Innerhalb der vergleichenden Sozialforschung ist der Einfluss der Religion auf die Herausbildung der wohlfahrtsstaatlichen Institutionen mittlerweile ein durchaus populäres Arbeitsfeld. Sprach Franz-Xaver Kaufmann 1989 noch von einem „vergessenen Thema“ (Kaufmann, 1989, S. 67), so finden sich mittlerweile diverse Arbeiten, die sich dieser Frage annehmen. Dafür verantwortlich ist auch ein Paradigmenwechsel in der Perzeption der Rolle der Religion für die gesellschaftliche Entwicklung. Sie beeinflusst die Definition von gerechter beziehungsweise ungerechter Verteilung und von gesellschaftlicher Solidarität (Manow, 2009, S. 13). Ich halte mich in meiner Arbeit an eine Definition, die Religion als „Theorie und Praxis der Letztwertbegründung“ (Opielka, 2002, S. 2) begreift. Das bedeutet, dass sie für - für das Individuum - nicht hinterfragbare Werte verantwortlich ist und so - ausgehend von dem Gedanken, dass jede politische Entscheidung einer moralischen Akzeptanz bedarf - erscheint es plausibel, zu untersuchen, inwieweit der Wohlfahrtsstaat auf religiösen Werten beruht.
Dahinter steht die These, dass religiöse Motive institutionelle Prozesse beeinflussen und wiederum von diesen beeinflusst werden. Das heißt, dass sich eine „Wahlverwandschaft“ (Max Weber) bildet zwischen religiösen Ideen und Prinzipien von Institutionen, die sich mit der Zeit zu einer „etablierten Verwandschaft“ entwickelt, die nicht so leicht zu ändern ist.
Um den Rahmen meiner Arbeit nicht zu sprengen, konzentriere ich mich auf den deutschen Raum, was es mir erlaubt, mich fast ausschließlich auf die Einflüsse des Protestantismus und des Katholizismus zu konzentrieren. Eine solche Gegenüberstellung wäre auf ganz Europa bezogen im Sinne einer wissenschaftlichen Herangehensweise nicht zulässig, gibt es doch enorme Unterschiede in der Sozialdoktrin, das heißt in der jeweiligen Aufgabenzuschreibung an Staat und Individuum zum Beispiel zwischen den protestantischen Staatskirchen in Nordeuropa und den lutherischen Sekten in Ländern wie der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien oder den USA (Manow, 2009, S. 8).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Anfänge des deutsche Wohlfahrtsstaats
- Theorien der wohlfahrtsstaatlichen Politik
- Die Sozioökonomische Schule
- Die Machtressourcentheorie
- Die Rolle des Christentums
- Der Einfluss des Katholizismus
- Der Protestantismus und die Säkularisierung
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht den Einfluss des Christentums auf die Entstehung der wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Deutschland. Sie analysiert die Rolle der Religion als kultureller Faktor, der die Entwicklung des Sozialstaates beeinflusst hat, und stellt zwei prominente Theorieschulen der Wohlfahrtsstaatsforschung vor. Die Arbeit konzentriert sich auf den deutschen Raum und die spezifischen Einflüsse des Katholizismus und des Protestantismus auf die Ausgestaltung des deutschen Wohlfahrtsstaates. Die Arbeit zielt darauf ab, die Rolle des Christentums in diesem Prozess zu beleuchten und die These zu untersuchen, dass religiöse Motive institutionelle Prozesse beeinflussen und wiederum von diesen beeinflusst werden.
- Die Rolle des Christentums als kultureller Faktor in der Entwicklung des Sozialstaates
- Die spezifischen Einflüsse des Katholizismus und des Protestantismus auf die Ausgestaltung des deutschen Wohlfahrtsstaates
- Die Beziehung zwischen religiösen Motiven und institutionellen Prozessen
- Die Relevanz der Religion für die Definition von Gerechtigkeit und sozialer Solidarität
- Die Entwicklung des deutschen Wohlfahrtsstaates im Kontext der sozioökonomischen und politischen Veränderungen des 19. Jahrhunderts
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Hausarbeit ein und erläutert die Relevanz der Frage nach dem Einfluss des Christentums auf die Entstehung des deutschen Wohlfahrtsstaates. Dabei wird die Bedeutung der Religion als „mächtig nachwirkende Kulturkompetenz" (Manow, 2009, S. 12) hervorgehoben und die These aufgestellt, dass religiöse Motive institutionelle Prozesse beeinflussen und wiederum von diesen beeinflusst werden. Das Kapitel beleuchtet die Besonderheit des deutschen Raums, in dem sich die Einflusslinien des Katholizismus und des Protestantismus überschneiden.
Das Kapitel „Die Anfänge des deutsche Wohlfahrtsstaats" beschreibt die Entstehung des modernen Sozial- und Wohlfahrtsstaates im späten 19. Jahrhundert. Es werden die vier tragenden Pfeiler der Sozialpolitik (Unfall-, Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) vorgestellt und die historische Entwicklung des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und anderen europäischen Ländern beleuchtet. Das Kapitel geht auf die Unterschiede zwischen der traditionellen Armenpolitik und der modernen Sozialpolitik ein und erläutert die Bedeutung der „sozialen Frage" für die Entstehung des Wohlfahrtsstaates.
Das Kapitel „Theorien der wohlfahrtsstaatlichen Politik" stellt zwei prominente Theorieschulen der Wohlfahrtsstaatsforschung vor: die sozioökonomische Schule und die Machtressourcentheorie. Die sozioökonomische Schule erklärt die Entstehung des Wohlfahrtsstaates als Reaktion auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen, während die Machtressourcentheorie den Fokus auf die Kräfteverhältnisse zwischen gesellschaftlichen Akteuren und Gruppen legt. Beide Theorien werden kritisch betrachtet und ihre Stärken und Schwächen beleuchtet.
Das Kapitel „Die Rolle des Christentums" widmet sich dem Einfluss des Christentums auf die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates. Es wird zunächst ein allgemeiner christlicher Ethos beschrieben, der die Grundlage für ein Gerechtigkeitsempfinden bildet und die Akzeptanz wohlfahrtsstaatlicher Ideen fördert. Anschließend werden die spezifischen Einflüsse des Katholizismus und des Protestantismus auf die Ausgestaltung des deutschen Wohlfahrtsstaates analysiert. Das Kapitel geht auf die Bedeutung des Sozialkatholizismus und die Rolle der Zentrumspartei für die Etablierung der Sozialpolitik als staatliche Domäne ein. Darüber hinaus wird die Bedeutung der Säkularisierung im Kontext des Protestantismus und die These diskutiert, dass der Protestantismus die Voraussetzungen für wohlfahrtsstaatliche Entwicklung in Ländern mit primär protestantischem Glauben begünstigt hat.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Einfluss des Christentums, die Entstehung des deutschen Wohlfahrtsstaates, die Rolle der Religion als kultureller Faktor, die sozioökonomische Schule, die Machtressourcentheorie, der Katholizismus, der Protestantismus, die Säkularisierung, die Zentrumspartei, die soziale Frage, die soziale Sicherheit, die Sozialpolitik, die Armenpolitik, die Dekommodifizierung, die Inklusion, die soziale Solidarität, die Gerechtigkeit, die gesellschaftliche Entwicklung und die institutionellen Prozesse.
- Arbeit zitieren
- Jakob Kluge (Autor:in), 2013, Der Einfluss des Christentums auf die Entstehung der wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273492