Das Islamic Banking zählt heute zu den größten Wachstumsmärkten der globalen Finanzwirtschaft. Es weist jährliche Wachstumsraten von ca. 15 Prozent auf. Sowohl die steigende Nachfrage von Muslimen nach schariakonformen Finanzprodukten als auch die steigende Nachfrage von Investoren auf der ganzen Welt führen dazu, dass das Islamic Banking zu einem globalen Phänomen wird. Auch die aktuellen wirtschaftlichen Ereignisse und ihre Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte tragen dazu bei, dass sich die islamkonformen Finanzgeschäfte als eine Alternative zum konventionellen Bankenwesen entwickeln. An den beeindruckenden Wachstumsraten sowie an dem hohen Marktpotenzial partizipieren, neben islamischen Ländern und deren Banken, ebenso viele asiatische und europäische Länder mit ihren global tätigen Großbanken. Trotz des starken Wachstums sind mit dem Islamic Banking auch Herausforderungen verbunden, die es zu lösen gilt, damit der Markt weiter expandieren kann. Eine besondere Herausforderung für islamische Banken stellt das Risikomanagement dar. Islamische Banken sind in Abgrenzung zu konventionellen Banken, wegen der Prinzipien des Islamic Banking und den darauf aufbauenden Produkten und Dienstleistungen, spezifischen Risiken ausgesetzt, wo-durch sich das Risikomanagement anspruchsvoller gestaltet. In diesem Rahmen ist als kritischstes Risiko, dem islamische Banken ausgesetzt sind, das Liquiditätsrisiko zu nennen. Islamischen Banken mangelt es – aufgrund der spezifischen Anforderungen, die sie im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit beachten müssen – an Finanzinstrumenten, mit denen sie sich kurzfristig Liquidität beschaffen können, um somit die Liquidität einer islamischen Bank sicherzustellen. Dies hat zur Folge, dass islamische Banken von einem hohen Niveau an Leerlauf-Bargeld gekennzeichnet sind. Das Hauptrisiko stellt dabei das Fehlen eines schariakonformen liquiden Sekundärmarktes dar, der islamischen Banken eine effiziente Fristentransformation ermöglichen würde Eine Möglichkeit, dieser Herausforderung zu begegnen, stellt die Einführung von Sukuk, islamischer Bonds, am Sekundärmarkt dar. Die Sukuk sind derzeit – mit zweistelligen Wachstumsraten – das erfolgreichste islamische Finanzprodukt und zugleich eines der am schnellsten wachsenden Produkte weltweit. Sie sind durch eine hohe Innovation gekennzeichnet, bieten flexible Einsatzmöglichkeiten und sind ebenso interessant für internationale Investoren.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Konzeption und Prinzipien des Islamic Banking
2.1 Der Islam
2.1.1 Grundlagen des Islams
2.1.2 Das islamische Wirtschaftssystem
2.1.3 Das Rechtssystem im Islam
2.2 Das Islamic Banking
2.2.1 Prinzipien des Islamic Banking
2.2.2 Scharia-Boards und wichtige Institutionen im Überblick
3. Ansätze des Risikomanagements im Islamic Banking
3.1 Darstellung der Risiken islamischer Banken
3.1.1 Generische Risiken
3.1.2 Spezifische Risiken
3.2 Herausforderungen für das Risikomanagement
3.2.1 Risikomanagement-Standards
3.2.2 Liquiditätsmanagement
4. Sukuk als Instrument zur Minimierung des Liquiditätsrisikos
4.1 Theoretische Grundlagen von Sukuk
4.1.1 Definition und wichtige Merkmale
4.1.2 Allgemeine Struktur und Arten von Sukuk
4.1.3 Der Sukuk-Markt
4.2 Herausforderungen bei Sukuk-Instrumenten
4.2.1 Risiken von Sukuk
4.2.2 Pricing
4.3 Einsatz von Sukuk am Sekundärmarkt
4.3.1 Bedeutung des Sukuk-Handels für das Liquiditätsmanagement
4.3.2 Handelbarkeit der Sukuk-Arten
4.3.3 Bedingungen für einen liquiden Sekundärmarkt
5 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Überblick über die Prinzipien des Islamic Banking
Abbildung 2: Risikoprofil islamischer Banken
Abbildung 3: Allgemeine Struktur einer Sukuk-Emission
Abbildung 4: Weltweite Sukuk-Emissionen von 1996 bis 2012, in Bil. US-Dollar
Abbildung 5: Sukuk-Emission nach Emissionstyp, in Prozent vom Gesamtvolumen
Abbildung 6: Anzahl der Sukuk-Emissionen nach Währung, in Bil. US-Dollar
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht über die Handelbarkeit der Sukuk-Arten am Sekundärmarkt
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Das Islamic Banking zählt heute zu den größten Wachstumsmärkten der globalen Finanzwirtschaft. Es weist jährliche Wachstumsraten von ca. 15 Prozent auf. Sowohl die steigendeNachfrage von Muslimen1 nach schariakonformen Finanzprodukten als auch die steigendeNachfrage von Investoren auf der ganzen Welt führen dazu, dass das Islamic Banking zu einem globalen Phänomen wird (Kettel 2010, S. VIII). Auch die aktuellen wirtschaftlichen Ereignisse und ihre Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte tragen dazu bei, dass sich dieislamkonformen Finanzgeschäfte als eine Alternative zum konventionellen Bankenwesenentwickeln. An den beeindruckenden Wachstumsraten sowie an dem hohen Marktpotenzialpartizipieren, neben islamischen Ländern und deren Banken, ebenso viele asiatische und europäische Länder mit ihren global tätigen Großbanken (Ernst et al. 2013, S. 15).
