Warum arbeiten Menschen freiwillig?

Eine arbeitsökonomische Betrachtung des Ehrenamtes am Beispiel von Museumsengagement


Seminararbeit, 2012

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition und Forschungsstand zum Thema Freiwilligenarbeit
2.1 Was genau meint “Freiwilligenarbeit“?
2.2 Ergebnisse zum Thema Freiwilligenarbeit

3. Ehrenamt und Museum
3.1 Motivation von Menschen, die sich freiwillig in Museen engagieren
3.2 Welche Vorteile entstehen einem Museum durch freiwillige Mitarbeiter?

4. Fazit und Ausblick

5. Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

A: Durchschnittswerte aus Cappellari & Turati (2004: 629)

B: Aggregate volunteering probabilities aus Cappellari & Turati (2004: 631)

C: Eine Schematisierung der Motivation von Arbeitern nach Borzaga (2009: 22)

D: Wirkungen freiwilliger Mitarbeit im Museum aus Hentschel (2010: 56)

1. Einleitung

Die moderne ökonomische Theorie des Arbeitsmarktes möchte Verhalten verstehen (Ehrenberg & Smith 2012: 2). Sie geht davon aus, dass Menschen auf dem Arbeitsmarkt ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen, um ihren Nutzen zu maximieren. Menschen, die ihren Nutzen vergrößern wollen, bieten Zeit und Mühe an, um am Ende einen höheren Profit zu erzielen (Borjas 2010: 3). Natürlich spielen Gehälter und Löhne eine entscheidende Rolle, aber an erster Stelle steht das Prinzip der Nutzenmaximierung. Ehrenberg & Smith (2012: 3) meinen dazu, dass Menschen alles versuchen werden, so glücklich wie nur möglich zu werden. Preise dienen dabei als Signal im Allokationsprozess. Dieser Prozess basiert vornehmlich auf individuellen und freiwilligen Entscheidungen (Ehrenberg & Smith 2012: 31).

Unter diesen Gesichtspunkten stellt sich die Frage, warum Menschen unentgeltlich arbeiten. Unbezahlte Arbeit wird differenziert in ehrenamtliche Arbeit sowie Arbeit, die von Arbeitern geleistet wird, die dafür jedoch nicht entlohnt werden (Destefanis & Maietta 2009: 144). Ein Beispiel für den zweiten Fall sind unbezahlte Überstunden. In dieser Arbeit werde ich mich mit dem Thema Freiwilligenarbeit auseinandersetzen. Die Beschäftigung mit dem Thema erlebte in Deutschland und anderen westlichen Industrienationen Anfang der 1990er Jahre einen extremen Aufschwung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Zurückzuführen ist dies auf Sparprogramme und –zwänge von Bund und Ländern. Einige Autoren sahen das „angebliche Ende der Erwerbsgesellschaft“ kommen (Kistler & Schäfer-Walkmann 1999: 33). Damit nahmen sie Freiwilligenarbeit als entscheidend für „die Überlebensfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft [und] der Demokratie“ wahr (Kistler & Schäfer-Walkmann 1999: 33).

In dieser Arbeit werde ich die Motive darlegen, warum Menschen freiwillig arbeiten. Damit ist die Arbeit im Bereich der positiven Wirtschaft anzusiedeln. Positive Aussagen sind beschreibend und richten sich darauf, wie die Welt ist. Es sind Frageformen, die ermitteln, warum etwas so ist, wie es ist. Positive Aussagen beruhen auf zwei Annahmen: der Knappheit von Gütern sowie dem Treffen von rationalen Entscheidungen (Borjas 2010: 9). Dabei gehe ich folgendermaßen vor: Zuerst werde ich eine Begriffsdefinition geben, da in der deutschsprachigen Literatur mehrere Begriffe synonym verwendet werden in Bezug auf Freiwilligenarbeit. Anschließend werde ich einen Überblick über Arbeiten zum Thema Freiwilligenarbeit aus dem Bereich der Arbeitsökonomie geben. Um das Thema einzugrenzen, werden im Kapitel 3 Museen als Untersuchungsobjekt eingeführt. Ich werde zeigen, wie freiwillige Mitarbeit im Museum konkret aussehen kann und die Gründe aufzeigen, warum Menschen sich im Bereich des Museums unentgeltlich verpflichten. Damit möchte ich die Ergebnisse, die in der bisherigen Literatur gefunden wurden, mit denen des Engagements im Museum zusammenführen.

