Reduplikative Topik-Konstruktionen im Spanischen

Analyse und Überlegungen zur Didaktik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Einbettung von Topik/Topikalisierung, Reduplikation und Intonation - Begriffliche Klärung
2.1. Topik/Topikalisierung
2.2. Reduplikation
2.3. Phonologie/Phonetik und Intonation

3. Reduplikative Topik im Spanischen

4. Didaktische Überlegungen zur Vermittlung reduplikativer Topik-Konstruktionen
4.1. Theoretische und formale Voraussetzungen
4.2. Die Unterrichtseinheit zur Intonation
4.3. Evaluation

5. Resümee

6. Bibliographie

1. Einleitung

„Essen, Essen, was das Essen angeht muss man sagen, dass er nicht viel isst, dafür trinkt er wie ein Kosake.“ Diese äußerst holprige Übertragung des Beispielsatzes (1) Comer comer, no come, pero bebe como un cosaco. ins Deutsche macht deutlich, dass bestimmte Manifestationen von Sprache nicht einfach übersetzt werden können. Gleichzeitig ist nachfolgende „highly idiosyncratic configuration“ (Valenzuela et al. 2005: 201) aus dem Spanischen ein Beispiel dafür, dass Form und Bedeutung einer Aussage nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können.

Im Spanischen ist es - anders als im Deutschen - möglich, einem einzelnen Ausdruck oder einer be- stimmten Konstruktion durch Wiederholung eine erhöhte Bedeutung zuzuweisen.1 Dieses sprachli- che Phänomen wird „reduplikative Topikalisierung“ genannt (vgl. zur begrifflichen Klärung Kapitel 2). Bei dem vorliegenden Sprachbeispiel handelt es sich um eine vielschichtige sprachliche Konstruktion, die in dieser Arbeit herangezogen wird, um die Vorteile der Konstruktionsgrammatik (construction grammar, im Folgenden: CxG) im Vergleich mit der generativen Grammatik aufzuzeigen. Die Vertre- ter der CxG verstehen „Konstruktionen“ als eine Verbindung von Form und Bedeutung und versu- chen zu verdeutlichen, dass der traditionelle Ansatz (atomare Betrachtung einzelner syntaktischer Einheiten) in vielen Fällen nicht dabei hilft, deren gesamten Gehalt umfassend zu erläutern. Der grundlegende Unterschied zur generativen Grammatik besteht darin, dass die CxG bei der Analyse nicht nur die syntaktische, sondern auch die semantische und teilweise die phonologische Dimension in den Blick nimmt. Beide Ansätze begreifen Sprache zwar als kognitives Modell, doch wird in der CxG angenommen, dass sprachliche Konstruktionen aufgrund von Input erlernt werden. Ihre Vertreter sprechen sich daher gegen die Idee einer Universalgrammatik aus (vgl. Goldberg 2003: 219f.).

In Opposition zum „Wort-und-Regel-Ansatz“ der generativen Grammatik geht die funktionale Sprachwissenschaft von zwei Grundsätzen aus: 1. Die generellen syntaktischen Prinzipien sind nicht in der Lage, alle Phänomene/Abweichungen in der Syntax zu erklären. 2. Reine syntaktische Prinzipien verkennen die vielfältigen semantischen und phonologischen Abweichungen innerhalb grammatikalischer Konstruktionen (vgl. Valenzuela et al. 2005: 202).

Für Sätze wie (1) ist die Methode der CxG äußerst vielversprechend, da die Bedeutung der Konstruk- tion nicht allein durch die Einzelanalyse der syntaktischen Elemente erklärt werden kann. Die ungewöhnliche Struktur der Äußerung macht es notwendig, tatsächlich auch die semantischen und phonologischen Ebenen in die Analyse einzubeziehen.

Gerade für Fremdsprachenlerner kann eine derart idiosynkratische Konstruktion zu Verwirrung und Unverständnis führen. Deswegen ist es wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, wie dieses mehrdimensionale Phänomen im Spanisch-Unterricht vermittelt werden kann. Dazu ist es notwendig, den SchülerInnen die Besonderheiten der Konstruktion bewusst zu machen und sie dafür zu benutzen, bestimmte Sprachbilder einzuüben.

