Unkonventionelles Erdgas. Auswirkungen auf den globalen Erdgasmarkt


Masterarbeit, 2012

140 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Energieträger Erdgas
2.1 Ressourcen und Reserven
2.1.1 Konzentration weltweiter Erdgasvorkommen
2.1.2 Ressourcen
2.2 Wertschöpfungskette
2.2.1 Produktion
2.2.2 Transport
2.2.3 Erdgasspeicherung
2.2.4 Erdgasbedarf
2.3 Märkte und Preisbildung
2.3.1 Langfristverträge
2.3.2 Kurzfristhandel
2.3.3 Vergleich von Marktplätzen

3 Unkonventionelles Erdgas
3.1 Konventionelles vs. unkonventionelles Erdgas
3.1.1 Erdgas aus dichtem Gestein
3.1.2 Kohleflözgas
3.2 Reserven und Ressourcen
3.2.1 Resource-in-Place
3.3.2 Gewinnbare Ressource
3.2.3 Nachgewiesene Reserven
3.2.4 Produktion
3.3 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
3.3.1 Erfolgsfaktoren in den USA
3.3.2 Kostendiskussion
3.4 Umweltpolitische Rahmenbedingungen
3.4.1 Erfahrungen aus den USA
3.4.2 Aussichten für Europa und China

4 Gleichgewichtsmodelle
4.1 Modellierung
4.2 Modellkonzeption
4.3 Annahmen
4.3.1 Angebots- und Nachfrageregionen
4.3.2 Unkonventionelle Erdgaspotentiale
4.3.3 Produktionskosten für unkonventionelles Erdgas
4.4 Szenarien

5 Ergebnisse
5.1 Referenzfall
5.1.1 Erdgasproduktion
5.1.2 Auswirkungen auf die internationalen Gasmärkte
5.2 Vergleich zu anderen Marktstrukturen
5.2.1 Wettbewerb
5.2.2 Oligopol
5.3 Vergleich zu anderen Szenarien
5.3.1 Current Policies Scenario
5.3.2 450 Szenario

6 Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Konventionelle und unkonventionelle Ressourcen in Bill. m³

Abbildung 2: Statistische Reichweite nach Regionen in Jahren

Abbildung 3: Vergleich der Erdgastransportkosten zwischen LNG und Pipeline

Abbildung 4: Erdgasnachfrage nach Ländern in Mrd. m³ im Jahr 2010

Abbildung 5: Nachfrage und Produktion in den Regionen im Vergleich

Abbildung 6: Historische Preisentwicklung in den USA und Großbritannien im Vergleich zum Ölpreis in US $/ mmbtu

Abbildung 7: Importpreise Japan und EU seit 1996 in US $ pro mill. Btu

Abbildung 8: Abgrenzung zwischen unkonventionellen Ressourcen und Reserven

Abbildung 9: Vergleich Gewinnbarer Ressourcen in verschiedenen Studien in Bill m³

Abbildung 10: Globale Konzentration der Shale Gasressourcen

Abbildung 11: Förderbare Tight Gaspotentiale

Abbildung 12: Anteil des unkonventionelles Erdgas an der US-Erdgasproduktion in Mrd. m³ und %

Abbildung 13: Langfristige Grenzkosten für konventionelle und unkonventionelle Erdgasfelder

Abbildung 14: Entwicklung der Anzahl der horizontalen Bohrlöcher

Abbildung 15: Entwicklung der Erschließungskosten am Beispiel des Marcellus Shale

Abbildung 16: Entwicklung der Förderraten in 1.000 m³ am Beispiel des Barnett Shale

Abbildung 17: Hypothetisches Produktionsprofil in Mrd. m³des Barnett Shale

Abbildung 18: Bevölkerungsdichte in den europäischen Staaten und den USA.

Abbildung 19: Shale Gaslagerstätten in den USA

Abbildung 20: Entwicklung des weltweiten Erdgasbedarfs in den verschiedenen Szenarien der IEA in Mrd. m³

Abbildung 21: Gesamte konventionelle und unkonventionelle Erdgasproduktion im Referenzlauf in Mrd. m³

Abbildung 22: Erdgasproduktion der modellierten Erdgasmärkte im Referenzlauf in Mrd. m³

Abbildung 23: Erdgasproduktion im Vergleich zwischen den EIA Prognosen und dem Referenzlauf in Mrd. m³

Abbildung 24: Erdgasproduktion der Nebenförderregionen im Referenzlauf in Mrd. m³

Abbildung 25: Internationaler Erdgashandel im Referenzlauf in Mrd. m³

Abbildung 26: US-Erdgaswirtschaft im Referenzlauf in Mrd. m³

Abbildung 27: Chinas Erdgaswirtschaft im Referenzlauf in Mrd. m³

Abbildung 28: Produktionsentwicklungen bei unterschiedlichem strategischem Verhalten

Abbildung 29: Nachfrage und Produktionsentwicklungen in verschiedenen Marktstrukturen

Abbildung 30: Preisentwicklungen in den Regionen in unterschiedlichen Marktstrukturen

Abbildung 31: Produktionsentwicklungen der Regionen in unterschiedlichen Marktstrukturen

Abbildung 32: Regionale Konzentration unkonventioneller Erdgasproduktion unter wettbewerblichen und realen Marktstrukturen in %.

Abbildung 33: Regionale Konzentration unkonventioneller Erdgasproduktion unter oligopolistischen und realen Marktstrukturen in %..

Abbildung 34: Nachfrage und Produktionsentwicklungen in verschiedenen den verschiedenen Nachfrageszenarien in Mrd. m³

Abbildung 35: Produktionsentwicklungen in unterschiedlichen Nachfrageszenarien in Mrd. m³

Abbildung 36: International gehandelte Mengen in den unterschiedlichen Szenarien.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Weltweite Erdgasreserven 2010 nach Regionen in Bill m³

Tabelle 2: Erdgasreserven 2010 nach Ländern in Bill m³

Tabelle 3: Erdgasproduktion 2010 nach Ländern in Mrd m³

Tabelle 4: Unkonventionelle Erdgasressourcen in Bill m³

Tabelle 5: Resource-in-Place nach Einschätzung der EIA/ARI in Bill m³

Tabelle 6: Gewinnbare Ressource Kohleflözgas in Bill m³

Tabelle 7: Gewinnbare Ressource Shale Gas in Bill m³

Tabelle 8: Gewinnbare Shale Gasvorkommen nach Ländern in Mrd m³

Tabelle 9: Modellierte Regionen

Tabelle 10: Modellierte Potentiale unkonventionellen Erdgases in Mrd m³

Tabelle 11: Angenommene Produktionskosten für unkonventionelles Erdgas nach Land in €/ 1000 m³

Tabelle 12: Darstellung der betrachteten Nachfrageszenarien und Marktstrukturen

Tabelle 13: Erdgaswirtschaft in Europa in Mrd m³ samt Iänderspezifischen Importabhängigkeiten in % im Referenzlauf

1 Einleitung

Erdgas wird in vielen Prognosen und Analysen für die kommenden Jahrzehnte eine herausragende Bedeutung bei der Deckung des weltweiten Energieverbrauchs beigemessen. Voraussagen der International Energy Agency (IEA) zufolge wird Erdgas der am stärksten wachsende Primärenergieträger sein. Schon heute deckt Erdgas 21 % des weltweiten, bzw. jeweils 25 % des amerikanischen und europäischen Primärenergiebedarfs. Laut dem Referenzszenario der IEA nimmt die globale Erdgasnachfrage bis 2035 um etwa 55 % zu. Während der Anteil von Kohle und Öl von 27 % auf 24 % bzw. von 33 % auf 27 % am globalen Primärenergieaufkommen zurückgehen soll, soll der Anteil von Erdgas auf 23 % ansteigen. In Europa soll Erdgas bis 2035 sogar Öl als größten Primärenergieträger ablösen. In Asien, dem Nahen Osten und Afrika wird die Nachfrage durchschnittlich um 2,4 % pro Jahr steigen.[1]

Der zunehmende Erdgasverbrauch bei gleichzeitig stagnierender oder rückläufiger Produktion in wichtigen Verbrauchszentren, wie Europa, muss kompensiert werden. Die Förderung von unkonventionellem Erdgas ist eine momentan viel diskutierte Möglichkeit das Erdgasangebot in Regionen mit geringen konventionellen Reserven zu erhöhen. Als Vorbild gelten die USA, in der bereits heute 58 % der gesamten Produktion aus nicht-konventionellen Lagerstätten stammen.[2]

Das Ziel dieser Arbeit ist die Analyse, ob auch außerhalb der USA in Zukunft unkonventionelles Erdgas gefördert werden kann und ob eine mögliche Produktion den Rückgang der konventionellen Produktionsraten in Europa kompensieren kann bzw. helfen kann die steigende Nachfrage in China zu decken. Diese Fragestellungen werden mit einem von Stephan Spiecker entwickelten und für die vorliegende Arbeit erweiterten spieltheoretischen Erdgasmodell untersucht.

