Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet

Rechtsschutzmöglichkeiten des Verletzten - Insb. die Verantwortlichkeit der Provider


Seminararbeit, 2012

41 Seiten, Note: 11


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis:

A. Einleitung

B. Gang der Darstellung

C. Die Verletzung von Personlichkeitsrechten im Internet
I. Das zivilrechtliche allgemeine Personlichkeitsrecht
1. Grundlagen
2. Das aPR als sog. Rahmenrecht
3. Fallgruppen des aPR
a. Das Recht auf Schutz vor Indiskretion
aa. Schutz der Intimsphare und Verletzungsformen im Internet
bb. Schutz der Privatsphare und Verletzungsformen im Internet
cc. Schutz der Sozialsphare und Verletzungsformen im Internet
dd. Schutz der Offentlichkeitssphare und Verletzungsformen im Internet
b. Das Recht auf Selbstbestimmung uber die Darstellung der eigenen Person
aa. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Verletzungsformen im Internet
III. Die sog. besonderen Personlichkeitsrechte
1. Das Namensrecht und mogliche Verletzungsformen im Internet
2. Das Recht am eigenen Bild und Verletzungsformen im Internet
3. Schutz der Ehre, des guten Rufs und Verletzungsformen im Internet

D. Moglichkeiten des Rechtsschutz bei Personlichkeitsrechtsverletzung im Internet
I. Anspruch aufGegendarstellung
II. Anspruch auf Unterlassung
III. Anspruch auf Berichtigung
1. Anspruch auf Widerruf
2. Anspruch auf Richtigstellung und Erganzung
IV. Anspruch auf Schadensersatz
1. Materieller Schadensersatz - Voraussetzungen
2. Immaterieller Schadensersatz bzw. die sog. Geldentschadigung - Voraussetzungen
a. Schwere Personlichkeitsrechtsverletzung- Eingriffsintensitat
b. Subsidiaritat
c. Immaterieller Schaden und Hohe des immateriellen Schadensersatzes
V. Erganzende Anspruche
1. AllgemeinerAuskunftsanspruch, § 242 BGB
2. Vernichtungsanspruch

E. Verantwortlichkeit im Internet
I. Die Haftung des unmittelbaren Verletzers im Internet
II. Die Haftung des Content-, Access und Host-Providers nach dem TMG
1. Haftung fureigene Inhalte
2. Haftung furfremde Inhalte
a. Unterlassunganspruche
b. Schadensersatzanspruche 3l
aa. DerAccess-Provider, § 8 TMG 3l
bb. Caching, § 9 TMG
cc. Der Host-Provider, § 10 TMG

F. Besonderheiten derVerantwortlichkeit im Internet
I. Haftung furPersonlichkeitsrechtsverletzungen durch Hyperlinks
II. Haftung fur Personlichkeitsrechtsverletzungen durch Suchdienste

G. Die Geltendmachung von Personlichkeitsrechtsverletzungen im Internet
I. Die Zustandigkeit deutscher Gerichte
1. Bestimmung des Handlungsortes
2. Bestimmung des Erfolgsortes
3. Unterschiede zwischen Off- und Online-Kommunikation
II. Das anwendbare Recht

H. Bedarfes einer„internetspezifischen Anpassung des privaten Presserechts"?

Literaturverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abkurzungsverzeichnis

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A. Einleitung

Das Internet bietet heute unzahlige Moglichkeiten und Vorteile. In besonderem Mafie gilt dies fur die Ver- letzung von Personlichkeitsrechten durch Beleidigungen in Social Networks, Internetforen und Weblogs oder durch das Verbreiten von Bildern, Videos und anderer Daten. Die Besonderheit dieser Personlich- keitsrechtsverletzungen liegt dabei in ihrer Distanz- und Streuwirkung, sowie in ihrer Anonymitat. So kann fastjeder Mensch auf der Welt mit einem Computer oder Mobiltelefon Webseiten abrufen und meist unerkannt Bilder, Videos, Musik und andere Inhalte verbreiten. Dies ist an nahezu jedem beliebigen Ort der Welt moglich, sodass nationale Grenzen immer mehr an Bedeutung verlieren. Die so enstehende Ge- fahrdungslage fur Personlichkeitsrechte wird in der vorliegenden Arbeit untersucht werden.

