Der Dictatus Papae. Eine historische Einordnung


Hausarbeit, 2010

14 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Der Dictatus Papae
a) Definition
b) Inhalt

III.Historischer Kontext
a) Der Investiturstreit
b) Gregor VII. als Reformpapst
c) Das Selbstbild Gregor VII.

IV. Bedeutung und Rechtswirksamkeit

V.Fazit

VI.Literaturverzeichnis
a) Quellen
b) Sekundärliteratur

I. Einleitung

Der Dictatus Papae ist ein kurzes und zu Lebzeiten seines Verfassers niemals an die Öffent­lichkeit gelangtes Schriftstück, welches dennoch eindrucksvoll die Vorstellungen und Amts­ansprüche des Mannes widerspiegelt, der es geschrieben hat: Papst Gregor VII. Die vorliegende Hausarbeit wird sich vornehmlich mit der Frage beschäftigen, vor welchem historischen Hintergrund und in Hinblick auf welche historischen Ereignisse der Dictatus Pa­pae entstand und welche (Reform-) Ansprüche Papst Gregor VII. für das Amt des Papstes in ihm aufstellt.

Um diese Fragen zu beantworten wird zunächst die wichtigste Quelle dieser Hausarbeit, das Schriftstück des Dicatus Papae als solches in der Übersetzung von Franz-Josef Schmale aus „Ausgewählte Quellen zur Geschichte des deutschen Mittelalters“ beleuchtet werden. Was genau ist der Dictatus Papae, was sagt es aus und welche Forderungen stellt der Verfasser? Im Anschluss daran wird der Entstehungskontext des Dictatus Papae vor dem Hintergrund des schwelenden Investiturstreits eingehender betrachtet werden, sowie Gregor VII. Einstellung als Reformpapst, welche zu seinen aufgestellten Reformansprüchen beitrug. Wieso sah sich der Papst dazu veranlasst, päpstliche Rechte und Ansprüche in dieser sehr expliziten Form niederzuschreiben und gegenüber wem wollte er diese durchsetzen? Auf welche historischen Ereignisse nimmt der Dictatus Papae Bezug und aus welchem Selbstverständnis heraus schrieb Gregor VII. dieses Dokument?

Den letzten Punkt dieser Hausarbeit wird die Frage nach der Rechtswirksamkeit und der ge­nerellen Bedeutung des Schriftstückes bilden. Konnte der Dictatus Papae überhaupt rechts­wirksam sein, da er nie veröffentlicht wurde? Und selbst wenn er nie rechtswirksam wurde, hatte der Dictatus Papae dennoch direkten oder indirekten Einfluss auf Kirche, Laien oder das Amt des Papstes und wenn ja, welche? Mit diesen Fragen wird sich die vorliegende Hausar­beit eingehend auseinandersetzen und versuchen, sie zu beantworten.

II. Der Dictatus Papae

a) Definition

Mit dem lateinischen Begriff „Dictatus Papae“, der übersetzt „(Das) Diktat des Papstes“ lau­tet, wird ein Schriftstück Papst Gregor des VII. (1073-1085) bezeichnet, das sich aus 27 kur­zen Leitsätzen zusammensetzt, die allesamt mit „quod“ (dass) beginnen. Der Dictatus Papae entstammt dem originalen Briefregister Gregor VII., und ist eingeordnet nach der Fastensynode 1075 und zwischen dem 3. Und 4. März desselben Jahres. Somit fällt der Dictatus Papae, wenn die Einordnung in das Register den Entstehungszeitpunkt wieder­gibt, in die ersten Jahre seiner Regierungszeit als Papst1. Das Schriftstück selbst jedoch ist 2 undatiert.2

Die Sätze als solche verfügen über keinerlei Reihenfolge und geben ungeordnet und in „über­spitzter Form [...] päpstliche Ehrenrechte und —titel, den innerkirchlichen Primat des Papstes gegenüber Synoden, Klerus und Bischöfen sowie den außerkirchlichen Primat der Kirche und des Papstes gegenüber weltlichen Herrschern“3 wider. Aus formaler Sicht betrachtet ist der Dicatus Papae daher einzigartig. Es existiert kein anderes Schriftstück, in dem in dieser expli­ziten Form die Rechte und Ansprüche des päpstlichen Stuhls definiert werden.4Allerdings ist anzunehmen, dass dieser Text niemals für eine Veröffentlichung außerhalb der Kurie vorge­sehen war und somit zu Lebzeiten Gregor VII. nicht öffentliche oder publik gemachte Forde­rungen des Papstes darstellt. Die 27 kurzen Leitsätze lassen sich als Gedanken des Papstes in Bezug auf die Stellung seines Amtes innerhalb der katholischen Kirche und im Verhältnis zu Laien und dem sakralen Königtum verstehen. In diesem Kontext sind dabei vor allem die Leitsätze 8,9 und 12 hervorzuheben, in denen Gregor VII. zu verstehen gibt, dass der Papst nach seiner Auffassung selbst über dem von Gottes Gnaden eingesetzten Kaiser und seinen Herrschaftsansprüchen stehe. Zusammengefasst behandelt der Dictatus Papae vornehmlich den Primatsanspruch des Papstes — auch bzw. gerade gegenüber weltlichen Mächten.