Darüber hinaus beantwortet die Analyse folgende Fragen:

- Können die USA aufgrund der großen unkonventionellen Reserven zum Nettoexporteur aufsteigen?
- Sind die europäischen Staaten in Zukunft noch abhängiger von Importen, insbesondere von Erdgaseinfuhren aus Russland?

Die vorliegende Arbeit ist in sechs Kapitel gegliedert. Kapitel 2 bietet eine Übersicht über die aktuelle globale Erdgaswirtschaft im Jahr 2010. Dabei werden der aktuelle Reserven- und Ressourcenbestand, Produktions- und Nachfrageregionen, sowie Transport und Speichermöglichkeiten dargestellt. Darauf folgt ein Überblick über die aktuellen Erdgasteilmärkte und die regionalen Vertrags- und Preisgestaltung.

In Kapitel 3 liegt der Fokus auf unkonventionellem Erdgas. Zunächst erfolgt die Definition des Begriffes „nicht-konventionelles Erdgas“. Die anschließende Darstellung fokussiert die Vorstellung vermuteter Potentialregionen sowie Beweggründe zur bereits erfolgten Förderung in den USA. Darüber hinaus werden aber auch, die durch die Produktion entstehenden Problematiken, wie z.B. Umweltprobleme, beschrieben.

In Kapitel 4 wird das hier verwendete Simulationsmodell vorgestellt. Dabei wird zunächst ein Überblick über bisher entwickelte Modelle gegeben. Im Anschluss werden Spieckers Modell und die für diese Arbeit getroffenen Annahmen, sowie die verschiedenen berücksichtigen Marktstrukturen (Oligopol, Wettbewerb und Real) und die modellierten Nachfrageszenarien dargestellt.

Die Ergebnisse der Analyse werden in Kapitel 5 diskutiert, wobei zuerst die Entwicklungen des Referenzlaufs hinsichtlich der Produktionsergebnisse und Auswirkungen auf die Erdgasmärkte analysiert werden. Abschließend erfolgt ein Vergleich der Ergebnisse zu unterschiedlich modellierten Marktstrukturen und Nachfrageszenarien.

2 Der Energieträger Erdgas

2.1 Ressourcen und Reserven

Die Produktion von Erdgas beginnt mit der Exploration nach unbekannten Erdgasfeldern. Die Suche erfolgt in mehreren Stufen. Dazu zählen die Auswertung von Daten der Kartographie, Geologie und Geophysik. Wird einem Areal ein ausreichendes Potential bescheinigt, geben erste Probebohrungen darüber Aufschluss, ob die Lagerstätte tatsächlich existiert. In welchen Regionen der Erde die größten Erdgasvorkommen lokalisiert wurden, wird in diesem Abschnitt dargestellt.[3]

Um Aussagen über die Verfügbarkeit des weltweiten Erdgasangebotes zu treffen, müssen aber zunächst die Begrifflichkeiten definiert sein.[4] International kann die Bedeutung der Begriffe allerdings variieren. Daher können sich die geschätzten Vorräte je nach Publikation unterscheiden (s. Tabelle 1).

Darüber hinaus kann es zu Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Quellen durch die Berücksichtigung oder Nicht-Berücksichtigung der Potentiale von unkonventionellen Erdgasen kommen.

2.1.1 Konzentration weltweiter Erdgasvorkommen

Dass es sich bei der Angabe der weltweiten Reserven um eine dynamische Kennzahl handelt, beweist die historische Entwicklung. 1980 wurden die Reserven laut BP (British Petroleum), auf 81 Bill. m³ geschätzt. Diese haben sich aber nicht aufgrund der voranschreitenden Ausbeutung der Erdgasfelder verringert, sondern sind durch Neuerschließungen und moderne Fördertechniken auf ca. 190 Bill. m³ im Jahr 2010 angestiegen.[5]

Die Menge der aktuellen Reserven schwankt nach verschiedenen Einschätzungen zurzeit zwischen 187 Bill. m³ und 192 Bill. m³, wobei die offshore Reserven ca. ein Drittel der Welt-Erdgasvorkommen ausmachen (s. Tabelle 1).

Rund 75 % der globalen bekannten Reserven sind in den großen Erdgasfeldern, den sogenannten Giants und Supergiants[6], zu finden.

In Tabelle 1 wird die Konzentration der weltweiten Erdgasreserven in unterschiedlichen Veröffentlichungen verglichen.

Tabelle 1: Weltweite Erdgasreserven 2010 nach Regionen in Bill. m³ (Quelle: Eigene nach Darstellung nach BP 2011, S.20; BGR 2011, S.53; EIA 2011a; S.64)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Deutlich wird in Tabelle 1, dass die Erdgasreserven global sehr ungleich verteilt sind. Der Nahe Osten und die Gemeinschaft der unabhängigen Staaten (GUS) vereinen über 70 % der gesamten Reserven (140 Bill. m³), wobei sich nach übereinstimmenden Angaben ca. 33 % der gesamten Mengen auf die Region der GUS-Länder konzentrieren. Alleine Russland hält 24 % (ca. 45 Bill. m³) der weltweiten Reserven bzw. 75 % der gesamten Vorkommen, die in den GUS-Staaten nachgewiesen wurden (s. Tabelle 2). Es folgen Turkmenistan mit ca. 8 Bill. m³ (4,3 % der weltweiten Reserven), sowie Kasachstan und Aserbaidschan.

Über 40 % (ca. 76 Bill. m³) der Reserven befinden sich im Nahen Osten. Die Erdgasmengen sind jedoch weniger konzentriert verteilt als bei den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Die größten Vorräte hält der Iran (ca. 16 % der weltweiten Reserven). Zusammen mit dem Emirat Katar (ca. 14 %) verfügen sie über 70 % der Mengen in dieser Region. Weitere nennenswerte Vorkommen sind in Saudi-Arabien (ca. 8 Bill. m³) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (6 Bill. m³) zu finden.

Andere Regionen verfügen hingegen über verhältnismäßig geringe Erdgasreserven, wie Nordamerika (4 – 5 %) oder Europa (ca. 2 %). Diese haben sich aufgrund eines großen Erdgasbedarfs in den letzten Jahren zunehmend verringert. Unter den größten sechs Reservenhaltern befindet sich lediglich ein Land, dass nicht in den Regionen des Nahen Ostens oder der GUS beheimatet ist. Dies sind die USA, die einen Anteil von 4,1 % der weltweiten Reserven aufweisen können. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass sich über 65 % (126 Bill. m³) der bekannten weltweiten Erdgasmengen auf sechs Länder verteilen.

Tabelle 2: Erdgasreserven 2010 nach Ländern in Bill. m³(Quelle: Eigene Darstellung nach BP 2011, S.20)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nigeria besitzt die größten Reserven Afrikas mit ca. 5,3 Bill. m³. Eine ähnlich große Menge Erdgas konnte in Venezuela nachgewiesen werden, das somit der größte Reservenhalter Lateinamerikas ist. In der Region Asien-Ozeanien halten Australien (2,92 Bill. m³) und China (2,91 Bill. m³) die meisten Gasreserven.

In Europa beherbergt Norwegen den größten Anteil. Allerdings sind dies nur 1,1 % (2,07 Bill. m³) der globalen Erdgasvorkommen.

2.1.2 Ressourcen

Im Gegensatz zu den Reservenangaben werden Daten zu Erdgasressourcen unregelmäßig und in größeren Abständen veröffentlicht.

Das von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Jahr 2010 ermittelte Gesamtpotential betrug 530 Bill. m³. Das entspricht einer Verdopplung der Mengen gegenüber der Einschätzung aus dem Jahr 2005. Ursache hierfür sind in erster Linie die stark angewachsenen Vorräte an unkonventionellen Erdgasen, die inzwischen über 40 % (220 Bill. m³) der globalen Ressourcen ausmachen. Diese Einschätzungen sind im Vergleich zu den Angaben der IEA, die von 400 Bill. m³ ausgeht, pessimistisch.