B. Gang der Darstellung

Im ersten Teil der Arbeit werden die fur das Internet relevanten Bereiche des zivilrechtlichen allgemeinen Personlichkeitsrechts und die der sog. besonderen Personlichkeitsrechte naturlicher Personen dargestellt. Im Rahmen der Darstellung der besonderen Personlichkeitsrecht wird Augenmerk auf die § 12 BGB, §§ 22 ff. KUG und die §§185 ff. StGB gelegt. Auf die Urheberrechtspersonlichkeitsrechte wird nicht einge- gangen. Diese schutzen lediglich die Interessen des Schopfers an seinem Werk, sind mithin werkbezogen und unterfallen nicht dem engen Personlichkeitsbegriff[1]. Einen Schwerpunkt des ersten Teils wird die Darstellung der Erscheinungsformen von Personlichkeitsrechtsverletzungen im Internet bilden. Aus Grun- den der Ubersichtlichkeit werden die bestehenden Rechtsschutzmoglichkeiten im zweiten Teil gesondert aufgezeigt. Der dritte Teil der Arbeit befasst sich damit, wer bei Personlichkeitsrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden kann, sowie welche Besonderheiten sich diesbezuglich im Internet ergeb- en. In Teil Vier werden haufig auftretendene Zustandigkeitsfragen, sowie kollionsrechtliche Fragen unter besonderer Berucksichtigung neuerer EuGH Rechtsprechung[2] thematisiert. Eventuell bestehende Unter- schiede zwischen Off- und Online-Kommunikation werden aufgezeigt. Im funften und letzten Teil der Ar­beit, wird abschliefiend der Frage nachgegangen, ob es einer internetspezifischen Anpassung des privaten Presserechts bedarf.

C. Die Verletzung von Personlichkeitsrechten im Internet

I. Das zivilrechtliche allgemeine Personlichkeitsrecht 1. Grundlagen

Wie im Verfassungsrecht findet sich auch im Zivilrecht keine positiv-rechtliche Regelung des aPR[3]. Der Grund fur dieses Fehlen lag zum Einen in der Erwagung, dass deliktsrechtlicher Ehrenschutz durch § 823 II i.V.m. §§185 ff. StGB bzw. in Extremfallen uber § 826 BGB[4] gewahrleistet werden sollte, zum Ande- ren war man in den 1900er Jahren der Auffassung, dass immaterielle Schaden nicht mit materiellen Schaden auf einer Stufe stunden und daher nicht zu ersetzen seien[5]. Die Anerkennung des aPR als Grund- recht bzw. ,,sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 I BGB durch die Rechtsprechung erfolgte daher erst gut 50 Jah- re nach in Kraft treten des BGB[6] durch richterliche Rechtsfortbildung mit dem sog. „Leserbrief-Urteil“[7] von 1954 und dem Fall ,,Paul Dahlke“ aus dem Jahr 1956[8]. Das nach diesen Entscheidungen allgemein anerkannte zivilrechtliche aPR stellt ein absolutes, umfassendes, ideeles sowie kommerzielles Recht auf Achtung und Entfaltung der Personlichkeit dar[9]. Vom zivilrechtlichen aPR ist das verfassungsrechtlich ge- wahrleistete aPR abzugrenzen. Dieses gilt nicht unmittelbar zwischen privaten Rechtstragern, da Grund- rechtsverpflichteter allein der Staat ist[10]. Da das Grundgesetzjedoch eine objektive Werteordnung enthalt und nicht wertneutral ist, strahlen die Grundrechte in das einfache Recht aus[11] und entfalten sog. mittelba- re Drittwirkung[12]. Diese ist zu bejahen, wenn das einfache Recht „Einbruchstellen“ fur Grundrechte durch Generalklauseln oder unbestimmte Rechtsbegriffe (wie das „sonstige Recht“ in § 823 I BGB) bietet. Das aPR wirkt daher auch im Privatrechtsverkehr gegenuber Jedermann[13] und geniefit als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 I BGB[14] den Schutz der absoluten Rechte.