2. Definition und Forschungsstand zum Thema Freiwilligenarbeit

Im folgenden Abschnitt werde ich eine Definition zum Thema Freiwilligenarbeit und Ehrenamt liefern. Anschließend wird im zweiten Abschnitt auf den Forschungsstand zum Thema Freiwilligenarbeit aus dem Bereich der Arbeitsökonomie eingegangen. Hierbei werde ich Ergebnisse verschiedener Untersuchungen vorstellen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Entwicklung in Italien, da der Dritte Sektor dort in den letzten Jahren ein enormes Wachstum erlebt hat. Hilfreich bei der Erstellung dieser Arbeit war daher die Artikelsammlung Paid and Unpaid Labour in the Social Economy herausgegeben von Destefanis und Musella (2009). Entstanden ist die Sammlung im Rahmen der 21. Jahreskonferenz der AIEL, der „Italian Association of Labour Economists“, die im Jahr 2006 an der Universität von Udine abgehalten wurde und das Thema bezahlte und unbezahlte Arbeit behandelte. Sie enthält aktuelle analytische und empirische Beobachtungen über Interaktionen von bezahlter und unbezahlter Arbeit.

2.1 Was genau meint “Freiwilligenarbeit“?

Im englischsprachigen Raum dominiert in der Literatur der Begriff „volunteers“ für Menschen, die sich frei gewählt, aus freier Überzeugung engagieren. In Deutschland jedoch ist im Zusammenhang mit der Diskussion um freiwilliges Engagement die Vielzahl unterschiedlicher Begrifflichkeiten zu sehen, die ihren Ursprung in einem Strukturwandel des klassischen Ehrenamtes, aufgrund veränderter gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen und dem damit verbundenen Wertewandel haben. Neben den Begriffen Freiwilligenarbeit und Ehrenamt wird der Ausdruck des bürgerschaftlichen Engagements und der einer Bürgergesellschaft verwendet sowie synonym die Bedeutung des sozialen Kapitals für unentgeltliches Arbeiten. Laut gängiger Meinung ist freiwillige Arbeit jede freiwillig erbrachte, nicht auf Entgelt ausgerichtete Tätigkeit, die am Gemeinwohl orientiert ist. Daher wird Freiwilligenarbeit eher als projektbezogenes Engagement ohne längerfristige Bindung betrachtet. Ehrenamt wird verwendet, wenn eine längerfristige Bindung an eine Organisation oder ein Unternehmen besteht. Gelegentlich folgt die Gleichsetzung mit „Sozialem Kapital“. Dieser Ausdruck geht zurück auf Bourdieu (1983: 191). Er bezeichnet damit

„die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind; oder, anders ausgedrückt, es handelt sich dabei um Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen“.

Man darf soziales Kapital nicht mit Humankapital verwechseln. Humankapital kann durch Investitionen in Bildung und Training geschaffen werden und bezieht sich auf natürliche Personen (Borjas 2010: 236). Soziales Kapital hingegen meint die Beziehungen zwischen Personen. Da soziales Kapital ein öffentliches Gut darstellt, ist auch freiwillige Arbeit ein öffentliches Gut (Klages 1999: 101). Für öffentliche Güter gilt die Nichtrivalität im Konsum. Daneben interpretieren viele Autoren bürgerschaftliches Engagement als Oberbegriff für das breite Spektrum gemeinwohlorientierter Tätigkeiten. Da die meisten freiwilligen Arbeiter im Dritten Sektor tätig sind, möchte ich noch diesen Begriff erläutern. Rifkin (2007: 193) definiert ihn wie folgt: Hier „herrschen nicht treuhänderische Strukturen, sondern gemeinschaftliche Bindungen vor. Man widmet seinen Mitmenschen Zeit statt künstliche Marktbeziehungen mit ihnen einzugehen und sich und seine Dienste zu verkaufen“.