Aufgrund der geographischen Lage der unkonventionellen Lagerstätten verteilen sich die Ressourcen regional gleichmäßiger. Demzufolge verfügen, wie in Abbildung 1 zu sehen, die GUS-Länder mit über 30 % der Ressourcen über den größten Anteil, danach folgen Nordamerika mit 22 % und die Region Asien-Ozeanien mit 18 % der weltweiten Ressourcen.[8]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Konventionelle und unkonventionelle Ressourcen in Bill. m³ (Quelle: BGR 2011, S.52)

Nicht nur bei den Reserven, sondern auch bei den momentan nicht-wirtschaftlich förderbaren Erdgasmengen nimmt Russland mit 142 Bill. m³ (27%) die dominierende Stellung ein.

Es folgen die USA mit 65 Bill. m³ und China mit 55 Bill. m³, die beide über große unkonventionelle Erdgasressourcen verfügen. Auffällig ist der geringe Bestand im Nahen Osten, der, nach Angaben der BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe), sogar kleiner ist als die Menge der Reserven.

Werden nur die konventionellen Ressourcen betrachtet, verfügt die russische Föderation über ca. 40 % der Vorräte, gefolgt von Nordamerika mit ca. 19 %. Der Nahe Osten liegt ca. bei 14 % und Asien-Ozeanien bei knapp 13 %.[9]

In Abbildung 1 ist zu erkennen, dass sich die unkonventionellen Erdgasfelder auf mehrere Regionen verteilen. Die größten Ressourcen werden in Nordamerika (25 %) vermutet, gefolgt von Asien-Ozeanien mit 23 %. Selbst in Europa sollen sich voraussichtlich ca. 9 % der Ressourcen befinden.[10]

2.2 Wertschöpfungskette

In Kapitel 2.1 wurde die geographische Verteilung der Erdgasreserven aufgezeigt. Im folgenden Abschnitt wird die Wertschöpfungskette des Energieträgers Erdgas dargestellt. Bis Erdgas den Konsumenten erreicht, durchläuft der Energieträger folgenden Prozess: Beginnend mit der Gasproduktion, über den Gastransport mit Pipelines oder per LNG (Liquefied Natural Gas)-Tanker, die Gasspeicherung, erfolgt zum Schluss die Gasverteilung bis zum Endkunden, die in dieser Arbeit allerdings vernachlässigt wird.[11]

2.2.1 Produktion

Nach Angaben des BP wurden im Jahr 2010 weltweit 3.193 Mrd. m³ Erdgas gefördert. Nach Informationen der BGR waren es sogar 3.230 Mrd. m³. Diese Differenz ist eine Folge der unterschiedlichen Angaben zur russischen Erdgasgewinnung.[12]

Die Produktionszahlen umfassen sowohl die konventionelle als auch die unkonventionelle Förderung. In den USA stammten 2009 bereits 60 % der Gesamtproduktion aus nicht-konventionellen Lagerstätten. Weltweit ist der Anteil der nicht-konventionellen Produktion aber noch sehr gering (Kapitel 3.2.4). Nachdem 2009 die Fördermengen im Zuge der Wirtschaftskrise erstmals rückläufig waren, stieg die globale Erdgasgewinnung 2010 wieder um 7,3 % im Vergleich zum Vorjahr an. Damit ist auch die bisherige Höchstproduktion von 3.062 Mrd. m³ aus dem Jahre 2008 übertroffen worden.

Die Vereinigten Staaten waren 2010 wie schon 2009 mit einer Fördermenge von 611 Mrd. m³ der größte Erdgasproduzent der Welt. Dementsprechend hat Russland, laut BP, mit 588 Mrd. m³ (BGR: 610 Mrd. m³) zum zweiten Mal in Folge weniger produziert als die Amerikaner. In den Jahren zuvor hatten die Russen stets den größten Anteil an der globalen Förderung.

In Tabelle 3 wird gezeigt, dass rund 38 % des 2010 gewonnenen Erdgases allein in Russland oder den USA produziert worden sind. Werden Kanada (159,8 Mrd. m³), der Iran (138,5 Mrd. m³) und Katar (116,7 Mrd. m³) dazu gerechnet, sind die fünf größten Produzentenstaaten für mehr als die Hälfte der globalen Erdgasförderung 2010 verantwortlich.

Tabelle 3: Erdgasproduktion 2010 nach Ländern in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Darstellung nach BP 2011, S.22)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Produktion im Nahen Osten und in den afrikanischen Staaten ist verglichen mit dem Reservenbestand derzeit noch sehr gering. Des Weiteren ist zu erkennen, dass Länder die nicht über besonders große Vorkommen verfügen, momentan verhältnismäßig viel Erdgas fördern. Zu dieser Kategorie gehören vor allem Länder in Westeuropa, wie die Niederlande oder Großbritannien.

Die Frage, wie lange die Erdgasreserven bei konstantem derzeitigem Produktionsniveau ausreichen würden um den globalen Bedarf befriedigen zu können, beantwortet die Kennzahl der statistischen Reichweite[13].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Statistische Reichweite nach Regionen in Jahren (Quelle: Eigene Berechnungen nach BP 2011, S.20ff)

Bei Beibehaltung des aktuellen Produktionsniveaus würden die Reserven weltweit noch 59 Jahre ausreichen, somit ca. 20 Jahre länger als die Erdölreserven. Allerdings sind auch hier erhebliche regionale Unterschiede zu erkennen (s. Abbildung 2). Nach eigenen Berechnungen würden die nordamerikanischen Reserven die Produktion voraussichtlich nur noch zwölf Jahre decken. In Europa wären es 16 Jahre. Die statistische Reichweite im Nahen Osten beträgt 165 Jahre, in Afrika 68 Jahre.

Die Bedeutung dieser Maßzahl sollte jedoch nicht überbewertet werden. Vor über zehn Jahren waren die Angaben etwa auf dem gleichen Niveau. Bei der statistischen Reichweite werden aber weder Neuentdeckungen oder Neubewertungen von Lagerstätten, noch die dynamische Preisentwicklung oder der technische Fortschritt, welcher Ressourcen zu Reserven machen kann, berücksichtigt.

Bei einem Blick zurück in Kapitel 2.1.2 fällt auf, dass sich insgesamt 20 % der weltweiten Ressourcen in Nordamerika befinden, was 113.960 Bill. m³ entspricht. Wenn beispielsweise nur 20 % dieser Menge in Zukunft kommerziell förderbar wäre, würde sich die Reservenbasis mehr als verdoppeln. Bei Miteinbeziehung der heutigen Reserven würde sich die statistische Reichweite in diesem Szenario vervierfachen (53 Jahre).

Weltweit soll laut Prognosen der IEA, die produzierte Menge, um 1,7 % pro Jahr ansteigen. 2035 würden demzufolge 4750 Mrd. m³ Erdgas gewonnen werden. Größter Erdgasproduzent wäre in diesem Szenario die Russische Föderation (858 Mrd. m³), gefolgt von den USA mit 696 Mrd. m³. Insgesamt spiegeln die Prognosen der IEA die derzeitige Reservenverteilung besser wider. Vor allem die Produktion in den Regionen Asien-Ozeanien, Afrika und dem Nahen Osten soll enorm wachsen.[14]

Chinas Erdgasförderung wäre demnach 2035 mit 290 Bill. m³ drittgrößter Erdgasproduzent. Ähnlich viel Erdgas soll im Iran (225 Mrd. m³) und im Emirat Katar (219 Mrd. m³) gewonnen werden.[15]

Bemerkenswert ist, dass nur in Europa die Ausbeutung der Erdgasfelder rückläufig sein soll. Dies gilt insbesondere für die Niederlande und Großbritannien, die bisher noch zu den 20 größten Erdgasproduzenten zählen.

2.2.2 Transport

Wie bei vielen anderen Rohstoffen entspricht auch bei dem Energieträger Erdgas die Förderregion nicht zwangsläufig der Verbrauchsregion, sodass Erdgas teilweise über große Entfernungen transportiert werden muss.