2. Das aPR als sog. Rahmenrecht

Das aPR unterscheidet sich von den anderen Schutzgutern des § 823 I BGB vor allem durch das Fehlen einer festen und eindeutigen Umgrenzung[15] und wird daher auch als Rahmenrecht qualfiziert[16]. Daraus folgt, dass Inhalt und Grenzen des aPR nicht feststehend bestimmt werden konnen bzw. geradezu unbe- stimmt bleiben mussen[17], um den sich verandernden Rahmenbedingungen einer modernen Gesellschaft Rechnung zutragen, und so eine kontinuierliche Weiterentwicklung des aPR ermoglichen zu konnen[18]. Die Widerrechtlichkeit eines Eingriff wird deshalb auch nicht durch den Eingriff selbst indiziert[19]. Viel- mehr ist eine sorgfaltige, einzelfallbezogene und alle Umstande berucksichtigende Guter- und Interessen- abwagung vorzunehmen[20]. Bei dieser Abwagung kommt es darauf an, welche Schutzssphare des aPR be- troffen ist, auf welche grundrechtlichen oder sonstigen Interessen bzw. Motive sich der Schadiger berufen kann, wie schwer die Eingriffsqualitat zu werten ist und ob der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Grundsatz der Verhaltnismafiigkeit gewahrt wurde[21]. Im Bereich des Medien- bzw. „Internetrechts“ ist dabei in aller Regel zwischen dem Recht auf Meinugs-, Presse- und/oder Informationsfreiheit der Offentlichkeit (Art. 5 GG) sowie dem Personlichkeitsrecht des Einzelnen (Art. 2, 1 GG) abzuwagen.

3. Fallgruppen des aPR

Die oben beschriebene Eigenart des aPR als Rahmenrecht, macht eine Guter- und Interessenabwagung schwierig. Um diese zu erleichtern, hat die Rechtsprechung eine Reihe von Fallgruppen entwickelt, wel­che jedoch nicht als abschliefiend zu verstehen sind[22]. Die Fallgruppen mit der meisten Internetrelevanz, namentlich das Recht auf Schutz vor Indiskretion, sowie das Recht auf Selbstbestimmung uber die Dar- stellung der eigenen Person, werden im Folgenden dargestellt.

a. Das Recht auf Schutz vor Indiskretion

Zur Personlichkeit gehort ein Bereich der unbefugter und offentlicher Kenntnisnahme entzogen ist. In diesen Bereich soll der Mensch sich zuruckziehen konnen und darauf vertrauen durfen, dass dieser auch von der Offentlichkeit, speziell von der offentlichen Berichterstattung, entzogen bleibt[23]. Um den Schutz vor Indiskretion naher zu konkretisieren, wurde die sog. Spharentheorie entwickelt. Diese Theorie ist auch auf internetbezogene Sachverhalte anzuwenden[24]. Das durch das aPR gewahrleistete Schutzniveau wird uberwiegend danach bestimmt, in welche Sphare konkret eingegriffen wird[25]. Man unterscheidet im wesentlichen vier Spharen: Die Intim-, die Privat-, die Sozial-, sowie die Offentlichkeitssphare.

aa. Schutz der Intimsphare und Verletzungsformen im Internet

Den starksten Eingriff in das allgemeine Personlichkeitsrecht stellen Veroffentlichungen - gleich welcher Form - aus der Intimsphare dar.[26] Die Intimsphare kennzeichnet den unantastbaren Bereich der Person- lichkeit[27], den sog. Kernbereich[28] und umfasst die innere Gedanken- und Gefuhlswelt mit ihren aufieren Erscheinungsformen[29]. Der Kernbereich ist gegenuber jeglicher offentlichen Gewalt und Eingriffen von privater Seite verschlossen[30], geniefit also absoluten Schutz[31]. Eine Guter- und Interessenabwagung findet nicht statt[32]. Auch ein herausragendes Informationsinteresse der Offentlichkeit kann Beeintrachtigungen der Intimsphare nicht rechtfertigen.[33]