Eine genaue Einordnung der Bewandtnis des Dictatus Papae bzw. eine Kategorisierung des Schriftstücks erweist sich hingegen als schwierig. So bezeichnet Winfried Hartmann die 27 Sätze als „eine Art Gedankenprotokoll, das vielleicht aus Versehen ins Register eingetragen wurde“5, wohingegen Karl Hofmann das Dokument als den Index einer Kirchenrechtssamm­lung ansieht. Richard Koebner bewertete den Dictatus Papae als einen groben Entwurf für eine Ansprache zur Fastensynode 1075.6

Generell lässt sich somit eine genaue Einordnung der Bedeutung des Dictatus Papae nicht mit Sicherheit festlegen. Auch aus welchem Anlass Gregor VII. diese ungeordneten Sätze nieder­geschrieben hat, kann nicht belegt werden und führt unter Wissenschaftlern zu Diskussio­nen.“7

Der historische Hintergrund während der Entstehung ist für eine mögliche Erklärung von gro­ßer Bedeutung, da Bezüge zu historischen Ereignissen, wie dem Investiturstreit und dem Mai­länder Konflikt gezogen werden können.

Anschließend kann zum Dictatus Papae gesagt werden, dass er in der Zeit seiner Entstehung - wahrscheinlich auch Aufgrund der nicht vollzogenen Veröffentlichung - wenig bis geringe Resonanz erfuhr. So wurde er in keiner erzählenden Quelle seiner Zeit erwähnt und war über den Heiligen Stuhl hinaus gänzlich unbekannt8.

b) Inhalt

Der Dictates Papae setzt sich aus insgesamt 27 Leitsätzen zusammen, die sich grob in drei Kategorien untergliedern lassen (wobei einige Sätze des Dictatus Papae auch in zwei Katego­rien fallen und sich somit nicht eindeutig zuordnen lassen):

1. Ehrenrechte und Ehrentitel des Papstes
2. Primat des Papstes innerhalb der Kirche
- Rechtsprechung und Gesetzgebung
- Weiheund Liturgie
3. Primat des Papstes gegenüber weltlichen Mächten

Gemeinsam haben die Forderungen, dass sie allesamt einzig und allein auf der Annahme ba­sieren, dass sich die römische Kirche von allen anderen Kirchen abhebe, durch ihre alleinige Gründung durch Christus: „Die wichtigste Tendenz dieser Sätze ist die Behauptung der abso­luten Sonderstellung der römischen Kirche, die auf ihre Einsetzung durch Christus selbst zu­rückgeführt wird, sowie die führende Position des Bischofs von Rom [.. .]“.9

Unter den ersten Punkt Ehrenrechte und Ehrentitel des Papstes fallen die Sätze 2, 8, 9, 10, 22, 23, 26. Es ist das Recht des Papstes sich allein als universal zu bezeichnen (2), sowie die kai­serlichen Insignien zu benutzen (8). Fürsten haben nur dem Papst die Füße zu küssen (9) und es ist des Papstes Name, welcher in allen Messen und Gottesdiensten verlesen werden soll (10). Ferner formuliert Gregor VII. die absolute und unangreifbare Unfehlbarkeit des päpstli­chen Stuhls (23) und damit einhergehend die Heiligkeit des Papstes per se, durch die Ver­dienste des heiligen Petrus, als dessen Nachfolger der Papst gesehen werden soll (23). Dar­über hinaus zählt es zu den Rechten des Papstes bestimmen zu können, wer als katholisch angesehen werde. Wer dem Papst widerspricht oder nicht mit seinen Ansichten konform geht, gilt nicht mehr als katholisch (26).