Trotz des starken Wachstums sind mit dem Islamic Banking auch Herausforderungen verbunden, die es zu lösen gilt, damit der Markt weiter expandieren kann. Eine besondere Herausforderung für islamische Banken stellt das Risikomanagement dar. Islamische Banken sind inAbgrenzung zu konventionellen Banken, wegen der Prinzipien des Islamic Banking und dendarauf aufbauenden Produkten und Dienstleistungen, spezifischen Risiken ausgesetzt, wodurch sich das Risikomanagement anspruchsvoller gestaltet (Gassner und Wackerbeck 2010, S. 217).
In diesem Rahmen ist als kritischstes Risiko, dem islamische Banken ausgesetzt sind, das Liquiditätsrisiko zu nennen. Islamischen Banken mangelt es - aufgrund der spezifischen Anforderungen, die sie im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit beachten müssen - an Finanzinstrumenten, mit denen sie sich kurzfristig Liquidität beschaffen können, um somit die Liquidität einer islamischen Bank sicherzustellen. Dies hat zur Folge, dass islamische Bankenvon einem hohen Niveau an Leerlauf-Bargeld gekennzeichnet sind. Das Hauptrisiko stelltdabei das Fehlen eines schariakonformen liquiden Sekundärmarktes dar, der islamischenBanken eine effiziente Fristentransformation ermöglichen würde (Shaikh und Jalbani 2008).Eine Möglichkeit, dieser Herausforderung zu begegnen, stellt die Einführung von Sukuk, islamischer Bonds, am Sekundärmarkt dar. Die Sukuk sind derzeit - mit zweistelligen Wachstumsraten - das erfolgreichste islamische Finanzprodukt und zugleich eines der am schnellsten wachsenden Produkte weltweit. Sie sind durch eine hohe Innovation gekennzeichnet, bie- ten flexible Einsatzmöglichkeiten und sind ebenso interessant für internationale Investoren. Ein besonderer Vorteil von Sukuk für islamische Banken ist, dass sie am Sekundärmarkt handelbar sind. Somit könnte durch die Etablierung eines liquiden Sekundärmarktes mittels Sukuk die Möglichkeit bestehen, dem Liquiditätsrisiko islamischer Banken entgegenzuwirken. Da die Sukuk ein relativ neues Finanzinstrument sind, wurden zu diesem Thema nur wenige Untersuchungen durchgeführt (Mohd Zin et al. 2011). Aus diesem Grund ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit zu analysieren, inwieweit die Sukuk dafür geeignet sind, das Liquiditätsrisiko islamischer Banken zu reduzieren.
Die Arbeit beginnt im folgenden Abschnitt 2 mit einer kurzen Darstellung der Konzeptionund der Prinzipien des Islamic Banking. Dazu werden zunächst die Grundlagen des Islamsowie das aus ihnen resultierende islamische Wirtschafts- und Rechtssystem erläutert, bevornäher auf das Islamic Banking und dessen spezifischen Prinzipien eingegangen wird.Darauf aufbauend werden in Abschnitt 3 die Ansätze des Risikomanagements im IslamicBanking näher dargestellt. Hierfür wird das Risikoprofil islamischer Banken aufgezeigt; anschließend wird näher auf die Herausforderungen für das Risikomanagement einer islamischen Bank eingegangen.