Eingriffe in die Intimsphare konnen On- wie Offline durch die Veroffentlichung von Informationen oder der Darstellung von Details (z.B. Nacktbilder) aus der Intimsphare erfolgen. Zu beachten ist, dass der in seinem Personlichkeitsrecht Betroffene durchaus auf seinen Schutz verzichten kann[34]. Macht dieser be- wusst Angaben im Internet, selbst zu intimsten Details, begibt er sich in die Offentlichkeit und hat Ein­griffe in die Intimsphare hinzunehmen. Ein solcher Schutzverzicht, z.B. durch die Preisgabe von Details aus der Intimsphare in Social-Networks, ist gerade im Internet moglich. Ob ein Schutzverzicht vorliegt, ist danach zu bestimmen wie der „User“ im Internet tatig wird. Erfolgt die Preisgabe intimer Informatio­nen in anonymisierter Form bzw. unter einem Pseudonym, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der „User“ sich seines Personlichkeitsschutzes begeben wollte, denn gerade in einem solchen Fall wollte er unerkannt bleiben und unter gar keinen Umstanden den Schutz seiner Intimsphare aufgeben[35]. Auch die Besonderheiten des Internets konnen in diesen Fallen nicht zu anderen Ergebnissen fuhren, denn gerade dort ist der Einezelne besonders schutzwurdig. Weder die Moglichkeit der Manipulierbarkeit der Identitat der Teilnehmer, noch die mutmafilichen Eigenheiten "virtueller" Vernetzung sprechen fur eine Lockerung des allgemeinen personlichkeitsrechtlichen Standards[36].

bb. Schutz der Privatsphare und Verletzungsformen im Internet

Die Privatsphare unterliegt keinem absoluten Schutz. Zwar sind Veroffentlichungen aus ihr gegen den Willen des Betroffenen prinzipiell unzulassig, dennoch kann eine umfassende Guter- und Interessenabwa- gung dazu fuhren, dass das Informationsinteresse der Offentlichkeit, dass des Betroffenen am Schutz sei­ner Privatsphare auch bei ungenehmigter Veroffentlichung uberwiegt. Die Privatsphare umfasst das Leben im Familien- und Freundeskreis[37]. Der Schutz der Privatsphare beginnt insofern an der „Haustur“ des Be­troffenen[38], geht aber auch uber den hauslichen Bereich hinaus[39]. Dies ist allerdings nur der Fall, sofern sich der Betroffene an eine Ortlichkeit begeben hat, die von der breiten Offentlichkeit abgeschieden ist bzw. wenn er sich von der Offentlichkeit erkennbar zuruckgezogen hat. Wann von einer solchen ortlichen Abgeschiedenheit oder einem Ruckzugsort gesprochen werden kann, ist einzelfallbezogen zu bestimmen. Dabei kommt es nicht nur auf die ,,objektive Gegebenheit der Ortlichkeit zur fraglichen Zeit“[40] an, also auf die durch die bauliche Architektur erzeugte Abgeschiedenheit[41]. Ausreichend kann schon die begrundete Annahme des Einzelnen sein, unbeobachtet und nicht der Offentlichkeit ausgesetzt zu sein[42].

