Der Moseberg (Gabal Musa)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

A. Der Mosesberg - Ort der Gesetzgebung Jahwes?

B. Das Verhältnis der beiden Weltreligionen Judentum und Christentum zum Sinai
1. Das Judentum
2. Das Christentum

C. Der Sinai als „Heiliger Berg“ des Islam

D. Die Diskussion um die Lage des Gottesberges in der neuzeitlichen Forschung
1. Die Sirbal - Theorie
2. Die Vulkanhypothese

E. Zusammenfassung: Die Kriterien für die endgültige Identifizierung des Ğabal Mūsā
1. Das Phänomen der Dendriten
2. Der Ğabal Mūsā - ein heiliger Berg für die Nabatäer
3. Die Lokalisierung des biblischen Geschehens anhand des ‚Brennenden Dornbuschs’

F. Fazit: Ist der Ğabal Mūsā tatsächlich der Sinai des AT?
1. Die außerchristlichen Hinweise auf die Sinaihalbinsel als Ort des Gottesberges
2. Die ewige Suche nach dem Gottesberg - Gibt es ihn überhaupt?

G. ANHANG I
ANHANG II

H. Literaturverzeichnis

A. Der Mosesberg - Ort der Gesetzgebung Jahwes?

Der Auszug aus Ägypten bedeutete für das Volk Israel einen gewaltigen Einschnitt in ihrer Geschichte. Nicht nur die jahrelange Knechtschaft fand ein Ende, zugleich wurde mit dem Dekalog das Fundament für ein eigenständiges Israel und sein Rechtssystem gegeben. Das Alte Testament berichtet ausführlich von dieser Begebenheit auf dem Berg Sinai:

„Im dritten Monat nach dem Auszug der Söhne Israel aus dem Land Ägypten, an eben diesem Tag kamen sie in die Wüste Sinai.

Sie brachen auf von Refidim und kamen in die Wüste Sinai und lagerten sich in der Wüste; und Israel lagerte sich dort dem Berg gegenüber.

Mose aber stieg hinauf zu Gott. Und der HERR rief ihm vom Berg aus zu: So sollst du zum Haus Jakob sagen und den Söhnen Israel mitteilen:

Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan und <wie> ich euch auf Adlerflügeln getragen und euch zu mir gebracht habe. (…)

Und der HERR sprach zu Mose: Geh zum Volk und heilige sie heute und morgen! Und sie sollen ihre Kleider waschen,

damit sie für den dritten Tag bereit sind; denn am dritten Tag wird der HERR vor den Augen des ganzen Volkes auf den Berg Sinai herabsteigen.“[1]

So ist es also verständlich, dass man versucht hat (und es auch geschafft hat), diese Stätte zu lokalisieren, an der das Gesetz an Mose übergeben wurde. Der Moseberg (Ğabal Mūsā) auf der Sinaihalbinsel wurde dazu als Stätte ausersehen und wird seit Jahrhunderten von Pilgern als solche verehrt. Doch durch das Aufkommen der Pentateuch-Kritik wird von vielen die Authentizität dieses Ortes angezweifelt. Viele Forscher - die bekanntesten unter ihnen sind ohne Zweifel Julius Wellhausen und Martin Noth - gaben Vorschläge für alternative Auszugsrouten der Hebräer aus Ägypten und somit auch für andere Orte der Gottesbegegnung ab. Es gibt wohl kaum ein Gebiet zwischen Ägypten und Israel, in dem der Berg der Gesetzgebung nicht vermutet wird. Doch zu einem Konsens wird es nie kommen, denn zu ungenau sind die geographischen Beschreibungen des Alten Testamentes und auch die Doppelbenennung von Sinai und Horeb im Alten Testament tut ihr Übriges dazu.

Doch ist es ja gerade die Doppelbenennung des Gottesberges, die einen dann angesichts der festen Identifizierung des Ğabal Mūsā stutzig werden lässt.