Es ergibt sich in vorliegender Arbeit also folgende Gliederung: Nach der begrifflichen Klärung von „Topik/Topikalisierung“ und „Reduplikation“ (Kapitel 2) wird das vorliegende Sprachbeispiel einer genaueren Betrachtung unterzogen (Kapitel 3). Im Anschluss wird ein Vorschlag zur Didaktik von Intonation - die eine besondere Bedeutung für das Sprachbeispiel hat - im fremdsprachlichen Unterricht Spanisch dargestellt und kritisch evaluiert. Außerdem werden Verbesserungsvorschläge gemacht. Dabei wird auch gezeigt, inwiefern die Konstruktionsgrammatik dabei helfen kann, das vorliegende Phänomen auch im Fremdsprachenunterricht verständlich zu machen (Kapitel 4). Ein Resümee fasst die hauptsächlichen Aussagen der Arbeit zusammen.

2. Einbettung von Topik/Topikalisierung, Reduplikation und Intonation - Begriffliche Klärung

Im Folgenden werden die für die vorzunehmende Analyse des Satzes (1) wichtigen Begriffe „Topik/Topikalisierung“, „Reduplikation“ und „Intonation“ erläutert.

2.1 Topik/Topikalisierung

Bußmann (2008: 742f.) verweist unter dem Stichwort2 „Topik“ sowohl auf den Artikel „Thema vs. Rhema“, als auch auf „Topik vs. Prädikation“. Dies macht deutlich, dass innerhalb der Sprachwissen- schaft keine begriffliche Einigung hinsichtlich des Topik besteht. Bußmann (2008: 743f.) stellt im Arti- kel „Topik vs. Prädikation“ (s. u. zu „Thema vs. Rhema“) dar, dass die Forschung sich zwar einig dar- über ist, dass Sätze in „Satzgegenstand (›das, worüber etwas ausgesagt wird‹) und Satzaussage (›das, was darüber ausgesagt wird‹)“ (Bußmann 2008: 743) gegliedert werden können. Doch besteht offen sichtlich Uneinigkeit über die Benennung dieser Konstituenten.3 In jedem Fall gelten Topik und Prädi kation als semantische bzw. pragmatische Relationen (vgl. Bußmann 2008: 743). Unterschiedliche Ansätze werden im Folgenden ausgeführt.

Im Rahmen einer sprachwissenschaftlichen Einführung weist Dürscheid (2012) darauf hin, dass sich alle Analysen des Topik auf der Ebene der Funktionalen Grammatik befinden. Diese versuche, „die Akzeptabilität syntaktischer Strukturen aus dem Zusammenspiel von syntaktischen und nichtsyntaktischen Faktoren zu erklären“ (Dürscheid 2012: 173). Sie erläutert anschließend drei Faktoren, die bei der Bildung komplexer sprachlicher Ausdrücke eine Rolle spielen: Die „Thema-Rhema- Gliederung“, die „Figur-Grund-Relationen“ und die „Perspektive“.

Demnach ist das Thema eines Satzes die bekannte oder aus dem Kontext erschließbare, und das Rhema die neue Information. Ihre Abfolge habe Einfluss auf die Abfolge der Satzglieder (Dürscheid 2012: 178). Die Topik-Kommentar-Gliederung4 wiederum sei eine Instanz der Figur-Grund- Anordnung. Diese beschreibt ein Ordnungsprinzip auf syntaktischer Ebene und geht mit Wertheimer davon aus, dass eine Figur immer dann gut zu erkennen ist, wenn sie sich von dem sie umgebenden Grund absetzt, was auch für Satzkonstituenten gelte (vgl. Dürscheid 2012: 181f.). Traditionellerweise werde angenommen, das Topik sei „the leftmost NP“ (Chomsky 1965, zit. n. Dürscheid 2012: 185) und Topikalisierung bedeute die „Bewegung einer Konstituente in die Vorfeldposition“ (Dürscheid 2012: 185). Für eine Topikalisierung kann die Perspektive des Sprechers verantwortlich sein. Identifi- ziere sich dieser mit einem am Geschehen beteiligten Referenten, bringe er diesen in die prominente Position und schaffe somit eine Ordnungsreihenfolge auch für die anderen Konstituenten (vgl. Dür- scheid 2012: 186).