Eingriffe in die Privatsphare konnen im Internet daher durch die Veroffentlichung der oben dargestellten personlichen Informationen und Daten erfolgen, also z.B. durch die Onlineberichterstattung einer Tages- zeitung uber das Leben des Betroffenen im Familien- und Freundeskreis. Ein Eingriff ist aber auch durch die Preisgabe von an ,,virtuellen Orten“ (z.B. Internetforen) erlangten personlichen Informationen und Daten moglich. Begibt sich der „User“ z.B. in nichtoffentliche Chats oder nutzt er ein passwortgesichert- es Forum, kann er meist davon ausgehen, dass das an diesen „virtuellen Orten“ Geaufierte, dort verbleibt. Es ist daher nicht ersichtlich warum der Schutz der Privatsphare im virtuellen Raum enden sollte[43]. Wahlt der „User“ dagegen eine ungesicherte oder offentliche Kommunikationsform kann sich dies durchaus als Schutzverzicht darstellen. Weiterhin ist stets zu beachten, ob der „User“ anonymisiert im Internet auftritt bzw. sich eines Pseudonyms bedient.

cc. Schutz der Sozialsphare und Verletzungsformen im Internet

So wie die Privatsphare unterliegt auch die Sozialsphare keinem absoluten Schutz[44]. Die Sozialsphare ei- ner Person ist der Offentlichkeit zugewendet und umfasst die Bereiche, die nicht mehr als Privatleben an- zusehen sind, und grundsatzlich von jedem Dritten wahrgenommen werden konnen[45]. Eine personliche Beziehung zu diesem Dritten muss nicht bestehen[46]. Im Gegensatz zur Privatsphare sind Beeintrachtigun- gen der Sozialsphare bei berechtigtem Informationsinteresse der Offentlichkeit hinzunehmen[47]. Selbst die Veroffentlichung von Tatsachen, die fur den Betroffenen negativ oder peinlich sind, sind meist zu ertra- gen, sofern dadurch nicht ein verzerrtes Personlichkeitsbild des Betroffenen erzeugt wird[48]. Freilich sind Mitteilungen aus der Sozialsphare bei strafbewahrten Aufierungen i.S.d. §§ 185 ff. StGB nicht zu erdul- den. Aufierdem geht das Interesse von Kindern an einer freien Entfaltung und ungehinderten Entwicklung ihrer Personlichkeit dem offentlichen Informationsinteresse vor[49].

Eingriffe in die Sozialsphare konnen im Internet durch die verzerrende oder beleidigende Darstellung ei­ner Person erfolgen. Zur Verdeutlichung von moglichen Eingriffen in die Sozialsphare im Internet sei bei- spielhaft das „Spickmich-Urteil“ des BGH genannt[50]: Bei Spickmich.de handelt es sich um ein Bewer- tungsportal, auf der Schuler u.a. ihre Lehrer und deren Unterricht bewerten konnen, z.B. mit „fachlich kompetent“. Eine Lehrerin hatte gegen das Spickmich.de geklagt, da sie sich u.a. durch die von Schulern vergebene Durchschnittsnote, in ihrem Personlichkeitsrecht verletzt sah. Sie forderte u.a die Unterlassung der Bewertung nach §§ 823 I, 1004 I BGB Analog[51]. Das LG Koln stellte fest, dass durch die an- gegriffenen Bewertungen, welche dem Schutzbereich des Art. 5 I GG zuzuordnen seien, nicht das Er- scheinungsbild oder die allgemeine Personlichkeit der Klagerin betroffen seien, sondern (nur) die konkre- te Ausubung ihrer beruflichen Tatigkeit und damit ihre Sozialsphare. Eine Personlichkeitsverletzung lage nicht vor, da sich die Bewertung des Verhaltens und Auftretens eines Lehrers nicht als blofie Diffamierung darstelle und auch nicht des erforderlichen Sachbezugs entbehre, also keine unzulassige Schmahkritik darstelle. Das OLG Koln[52], sowie der BGH[53] folgten dieser Einschatzung. Den Urteilen ist zuzustimmen. Eine Verletzung der Sozialsphare im Internet kann daher durch Schmahkritik auf Bewertungsportalen er- folgen. So konnte ein Eingriff z.B. zu bejahen sein, wenn ein Rechtsanwalt auf einschlagigen Portalen als „Winkeladvokat“[54] bezeichnet wird.