Abschnitt 4 dient zur Beantwortung der zentralen Fragestellung der Arbeit. In diesem Abschnitt wird analysiert, inwieweit die Sukuk dafür geeignet sind, das Liquiditätsrisiko einerislamischen Bank zu reduzieren. Hierzu werden zunächst die theoretischen Grundlagen derSukuk dargestellt, indem auf die wichtigsten Merkmale, die Struktur, die verschiedenen Artensowie die derzeitige Aufstellung der Sukuk-Instrumente am Markt eingegangen wird. Daraufaufbauend werden die Herausforderungen vorgestellt, mit denen die Sukuk konfrontiert sind.Im Anschluss wird der Einsatz der Sukuk am Sekundärmarkt zur Reduzierung des Liquiditätsrisikos islamischer Banken untersucht. Dabei wird die Handelbarkeit der verschiedenenSukuk-Arten überprüft und anschließend werden die zur Etablierung eines liquiden Sekundärmarktes notwendigen Bedingungen dargestellt.
Die Ausführungen schließen in Abschnitt 5 mit einer Zusammenfassung der gesamten Arbeit sowie einem Ausblick ab.
2. Konzeption und Prinzipien des Islamic Banking
Zu Beginn dieser Arbeit sollen die Grundlagen des Islams, das islamische Wirtschafts- und Rechtssystem erörtert werden, bevor näher auf das Islamic Banking einzugehen ist. Erst auf Basis dieser grundlegenden Informationen ist es möglich, die spezifischen Anforderungen für das Risikomanagement einer islamischen Bank zu verstehen.
2.1 Der Islam
Basis des Islamic Banking ist die durch den heiligen Propheten Mohammed (s. a. w.)2 verbreitete Religionslehre des Islams. Zur Verschaffung eines kurzen Überblicks werden nachfolgend dessen Grundannahmen sowie das darauf aufbauende Wirtschafts- und Rechtssystemdargestellt.
2.1.1 Grundlagen des Islams
Das arabische Wort „Islam“ leitet sich aus den Begriffen selam und silm ab. Selam bedeutetGlück, Vertrauen und Wohlbefinden, während das Wort silm für Ergebung, Frieden und Vertrauen steht. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet Islam „Unterwerfung“ oder „Hingabean Gott“ (Öztürk 2000, S. 11). Die Grundsätze der islamischen Lehre beruhen auf dem Glauben an die Einheit Gottes, dessen Prophetentum sowie dem Glauben an die Wiederauferstehung. Aus dem wichtigsten Element, der Lehre von der Einheit Gottes, resultiert die Vorstellung, dass es nur einen einzigen Schöpfer der Menschheit gibt. Diese Annahme begründetzugleich das Glaubensbekenntnis eines jeden Moslems. Somit ist der islamische Glaube seinem Wesen nach streng monotheistisch und bezieht die gesamte Menschheit mit ein. Dies hatzur Folge, dass der Islam die Einheit der gesamten Menschheit lehrt und dass Gerechtigkeit,soziale Integration und der Zusammenhalt unter den Menschen zentrale Ziele sind. Aus demGlauben an das Prophetentum resultiert, dass sich jeder Mensch an die Offenbarungen haltenmuss, die von den Propheten verkündet wurden. Mit dem letzten Grundsatz der islamischenLehre, dem Glauben an die Wiederauferstehung, ist verbunden, dass jeder Mensch nach demTod für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wird (Iqbal und Mirakhor 2011, S. 2f.).
Die grundlegenden Prinzipien des Islams basieren auf fünf Säulen. Diese stellen Aufgabendar, die jeder gläubige Moslem im Laufe seines Lebens erfüllen muss. Dazu zählt das Glau- Konzeption und Prinzipien des Islamic Banking bensbekenntnis, demnach es außer Allah keinen würdigen und anzubetenden anderen Gottgibt. Das Beten, das Fasten im Monat Ramadan, die Pilgerfahrt nach Mekka sowie die Zahlung einer Almosensteuer sind weitere Prinzipien der islamischen Religion (Erdogan 2011, S. 6). Neben diesen grundlegenden Prinzipien gibt der Islam für jeden Moslem ein Normensystem vor, das genaue Handlungsanweisungen für alle Lebensbereiche wie Erziehung, Bildung oder Wissenschaft bietet. Dieses Normensystem findet ebenso Anwendung im wirtschaftlichen Handeln, im Rechtssystem des Islam und damit auch im Islamic Banking(Geilfuß 2009).