30 % (975 Mrd. m³) der gesamten Erdgasproduktion musste im Jahr 2010 überregional in die jeweiligen Verbrauchszentren befördert werden. Das ist allerdings erheblich weniger als beim Erdöl, bei dem zwei Drittel der geförderten Mengen grenzüberschreitend gehandelt werden.[16]

Erdgas wird entweder gasförmig über Pipelines oder verflüssigt als LNG in speziellen Tankern transportiert. In geringerem Ausmaß finden sich auch weitere Transportmethoden, wie zum Beispiel CNG (Compressed Natural Gas). CNG ist komprimiertes Erdgas, das nach der Kompression in Tankern in die jeweiligen Nachfrageregionen gebracht wird. Im Gegensatz zum LNG sind keine speziellen Terminals am Zielmarkt nötig, sodass das Gas direkt ins Versorgungsnetz eingespeist werden kann.[17]

Bei dem Transport durch Pipelines wird das Gas unter hohem Druck in das Netz eingespeist. Die Rohrleitungen können sowohl über Land als auch unter Wasser verlaufen. Pipelines unterscheiden sich in erster Linie durch Druck und Durchmesser. Der Rohrdurchmesser bei Hochdruckpipelines beträgt bis zu 1,50 m. Onshore-Pipelines werden mit einem Druck von bis zu 100 bar betrieben.[18]

Um den Druck über Tausende Kilometer aufrecht zu erhalten werden etwa alle 150 -300 km Verdichteranlagen benötigt, die durch das beförderte Erdgas betrieben werden. Daher kann es bei großen Entfernungen, allein durch den Transport, zu einem Verlust von ca. 10 % der eingespeisten Mengen kommen.[19]

Technisch aufwendiger und teurer ist die Verlegung im Meer. Diese Leitungen benötigen für den Erdgastransport einen Druck von bis zu 190 bar und sind etwa um 50 % teurer.[20]

In den letzten Jahren wurden große Fortschritte gemacht, sodass Gas mittlerweile über mehrere tausend Kilometer ökonomisch transportiert werden kann. Auch in Zukunft sollen die Kosten noch weiter gesenkt werden, unter anderem durch Verbesserungen der Stahlqualität und durch neue Konstruktionsmethoden für Unterwasserpipelines. Des Weiteren sollen die Kosten mittels einer neuen Hochdrucktechnologie auf einer Strecke von 5.000 km um bis zu 30 % reduziert werden.[21]

Hauptverantwortlich für die Zunahme des globalen Handels ist aber LNG. Dabei handelt es sich um verflüssigtes Gas, das durch das Abkühlen von Erdgas bei -160 °C entsteht. In Folge der Verflüssigung nimmt der Energieträger nur noch 1/600 seines vorherigen Volumens ein. Die Reduktion des Volumens macht einen Transport von Erdgas über große Distanzen technisch und wirtschaftlich möglich. Im Zielhafen wird das flüssige Gas aus den Tankern gepumpt, zwischengespeichert und in sogenannten Regasifizierungsanlagen in seinen ursprünglichen Aggregatzustand zurückversetzt. Anschließend kann es über die regionalen Pipelinenetze an den Verbraucher geliefert werden.[22]

Auch beim LNG wird für den gesamten Transportprozess eine Menge des verschifften Erdgases benötigt (bis zu 25 % des in einem Tanker transportierten Energiewertes), was den Transport, insbesondere für kurze Entfernungen, sehr kostenintensiv werden lässt (siehe Abbildung 3).[23]

Seit der ersten LNG-Lieferung aus Algerien Mitte der 1960er Jahre konnten die Kosten allerdings erheblich reduziert werden. Insbesondere in den Bereichen Verflüssigung und Transport konnten die Aufwendungen um ein Vielfaches gesenkt werden. Auch die Investitionskosten haben sich seit den 1990ern Jahren fast halbiert.[24]

Kostensenkungen wurden aber in erster Linie durch Kapazitätserweiterungen der Tanker erreicht. Bisher weisen die LNG-Tanker eine Maximalkapazität von 140.000 m³ auf. In Zukunft soll das Fassungsvermögen zwischen 165.000 und 260.000 m³ betragen. Weitere Einsparpotentiale werden bei den Regasifizierungsanlagen gesehen, die 10-20 % der gesamten Kosten verursachen.[25]

Daneben gibt es vor allem im Offshore-Bereich einige technische Neuerungen, die den LNG-Handel positiv beeinflussen können. Zu nennen sind LNG-Plattformen für Wassertiefen von 20 bis 50 m, die Erdgas von der Förderplattform übernehmen und verflüssigen, oder auch FSRU (Floating Storage and Offloading Units), die das verflüssigte Erdgas an Bord regasifizieren können.[26]

Die zu transportierenden Erdgasvolumen sowie die Transportentfernung spielen aus technischer und ökonomischer Sicht eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, welches Transportmittel gewählt wird. Der Großteil der Kosten, die entlang der LNG-Kette entstehen, sind fixe Ausgaben, die bei Verflüssigung und Verdampfung anfallen. Die variablen Kosten sind vergleichsweise gering. Der Pipelinetransport ist hingegen durch hohe variable Ausgaben gekennzeichnet.

Aus diesem Grund ist der Kostenvorteil einer Pipeline größer, je geringer die Entfernung ist. Jedoch verkürzt sich die Break-Even-Distanz zunehmend, da die Kosten für den LNG-Transport deutlich schneller fallen als die für die Beförderung über Pipelines.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Vergleich der Erdgastransportkosten zwischen LNG und Pipeline (Quelle: BGR 2009, S.84)

Wie in Abbildung 3 zu erkennen ist, beträgt die Entfernung, ab der ein Transport via LNG-Tankern gegenüber dem Pipelinetransport wirtschaftlich attraktiver ist, je nach Kapazitäten 2.000 - 4.000 km. Neben den Kosten hängt die Wahl des Transportmittels auch von bestehenden Infrastrukturen, Lieferverträgen und geographischen Gegebenheiten ab.

Voraussichtlich wird der weltweite Bedarf an LNG-Lieferungen auch in Zukunft steigen. Inzwischen werden über 30 % der global transportierten Erdgasmengen mit dem Schiff geliefert. Waren es 1990 noch ca. 80 Mrd. m³, sind es 2010 bereits rund 300 Mrd. m³.[27]

Insbesondere der asiatische Markt wird mit verflüssigtem Erdgas beliefert. 60 % des gehandelten Erdgases finden hier ihren Abnehmer, in erster Linie in Japan und Südkorea. Europa ist mittlerweile die zweitgrößte LNG-Importregion, wobei die größten Mengen in die südeuropäischen Staaten geliefert wurden. Die weltweit größten LNG-Exporteure sind zurzeit Katar, Indonesien und Malaysia sowie Staaten aus Afrika, die fast die ganze Welt mit Flüssigerdgas beliefern, allen voran Nigeria und Algerien. Verdeutlicht wird die Entwicklung des LNG-Transports durch das Auftreten neuer Akteure sowohl auf der LNG-Angebots- als auch Nachfrageseite. In jüngster Vergangenheit traten als Anbieter unter anderem Russland, Iran oder auch Norwegen auf, sowie die afrikanischen Staaten Angola und die Elfenbeinküste. Neue Abnehmerländer sind Pakistan, Chile oder Brasilien. In Zukunft könnten auch europäische Staaten, wie Deutschland, Kroatien oder Polen dazukommen.[28]

70 % des gehandelten Erdgases wurden im Jahr 2010 aber weiterhin über Pipelines geliefert. Insgesamt flossen knapp 680 Mrd. m³ von einen in den anderen Staat. Alleine in Europa wurden 470 Mrd. m³ (70 % aller über Pipeline transportieren Mengen) transferiert. Auch zukünftig werden Pipelines für den Großteil der Erdgaslieferungen verantwortlich sein, allein auf Grund der Versorgungssituation in Europa, wo 50 % des gesamten Handels stattfindet. Zwar wächst der LNG-Markt proportional schneller, doch konnten durch Unterwasserpipelines, z.B. von Nordafrika nach Spanien oder zukünftig durch neue Pipelines, mit denen Russland den asiatischen Markt über Land erreicht, Anteile in Regionen abgenommen werden, in denen LNG in der Vergangenheit die einzige Option für einen interregionalen Handel war.[29]

2.2.3 Erdgasspeicherung

Das produzierte oder gelieferte Erdgas wird nicht immer direkt verbraucht. Oft wird ein Teil der Mengen gespeichert, um möglichen Verbrauchsschwankungen oder Lieferengpässen vorzubeugen.