Knud Lambrecht (1994) definiert Topik folgendermaßen:

A referent is interpreted as the topic of a proposition if IN A GIVEN DISCOURSE the proposition is construed as being ABOUT this referent, i.e. as expressing information which is RELEVANT TO and which increases the addressee’s KNOWLEDGE OF this referent. […] Topic is a PRAGMATICALLY CONSTRUED SENTENCE RELATION. (Lambrecht 1994: 127)

Er stellt fest, dass mit „topic“ nicht das Element gemeint ist, dass als erstes in einem Satz auftaucht. Auch könnten Topik und Subjekt nicht gleichgesetzt werden (Lambrecht 1994: 117f.). Im Folgenden referiert er mehrere Ansichten: Chafe (1976) unterscheide Topik i. S. v. Argument (integriert in eine Prädikat-Argument-Struktur) und Topik i. S. v. pragmatischer Konstruktion. Dik (1980) stelle fest, dass das Topik Bestandteil der Äußerung sein müsse. Strawson (1964) wiederum verweise auf das Prinzip der Relevanz, nach welchem eine Aussage Bezug auf vorher Gesagtes nehmen müsse und insofern das Topik „the matter of current interest which the statement is about“ bezeichne (vgl. Lambrecht 1994: 118f., Zitat 119).

Gerade wenn man die pragmatischen Konzepte von „aboutness“ und „relevance“ in Betracht ziehe, könne das Topik eines Satzes nicht immer an der syntaktischen Struktur festgemacht werden. Dabei helfe allerdings meistens der Diskurs-Kontext (vgl. Lambrecht 1994: 120). Dazu soll ein Beispiel dienen (Lambrecht 1994: 121.4.2a):

(2) The children went to school.

In diesem Fall ist nicht sofort klar, was das Topik des Satzes ist. Wurde schon vorher über die Kinder gesprochen, so sind diese das Topik. Die dazugehörige Frage lautet: „Was taten die Kinder dann?“ Der Satzteil „went to school“ würde in diesem Fall einen Kommentar darstellen. (Wäre „the school“ das Topik, müsste gefragt werden: „Wer ging zur Schule?“) Lambrecht plädiert insofern für die Benennung „Topik-Kommentar-Struktur“ (vgl. Lambrecht 1994: 121).

Eine Alternative ist das „background-establishing“. In (3) (John was very busy that morning.) After the children went to school, he had to clean the house and go shopping for the party.

funktioniert „after the children went to school“ wie ein rahmensetzendes Topik, aber die NP „the children“ ist nicht das Topik des Satzes (vgl. Lambrecht 1994: 125). In jedem der dargestellten Fälle handelt es sich jedoch um „major information-structure CATEGORIES“ (Lambrecht 1994: 126). Gutiérrez (1997), als Vertreter der spanisch-sprachigen Perspektive, bringt gleich zu Beginn die be- griffliche Diskrepanz in diesem Forschungsgebiet zum Ausdruck: „Signos como tema, foco, tópico... y nociones como “información nueva”, “énfasis”... conocen usos y aplicaciones tan diferentes en los autores que hemos llegado a una auténtica babel terminológica“ (Gutiérrez 1997: 9). Trotzdem will er anstelle von „Thema“ die Begriffe „función marco“ oder „tópico“ verwendet wissen (Gutiérrez 1997: 41). Wie Chafe (s. o.) ist er der Meinung, dass das Topik auf zwei Ebenen angesiedelt ist, indem es eine periphere syntaktische Funktion erfülle und gleichzeitig eine informative (Gutiérrez 1997: 10). Er teilt außerdem die Auffassung, dass erstens das Topik das Feld vorgibt, in welchem sich der Rest der Rede entwickeln wird und zweitens seine Abtrennbarkeit eines der wichtigsten Kriterien ist. Es komme also zu einer binären Teilung: Topik ↔ Kommentar (vgl. Gutiérrez 1997: 45f.). Alle Autoren sind sich darüber einig, dass das Topik nicht mit dem Subjekt des Satzes gleichzusetzen ist, auch wenn dies in der Mehrzahl der Äußerungen der Fall ist. Soll eine andere Satzkonstituente hervorgehoben werden, spricht man von Topikalisierung. Dies meint laut Bußmann die „Platzierung einer Konstituente, die nicht als Subjekt fungiert, an den Satzanfang ins Vorfeld vor das finite Verb“. Diese Stellung erhält somit eine „spezifische kommunikative Funktion“ (Bußmann 2008: 194).