2.1.2 Das islamische Wirtschaftssystem
Abgeleitet aus dem uneingeschränkten Glauben an die Einheit Gottes resultiert die Vorstellung, dass jeder einzelne Bereich des Lebens eine Einheit bildet. Folglich ist auch das Wirtschaftssystem als ein Teil des Ganzen aufzufassen, das nicht getrennt von politischen, sozialen oder religiösen Themen betrachtet werden kann. Dieser Glaube führt zu der Vorstellungeines Wirtschaftssystems, nach welchem Gott die Menschheit mit ausreichenden Ressourcenversorgt hat, um ihre Bedürfnisse befriedigen zu können. Nach dieser Vorstellung sind dieUrsachen für wirtschaftliche Probleme wie die Knappheit an Ressourcen oder Gütern nichtvon Gott gewollt, sondern durch menschliches Handeln und Verhalten verursacht (JacksonMoore 2009, S. 3). Demzufolge bestehen in Bezug auf das wirtschaftliche Handeln grundlegende Unterschiede in den Auffassungen des Islams und der westlichen Auffassung wirtschaftlichen Handelns. Nach dem westlichen Modell streben Wirtschaftssubjekte danach, mitihrem Handeln ihre individuelle Nutzenfunktion zu maximieren. Ein Ausgleich zwischen denInteressen aller handelnden Wirtschaftssubjekte wird durch den Markt erreicht. Die individuelle Nutzenmaximierung führt in der Theorie- sofern kein Marktversagen eintritt - zu einergesamtgesellschaftlichen Nutzenmaximierung. Ungleichgewichte werden durch staatlicheEingriffe reguliert. Ziel des westlichen Wirtschaftssystems ist es somit zum einen, ein gesamtgesellschaftliches Optimum zu erreichen, in dem Märkte, Institutionen und Ausgleichsregelungen daraufhin ausgerichtet werden. Zum anderen ist ein weiteres Ziel, die individuelleNutzenmaximierung dazu zu nutzen, um wirtschaftliche Entwicklungen zu generieren. Andersdagegen richtet sich das wirtschaftliche Handeln im Islam nicht an der individuellen Nutzenmaximierung. Es wird davon ausgegangen, dass gesellschaftlich erwünschte Ergebnisse nichtzwangsläufig durch individuelles Handeln erzielt werden können. Demnach ist das wirtschaft- Konzeption und Prinzipien des Islamic Banking liche Handeln eines Individuums darauf ausgerichtet, ein gesamtgesellschaftliches Optimumzu erreichen, in dem das Werte- und Normensystem für das individuelle Verhalten entsprechend ausgerichtet wird. In die Zielfunktion des Individuums müssen damit die Gerechtigkeitund das Streben nach Brüderlichkeit, durch geeignete Verhaltensregeln, direkt integriert werden. Die allgemeinen ökonomischen Ziele des islamischen Wirtschaftssystems sind u.a. dasStreben nach wirtschaftlich produktivem Verhalten sowie das Vermeiden von ungerechtfertigter Bereicherung. Schließlich treffen diese generellen ökonomischen Ziele auch auf dasIslamic Banking zu und finden dort Anwendung (Schneider und Klein 2009).
Nach dem islamischen Wirtschaftssystem wird der Umgang der handelnden Wirtschaftssubjekte untereinander, durch die beiden wichtigen Normen „Al-adl“ und „Al-ihsan“ bestimmt.„Al-adl“ bedeutet, dass die Menschen bei ihren Tätigkeiten, fair und ehrlich miteinander umgehen sollen. Demgegenüber fordert die Norm „Al-ihsan“ die Menschen dazu auf, sich gegenseitig zu unterstützen und dabei ein großes Maß an Güte, Aufopferung und Wohlwollen anden Tag zu legen.
Darüber hinaus werden im Islam einige spezifische Verordnungen und Pflichten für jedengläubigen Moslem vorgeschrieben. Dazu zählen beispielsweise das Geben von Almosen fürHilfebedürftige, das Versorgen der Familienmitglieder und die karitative Arbeit. Ferner giltfür alle Wirtschafts- und Finanztransaktionen die Anwendung der Scharia (siehe Abschnitt 2.1.3) (Jackson-Moore 2009, S. 3f.). Innerhalb der Volkswirtschaft müssen alle handelnden Wirtschaftssubjekte die Prinzipien, Normen und Werte des Islams befolgen. Dadurch, so die Vorstellung, können sie zu einem gerechten, sozialen und umweltbewussten Handeln in der Gemeinschaft beitragen (Paul 2010, S. 24).