Darüber hinaus ermöglicht die zunehmende Liquidität an den Spotmärkten den Händlern und Lieferanten, Erdgas flexibel einzukaufen und grenzüberschreitend zu transportieren. Immer wichtiger werden dabei freie Speicherkapazitäten, um flexibel und kostenbewusst auf Absatzveränderungen reagieren zu können.[30]

Unter Erdgasspeichern werden insbesondere Untertagespeicher (UGS) verstanden. Ebenso werden inzwischen LNG-Tanks als Speicherungsmöglichkeit betrachtet. Diese werden vor allem in Regionen genutzt, die hauptsächlich mit LNG beliefert werden, wie Japan oder Südkorea.[31]

Grundsätzlich wird bei Untertagespeichern zwischen Poren- und Kavernenspeichern unterschieden. Porenspeicher werden in ausgebeuteten Gas- oder Ölfeldern, sowie in Aquiferen (Wasser führende Schichten im Untergrundgestein) angelegt. In die Tiefe gepresst, lagert Gas dort genauso wie zuvor in der Natur, in den Poren gasdurchlässiger Gesteinsschichten.[32]

Im Unterschied zu Porenspeichern werden Kavernenspeicher künstlich geschaffen. Für den Bau dieser Lagerstätten eignen sich Salzstöcke und mächtige Salzschichten. Über eine Bohrung, die später für Ein- und Auslagerung des Gases genutzt wird, lässt sich Salz mithilfe von Wasser kontrolliert aus dem Untergrund herausspülen. Der so entstandene Hohlraum steht zum Lagern von Gas zu Verfügung.[33]

Das Gesamtvolumen eines UGS unterteilt sich in Arbeits- und Kissengasvolumen. Das Arbeitsgas bezeichnet die Gasmenge, die ein- und ausgespeist werden kann. Das sogenannte Kissengas, das nicht wieder entnommen werden kann, wird für den Aufbau bzw. die Aufrechterhaltung des zum Betrieb notwendigen Druckniveaus vorgehalten.[34]

Im Vergleich zu Kavernenspeichern verfügen Porenspeicher in der Regel über ein größeres Speichervolumen. Kavernenspeicher weisen dagegen eine höhere Ein- und Ausspeiseleistung auf.[35]

Verflüssigtes Erdgas wird in oberirdischen Behältern gespeichert und kann ebenfalls die typischen Speicherfunktionen übernehmen.[36]

In erster Linie dienen Speicher zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. Durch die, vor allem in Europa, steigende Importabhängigkeit treten politische Risiken in den Vordergrund. Unterbrechungen von transnationalen Lieferungen müssen aufgefangen werden können. Darüber hinaus unterstützen Erdgasspeicher den Ausgleich von Verbrauchsschwankungen und bilden somit in der gaswirtschaftlichen Infrastruktur ein zeitausgleichendes Element: In Zeiten niedrigen Verbrauchs wird Erdgas eingespeist und in Zeiten hohen Verbrauchs entnommen.

Die Porenspeicher eignen sich dabei besonders zum Ausgleich des saisonalen Bedarfs. Sie werden im Sommer befüllt und während der Heizperiode im Winter entleert. Das heißt, das Arbeitsgas wird einmal jährlich umgeschlagen. Neben dem Ausgleich von saisonalen Schwankungen werden sie auch zur Bezugsoptimierung, oder zum Ausgleich kurzfristiger Verbrauchs- und Bedarfsspitzen eingesetzt.[37]

Der kurzfristige Ausgleich, d.h. die tägliche bzw. stündliche Strukturierung, erfordert eine hohe Flexibilität der Speicherkapazitäten. Aus diesem Grund kommen Kavernenspeicher zum Einsatz, um extreme Verbrauchsspitzen abzufangen. Insbesondere in den USA werden sie auch zur Ausnutzung kurzfristiger Preisschwankungen an den Spotmärkten genutzt. Sie eignen sich grundsätzlich auch für einen mehrfachen jährlichen Umschlag und sind somit insbesondere für den Kurzfristhandel interessant. Um den Anforderungen eines liberalisierten Marktes gerecht zu werden soll sogar eine Speicherungsmöglichkeit mit wöchentlichem Umschlag zum Standard werden.[38]

Vor allem in Europa und Nordamerika stellen sie das Bindeglied zwischen Erdgasbedarf und Produktion dar. Die USA haben im weltweiten Vergleich die größten Speicherkapazitäten, gefolgt von Russland, der Ukraine und Kanada. Aber auch die westeuropäischen Staaten wie Deutschland und Frankreich haben große Möglichkeiten Gas unterirdisch zu lagern.[39]

2.2.4 Erdgasbedarf

Nachdem im Jahr zuvor in fast jeder Region der Erdgaskonsum rückläufig war, folgte 2010 das größte globale Nachfragewachstum seit 1984. Die weltweite Erdgasnachfrage wuchs im Jahr 2010 um 7,4 % im Vergleich zum Vorjahr.

Insgesamt wurden, laut BP, 3.169 Mrd. m³ (BGR: 3249 Mrd. m³) Erdgas verbraucht.[40]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Erdgasnachfrage nach Ländern in Mrd. m³ im Jahr 2010 (Quelle: Eigene Darstellung nach BP 2011, S.21)

In Abbildung 4 werden die größten Erdgaskonsumenten 2010 dargestellt. Deutlich wird, dass die Nachfrage in den USA mit insgesamt 683,4 Mrd. m³ (20 % des globalen Gesamtbedarfs) am größten war. Aber auch die Nachbarstaaten Kanada (94 Mrd. m³) und Mexiko (69 Mrd. m³) zählen zu den großen Erdgasverbrauchern, sodass Nordamerika (846 Mrd. m³) global die nachfragestärkste Region war. Zweitgrößter Konsument mit 20 % (645 Mrd. m³) war die Gemeinschaft der unabhängigen Staaten, wobei Russland mit knapp 70 % (414,1 Mrd. m³) des GUS-Bedarfs der größte Nachfrager der Region war. In Europa und Asien-Ozeanien wurden jeweils ca. 570 Mrd. m³ (18 % des globalen Verbrauchs) Erdgas nachgefragt.[41]

In Abbildung 5 wird die Produktion einer Region mit dem dortigen Erdgasverbrauch verglichen. Die größte Differenz zwischen Förderung und Bedarf herrscht in Europa. Einer Nachfrage von 570 Mrd. m³ steht eine Produktion von knapp 300 Mrd. m³ gegenüber.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Nachfrage und Produktion in den Regionen im Vergleich (Quelle: Eigene Darstellung nach BP 2011, S.21f)

Des Weiteren ist auffällig, dass in den Regionen mit den größten Reserven, wie in den GUS-Staaten und dem Nahen Osten, momentan weniger verbraucht als gefördert wird (s. Abbildung 5). Folglich zählen die Länder dieser Regionen zu den Nettoexporteuren (s. Kapitel 2.3).

Mittlerweile gehört Erdgas zu den drei weltweit am meisten konsumierten Energieträgern. Wird den neusten Studien der IEA Glauben geschenkt, wird diese Entwicklung sich auch in Zukunft fortsetzen. Im World Energy Outlook 2011 (WEO) der IEA ist Erdgas der am stärksten wachsende fossile Energieträger. Laut dem Referenzszenario der IEA nimmt der weltweite Erdgasverbrauch bis 2035 um 55 % (2009: 3.076 Mrd. m³; 2035: 4.750 Mrd. m³) zu und würde damit ähnlich viel der globalen primären Energienachfrage decken wie Kohle. Der Anteil am weltweiten Energiemix steigt in diesem Szenario von 21 % auf 23 %.[42]

Im Gegensatz zu anderen fossilen Energieträgern soll die Nachfrage auch in den Industrienationen weiter wachsen. Trotz der geringen Wachstumsraten werden die USA auch in Zukunft der größte Erdgasnachfrager sein, gefolgt von Russland. Auch In Europa soll der Verbrauch noch um 0,9 % im Jahr wachsen. Auch die Schwellenländer, allen voran China und Indien, wollen die Stromerzeugung aus Erdgas forcieren. Nach der IEA Prognose wird der Erdgaskonsum in China jährlich um 6,7 % wachsen, das heißt von 93 Mrd. m³ 2009 auf 503 Mrd. m³ im Jahr 2035. China wäre damit drittgrößter globaler Konsument. Neben China werden auch andere asiatische Staaten zunehmend auf Erdgas setzen. Zum Beispiel wächst Indiens Gasnachfrage bis 2035 mit 4,5% p.a. Für den gesamten asiatischen Markt wird eine Wachstumsrate von 4,3% pro Jahr vorhergesagt. Dadurch würde sich der Erdgasbedarf in der Region mehr als verdoppeln (2009: 357 Mrd. m³; 2035: 1063 Mrd. m³). Auch im Nahen Osten, Afrika und Lateinamerika soll der Verbrauch bis 2035 um rund 2 % pro Jahr steigen.[43]

2.3 Märkte und Preisbildung

Auf Grund der relativ hohen Transportkosten, der Flüchtigkeit von Erdgas, sowie der nicht vorhandenen Speicherungsmöglichkeiten von großen Erdgasmengen, ist der Handel mit Erdgas hauptsächlich regional geprägt.