Obwohl es eindeutig einen Konsens über die Wichtigkeit von Ehrenamt und bürgerschaftlichem Engagement in der Gesellschaft gibt, werden die Begriffe in der Literatur oft uneinheitlich, teils synonym verwendet. Vor diesem Hintergrund erfolgt im Rahmen dieser Arbeit ein synonymer Gebrauch der Begrifflichkeiten, wobei der Begriff der ehrenamtlichen Arbeit bzw. der Freiwilligenarbeit bevorzugt verwendet wird. Ursächlich dafür ist die Tatsache, dass diese Arbeit im Bereich der Arbeitsmarkttheorie angesiedelt ist. All die Begriffe machen deutlich, dass freiwilliges Arbeiten mehr darstellt als unbezahlte Arbeit (Michelutti & Schenkel 2009: 82). Die Abwesenheit eines Gehaltes definiert daher nicht die freiwillige Arbeit. Freeman (1997: 140) sieht freiwillige Arbeit als „a conscience good or activity“, als „something that people feel morally obligated to do when asked, but they would just as soon let someone else do“. Diese Auslegung hebt das freiwillige Tun hervor, zeigt aber, dass Freiwilligenarbeit etwas ist, für das sich Menschen in gewisser Weise verpflichten. Ehrenamtliche erhalten durch ihre Tätigkeit verschiedene Rückmeldungen, die sich positiv auf ihr Wohlbefinden auslösen. Damit ist Ehrenamt nicht nur freiwillige, unbezahlte, spontane und zweckfreie Hilfe von Mensch zu Mensch.

2.2 Ergebnisse zum Thema Freiwilligenarbeit

In diesem Kapitel werden Arbeiten zum Thema Ehrenamt aus dem Bereich der Arbeitsökonomie vorgestellt. Es handelt sich um eine subjektive Auswahl, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Grundsätzlich wird das Thema “Freiwilligenarbeit” in Untersuchungen auf zwei verschiedene Arten angegangen: mithilfe quantitativer Arbeiten oder qualitativer Arbeiten. Quantitative Arbeiten beschreiben vor allem das Wachstum des Dritten Sektors. Der Dritte Sektor stellt einen signifikant wachsenden Sektor dar und spielt auch aus wirtschaftlicher Sicht eine wichtige Rolle (Rifkin 2007: 194). Qualitative Arbeiten befassen sich hauptsächlich mit der Organisation dieser Tätigkeitsform. So arbeiten in Nonprofit-Organisationen häufig bezahlte und unbezahlte Arbeiter neben- bzw. miteinander (Destefanis & Musella 2009: 2). Diese Koexistenz verschiedener Formen von Arbeit macht das Thema für arbeitsökonomische Untersuchungen interessant.

Im Folgenden möchte ich die Entwicklung dieser qualitativen Arbeiten aufzeigen. Den Schwerpunkt setze ich hierbei auf Arbeiten, die in den letzten Jahren entstanden sind. Die frühesten Arbeiten sahen die Motive für freiwilliges Arbeiten vor allem in altruistischen Motiven, die in manchen Menschen von Geburt an inkorporiert sind. Becker (1976) zum Beispiel ging davon aus, dass Menschen, die freiwillig tätig sind, ihren Nutzen allein dadurch maximieren, dass sie anderen helfen. Menchik und Weisbrod (1987) sehen Freiwilligenarbeit in Verbindung mit dem Aufbau von Humankapital. Sie argumentieren, dass Menschen sich freiwillig engagieren, weil sie aus diese Weise einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt erhalten und ihre Chancen in Bezug auf zukünftige Einkommen erhöhen. Damit kommt der Freiwilligenarbeit eine Signalrolle zu, indem Arbeiter mit ihrem freiwilligen Engagement ihre Motivation zum Ausdruck bringen. Hierbei stehen sich zwei theoretische Ströme gegenüber: das Consumption- Modell und das Investment-Modell. Das Consumption-Modell nimmt an, dass Spenden einen direkten Nutzen für die Individuen tragen, dagegen basiert das Investment-Modell auf der Annahme, dass Freiwilligenarbeit die individuellen Verdienstmöglichkeiten durch steigende Berufserfahrung erhöht (Cappellari & Turati 2004: 621).

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Details

Titel
Warum arbeiten Menschen freiwillig?
Untertitel
Eine arbeitsökonomische Betrachtung des Ehrenamtes am Beispiel von Museumsengagement
Hochschule
Universität Hamburg
Veranstaltung
Seminar Applied Labour Economics
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
20
Katalognummer
V265107
ISBN (eBook)
9783656545897
ISBN (Buch)
9783656545958
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
warum, menschen, eine, betrachtung, ehrenamtes, beispiel, museumsengagement
Arbeit zitieren
M.A. Anna Lietz (Autor:in), 2012, Warum arbeiten Menschen freiwillig?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265107

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