[...]


1 Dies gilt nicht nur für das Spanische, das Phänomen der Reduplikation kennen weitaus mehr Sprachen, so z. B. das Englische (vgl. Ghomeshi et al. 2004). Im Deutschen ist eine Wortdopplung nur in äußerst limitierten Fällen möglich. So wäre es denkbar, auf die Aussage „Ich komme aus Köln“ die Nachfrage „Aus Köln-Köln?“ zu stellen. Der Fragende versucht auf diese Weise nachzuvollziehen, ob der Sprecher aus dem Stadtbereich Köln, oder eher aus dem Kölner Umland kommt. Der Einfachheit halber könnte der Sprecher ja „Köln“ gesagt haben, weil er annimmt, dass dem Gesprächspartner Orte wie Bensheim, Rösrath o. ä. nicht bekannt sind. Abgesehen von diesem Beispiel ist es im Deutschen absolut unüblich, einzelne Wörter zu reduplizieren. Reduplikation auf der Ebene einzelner Wörter (z. B. „Tamtam, Hokuspokus, Mischmasch“) behandeln Wiese (1990) und Schindler (1991). Diese Form der Reduplikation ist allerdings im Folgenden nicht gemeint.

2 Im Folgenden geht es insbesondere um gesprochene Sprache. Für eine Erläuterung in Bezug zur Schriftsprache s. den Artikel „Tema - Rema“ des Instituto Cervantes, online.

3 „Eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffspaares steht aus, da es sich offensichtlich um mehrdimensi- onale Begriffe handelt“ (Bußmann 2008: 743). In der einschlägigen Literatur findet man Betitelungen wie „Thema/Rhema“, „Topik/Prädikation“, „Topik/Kommentar“, „Fokus/Argument“ und „soporte/aporte“.

4 Der Unterschied zwischen „Thema/Rhema“ und „Topik/Kommentar“ sei folgender: Zweiteres könne auf der Satzebene bestimmt werden, ersteres aber nicht. Topik und Thema stünden zwar in Beziehung (meistens die bekannte Konstituente), hätten aber keine Eins-zu-Eins-Entsprechung (vgl. Dürscheid 2012: 184).

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Reduplikative Topik-Konstruktionen im Spanischen
Untertitel
Analyse und Überlegungen zur Didaktik
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Insitut für Romanische Sprachen)
Veranstaltung
HS Konstruktionsgrammatik
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
16
Katalognummer
V267821
ISBN (eBook)
9783656583912
ISBN (Buch)
9783656583905
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Theoretische Auseinandersetzung mit einem grammatischen Phänomen des Spanischen (reduplikative Topikalisierung) und Evaluierung eines Unterrichtsvorschlags samt Verbesserungsmöglichkeiten.
Schlagworte
Spanisch, Fachdidaktik, Hauptseminar, Lehramtsmaster, Theorie, Praxis, Konstruktionsgrammatik, CxG, Reduplikation, Topik, reduplikative Topik, Unterrichtsvorschlag, Topikalisierung
Arbeit zitieren
Florian Kuhne (Autor:in), 2013, Reduplikative Topik-Konstruktionen im Spanischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267821

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Reduplikative Topik-Konstruktionen im Spanischen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden