Die Darstellung des Konzentrationslagers in Roberto Benignis "Das Leben ist schön"


Seminararbeit, 2002

13 Seiten, Note: unbenotet


Leseprobe


1.1 Einleitung

Das Leben ist schön (1998) von Roberto Benigni ist, neben Steven Spielbergs Schindlers Liste, wohl der erfolgreichste, den Holocaust thematisierende Film der letzten Jahre. Er wurde mit einem Oscar für den besten Auslandsfilm ausgezeichnet, Roberto Benigni bekam den Oscar für den besten Hauptdarsteller und Nicola Piovani für die beste Filmmusik. Für den Oscar nominiert war Das Leben ist schön außerdem in den Kategorien Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch und Bester Schnitt. Des weiteren wurde der Film 1998 in Cannes mit dem Großen Preis der Jury unter dem Vorsitz von Martin Scorsese ausgezeichnet.

Von der Kritik wurde Das Leben ist schön begeistert aufgenommen. Doch neben Prädikaten wie „ein Meisterwerk“[1], mit denen der Film bedacht wurde, kam auch die Frage auf, inwieweit Das Leben ist schön angemessen mit dem Thema Holocaust umgeht. Dass dieser Film in Israel höchstes Lob erntete und einen Preis des Jerusalem-Film-Festivals bekam, beantwortet diese Fragestellung zum Teil, jedoch sicherlich nicht umfassend genug.

Eine andere Frage ist, ob der Film ein reines Märchen ohne realistischen Bezug ist, oder ob er Elemente enthält, die bereits aus anderen Versuchen, den Holocaust filmisch zu bewältigen, bekannt sind. Ahmt Das Leben ist schön die vergangene Realität nach, wird versucht, ein Gefühl der Authentizität zu erzeugen, oder erschafft der Film seine eigene, künstliche Realität?

Diese Frage werde ich im Folgenden zu beantworten versuchen, wobei ich mich hauptsächlich auf den zweiten Teil des Films, der im Konzentrationslager spielt, beschränken werde.

1.2 Kurze Inhaltsangabe

Ende der dreißiger Jahre kommt Guido Orefice (Roberto Benigni) zusammen mit seinem Freund Ferruccio (Sergio Bustric) in eine toskanische Kleinstadt. Er plant, dort eine Buchhandlung zu eröffnen und kann zunächst bei seinem Onkel (Giustino Durano) unterkommen. Guido verliebt sich in die Lehrerin Dora (Nicoletta Braschi), die ihm auf märchenhafte Weise immer wieder über den Weg läuft. Guido versucht, seine Angebetete auf phantasievolle Weise zu erobern. Die aus der besseren Gesellschaft stammende Dora soll jedoch mit einem von den Faschisten protegierten Aufsteiger verlobt werden und die Verlobungsfeier findet ausgerechnet in dem Hotel statt, in dem Guido als Kellner arbeitet. Während der Feierlichkeiten entführt Guido Dora auf einem grün gestrichenen Pferd.

Bis zu diesem Zeitpunkt kann man den Film noch für eine verspielte Romanze mit Slapstick-Einlagen halten, auch wenn es bereits zahlreiche Hinweise auf die Judenverfolgung gab, welche Guido jedoch nie ernst nahm.

Der erste Teil des Films endet, als Guido mit Dora das nunmehr gemeinsame Heim betritt.

Der zweite Teil von Das Leben ist schön setzt etwa vier Jahre später an. Guido und Dora sind inzwischen verheiratet und haben einen kleinen Sohn, Giosue´ (Giorgio Cantarini).

Während Dora immer noch als Lehrerin arbeitet, kann Guido mittlerweile einen kleinen Buchladen sein eigen nennen.