dd. Schutz der Offentlichkeitssphare und Verletzungsformen im Internet

Nahezu keinen Schutz vor Indiskretion weist die Offentlichkeitssphare auf. Von der Offentlichkeitssphare umfasst ist der gesamte Bereich des menschlichen Lebens, der sich in der Offentlichkeit abspielt und von dem Jedermann Kenntnis nehmen kann oder soll.[55] Eine Veroffentlichung von Informationen aus der Of­fentlichkeitssphare ist umfassend zulassig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die betreffenden Informa­tionen bewusst oder unbewusst ihren Weg in die Offentlichkeit gefunden haben. Der Betroffene bleibt da- her weitgehend auf den Ehrschutz verwiesen.[56]

Eingriffe in die Offentlichkeitsphare sind im Internet kaum moglich. Deutlich wird dies bei Betreibern von privaten Webseiten oder Mitgliedern eines Social-Networks. Diese bezwecken durch ihre Internetpra- senz meist einen offentlichkeitswirksamen Auftritt. Die Verwendung von im Internet prasentierten Infor­mationen ist daher auch ohne Einwilligung zulassig[57] und kann nur verhindert werden, wenn ein miss- brauchlicher oder schikanoser Gebrauch gegeben ist[58].

b. Das Recht auf Selbstbestimmung uber die Darstellung der eigenen Person

aa. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Verletzungsformen im Internet

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schutzt den Einzelnen vor der Verwertung, wie z.B. der Verarbeitung oder Verwahrung, personenbezogener Daten[59]. Es wurde vom BVerfG im sog. „Volkszah- lungsurteil“[60] herausgearbeitet. Dem Urteil lag die Uberlegung zugrunde, dass im Zeitalter der elektroni- schen Datenverarbeitung keine „belanglosen“ Daten mehr existieren. Ein neues ,,Grundrecht auf Daten- schutz“ bildet es nicht[61]. Zwar ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorrangig ein Abwehrrecht des Burgers gegen den Staat, entfaltet aber auch im Privatrechtsverkehr mittelbare Wir- kung[62].

[...]


[1] Roth, Die international Zustandigkeit deutscher Gerichte bei Personlichkeitsrechtsverletzungen im Internet S. 20.

[2] u.a. EuGH C-509/09 (erhaltlich injuris).

[3] Epping, Grundrechte, Rdnr. 627.

[4] RGZ 72, 175 ; 85, 343; 115, 416; 162, 7.

[5] Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, Rdnr. 1234; BVerfG 34, 269 ff..

[6] Sieht man von dem Fall aus dem Jahre 1899 ab, in dem sich zwei Unbefugte Zugang zum Sterbezimmer des toten Otto von Bismarck verschafften und Fotografien von diesem anfertigten; RGZ 45, 170 ff.

[7] BGHZ 13, 334 ff.

[8] BGHZ 20, 345 ff.

[9] BGH NJW 2004, 762, 763; 2004, 596 f.; NJW-RR, 2005, 1566.

[10] Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rdnr. 26.

[11] Sachs, Art.2GG,Rdnr. 40.

[12] Fechner, Medienrecht, Rdnr. 16.

[13] J. Lange/Schmidbauer in:jurisPK-BGB, Rdnr. 28.

[14] BGHZ 24, 72, 76.

[15] Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil,Rdnr. 1238

[16] Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht BT, § 45 Rdnr. 52; J. Lange/Schmidbauer in:jurisPK-BGB, § 823 BGB, Rdnr. 65.

[17] BGHZ 24, 72.

[18] Ohrmann, Der Schutz der Personlichkeit in Online-Medien, S.78.

[19] J. Lange/Schmidbauer in:jurisPK-BGB, § 823 BGB, Rdnr. 65.

[20] BGH NJW 2004, 762, 764.

[21] Ohrmann, Der Schutz der Personlichkeit in Online-Medien , S. 79.

[22] J. Lange/Schmidbauer in:jurisPK-BGB, § 823 BGB, Rdnr. 28.

[23] BVerfG 27, 1; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, Rdnr. 94.

