der muslimischen Bevölkerung in Österreich ist somit auf die höhere Geburtenbilanz der Bevölkerungsgruppe zurückzuführen. Der Grund dafür liegt vor allem in der mehrheitlich jungen Bevölkerung islamischen Glaubens in Österreich. (vgl. Marik-Lebeck, S.5ff.)

2.2. Geschichtlicher Rückblick

Die im folgenden Abschnitt beschriebenen historischen Begebenheiten brachten es mit sich, dass der Islam im Vergleich zu anderen europäischen Staaten in Österreich eine einzigartige Stellung genießt.

Die ersten Muslime kamen nicht erst in den 1960ern als „Gastarbeiter“ nach Österreich sondern schon 200 Jahre früher. Damals ließen sich vor allem osmanische Händler in der Monarchie nieder. Im Staatsgrundgesetz von 1867 wurden einige bis heute gültige rechtliche Grundlagen gelegt. Unter anderem wurde Religionsfreiheit gewährleistet sowie die Unterscheidung zwischen gesetzlich anerkannten und gesetzlich nicht anerkannten Religionsgemeinschaften eingeführt. Den anerkannten Religionsgemeinschaften wurde die selbständige Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten gewährt.

Die einzigartige rechtliche Anerkennung des Islam in Europa ist auf die außenpolitischen Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten der Habsburgermonarchie zurückzuführen. 1878 erhielt Österreich-Ungarn das Mandat, Bosnien-Herzegowina zu besetzen. Den bosnischen Muslimen wurde Religionsfreiheit zugesichert. Die Annexion folgte im Jahr 1908, somit wurden mehr als eine halbe Million Muslime Teil der Bevölkerung Österreichs. Daher wurde am 15. Juli 1912 das Islamgesetz verabschiedet, das ausschließlich die Anhänger des Islam nach hanafitischem Ritus als Religionsgesellschaft anerkannte. (vgl. Sticker, S.32f.) Somit bekamen Muslime die gleichen Rechte wie auch andere Angehörige gesetzlich anerkannter Religionsgemeinschaften. Sie hatten nun das Recht auf Gründung konfessioneller Einrichtungen, wie Stiftungen und Krankenhäuser und das Recht auf öffentliche Religionsausübung, darunter fällt z.B. der schulische Religionsunterricht. Ausgenommen im Islamgesetz waren Aspekte des islamischen Rechts, die im Widerspruch zum österreichischen Grundgesetz standen, wie z.B. die Polygamie. (vgl. Kreisky, S.13)

Nach dem Zerfall der Monarchie war das Gesetz belanglos, in der Republik Österreich lebten einige hundert Muslime, die sich in kleinen Vereinen organisierten. Die eigentliche Zuwanderung der Muslime nach Österreich begann Mitte der 1960er Jahre. Vor allem türkische Arbeitsmigranten und deren Familien, sowie einige Flüchtlinge und Studenten kamen nach Österreich. Die zweite Einwanderungswelle begann Mitte der 1980er Jahre, wobei in den 1990er Jahren größtenteils Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina nach Österreich kamen. (vgl. Aslan 1997, S.43)

In den 1970er Jahren wurde die Gründung einer islamischen Kultusgemeinde vorbereitet. 1979 erfolgte die Anerkennung des Islam als öffentlich-rechtliche Körperschaft. Heute werden alle vier sunnitischen Rechtsschulen wie auch die Schiiten von der „Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGiÖ) vertreten. (vgl. Schmied, S.193) Die innere Autonomie der Religionsgemeinschaften wurde im Staatsgrundgesetz 1867 festgelegt. Das heißt, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft für Feierlichkeiten, die Bestellung von Organen, die Mitgliedschaft und der dazugehörigen Beiträge verantwortlich ist. Die gesetzlich anerkannten Glaubensgemeinschaften erhalten finanzielle Unterstützung seitens der Regierung, sind von den Steuern ausgenommen und werden vom öffentlichen Rundfunk berücksichtigt. Außerdem ist der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen garantiert. (vgl. Sticker, S.49)

Die historischen Entwicklungen zeigen auf, dass Österreich nie ein Staat war, in dem Kirche und Politik vollkommen getrennte Mächte waren. Die beiden kooperierten, im Laufe der Jahre änderte sich zwar die Art und Weise der Verbindungen zwischen Kirche und Staat, jedoch blieb dieses „Kooperationssystem“ bis heute erhalten. Dies weist darauf hin, dass dieses österreichische Modell nicht in anderen Ländern übernommen werden könnte, da es auf spezifischen hiesigen historischen Entwicklungen basiert. (vgl. Sticker, S.41)

3. Religionsunterricht

3.1. Rechtlicher Hintergrund

Laut Religionsunterrichtsgesetz ist jeder Schüler einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft berechtigt, in allen öffentlichen Schulen Religionsunterricht zu erhalten.