Aus all dem resultiert, dass die Rechte und Pflichten eines Individuums - unabhängig, ob auf privater, wirtschaftlicher oder internationaler Ebene - sowohl in zwischenmenschlichen Beziehungen als auch gegenüber der Natur festgelegt sind. Dies wirkt sich auch unmittelbar auf das Konzept des Islamic Banking aus (Ashrati 2008, S. 4f.).
2.1.3 Das Rechtssystem im Islam
Die Scharia ist die Gesamtheit aller Gesetze der islamischen Gesellschaft. In ihr sind alleNormen und Pflichten eines Moslems festgeschrieben; sie beziehen sich auf alle Lebensbereiche, sind weltweit gültig und anzuwenden. Dieses Rechtsgebilde basiert auf vier Quellen. Dieprimären Quellen sind der Koran und die Sunna, während Ijma (Konsens) und Qiyas (Analo- Konzeption und Prinzipien des Islamic Banking gieschluss) eine sekundäre Bedeutung zukommt. Die Sunna beinhaltet Äußerungen und Verhaltensweisen des heiligen Propheten Mohammed (s. a. w.). Die sekundären Quellen Ijma und Qiyas sind aus dem Koran und der Sunna abgeleitet. Ijma umfasst die Konsensbildung der Rechtsgelehrten. Das heißt, die Übereinstimmung der Auffassungen und Auslegungen der Rechtsgelehrten in Bezug auf die Klärung aller offenen Fragen. Qiyas bezeichnet die Suche nach Lösungen durch Analogieschlüsse. In diesem Sinne werden bereits bestehende Normen auf neu aufkommende Fragen logisch übertragen (Ayub 2007, S. 21f.).
Die Scharia beinhaltet Regeln zur Ausübung religiöser Praktiken und betrifft das Alltagsleben sowie alle wirtschaftlichen Aktivitäten der Menschen. So gesehen regelt die Scharia sämtliche Lebensbereiche der Muslime (Chong und Liu 2009). Demnach ist die Scharia nicht allein als islamisches Rechtssystem, sondern als Gesamtheit aller Verbote und Gebote zu verstehen und für jeden gläubigen Moslem verbindlich (Chahboune und El-Mogaddedi 2008).
2.2 Das Islamic Banking
Als Islamic Banking werden finanzielle, nach den Richtlinien der Scharia ausgestaltete und umgesetzte Transaktionen bezeichnet (Leins 2010). Sämtliche Teilnehmer finanzieller Transaktionen werden dabei als Geschäftspartner betrachtet, die sich die Risiken und Gewinne der abgewickelten Geschäfte teilen (Imady und Seidel 2006).
Im Folgenden wird die Scharia in ihrer Bedeutung für das Islamic Banking erläutert. Anschließend werden Institutionen vorgestellt, die die Einhaltung der Scharia-Bestimmungenüberwachen.
2.2.1 Prinzipien des Islamic Banking
Im Rahmen des Islamic Banking gibt es fünf grundlegende Prinzipien, die nach den Vorschriften der Scharia eingehalten werden müssen (siehe Abbildung 1). Dazu zählen das Zinsverbot sowie das Verbot von Glücksspiel und Spekulation. Als weitere Prinzipien sind das Verbot unethischer Geschäfte wie der Handel mit Waffen, mit Schweinefleisch, mit Drogen und Alkohol sowie das Prinzip des Profit-and-loss-sharing (PLS) zu nennen. Schließlich muss jeder Finanztransaktion ein realer Vermögensgegenstand zugrunde liegen, was als Grundsatz der Wesentlichkeit bezeichnet wird (Beck et al. 2013).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Überblick über die Prinzipien des Islamic Banking
Quelle: Eigene Darstellung
Zinsverbot
Der Zins ist eine der bedeutendsten finanzwirtschaftlichen Größen. Er beeinflusst die Geldentscheidungen von privaten Haushalten und von Unternehmen. Viele Wirtschaftssubjektestehen nahezu täglich vor der Frage, ob sie ihr Geld sparen, investieren oder davon lieberKonsumgüter kaufen sollten (Mishkin 2013, S. 108). Zudem stellt der Zins in der politischenÖffentlichkeit einen Indikator für die gesamtwirtschaftliche Situation dar.Der Zins ist das Entgelt für die temporäre Überlassung von Kaufkraft. Dieses Entgelt kommtdadurch zustande, dass der Haushalt seine einzelwirtschaftlichen Ersparnisse durch Konsumverzicht anderen Wirtschaftssubjekten für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellt.Anders als heute war das Erheben von Zinsen in vielen Religionen, u. a. auch im Christentumim Zusammenhang mit finanzwirtschaftlichen Aktivitäten bis in das Mittelalter streng verboten (Gischer et al. 2012, S. 93f.). Dieses Verbot gilt im Islam noch heute und betrifft alleFormen von Zinsen.