Horst Heinemann hat für diese Doppelbenennung folgende Erklärung herausgearbeitet: „Aber im Nordreich heißt der Gottesberg »Horeb«. Noch der Prophet Elia weiß, wo dieser Berg zu finden ist und flüchtet sich zu ihm, als er der Rache der Königin Isebel zu entkommen trachtet (Vergl. I. Könige 19). Doch mit dem Untergang Israels geht dieses Wissen verloren. Das Südreich hat aus politischen Gründen kein Interesse am traditionellen Gottesberg. Zur Politik der Könige in Jerusalem gehört es seit David, Religion und Kult in der neuen Hauptstadt zu zentralisieren, um sie dort besser kontrollieren zu können. An die Stelle des Gottesberges tritt der kleine Bergrücken, der Zion, auf dem die von David eroberte Stadt liegt. Und tatsächlich gelingt es den königlichen Hoftheologen in weniger als einem Jahrhundert den Zion zum ‚Berg des Heils’ für alle Völker emporzujubeln und den Gottesberg aus der Erinnerung zu verdrängen.“[2]

Unweigerlich stellt sich dann die Frage, wer dann für diese Identifizierung verantwortlich ist, wenn eine feste Bezeichnung aus der Zeit des Auszuges nicht bekannt ist.

Um dies zu klären, soll zunächst ein Blick auf die beiden Religionen geworfen werden, für die die Offenbarung vom Sinai eine primäre Rolle spielt: Judentum und Christentum.

B. Das Verhältnis der beiden Weltreligionen Judentum und Christentum zum Sinai

1. Das Judentum

Für das Judentum spielt die Identifikation des Sinai keine Rolle. Heinemann hat ja aufgezeigt, dass der Gottesberg wegen der Kultzentralisation vernachlässigt wurde. Auch wenn JHWH „ynys hz - der vom Sinai“[3] ist, ist es die zweifellos die Überlieferung vom Sinai, die entscheidend für einen orthodoxen Juden ist.

„Juden haben sich nicht sehr damit beschäftigt den Berg zu identifizieren, weil dies nichts zur Offenbarung beiträgt, die dort geschah (ma camad har Sinai) und nach der sie zu leben haben.“[4] Burton Bernstein schreibt sogar: „In short, Mount Sinai is to Jews not so much a place as an intangible symbol, in a sense as meaningful as the Holy Ghost is to Christians.“[5]

Für das Judentum ist also weder eine Verehrung des Sinai bekannt, noch wurde sie ausgeübt. Man wusste - zumindest im Südreich - vom Sinai als Gottesberg, wollte aber aus politischen Gründen keine Verehrung. Somit kann nur das Christentum mit der Identifikation und der heutigen Verehrung des Moseberg in Verbindung gebracht werden, auch wenn die Juden ihn wohl inzwischen auch als Berg der Gesetzgebung akzeptieren.[6]

2. Das Christentum

Einige Forscher nehmen an, dass schon 251 n. Chr. Anachoreten an den Sinai gekommen seien. Die zu diesem Zeitpunkt stattfindende Christenverfolgung des römischen Kaisers Decius habe dazu geführt, dass viele Christen aus Ägypten in die Sinai-Halbinsel geflohen seien und dort die Verehrung des Ğabal Mūsā begründet hätten. Diese These ist jedoch umstritten und relativ unwahrscheinlich, denn diese Form des Eremitendaseins wurde erst um 306 durch Antonius den Einsiedler populär.[7]

Festhalten kann man dennoch folgendes: Als das Christentum 313 durch das „Toleranzedikt von Mailand“ unter Kaiser Konstantin zur Staatsreligion wurde, kam das Interesse auf, die Stätten der Hl. Schrift zu besuchen. Dabei waren für die ersten christlichen Pilger nicht nur die Orte des Neuen Testaments, sondern auch die des Alten Testaments interessant. Aufschlussreich hierfür ist v. a. der Bericht der Pilgernonne Egeria (Aetheria), die um das Jahr 400 das Heilige Land besuchte.

Sie wusste bereits vom Ğabal Mūsā als Ort der Gesetzgebung Gottes. Daraus lässt sich nun schließen, dass die Lokalisierung im 4. Jh. erfolgt sein muss.

Eusebius von Caesarea (…339) schreibt über Sinai und Horeb in seinem Onomastikon folgendes:

„Sin (Ex 16,1) . œrmoj ¹ metaxÝ parate…nousa tÁj ™ruqr©j qalassÁj kaˆ tÁj ™rm»ou Sin£. ¢pÕ g¦r Sˆn Ãlqon e„j `Rafid…n ¢pÕ dš taÚthj »e„j t¾n œrmon Sin£«, par¦ tÕ Sin£ ×roj, œnqa MwãsÁj t¾n nomoqes…an lamb£nei“[8].