[24] BGHZ 181, 328; Spindler, Personlichkeitschutz im Internet F 39; Bruns, AfP 2011, 421 ff..

[25] Kohler, Personlichkeitsrechte im Social Web, S.61.

[26] Gounalakis/Rhode, Personlichkeitsschutz im Internet, Rdnr. 196.

[27] J. Lange/Schmidbauer in:jurisPK-BGB, § 823 BGB, Rdnr. 66.

[28] BVerfGE 34, 238 ff..

[29] Sprau in: Palandt, § 823 BGB, Rdnr. 87; Nink in: Spindler/Schuster, Rdnr. 20.

[30] Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, Rdnr. 125.

[31] Sprau in: Palandt, § 823 BGB, Rdnr. 87.

[32] J. Lange/Schmidbauer in:jurisPK-BGB, § 823 BGB, Rdnr. 66.

[33] Gounalakis/Rhode, Personlichkeitsschutz im Internet, Rdnr. 196.

[34] BVerfGE 80, 367-383; Spindler, Personlichkeitschutz im Internet, F 40, F 42; Gounalakis/Rhode, Personlichkeitsschutz im Internet, Rdnr. 199; Bruns, AfP 2011,421 ff.; Damm/Rehbock, Unterlassung, Widerruf und Schadensersatz, Rdnr. 128.

[35] Ohrmann, Der Schutz der Personlichkeit in Online-Medien, S. 83; Gounalakis/Rhode, Personlichkeitsschutz im Internet, Rdnr. 199.

[36] Bruns, AfP 2011,421 ff..

[37] Sprau in: Palandt, § 823 BGB, Rdnr. 87.

[38] BGHZ 131,332.

[39] FrenzNJW 2008, 3102,3103.

[40] BVerfG NJW 2000, 1021, 1023.

[41] Ohrmann, Der Schutz der Personlichkeit in Online-Medien, S. 82.

[42] Ebda.

[43] Spindler, Personlichkeitschutz im Internet, F 40; Bruns, AfP 2011, 421 ff..

[44] Sprau in: Palandt, § 823 BGB, Rdnr. 87.

[45] Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, Rdnr. 101.

[46] Ebda.

[47] Gounalakis/Rhode, Personlichkeitsschutz im Internet, Rdnr. 200.

[48] BVerfGNJW 2000,2192,2193.

[49] BVerfG NJW 2000, 2191.

[50] BGH MMR 2009, 608 ff..

[51] LG Koln ZUM 2011, 84 ff..

[52] OLG Koln MMR 2008, 672 ff..

[53] BGHZ 181, 328 - 345 (erhaltlich injuris).

[54] OLG Report NRW 32/2012 Anm. 8 .

[55] Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, Rd 96.

[56] Gounalakis/Rhode, Personlichkeitsschutz im Internet, Rdnr. 203.

[57] Ohrmann, Der Schutz der Personlichkeit in Online-Medien, S. 84.

[58] Gounalakis/Rhode, Personlichkeitsschutz im Internet, Rdnr. 203.

[59] Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, Rdnr. 23.

[60] BVerfGE 65, 1-71 (erhaltlich injuris).

[61] Pieroth/Schlink S. 92 Rd. 399; Jarass/Pieroth Art. 2 GG, Rdnr. 37.

[62] Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rdnr. 42.

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet
Untertitel
Rechtsschutzmöglichkeiten des Verletzten - Insb. die Verantwortlichkeit der Provider
Hochschule
Universität zu Köln  (Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Rechtstheorie; Prof. Dr. Dan Wielsch, LL.M. (Berkeley))
Note
11
Autor
Jahr
2012
Seiten
41
Katalognummer
V266031
ISBN (eBook)
9783656557968
ISBN (Buch)
9783656557951
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
persönlichkeitsrechtsverletzungen, internet, rechtsschutzmöglichkeiten, verletzten, insb, verantwortlichkeit, provider
Arbeit zitieren
Constantin Martinsdorf (Autor:in), 2012, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/266031

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