Doch das Glück der kleinen Familie währt nicht lange: an Giosue´s Geburtstag verlässt Dora das Haus, um ihre Mutter (Marisa Paredes) abzuholen. Bei ihrer Rückkehr findet sie das Haus verwüstet und leer vor. Guido, sein Onkel und Giosue´ sind während ihrer Abwesenheit abgeholt worden und befinden sich auf dem Weg zur Deportation.

Kurz entschlossen macht sich Dora, die keine Jüdin ist, auf den Weg zum Bahnhof und verlangt, ebenfalls in den Deportationszug steigen zu dürfen. Inzwischen bemüht sich Guido, seinem kleinen Sohn vorzugaukeln, es handele sich bei dieser Reise um eine Überraschung zu seinem Geburtstag. Im Konzentrationslager angekommen, erfährt Giosue´, dass es sich um ein Spiel handelt, bei dem man möglichst viele Punkte sammeln muss und an dessen Ende als Hauptgewinn ein Panzer winkt.

Während der gesamten Haft im Konzentrationslager gelingt es Guido, diese Illusion aufrecht zu erhalten.

Für kurze Zeit hegt Guido die Hoffnung, mit Hilfe des Lagerarztes Dr. Lessing (Horst Buchholz), einem früheren Gast des Hotels, in welchem Guido arbeitete, dem KZ entkommen zu können. Doch es stellt sich heraus, dass Dr. Lessing jeglichen Bezug zur Realität verloren hat und den Ernst der Lage nicht erkennt.

Guido, dem die Situation in ihrem ganzen schrecklichen Ausmaß bisher noch nicht völlig bewusst war, erkennt das KZ nun als das, was es wirklich ist: ein Ort der Massenmorde.

Kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers versteckt Guido seinen Sohn in einem Schränkchen und macht sich auf die Suche nach Dora, um sie vor den letzten Todestransporten zu retten. Doch trotz Verkleidung wird er entdeckt und zu seiner Erschießung geführt.

Giosue´ verlässt sein Versteck erst, als nichts mehr zu hören ist.

Ein amerikanischer Panzerfahrer nimmt ihn mit und der Film endet mit dem Wiedersehen von Dora und Giosue´.

2 Vergleich

Nach der Festnahme werden Guido, sein Onkel und Giosue´ per Lastwagen zum Bahnhof transportiert, dort müssen sie in den Zug umsteigen. Abends fährt der Zug in das Konzentrationslager ein („Es ist der Zielort des Zuges. Die Gleise enden an einem schweren Prellbock aus Eisen und Holz“)[2]. Diese Szene weckt Erinnerungen an die Darstellungen des Bahnhofs im Konzentrationslager Auschwitz. Die Szenerie unterscheidet sich dadurch, dass der Ankunftsort des Zuges im Film sich unmittelbar im Inneren des Konzentrationslagers befindet; er passiert das den Eingang markierende Tor („Schließlich taucht mitten in dem großen Tor ein kleines Licht auf, das von Sekunde zu Sekunde größer und vom anschwellenden Getöse eines Zuges begleitet wird, der sein langsames Bremsmanöver beginnt“)[3], während die berüchtigte Auschwitzer Rampe sich außerhalb des eigentlichen Konzentrationslagers befand.

Auch die auf den Ausstieg der Häftlinge folgende Prozedur weist Gemeinsamkeiten mit den Abläufen in realen Konzentrationslagern auf. Frauen und Männer müssen zwei Reihen bilden, ältere Menschen werden von der Gruppe entfernt („Giosue´: Wo geht der Onkel hin? Guido: In eine andere Mannschaft, es ist alles organisiert. Er grüßt Ciao, Onkel!“)[4]. In Auschwitz gab es eine derartige Prozedur ebenfalls: „Zunächst mussten sich Männer und Frauen in getrennten Marschblöcken aufstellen“[5]. Im Film darf Giosue´ bei seinem Vater bleiben, die Realität sah jedoch anders aus: „Nur die Kinder durften vorerst noch bei ihren Müttern bleiben. Doch ihre Väter sahen sie zum letzten mal“[6].