Das Zinsverbot ist ein Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen dem sogenannten konventionellen und dem islamischen Bankenwesen. Im Islam gilt der Zins als eine Form von Ausbeutung und wird dementsprechend als ein direktes Machtinstrument verstanden. Schließlichführt das Erheben von Zinsen zu Abhängigkeiten, was mit der islamischen Vorstellung vonGerechtigkeit nicht vereinbar ist. Zudem stellen Zinsen eine unzulässige Aneignung fremdenEigentums dar, die sich negativ auf das Wirtschaftswachstum einer Gesellschaft auswirkt. DerIslam erkennt zwar die Bedeutung des Zeitwerts von Geld als Bestandteil einer realen Transaktion an, nicht aber Zinseinnahmen auf der Basis von gewährten Krediten (Imam und Kpodar 2010). Deshalb waren im Rahmen des Islamic Banking Finanzinstrumente zu schaffen, die nicht auf Zinsen basieren.
Verbot von Spekulation und Glücksspiel
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Islamic Banking ist das Verbot von Spekulationen(Gharar) und Glücksspielen (Maysir). Gharar bedeutet in der Auslegung des Korans „Risiko“,„Unsicherheit“ oder „Spekulation“. Im Sinne des Korans sollte jede Transaktion frei von Unsicherheit, Risiko und Spekulation sein (Kettel 2011, S. 7). Beim Abschluss eines Vertragesmuss demnach Eindeutigkeit in Bezug auf den Vertragsgegenstand bestehen und es darf keineUnsicherheit bezüglich des Preises einer Ware vorhanden sein. Alle Vertragsbestandteilemüssen exakt definiert werden. Dieses Verbot zielt darauf ab, dass die Vertragspartner untereinander nicht benachteiligt werden. Jeder Vertragspartner soll zu jeder Zeit über das getätigte Geschäft und die vereinbarten Bedingungen vollständig und umfassend informiert sein(Bergmann 2008, 34f.).
Beim Verbot von Glücksspielen (Maysir) geht es um die Vermeidung von Ungewissheiten imRahmen einer Tätigkeit, die für einen der Beteiligten besteht. Denn Zweifel über den Ausgangeines Geschäfts widersprechen den grundlegenden Prinzipien des Islams und sind deshalbnicht schariakonform. Bezogen auf Finanztransaktionen bedeutet dieses Verbot z. B., dass derHandel mit Finanzderivaten wie Optionen und Futures unzulässig ist (Geilfuß 2009).
Verbot unethischer Geschäfte
Gemäß den Grundsätzen des Islam dürfen Muslime und damit auch islamische Banken nurmit Gütern handeln, die nach den Richtlinien der Scharia nicht verboten (arabisch „haram“)sind. Hierzu zählen unter anderem (Handels-) Geschäfte mit verbotenen Gütern wie Schweinefleisch, Waffen und Alkohol. Außerdem sind Geschäfte mit Prostitution und Pornografienicht schariakonform. Nach dem Islam ist sowohl die direkte als auch die indirekte Beteiligung in diese -nach dem Islam- als unethisch angesehenen Aktivitäten untersagt (Khan undBhatti 2008).
Prinzip des Profit-and-loss-sharing
Innerhalb des Islamic Banking sind Finanztransaktionen auf Grundlage des Profit- and-losssharing (PLS) durchzuführen. Das bedeutet, dass sowohl Gewinne als auch Verluste bei fi- Konzeption und Prinzipien des Islamic Banking nanziellen Transaktionen zwischen den Parteien geteilt werden müssen. Folglich erhält einGeldgeber nicht nur einen Gewinn, der sich aus der Finanztransaktion ergibt, sondern ist aucham möglichen Verlust beteiligt. Schließlich wird entsprechend dem islamischen Recht eineFinanztransaktion als nicht islamkonform angesehen, wenn ein Vertragspartner Verluste erleidet, während ein anderer vom Gewinn profitiert. Für eine islamische Bank bedeutet dies,dass sie nur dann von den zur Verfügung gestellten Kundengeldern profitiert, wenn dieseauch Gewinne erwirtschaften. Im entgegengesetzten Fall müssen beide Seiten einen möglicherweise eintretenden Verlust tragen (Leins 2010). Dieses PLS-Prinzip basiert im Wesentlichen auf dem Gedanken der Gharar, also der auszuschließenden Unsicherheit für die Vertragspartner. Da beiden Vertragsparteien - sowohl dem Kreditgeber als auch dem Kreditnehmer - der zukünftige Erfolg bzw. Misserfolg einer Transaktion nicht bekannt ist und auchnicht vollständig reguliert werden kann, unterliegen beide Parteien dem Gewinn- und demVerlustrisiko (Chong und Liu 2009).