Für den Sinai besitzt Eusebius keinen eigenen Eintrag; er erwähnt ihn lediglich in Zusammenhang mit Ex 16,1, wo die Wüste Sin erwähnt wird: „Und sie brachen von Elim auf, und die ganze Gemeinde der Söhne Israel kam in die Wüste Sin, die zwischen Elim und Sinai <liegt>, am fünfzehnten Tag des zweiten Monats nach ihrem Auszug aus dem Land Ägypten.“

Sinai und Horeb sind für ihn nicht identisch, denn er schreibt:

„Cwr»b (Deut 1,2). ×roj toà qeoà ™n cèrv Madi£m. par£keitai tù ×rei Sin£ Øper t¾n 'Arab…an ™pˆ tÁj ™r»mou“[9]

Der Horeb ist für ihn also ein zweiter Berg in Midian, der gegenüber vom Sinai liegt.

Hieronymus (~ 347-420) übersetzt dieses Werk ins Lateinische. Er kennt nun eine Identifikation des Ğabal Mūsā, denn während er den Artikel über die Wüste Sin wörtlich übersetzt, merkt er bei dem Artikel über den Horeb folgendes an:

Choreb. mons dei in regione Madiam iuxta montem Sina super Arabiam in deserto, cui iungitur mons et desertum Saracenorum, quod vocatur Faran. <mi hi autem videtur quod duplici nomine idem mons nunc Sinai nunc Choreb vocetur.>

In der Zeit zwischen Eusebius von Caesarea und Hieronymus erfolgte also eine genaue Lokalisierung der alttestamentlichen Ereignisse am Sinai. Grund dafür war wohl die Problematik, die für die ersten christlichen Pilger aus der Doppelbenennung Sinai/Horeb entstanden war. „Als Schöpfer und Hüter der neuen Lokaltraditionen in der südlichen Sinaihalbinsel kommen (…) nur die die Anachoreten in Frage, die sich dort seit der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts niederließen.[10]

C. Der Sinai als „Heiliger Berg“ des Islam

Der Islam kennt in seinen Traditionen ebenfalls mehrere Berge der Offenbarung Gottes:

- Sure 28,2 lokalisiert den Berg östlich des Golfes von Aqaba; dies dürfte vermutlich darauf beruhen, dass man die nordwestarabische Stadt Madyan mit dem Land Midian gleichsetzte, wohin Mose geflohen war und Gott im brennenden Dornbusch zum ersten Mal begegnete[11].
- Außerdem ist noch ein „Sinai“ in der Gegend von Elat bekannt; da jedoch hier auch der Ğabal Mūsā liegt, werden diese beiden Berge mitunter verwechselt. Dies kann man v.a. bei dem muslimischen Gelehrten Yāqūt (um 1179-1229) sehen, der ein Geographisches Wörterbuch verfasst hat[12].

[...]


[1] Ex 19, 1-4.10 f.

[2] Heinemann, S. 2f.

[3] Ri 5,5; Ps 68,9.

[4] Oxford-Lexikon der Weltreligionen, S. 927 (Art. Sinai)

[5] Bernstein, S. 129.

[6] Bernstein schreibt: Strangely enough, the Jews have never set an exact location for the mountain, although most now accept Gebel Musa ast he probable place (S. 128).

[7] Maiberger, S. 11f.

[8] Eusebius, S. 152f.

[9] a.a.O. S. 172f.

[10] Solzbacher, S. 108.

[11] Maiberger, S. 32.

[12] a.a.O.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der Moseberg (Gabal Musa)
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Altes Testament)
Veranstaltung
Topographie, Archäologie und Geschichte Unterägyptens und der Sinaihalbinsel
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V26010
ISBN (eBook)
9783638284776
Dateigröße
1571 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Moseberg, Musa), Topographie, Archäologie, Geschichte, Unterägyptens, Sinaihalbinsel
Arbeit zitieren
Andreas Schraut (Autor:in), 2004, Der Moseberg (Gabal Musa), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26010

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