Inzwischen haben sich vier überregionale Teilmärkte gebildet. Dazu zählen der europäische, der nordamerikanische und asiatisch-pazifische Markt, sowie ein sich entwickelnder Markt in Südamerika.[44]

Regional werden die Preise auf Basis unterschiedlicher Systeme gebildet. Neben ölindexierten Preisen und Preisen, die sich am Spotmarkt bilden, werden Preise entweder durch bilaterale Monopole bestimmt oder durch den Staat reguliert.[45]

Ein Fünftel des Handelsvolumens wird weltweit auf Basis von ölindexierten Langfristverträgen verkauft. Vor allem in Europa und Asien wird auf diese Weise Handel betrieben. In Nordamerika, Großbritannien und Australien bildet sich der Preis frei nach Angebot und Nachfrage. Insgesamt wird global ein Drittel des gehandelten Erdgases entweder über einen Spotmarkt oder über spotmarktpreisindexierte Verträge beschafft. Fast 40 % der nachgefragten Mengen wurden unter regulierten Preisen beschafft. In der früheren Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten wird der Preis durch bilaterale Monopole bestimmt.[46]

2.3.1 Langfristverträge

Gasprojekte erstrecken sich über einen langen Zeithorizont. Bis zu 20 Jahre können vergehen bis erstmals Gas aus einem Feld gefördert werden kann. Dabei fallen hohe Investitionskosten für Förderung, Transport und Instandhaltung der Infrastruktur an.[47]

Die Produzenten benötigen daher eine hohe Erwartungssicherheit über die zukünftige Nachfrageentwicklung. Auch für den Käufer bedeutet eine langfristige Versorgung eine gewisse Planungssicherheit. Folglich werden im Erdgashandel hauptsächlich Vereinbarungen über sehr lange Laufzeiten geschlossen, deren Ziel die Sicherstellung großer, möglichst konstant fließender Vertragsvolumina ist. Nicht selten wurden bisher Großteile der förderbaren Mengen verkauft, bevor das Erdgasfeld erschlossen wurde.[48]

Importverträge werden individuell zwischen den Vertragspartnern verhandelt und nicht veröffentlicht, sodass lediglich die grundsätzlichen Strukturen bekannt sind.

Langfristige Bezugsverträge basieren - in der Regel - auf einer Mengenvereinbarung die über sogenannten „Take-or-Pay“ (ToP)-Klauseln ausgestaltet wird. Diese Vereinbarung beinhaltet auf der einen Seite eine Lieferpflicht für den Anbieter, die aus vorzuhaltenden Tages- und Stundenmengen besteht. Auf der anderen Seite steht dem eine Abnahmepflicht des Käufers gegenüber, die bis zu einer bestimmten Grenze reduziert werden kann, ohne dass finanzielle Konsequenzen drohen. Der Käufer verpflichtet sich damit, eine bestimmte Menge Erdgas zu bezahlen, unabhängig davon, ob er diese Menge tatsächlich benötigt. Teilweise werden Klauseln vereinbart, die der Umsetzung der Vertragskonditionen ein wenig Flexibilität einräumen. Zum Beispiel gibt es die Möglichkeit nicht bezogenes, aber bezahltes Gas nachzubestellen (make-up-gas) oder zusätzliches Gas zu kaufen (Swing-Option). Das Mengenrisiko, das darin besteht gekaufte Gasmengen nicht weiterveräußern zu können, trägt demnach der Käufer.[49]

Die Wirtschaftskrise 2008/2009 verdeutlichte das Risiko auf Käuferseite. Die schlechte Konjunkturlage führte beispielsweise in Europa zu einem geringeren Erdgasbedarf, der sogar unter den vereinbarten „Take-or-Pay“-Mengen lag. Folge waren Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Zum Beispiel verlangte der russische Produzent Gazprom von seinem deutschen Kunden E.ON Ruhrgas rund 100 Millionen Dollar, weil dieser nicht die vereinbarte Gasmenge abgenommen hat. Die Summe kann aber in den kommenden Jahren mit zusätzlichen Lieferungen verrechnet werden.[50]

Der Produzent hat hingegen das Preisrisiko zu tragen. Der Verkäufer verpflichtet sich die vereinbarten Mengen zu einem festgelegten Preis zu liefern, unabhängig davon ob die Förderkosten steigen, Gas ein knappes Gut wird oder die Preise für die Substitute fallen, an die der vereinbarte Preis gekoppelt ist. Der Preis ist in der Regel an Erdöl oder Ölprodukte gebunden, mit denen Erdgas im Wettbewerb steht. Diese Kopplung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern entsteht durch Absprachen zwischen Importeuren und Exporteuren. Die ölindexierten Verträge bestehen seit den Anfängen der europäischen Erdgaswirtschaft und sollen das Preisrisiko mindern.[51]

Erstmals wurde dieses System bei der Vermarktung des Groningen-Feldes 1962 in den Niederlanden eingeführt. Auch in Asien ist seit Aufnahme der LNG-Importe, der Großteil der vereinbarten Preise an die Entwicklung des Ölpreises gebunden. Allerdings unterscheidet sich die Ausgestaltung der Verträge im Vergleich zu europäischen Kontrakten. Während in Europa der Gaspreis in der Regel an leichtes oder schweres Heizöl gebunden ist, folgt der asiatische Gaspreis dem Rohölpreis. Ebenso werden mittlerweile langfristige Verträge auf Basis von börslichen Notierungen abgeschlossen, wie z.B. zwischen Großbritannien und Norwegen.[52]

Um Vertragskündigungen vorzubeugen, falls ein durch Preisänderungen hervorgerufener finanzieller Nachteil die Kosten eines Vertragsausstiegs übersteigen sollte, sind periodische Preisanpassungen Teil der Vereinbarung. Darüber hinaus wird in den Langfristverträgen die Laufzeit, in der Regel 15-25 Jahre, die Beschaffenheit des Erdgases, Art der Abrechnung, sowie Modifikationen bei höherer Gewalt oder fundamentalen Änderungen der Marktsituation festgelegt.[53]

2.3.2 Kurzfristhandel

Neben langfristigen Vereinbarungen konnte sich in den letzten Jahren der Spotmarkt-indexierte Handel als Alternative etablieren. Handelsprodukte können sowohl bilateral (Over-The-Counter (OTC)) als auch an der Börse gehandelt werden. Zu den bedeutendsten Börsen zählen die NYMEX (New York Mercantile Exchange) in New York und die ICE (Intercontinental Exchange) Futures mit Sitz in London.[54] Inzwischen haben sich auch in Kontinentaleuropa länderübergreifende Gashandelsbörsen, wie bspw. die Amsterdam Power Exchange (APX) für die Niederlande und Großbritannien oder die European Energy Exchange (EEX) in Deutschland etabliert. Der Großteil des gehandelten Volumens wird bisher allerdings „Over-the-Counter“ gehandelt. Der größte Unterschied zwischen OTC- und börslichen Handel liegt in der Flexibilität der Produkte. Während beim OTC-Handel die Kontrakte zum größten Teil bilateral ausgehandelt werden, ist der Handel an der Börse standardisiert.[55]

Grundsätzlich wird zwischen einem Spot- und Terminmarkt unterschieden. Der Preis am Spotmarkt bildet sich dabei nach Angebot und Nachfrage, wobei das Angebot durch Produktion, Speicherstände und Transportleistungen beeinflusst wird. Die Nachfrage wird hauptsächlich durch Konjunktur- und Temperaturschwankungen bestimmt.[56]

Produkte am Spotmarkt sind konstante Leistungen über einen entsprechenden Zeitraum, sogenannte Bänder, z.B. für den nächsten Tag (day ahead), das kommende Wochenende und Arbeitstage der nächsten Woche. Mittlerweile können within-day-Produkte (Erdgas am aktuellen Tag handeln) auch börslich (vorher nur OTC) gehandelt werden, wodurch sich die Liquidität der Börsen erhöht hat.[57]