Grundsatz der Wesentlichkeit
Nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit muss jeder Finanztransaktion direkt ein realer Vermögensgegenstand - ein Sachwert oder eine Dienstleistung - oder eine wirtschaftliche Transaktion zugrunde liegen. Deshalb sind im Islamic Banking beispielsweise Leerverkäufe oder ähnliche Finanztransaktionen verboten. Gehandelt werden soll nur mit dem, was ein Vertragspartner auch tatsächlich besitzt (El-Hawary et al. 2004).
2.2.2 Scharia-Boards und wichtige Institutionen im Überblick
Die Regelungen der Scharia werden fortlaufend durch islamische Rechtsgelehrte in ihrer aktuellen Anwendung interpretiert. Durch die Vielzahl der Gelehrten kommt es oft zu unterschiedlichen Auslegungen der Scharia hinsichtlich der Finanztransaktionen. Um eine Standardisierung und somit Verbindlichkeit für die Vertragspartner bezüglich der SchariaKonformität ihrer Geschäfte gewährleisten zu können, wurden in den letzten Jahren verschiedene Institutionen eingerichtet (Schneider und Klein 2009). In allen islamischen Ländern, mitAusnahme von Malaysia, verfügt jede islamische Bank über ein eigenes Scharia-Board, dasunter anderem die Einhaltung der Scharia-Bestimmungen überwacht. Auf globaler Ebenewurden mehrere internationale Organisationen geschaffen, die zur Standardisierung der Normen beitragen sollen (El-Tiby 2011, S. 14). Dazu zählen insbesondere die Auditing Organization for Islamic Financial Institutions (AAOIFI), die Islamic International RatingAgency (IIRA), der Islamic Financial Services Board (IFSB), der International Islamic Financial Market (IIFM) und das Liquidity Management Center (LMC), die im Folgenden nähererläutert werden.
Scharia-Boards
Scharia-Board ist ein aus islamischen Rechtsgelehrten bestehendes Prüfgremium. Zu denHauptaufgaben des Scharia-Board gehören die Entwicklung, Vermarktung und Zertifizierungvon islamkonformen Produkten und Dienstleistungen, bevor diese als schariakonform amMarkt angeboten werden. Zudem ist das Scharia-Board verantwortlich für die Überwachungund Einhaltung der Scharia-Vorschriften in der Bank. Des Weiteren sind die Scharia-Boardsam Innovationsprozess - bei der Entwicklung von neuen schariakonformen Produkten undProzessen - beteiligt. Schließlich überprüfen dessen Mitglieder die Mitarbeiter und die laufende Geschäftstätigkeit der jeweiligen Bank. Allerdings dürfen Scharia-Boards nicht am operativen Geschäft einer Bank beteiligt sein (Abdul-Rahman 2011, S. 75ff.).
Accounting and Auditing Organization for Islamic Financial Institutions (AAOIFI)
Die Non-Profit-Organisation AAOIFI entwickelt schariakonforme Standards für islamische Finanzinstitute bezogen auf Rechnungslegung und -prüfung, Buchführung, Bilanzierung sowie Corporate Governance. Als unabhängige internationale Organisation wird die AAOIFI weltweit von institutionellen Mitgliedern einschließlich Zentralbanken, islamischen Finanzinstituten und anderen Gruppen aus der internationalen islamischen Finanzbranche unterstützt. Durch einheitliche Standards wird eine länderübergreifende Transparenz und Vergleichbarkeit islamischer Finanzpraktiken gewährleistet. So ist es möglich, islamische Banken und Finanzinstitute weltweit miteinander zu vernetzen (Nienhaus 2005, S. 173).
Islamic International Rating Agency (IIRA)
Die IIRA ist eine islamische Ratingagentur, die neben den drei namhaften internationalenRatingagenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch ein Rating für islamische Finanzinstrumente anbietet. Zu den weiteren Angeboten von IIRA gehört ein Scharia-Quality-Rating,welches die Scharia-Konformität islamischer Finanzinstitute analysiert und beurteilt. Ein weiteres Angebot ist das Corporate-Governance-Rating, bei dem die Corporate-Governance-
Systeme von islamischen Banken und Industrieunternehmen mit internationalen BestPractice-Systemen verglichen werden.