Die Ausübung des Religionsunterrichts sichert die Religionsfreiheit und das Elternrecht ab, die Ausführung obliegt jedoch den gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften. Dies hat zur Folge, dass die Inhalte, Methoden und Auswahl der Religionslehrerinnen und -lehrer die innere Angelegenheit der gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft darstellt. Der Staat ist bloß verantwortlich für die Beaufsichtigung in organisatorischer und schuldisziplinärer Hinsicht. Die Religionsgemeinschaften wählen die Lehrwerke aus, die jedoch nicht im Widerspruch zur staatsbürgerlichen Erziehung stehen sollten. Schülerinnen und Schüler dürfen an den religiösen Festtagen der Schule fernbleiben. Die Religionslehrerinnen und -lehrer unterstehen den religionsgesellschaftlichen wie auch den allgemeinen schulrechtlichen Vorschriften. Disziplinäre Maßnahmen muss die zuständige religionsgesellschaftliche Behörde setzen. (vgl. Kalb, S. 354ff.)

Der Religionsunterricht nimmt im Vergleich zu allen anderen Fächern einen Sonderstatus ein, da nur die Fachinspektoren der jeweiligen Religionsgemeinschaft den Unterricht beaufsichtigen können, nicht aber die Direktoren an der Schule. Die schulinterne Kritik bezüglich Didaktik und Methodik der jeweiligen Religionslehrer ist somit erschwert.

3.2. Religionsunterricht - historischer Abriss

Nach der Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft begann im Jahr 1982 der Religionsunterricht zuerst an einigen auserwählten Schulen in Wien, bevor er österreichweit eingeführt wurde. Heute besuchen mehr als 40.000 Schülerinnen und Schüler den islamischen Religionsunterricht in Österreich. Da der Religionsunterricht ein Pflichtgegenstand ist, müssen die Schülerinnen und Schüler daran teilnehmen, sofern sie nicht abgemeldet sind. Die meisten Abmeldungen erfolgen in ländlichen Gebieten, da wegen der geringen muslimischen Schülerzahl für den Religionsunterricht mehrere Schulen zusammengefasst werden und dies logistische, organisatorische Schwierigkeiten darstellt. (vgl. Adnan, S.195)

Als der islamische Religionsunterricht an den österreichischen Schulen eingeführt wurde, war man sogleich mit der fehlenden Besetzung von Religionslehrer konfrontiert. Im Land selber, gab es keine ausgebildeten muslimischen Religionslehrer. Um schnell eine Lösung zu finden wurden einerseits Laienreligionslehrer herangezogen und andererseits Lehrer aus der Türkei angeworben. (vgl. Schmied, S.204) Die Sprachkenntnisse der Religionslehrer waren bei weitem nicht ausreichend für einen qualitativ guten Unterricht. Viele befanden sich außerdem in einem Beamtenverhältnis zum türkischen Staat und waren ihm gegenüber zur Loyalität verpflichtet. (vgl. Adnan, S.201) Die Mehrheit der Religionslehrer genoss die Ausbildung in ihrem Heimatland, die sich in Pädagogik und Didaktik stark vom österreichischen Schulsystem unterscheidet. Für Islamische Glaubensgemeinschaft war dies eine unbefriedigende Situation, darum wurde 1998 die Islamische Religionspädagogische Akademie (kurz IRPA) gegründet, an der hauptberuflich islamische Religionslehrerinnen und Religionslehrer ausgebildet werden.

Inhalt und Methoden der Ausbildung haben sich an der Berufs- und Schulpraxis zu orientieren und müssen die gesicherten Ergebnisse der theologischen und pädagogischen Wissenschaft beachten. Dem Charakter einer Akademie entsprechend ist die Fähigkeit zum selbsttätigen Bildungserwerb zu wecken und zu schulen, um damit die Grundlage für eine spätere ständige Weiterbildung der ReligionslehrerInnen zu schaffen. (Schmied, S.205) Die Absolventen der IRPA stellen heute gut 30% der unterrichtenden muslimischen Religionslehrer dar.

Verantwortlich für den Lehrplan des Religionsunterrichtes ist die Islamische Glaubensgemeinschaft. Konzipiert wurde er Anfang der 1980er und geriet in Bezug auf seine veralteten Inhalte immer mehr in Kritik. Im Jahr 2004 wurde eine Kommission beauftragt den Lehrplan zu modernisieren und zu verbessern. (vgl. Schmied, S.203) Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat nun den aktualisierten Lehrplan für alle Schulstufen mit dem Schuljahr 2011/12 erlassen.

2003/04 erfolgte die Gründung des Islamischen Religionspädagogischen Instituts (kurz IRPI genannt), wo die Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit der Weiterbildung in Anspruch nehmen können.