Der Aufbau des Konzentrationslagers in Das Leben ist schön unterscheidet sich deutlich vom Aufbau realer Konzentrationslager. Das KZ im Film wirkt eher wie ein Ghetto oder ein Gefängnis; ein Schotterplatz ist von hohen grauen Ziegelbauten umgeben, es gibt weiter hinten noch kleinere Innenhöfe, die ebenfalls von hohen Bauten umgeben sind. Der ganze Komplex wirkt unübersichtlich. Schaut man sich Lageplätze realer Konzentrationslager wie Auschwitz oder Buchenwald an, so wird deutlich, dass in diesen alles möglichst geometrisch und überschaubar angeordnet war. Der Grundriss des Stammlagers Auschwitz[7] zeigt 31 Baracken, welche gleich groß sind und in exakt gleichem Abstand zueinander stehen. Auch der Lageplan des Konzentrationslagers Buchenwald[8] zeigt eine übersichtliche Anordnung der Baracken.

Das Innere der Film-Baracke („Es ist ein dreckiger, ekelerregender großer Raum (...) die Betten bestehen aus Pritschen, die in drei Etagen übereinander rings um ein kleines Fußbodenquadrat angeordnet sind“)[9] ähnelt den Baracken, die auf Photographien[10] aus der damaligen Zeit zu sehen sind.

Auch die gestreifte Sträflingskleidung, die Guido und die anderen Lagerinsassen tragen müssen („Keuchend zeigt Guido auf seinen gestreiften Häftlingsanzug. Guido: Guck mal, hier? Schön, nicht?)[11], ist der Kleidung nachempfunden, welche die Häftlinge tatsächlich tragen mussten. Und die Nummer, die Guido auf den Unterarm tätowiert wurde, ist eine eindeutige Anspielung auf das KZ Auschwitz.

Guido muss im Konzentrationslager schwere körperliche Arbeit verrichten. Er trägt den ganzen Tag Ambosse, wobei er von deutschen Wachposten überwacht wird („Deutscher Wachposten brüllt, auf deutsch: Vorwärts da, auf der Treppe“)[12]. Zunächst ist Guido nicht klar, was ihm bevorsteht, wenn er die schwere Arbeit nicht bewältigen kann, doch darüber wird er bald aufgeklärt: „Guido: Ich sag ihnen: Ich kann nicht mehr! Was können sie mir schon anhaben? Bartolomeo: Sie bringen dich um!“[13].

[...]


[1] Jörg Schröder / www.online.prevezanos.com

[2] Das Leben ist schön, S.127

[3] Das Leben ist schön, S.127/128

[4] Das Leben ist schön, S.131

[5] Des Teufels Werkstatt, S.26

[6] Des Teufels Werkstatt, S.26

[7] Des Teufels Werkstatt, S.32

[8] Der SS Staat, S.414/415

[9] Das Leben ist schön, S.131

[10] Des Teufels Werkstatt, S.56

[11] Das Leben ist schön, S.143

[12] Das Leben ist schön, S.141

[13] Das Leben ist schön, S.141

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Darstellung des Konzentrationslagers in Roberto Benignis "Das Leben ist schön"
Hochschule
Universität Siegen  (Fb.3)
Veranstaltung
Proseminar: Holocaust im Film
Note
unbenotet
Autor
Jahr
2002
Seiten
13
Katalognummer
V23458
ISBN (eBook)
9783638265799
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vergleich der Darstellung des Konzentrationslagers im Film mit literarischen Erfahrungsberichten.
Schlagworte
Darstellung, Konzentrationslagers, Roberto, Benignis, Leben, Proseminar, Holocaust, Film
Arbeit zitieren
Katrin Vollmann (Autor:in), 2002, Die Darstellung des Konzentrationslagers in Roberto Benignis "Das Leben ist schön", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23458

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