Außerdem bietet die IIRA speziell für islamische Banken und deren Produkte ein Kreditrating sowie ein Staatenrating an. Im Wesentlichen arbeitet die IIRA mit denselben Methoden wie andere international bekannte Ratingagenturen auch. Da die IIRA den islamischen Markt besser kennt, hat sie gegenüber den renommierten Ratingagenturen bei der Durchführung der Ratings einen deutlichen Vorteil (Mahlknecht 2009, S. 202).
Islamic Financial Services Board (IFSB)
Zur weiteren Standardisierung innerhalb des Islamic Banking trägt auch das IFSB bei. Als einSchwerpunkt entwickelt dieses Board spezielle Standards im Hinblick auf das Risikomanagement von Banken, Regulierungsbehörden und Organe der Bankenaufsicht, dieschariakonform sind. Diese Richtlinien und Bewertungsmaßstäbe ergänzen die Standards desBaseler Komitees für Bankenaufsicht. Dies ist notwendig, da sich aufgrund der unterschiedlichen Risikoprofile (vgl. Kapitel 3) islamischer Banken nicht alle Standards des Baseler Komitees für Bankenaufsicht auf das Islamic Banking übertragen lassen (Ali 2011).
International Islamic Financial Market (IIFM)
Das IIFM-Institut konzentriert sich auf die Standardisierung und Weiterentwicklung islamischer Finanzinstrumente und -verträge. Die zentrale Aufgabe des IIFM ist es, einen strukturierten globalen schariakonformen Finanzmarkt zu entwickeln. Dabei liegt der Fokus auf der Entwicklung eines weltweiten schariakonformen Sekundärmarktes (Ali 2011).
Liquidity Management Centre (LMC)
Auch das LMC wurde gegründet, um einen globalen schariakonformen Geldmarkt zu entwickeln, damit insbesondere islamische Banken und Finanzinstitute ihren Liquiditätsbedarf effizienter managen können. Das LMC bietet islamischen Finanzinstituten zusätzlich Beratungsdienstleistungen u. a. für strukturierte Finanzierungen, Projektfinanzierung und CorporateFinance an (LMC 2009).
3. Ansätze des Risikomanagements im Islamic Banking
Spätestens seit der Finanzkrise 2008 ist die herausragende Bedeutung des Risikomanagements für den wirtschaftlich nachhaltigen Erfolg eines Finanzinstituts offensichtlich geworden. Zudem tragen die ständige Entwicklung neuer Finanzprodukte und -dienstleistungen sowie das Wachstum der globalen Finanzmärkte zu der Notwendigkeit eines gut funktionierenden Risikomanagements bei (Van Greuning und Bratanovic 2009, S. 2).
Sowohl konventionelle als auch islamische Banken sind mit Unsicherheiten und Risiken konfrontiert. Allerdings ergeben sich in Abgrenzung zu konventionellen Banken, für islamische Banken, spezifische Risiken, die eine zusätzliche Herausforderung für das Risikomanagement einer islamischen Bank darstellen. Bedingt wird dies, durch die fünf grundlegenden Prinzipien des Islamic Banking und den darauf aufbauenden Produkten. Aus diesem Grund werden im Folgenden die Risiken islamischer Banken dargestellt, um darauf aufbauend die Herausforderungen für das Risikomanagement einer islamischen Bank aufzuzeigen.
3.1 Darstellung der Risiken islamischer Banken
Das Risikoprofil einer islamischen Bank (siehe Abbildung 2) setzt sich im Allgemeinen aus generischen, also typischen Risiken konventioneller Banken sowie aus spezifischen Risiken, denen nur islamische Banken ausgesetzt sind, zusammen (Ahmed und Khan 2007, S. 144). Diese werden im Folgenden erläutert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Risikoprofil islamischer Banken
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an IFSB 2005.
[...]
1 Mit ungefähr 1,6 Mrd. Anhängern im Jahr 2010 ist der Islam nach dem Christentum die zweitgrößte Religion der Welt (Pew Research Center 2012, S. 22).
2 S. a. w. ist die Abkürzung des arabischen Satzes „Sallalahu alayhi wasallam“ und bedeutet übersetzt: „Möge Allahs Segen und Frieden auf ihm sein“. Dieser Zusatz wird durch Muslime bei der Nennung des Propheten Mohammed hinzugefügt, um diesem Respekt zu erweisen (Canan 2008, S. 136f.).
- Arbeit zitieren
- B.A. Necla Özdogan (Autor:in), 2013, Risikomanagement im Islamic Banking, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269143
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