3.3 Inhalte des islamischen Religionsunterrichtes

Die Islamische Glaubensgemeinschaft, die für die Ziele und Vorgaben des

Religionsunterrichtes verantwortlich ist, betont folgende Punkte (Schakfeh 2006, S.289f.):

- Inhalte sollen hochwertig sein und pädagogischen Ansprüchen entsprechen
- Betonung des gegenseitigen Respekts und Verständnisses, Schwerpunkt liegt auf Friedenserziehung
- Förderung der eigenen Identität
- Vereinbarkeit der muslimischen Identität mit dem Gefühl der Zugehörigkeit zu Österreich und Europa
- Umgang mit Vielfalt
- Förderung des kritischen und eigenständigen Denkens, Beschäftigung mit Unterschieden zwischen Tradition und islamischer Lehre
- Sachkenntnis als Voraussetzung zum interreligiösen Dialog
- Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen
- Erkennen der Vielfalt in der eigenen Gruppe, erleichtert die Bejahung des gesamtgesellschaftlichen Pluralismus
- Integration durch Partizipation

Amir Zaidan, seit 2003 Direktor des Islamischen Religionspädagogischen Instituts, betont die Wichtigkeit des Erwerbs religiöser Sprachfähigkeit im islamischen Religionsunterricht. Den Islam auf Deutsch zu verstehen und verinnerlichen, fördert das Zugehörigkeitsgefühl zum hiesigen Kultur- und Sprachraum und somit auch die Integration. Der muttersprachliche Unterricht sollte weiterhin gefördert werden und steht keinesfalls in Konkurrenz zum Religionsunterricht. Zaidan betont dazu, dass viele Übersetzungen islamischer Begriffe revidiert werden sollten, da sie einen unrichtigen Eindruck vom Islam vermitteln. (Benedek 2011, S.24f.)

4. Konfessionelle Privatschulen

4.1. Historische Hintergründe konfessioneller Privatschulen in Österreich

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war das österreichische Schulwesen stark konfessionell geprägt. Dies endete mit dem Inkrafttreten der liberalen Schulgesetzgebung. Der Kirche blieb nur noch die Abhaltung des Religionsunterrichts und auch dieser war eingebunden in die staatliche Schulhoheit. Die Entkonfessionalisierung der Schule wurde Ende des 19. Jahrhunderts von den Sozialdemokraten angestrebt, später auch mit dem Zerfall der Monarchie. In der zweiten Republik ermöglichte eine entspanntere Beziehung zwischen Sozialdemokratie und Kirche, einen Kompromiss bezüglich des Verhältnisses Staat-Kirche- Schule. Durch die umfassende Schulreform 1962 wurde das Privatschulwesen neu geregelt. Seit den 1990er Jahren treten vermehrt multikulturelle bzw. multikonfessionelle Fragen in den Vordergrund. (vgl. Kalb, S.341f.)

4.2. Situation Privatschulen allgemein

Von den rund 6000 Schulen in Österreich sind ungefähr ein Zehntel Privatschulen, im Volksschulbereich sind es weitaus weniger. In den letzten Jahren ist ein Trend in Richtung Privatschulen deutlich zu beobachten, dies vor allem im Bereich der berufsbildenden Schulen. Im Pflichtschulbereich sind ungefähr 5 Prozent aller österreichischen Schülerinnen und Schüler an Privatschulen, im EU-Durchschnitt sind es deutlich mehr. Einen regen Zulauf verzeichnen vor allem Alternativ- bzw. Statutschulen, z.B. Waldorf- und Montessorischulen. Im Gegensatz zu den konfessionellen Privatschulen werden den Schulen in freier Trägerschaft die Lehrerkosten nicht ersetzt, sie bekommen lediglich eine Subvention pro Schüler. Die Vertreter dieser Schulen fordern derzeit mittels Bürgerinitiative eine Gleichstellung mit privaten konfessionellen Schulen. (vgl. Statistik Austria) Die islamischen Privatschulen haben daher weniger Legitimationskämpfe durchstehen müssen, da sie vom Gesetz her in die Fußstapfen der kirchlichen Privatschulen treten konnten.

4.3. Rechtlicher Hintergrund - Privatschulwesen

Im Rahmen der Schulreform 1962 wurde die Errichtung und Führung von Privatschulen neu geregelt. Im Großen und Ganzen müssen sich Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht im Wesentlichen an die Vorgaben öffentlicher Schulen halten. Die Räumlichkeiten, die Ausstattung, die Leiter und Lehrer, sowie der Lehrplan müssen den Anforderungen einer öffentlichen Schule entsprechen. Die Schulleiter und Lehrer müssen eine entsprechende Lehrbefähigung vorweisen, ebenso können an der Schule nur schulbehördlich approbierte Bücher verwendet werden.