Unter den zweiten Punkt Primat des Papstes innerhalb der Kirche lassen sich die Sätze in zwei weiteren Untergruppen untergliedern. Das Vorrecht des Papstes in Bezug auf die Recht­sprechung und Gesetzgebung, sowie in Bezug auf Weihe und Liturgie. Zu den Sätzen der Rechtsprechung und Gesetzgebung gehören folgende Forderungen: Dass es dem Papst erlaubt ist, neue Gesetzt zu schaffen, neue Gemeinden zu bilden, sowie Bistümer und Abteien zu tei­
len und wieder zusammenzuführen (7). Keine Synode ist ohne seine Zustimmung als allge­mein zu bezeichnen (16) und kein Rechtssatz und kein Buch ohne seine Zustimmung kano­nisch (17). Sein Urteil kann von niemandem widerrufen werden, er selbst kann jedoch die Urteile aller wiederrufen (18) - er darf darüber hinaus von niemandem gerichtet werden (19). Ferner darf niemand verdammt werden, der an den apostolischen Stuhl appelliert (20) und alle größeren Rechtsfalle einer jeden Kirche müssen an ihn übertragen werden (21). Unter das Primat der Weihe und Liturgie fallen folgende Sätze: Allein der Papst darf Bischöfe absetzen und wieder in die Kirche aufnehmen (3) und auf einem Konzil ist das Legat des Papstes allen anderen Bischöfen übergeordnet. Darüber hinaus kann erjeden Bischof absetzen (4). Mit Exkommunizierten weilt der Papst nicht unter einem Dach (6). Der Papst hat das Recht, einen jeden beliebigen Kleriker zu weihen (14) und von ihm Geweihte dürfen einer anderen Kirche nicht vorstehen, sowie von keinem anderen Bischof einen höheren Weihegrad empfangen (15). Ferner kann er Bischöfe ohne Synode absetzen und wieder in ihre Ämter investieren (25).

Die wohl kontroverseren Sätze des Dictatus Papae fallen unter den dritten Punkt, die Vor­rangstellung der Kirche bzw. des Papstes gegenüber den weltlichen Mächten. Am wichtigs­ten sind hierbei die Sätze 12 und 27. Der Papst hat das Recht Kaiser abzusetzen (12) und kann Untergebene von ihrem Treueid lösen, sofern sich ihre Herren versündigt haben (27). Darüber hinaus kann der Papst es Untergebenen gestatten gegen ihre Herren Anklage zu erheben (24) und Abwesende, sowohl Kleriker als auch Laien, ihrer Ämter entheben (5).

Gregor VII. kommt mit diesen Sätzen insofern mit den weltlichen Mächten in Konflikt, da sich auch das Königtum als sakrales Königtum von Gott gewollt und gegeben versteht. So bezeichneten sich die deutschen Könige als christus domini - „gesalbte des Herren“.10 Das Primat der Kirche gegenüber weltlichen Mächten beschreibt Gregor VII. wie folgt: Die katho­lische Kirche wurde allein vom Herrn gegründet, hat niemals geirrt und wird auch niemals irren und derjenige, der nicht mit ihr übereinstimmt, wird nicht länger als katholisch angese­hen.

[...]


1Vgl.: Fuhrmann, Horst: Gregor VII., S.167.

2Seng, Sebastian: Der Dictatus Papae, S.7.

3Seng, Sebastian: Der Dictatus Papae, S.7.

4Vgl.: Fuhrmann, Horst: Gregor VII., S.167.

5Hartmann, Winfried: Der Investiturstreit, S.23, Z.11f.

6Vgl.: Seng, Sebastian: Der Dictatus Papae, S.10.

7Brinkkoetter, Pia: Das Spannungsverhältnis zwischen Kaisertum und Papsttum - aufgezeigt an der Quelle des „Dictatus Papae", S.20, Z.20f.

8Vgl.: Seng, Sebastian: Der Dictatus Papae, S.8

9Hartmann, Winfried: Der Investiturstreit, S.23, Z.12f.

10Hartmann, Winfried: Der Investiturstreit, S.24, Z.31.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Der Dictatus Papae. Eine historische Einordnung
Hochschule
Universität Paderborn  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Königsherrschaft im Hochmittelalter
Note
3,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
14
Katalognummer
V233129
ISBN (eBook)
9783656497035
ISBN (Buch)
9783656497141
Dateigröße
400 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Darstellung der Inhalte und Forderungen des Dictatus Papae vor dem Hintergrund seiner Entstehungsgeschichte zu Zeiten des Reformpapsttums und Investiturstreits.
Schlagworte
dictatus, papae, eine, einordnung
Arbeit zitieren
Selina Schuster (Autor:in), 2010, Der Dictatus Papae. Eine historische Einordnung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233129

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