Der Terminmarkt folgt in erster Linie dem Spotmarkt, sowie technischen und langfristigen Faktoren. Am Terminmarkt werden Bändern für eine begrenzte Anzahl von Monaten, Quartalen und Kalender- bzw. Gaswirtschaftsjahren gehandelt, wobei sowohl Lieferungen und Zahlungen zu einem festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft stattfinden. Aufgrund der höheren Vertragsvolumen im Terminmarkt ist die Volatilität wesentlich geringer als im Spotmarkt .[58]

Entscheidend für die Preisentwicklung am Gasmarkt ist das kurzfristige Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in Verbindung mit freien Speicher- und Transportkapazitäten. Zwar verliert die Ölindexierung mit zunehmendem Spotmarkthandel an Bedeutung, jedoch besteht weiter eine Wechselwirkung zwischen Öl- und Gas, wie in anhand Abbildung 6 der Gaspreise in den USA und Großbritannien und dem Ölpreis zu erkennen ist.[59]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Historische Preisentwicklung in den USA und Großbritannien im Vergleich zum Ölpreis in US $/ mmbtu (Quelle: Eigene Darstellung nach BP 2011, S.27)

Bis jetzt haben sich transparente und liquide Marktplätze für den Spothandel insbesondere in den USA und Großbritannien ergeben, nachdem es dort bereits vor den kontinentaleuropäischen Ländern zur Liberalisierung der Erdgasmärkte kam.[60]

Der Erdgashandel findet entweder an physikalischen oder virtuellen Handelspunkten, sogenannten Hubs, statt. An einem physikalischen Hub, wie bspw. dem amerikanischen Henry Hub oder dem belgischen Erdgas-Hub in Zeebrugge, treffen verschiedene Erdgaspipelines zusammen. Diese Knotenpunkte sind charakterisiert durch vorhandene Speicherkapazitäten bzw. LNG-Terminals sowie Anbindung an grenzüberschreitenden Pipelines und insbesondere durch frei handelbare Gasmengen und sorgen somit für die notwendigen Voraussetzungen um einen physikalischen Handel zu ermöglichen.[61]

Bei einem virtuellen Handelspunkt (VHP), wie beispielsweise dem britischen National Balancing Point (NBP), handelt es sich um eine Nachbildung eines physikalischen Hubs. Der eigentliche Handel findet nur mit den Eigentumsrechten statt. Ein physischer Austausch ist nur möglich, wenn darüber hinaus Ein- und Ausspeisepunkte anhand von Verträgen, festgelegt werden.[62]

2.3.3 Vergleich von Marktplätzen

Der weltweit größte Erdgasmarkt ist in Europa entstanden. Das gilt sowohl für Produktion und Nachfrage als auch für das gehandelte Volumen. Das mag einerseits an der Vielzahl der Marktteilnehmer, aber vor allem an dem gut ausgebauten Pipelinenetz liegen. Das Fernleitungsnetz verbindet die großen Förderregionen West-Sibiriens, des Wolga-Ural-Gebiets, in der Nordsee und Nordafrikas mit den Hauptverbraucherregionen in West- und Zentraleuropa.[63]

84 % (470 Mrd. m³ von 557 Mrd. m³) der grenzüberschreitend gehandelten Mengen werden im europäischen Markt über Rohrleitungen transportiert. Hingegen ist die Reservenbasis vergleichsweise gering (s. Kapitel 2.1).

Die größten Exporteure sind zugleich die wichtigsten Produzenten. Dazu zählen insbesondere Russland (exportieren ein Drittel der gesamten Produktion), Norwegen (95 %), die Niederlande (75 %) und Algerien (70 %). 75 % des Handelsvolumens wurde 2010 zwischen den europäischen Ländern gehandelt. Das heißt, dass immerhin 25 % überregional gehandelt wurden, wobei Algerien der größte nicht-europäische Exporteur war. Die Nordafrikaner bedienten vor allem den südeuropäischen Markt über Unterwasserpipelines oder LNG-Transporte. Größter LNG-Akteur auf dem europäischen Markt war das Emirat Katar gefolgt von Nigeria. Hauptabnehmer für das verflüssigte Erdgas waren Großbritannien, Spanien, Italien und Frankreich. Auch Russland hat 2010 über 15 Mrd. m³ per LNG exportiert, in erster Linie nach Japan und Südkorea. Die größten Importeure waren 2010 Deutschland, Italien, Großbritannien und die Ukraine. Deutschland war 2010 nach Russland größter Erdgasnachfrager in Europa und wird bisher ausschließlich über Pipelines beliefert.[64]

Für den europäischen Erdgashandel hat sich ein Mischsystem aus langfristigen Lieferverträgen mit Ölpreisbindung und liquidem Spotmarkthandel, vor allem am National Balancing Point (NBP) in Großbritannien, etabliert. In Großbritannien herrscht schon seit der Liberalisierung in den 1980ern Jahren ein Gas-zu-Gas-Wettbewerb, in dem Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Auf Grund eigener Gasvorkommen waren die Briten in der Vergangenheit nicht von ToP-Verträgen mit geographisch weit entfernten Produzentenländern abhängig.[65]

Auch an den sieben Spotmärkten[66] in Kontinentaleuropa hat die Liquidität zugenommen. 2010 stieg das gehandelte Volumen von 100 Mrd. m³ im Vorjahr auf mittlerweile 140 Mrd. m³, was zum einen mit dem 2009 entstandenen globalen Überangebot und zum anderen auch durch Verbesserungen des Transportsystems zu begründen ist.[67]

Zu den wichtigsten Handelsplätzen in Kontinentaleuropa zählen insbesondere der Title Tranfser Facility (TTF) und Zeebrugge (ZBH) in Belgien. Die Bedeutung des Hubs in den Niederlanden ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die für den europäischen Markt wichtigen Pipelines aus Großbritannien, Norwegen und den Niederlanden hier zusammentreffen. Im belgischen Zeebrugge besteht neben der Verbindung zum britischen Markt Zugang zur norwegischen Förderung, sowie zu einem LNG-Importterminal. Zudem konnten insbesondere an den deutschen (Net Connect Germany (NCG) und Gaspool) und dem französischen Hub (PEG) enorme Zuwächse des Handelsvolumen verzeichnet werden. Die IEA geht sogar davon aus, dass am NCG in wenigen Jahren mehr gehandelt wird als in Zeebrugge.[68]

Nichtsdestotrotz bilden die Langfristverträge mit Russland, Norwegen, den Niederlanden und Algerien die Basis für die europäische Erdgasversorgung. Drei Viertel der nachgefragten Mengen werden immer noch über langfristige Verträge beschafft. Auch LNG-Importe werden in Europa über traditionelle Langfristverträge abgewickelt.[69]

Allerdings stehen die ölpreisgebundenen Verträge auf Grund der hohen Verfügbarkeit wettbewerbsfähigen LNGs momentan enorm unter Druck. In den letzten beiden Jahren forderten Importeure wiederholt Preisanpassungen und die Exporteure konnten oftmals nur die minimal vereinbarten Mengen absetzen.

Der nordamerikanische Markt umfasst lediglich drei Akteure: Die USA, Kanada und Mexiko. Die USA sind sowohl größter Konsument als auch Produzent. Die Amerikaner waren aber dennoch in der Vergangenheit auf Importe via Pipeline aus Kanada angewiesen und führten zum Teil sogar LNG-Mengen aus Trinidad und Tobago ein. Aufgrund steigender Förderung und weitgehend stagnierendem Konsum werden die USA zunehmend zum Erdgas-Selbstversorger. Auch Mexiko und Kanada sind nur im geringen Maße von Erdgaseinfuhren abhängig. Insgesamt werden 87 % (124 Mrd. m³) der importierten Mengen via Pipeline in Nordamerika zwischen den drei Staaten gehandelt. Die Region ist somit momentan weitgehend unabhängig von überregionalen Importen.[70]

In Nordamerika basiert die Erdgasbeschaffung überwiegend auf spotmarktindexierten Handelsgeschäften, ohne eine formalisierte Bindung an den Ölpreis (s. Kapitel 2.3.2). Der Spotmarkt gilt jedoch als ausgesprochen volatil, wie auch Abbildung 7 gezeigt hat. Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 haben die US-Gaspreise (s. Abbildung 6) ein sehr niedriges Niveau. Die Entwicklung wird zurzeit durch zwei günstige Beschaffungsoptionen unterstützt: Unkonventionelles Erdgas und LNG, wobei aber die tatsächliche Wirtschaftlichkeit des unkonventionellen Erdgases momentan in Frage gestellt wird (s. Kapitel 3.3.2).[71]

Für die USA kann ein an den Produktionskosten orientierter Gas-zu-Gas-Wettbewerb unterstellt werden. Das heißt, dass der Gaspreis frei nach Angebot und Nachfrage entsteht. Grundlage hierfür ist ein liquider und transparenter Großhandel. Zentraler Handelsplatz und Referenzmarkt, auch für den kanadischen Erdgashandel, ist der Henry Hub in Louisiana, an dem sich 14 Pipelines kreuzen. Knapp die Hälfte der US-Erdgasmengen wird entweder in der Nähe gefördert oder über den Hub transportiert. Die am Henry Hub gebildeten Preise dienen auch als Basis für die an der NYMEX gehandelten Futures.[72]

In Mexiko hingegen sind die Preise staatlich reguliert, folgen aber in der Regel der Entwicklung in den USA und in Kanada. Auch der LNG-Preis bildet sich in Nordamerika am Spotmarkt.