Schulerhalter können alle österreichischen Staatsbürger werden, vorausgesetzt, dass sie in sittlicher und staatsbürgerlicher Hinsicht verlässlich sind. (vgl. Kalb, S.377) Die Aufgabe des Schulerhalters ist vor allem die finanzielle, personelle und räumliche Ausstattung der Schule zu gewährleisten. Die zuständige Schulbehörde hat freien Zugang zum Unterricht und zu den Schulakten. Außerdem darf sich der Schulerhalter in die pädagogischen Belange des Lehrkörpers nicht einmischen. Darunter gehört die administrative Leitung, Unterrichtsführung und Erziehung. Trotz allem hätte er aber das Recht den „Geist der Schule“ bestimmen zu können. Der Schulerhalter bestellt den Leiter, in weiterer Folge hat er auch ein Mitspracherecht bei der Anstellung der Lehrer. In der Praxis hat jedoch der Schulerhalter bzw. die Schulleitung wenig Spielraum bei der Besetzung der Lehrer. Seit einigen Jahren herrscht an öffentliche Schulen Lehrermangel. Daher sind manche Privatschulen froh, wenn Lehrer Interesse an der Schule zeigen und bereit sind in einer Privatschule zu unterrichten. Dies gilt besonders für die islamischen Privatschulen, da der Großteil der Lehrer nichtmuslimischen Glaubens ist und sich somit nicht unbedingt mit den religiösen Inhalten und Zielen der Schule identifiziert. Für die Lehrer selbst stellt die Anstellung an einer Privat- bzw. öffentlichen Schule wenig Unterschied dar. Die Bezahlung vom Stadtschulrat ist dieselbe, einige wenige rechtliche Bestimmungen unterscheiden sich.

Erhält die Schule das Öffentlichkeitsrecht, ist sie den öffentlichen Schulen fast gleichgestellt. Die Schülerinnen und Schüler erhalten ein den öffentlichen Schulen entsprechendes Zeugnis und haben dieselben Ansprüche auf staatliche Subventionen (sei es in Form von Schulbüchern bzw. Schülerfreifahrten). Das Öffentlichkeitsrecht kann auf einzelne Jahrgangsstufen, jeweilige Schuljahre, wie auch auf Dauer ausgestellt werden. Wenn die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt werden, kann das Öffentlichkeitsrecht der Schule wieder entzogen werden. (vgl. Kalb, S.380f.)

4.4. Islamische Glaubensgemeinschaft und ihre Rolle im Privatschulwesen

Als konfessionelle Privatschulen sind solche zu verstehen, „die von der zuständigen kirchlichen (religionsgesellschaftlichen) Oberbehörde als konfessionelle Schulen anerkannt werden“. (vgl. Kalb, S.383) Diese Rolle übernimmt die Islamische Glaubensgemeinschaft. Der Fachinspektor für den Religionsunterricht an islamischen Privatschulen in Wien ist Dr. Ahmet Hamidi. Für allgemeine Fragen islamischer Privatschulen betreffend fühlte er sich allerdings nicht zuständig. Auch von anderen Organen des Schulamtes der Islamischen Glaubensgemeinschaft konnte ich nicht in Erfahrung bringen, welche Kriterien für die Errichtung einer konfessionellen Schule gelten und in welcher Beziehung die Islamische Glaubensgemeinschaft zu den einzelnen Schulen steht.

5. Islamische Privatschulen in Wien

5.1. Überblick

Die islamischen Privatschulen in Wien werden im Folgenden einzeln vorgestellt. Es handelt sich hierbei um konfessionelle Schulen mit Öffentlichkeitsrecht. Eine Ausnahme stellt Isma dar, die noch in den Anfängen steckt und eine Statutschule ist, die jedoch das Öffentlichkeitsrecht anstrebt.

Die Schultypen der islamischen Schulen sind verschieden, das Spektrum reicht von der Volksschule bis zur Fachschule. Die Schulen weisen große Unterschiede in der Organisationsform, Führung und Qualität auf, Näheres dazu gibt es im Schlussteil.

Ich führte mit Schulerhaltern wie auch Direktorinnen und Direktoren der Schulen Interviews durch. Als Leitfaden diente mir ein Fragebogen, den ich für die einzelnen Schulen und Gespräche abänderte und anpasste. Da mich vor allem das Profil der Schule interessierte, standen die Interviews mit den Obmännern und Obfrauen der Schulerhaltervereine im Vordergrund.

Ende der Leseprobe aus 53 Seiten

Details

Titel
Islamische Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht in Österreich. Ein Überblick
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2012
Seiten
53
Katalognummer
V231355
ISBN (eBook)
9783656477013
ISBN (Buch)
9783656477020
Dateigröße
635 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Islam, Schule, Wien, Österreich, Privatschule, Muslimisch
Arbeit zitieren
Natalja Pinter (Autor:in), 2012, Islamische Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht in Österreich. Ein Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231355

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