Asien-Ozeanien ist die einzige Region in der Erdgashandel über LNG-Lieferungen dominiert. 85 % (178 Mrd. m³) der importieren Mengen werden als verflüssigtes Gas eingeführt. Größte LNG-Importeure sind Japan (31 % der asiatisch-ozeanieschen LNG-Importe) und Südkorea (15 %), die ihren Bedarf fast ausschließlich über LNG-Lieferungen befriedigen. Die größten Exporteure sind Indonesien, Malaysia und Australien, wobei Indonesien sogar ein Viertel der Mengen über Pipelines ausführt (nach Malaysia und Singapur). Größter Produzent ist China. Allerdings kann China den heimischen Erdgaskonsum nicht ausschließlich mit den eigenen geförderten Mengen decken und ist somit von Importen abhängig. Zweitgrößter Produzent ist Indonesien. Über die Hälfte der heimischen Förderung wird in benachbarte Staaten via LNG exportiert. Weitere wichtige Produzenten sind Malaysia, Australien und Indien. Im Vergleich zu den bisher betrachteten Regionen wird in Asien-Ozeanien verhältnismäßig viel Erdgas überregional gehandelt (40 %). Das Erdgas wird jedoch in erster Linie aus relativ nahegelegenen Staaten aus dem Nahen Osten eingeführt. Besonders hervorzuheben ist das Emirat Katar, dass ca. 35 Mrd. m³ verflüssigtes Erdgas in die Region liefert.[73]

[...]


[1] Vgl. IEA (2011), S.544ff.

[2] Vgl. EIA (2012), S.92.

[3] Vgl. Perner (2002), S.7ff.

[4] Die Definition von Reserven und Ressourcen befinden sich im Anhang in Kapitel A 1.1.

[5] Vgl. BP (2011), S.19.

[6] Giants sind Erdgasfelder mit Reserven von mehr als 80 Mrd. m³ und Supergiants mit Reserven von mehr als 800 Mrd. m³.

[7] Bei den Angaben der BP werden die Reserven der europäischen Staaten und der Länder der GUS nicht getrennt aufgelistet.

[8] Vgl. BGR (2011), S.52.

[9] Vgl. BGR (2011), S.52.

[10] Vgl. BGR (2011), S.52.

[11] Vgl. Perner (2002), S.6f.

[12] Vgl. BGR (2011), S. 54; Vgl. BP (2011), S.24.

[13] Die statistische Reichweite bezeichnet die Zeit in Jahren bis die zurzeit geschätzten Reserven bei Beibehaltung der aktuellen Produktion erschöpft sein werden.

[14] Vgl. IEA (2011a), S.165.

[15] Vgl. IEA (2011a), S.165.

[16] Vgl. BP (2011), S.29f.

[17] Vgl. IEA (2004), S.153.

[18] Vgl. Perner (2002), S.17.

[19] Vgl. EGL (2010) ,S.6.

[20] Vgl. Perner (2002), S.17.

[21] Vgl. BGR (2009), S.83f.

[22] Vgl. Victor; Jaffe und Hayes (2006) S.10.

[23] Vgl. IEA (2004), S.149.

[24] Vgl. BGR (2009), S.84.

[25] Vgl. PES (2011), S.7ff.

[26] Vgl. BGR (2009), S.85.

[27] Vgl. BP (2011), S.29f.

[28] Vgl. BP (2011), S.29f.

[29] Vgl .BP (2011), S.29ff.

[30] Vgl. Grewe (2005), S.21.

[31] Vgl. Viertel (2007), S.27.

[32] Vgl. Grewe (2005), S.40.

[33] Vgl. Grewe (2005), S.42.

[34] Vgl. Grewe (2005), S.36.

[35] Vgl. Grewe (2005), S.43.

[36] Vgl. Viertel (2007), S.27.

[37] Vgl. Spicker (2010), S.76.

[38] Vgl. Spicker (2010), S.74.

[39] Vgl. IEA (2010b). S.59ff.

[40] Vgl. BP (2011), S.24; BGR (2011), S.55.

[41] Vgl. BP (2011), S.25.

[42] Vgl. IEA (2011a), S.159.

[43] Vgl. IEA (2011a), S.159.

[44] Vgl. BGR (2009), S.85.

[45] Vgl. IGU (2011), S.15.

[46] Vgl. IEA (2010a), S.196.

[47] Vgl. Viertel (2007), S.35.

[48] Vgl. Goldthau; Geden (2007), S.60ff.

[49] Vgl. Däuper; Lokau (2008), S.40.

[50] Vgl. Flauger; Wiede (2010).

[51] Vgl. Däuper; Lokau (2008), S.38.

[52] Vgl. Seeliger (2006), S.25f.

[53] Vgl. Rügge (1995), S.5.

[54] Vgl. Ströbele; Pfaffenberger und Heuterkes (2010), S.166.

[55] Vgl. van Drahten (2010) ,S.203.

[56] Vgl. Spicker (2010), S.76.

[57] Vgl. Däuper; Lokau (2008), S.42.

[58] Vgl. Däuper; Lokau (2008), S.42f.

[59] Vgl. van Drahten (2010), S.207.

[60] Vgl. Spicker (2010), S.71.

[61] Vgl. Ströbele; Pfaffenberger und Heuterkes (2010), S.166f.

[62] Vgl. Viertel (2007), S.41.

[63] Vgl. BGR (2009), S.88.

[64] Vgl. BP (2011), S.29f.

[65] Vgl. Spicker (2010), S.73.

[66] Zu den sieben Spotmärkten gehören Zeebrugge (Belgien), TTF (Niederlande), NCG (Deutschland), Gaspool (Deutschland), PEG (Frankreich), PSV (Italien) und CEGH (Österreich).

[67] Vgl. IEA (2010a), S.206f.

[68] Vgl. IEA (2010a), S.207ff.

[69] Vgl. PES (2011), S.11f.

[70] Vgl. BP (2011), S.29f.

[71] Vgl. PES (2011), S.11.

[72] Vgl. Erdmann; Zweifel (2008), S.238.

[73] Vgl. BP (2011), S.29f.

Ende der Leseprobe aus 140 Seiten

Details

Titel
Unkonventionelles Erdgas. Auswirkungen auf den globalen Erdgasmarkt
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Veranstaltung
Betriebswirtschaftslehre- Energiewirtschaft
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
140
Katalognummer
V263632
ISBN (eBook)
9783656523062
ISBN (Buch)
9783656526698
Dateigröße
5352 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das Ziel dieser Arbeit ist die Analyse, ob auch außerhalb der USA in Zukunft unkonventionelles Erdgas gefördert werden kann und ob eine mögliche Produktion den Rückgang der konventionellen Produktionsraten in Europa kompensieren kann bzw. helfen kann die steigende Nachfrage in China zu decken. Diese Fragestellungen werden mit einem von Stephan Spiecker entwickelten und für die vorliegende Arbeit erweiterten spieltheoretischen Erdgasmodell untersucht. [...]
Schlagworte
Unkonventionelles Erdgas, Erdgas, Globaler Erdgasmarkt, Energiewirtschaft, Shale Gas, Flüssigerdgas, Erdgaswirtschaft, Fracking, Umweltprobleme unkonventionelles Erdgas, Erdgasmarkt, Unkonventionelles Erdgas Europa, Unkonventionelles Erdgas USA, Shale Gas USA, Shale Gas Europa, Unkonventionelles Erdgas China, Erdgasnachfrage, Erdgastransport, Erdgasspeicherung, Erdgasressourcen
Arbeit zitieren
Julian Deymann (Autor:in), 2012, Unkonventionelles Erdgas. Auswirkungen auf den globalen Erdgasmarkt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263632

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