Die Integration der Hugenotten in Irland von 1660 bis 1801


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

34 Seiten, Note: 2,0


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Leseprobe


Gliederung:

A Einleitung

B Die Integration der Hugenotten in Irland von 1660 bis
I. Zeitraum der Ankunft von Hugenotten und ihre Siedlungsräume in Irland
II. Rechtsstatus der Hugenotten in Irland
1. Physischer Schutz
2. Konformistische und nonkonformistische Gemeinden
3. „Denization“ und „Naturalisation“
III. Kurzer Überblick über die politische Situation in Irland zwischen 1660 und 1801 bezüglich der Hugenotten
IV. Die idealisierte Kirchenorganisation der Hugenotten in Irland
V. Integration der Hugenotten
1. Die Rolle der Hugenotten in der Politik
2. Integration der Soldaten
3. Integration der Händler und Handwerker
4. Integration von Klerikalen
VI. Identitätszeichen der Hugenotten im Wandel : Die hugenottische Internationale, Änderungen in Kirchenorganisation, Sprachbenutzung und Namensgebung

C Schlussfolgerungen

Anhang

Literaturverzeichnis

Französische Protestanten wurden in Frankreich nicht von der Regierung geduldet, weswegen viele von ihnen seit den 1520er Jahren Frankreich verließen. Zur Massenflucht, der drittgrößten „one-shot“ Migration im frühneuzeitlichen Europa,[1] kam es erst ab den 1670er Jahren mit dem Einsetzen der Dragonaden und 1685 wegen der Verabschiedung des Edikts von Fontainebleau, das viele Rechte der Protestanten innerhalb der französischen Gesellschaft aufhob. Bis etwa 1787, dem Jahr der Revision des Edikts von Fontainebleau flohen Protestanten aus Frankreich. 1787 wurden sie wieder geduldet und zurückkehrenden Nachkommen protestantischer Flüchtlinge wurden spezielle Rechte zugestanden. Volle Gleichberechtigung mit Katholiken in Frankreich erlangten sie durch den Code Napoléon von 1804.

Während des 17. und 18. Jahrhunderts wanderten Hugenotten, wie die französischen Protestanten seit den 1560er Jahren genannt wurden, nach Irland ein, besonders viele zwischen circa 1660 und 1760.

Wie sich die Hugenotten in die irische Gesellschaft bis zur umfassenden Union Irlands mit Britannien im Jahr 1798 bzw. 1801 integrierten, ist die Ausgangsfragestellung dieser Arbeit.

Meine These ist, dass sich die hugenottische Identität der Freiwillig-in-Irland-Bleibenden immer mehr auflöste, weil von Kalvinisten, wie von allen Irländern, eine Konformität mit dem Anglikanismus erwartet wurde, und diese gefördert wurde seitens der irischen Regierung. Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass sich ihre Identität wegen ihrer relativ geringen Zahl und einer ausbleibenden „Verfeindlichung“[2] nicht über mehrere Generationen verfestigen konnte.

Nach einer Feststellung der Zahl der Hugenotten in Irland, ihrer sozialen und altersmäßigen Struktur und ihren bevorzugten Siedlungsorten soll ihre rechtliche Stellung und das Verhalten der Regierung ihnen gegenüber gezeigt werden. Danach soll ihre Kirchenorganisation in Irland gezeigt werden. Eine Darstellung der Beteiligung von Hugenotten am öffentlichen Leben in Irland geht der Untersuchung des Wandels von hugenottischen Identitätskennzeichen voraus.

Historiker und Historikerinnen des 19. und 20. Jahrhunderts haben über die Hugenotten in Irland geforscht, David Agnew, Reginald Lane Poole und Samuel Smiles in den 1870er und 1880er Jahren. Die Huguenot Society of London gab mehrere Aufsätze in den „Proceedings of the Huguenot Society“ heraus. Die erste größere Veröffentlichung zu diesem Thema stammt aus dem Jahr 1936 und wurde von Grace Lawless Lee geschrieben. Etwa zeitgleich forschte Albert Carré, der seine Ergebnisse 1937 veröffentlichte. Erst 1985 folgten die nächsten umfangreichen Veröffentlichungen, die auch auf Primärquellen basierten.

Zu dem Assimilationsprozess der Hugenotten in Irland existieren seit den letzten Jahren Veröffentlichungen, allerdings sind diese kurze Aufsätze und beschränken sich auf jeweils einen Teilaspekt, sei es inhaltlich oder vom untersuchten Raum her. Studien zu Identität und Koexistenz der Hugenotten in den 1990er Jahren, die weniger die Herausstellung der Schwäche als vielmehr die Herausstellung der Stärke des Zusammenhalts der hugenottischen Gemeinschaft zeigen wollten, beschränkten sich (bei den angegebenen Büchern bei Margolf[3] ) auf den französischen Raum.

Ich habe neben Lexikonartikeln und Überblicksdarstellungen zwei Bücher gelesen (Gwynn 2001, Glozier 2002). Gwynn hat sich mit den Hugenotten in „Britannien“ im 16. bis 19. Jahrhundert beschäftigt, Glozier hat die erste Einzelstudie über die hugenottischen Soldaten in der Armee Wilhelms von Oranien vorgelegt und sich auf die internationalen Vorgänge und die internationalen Beziehungen der hugenottischen Soldaten konzentriert. Um die Frage nach der Integration der Hugenotten in Irland aber fundiert zu diskutieren, musste ich mich auf zahlreiche Aufsätze stützen: die primären Aspekte, die in diesen Aufsätzen für mich von Nutzen waren, sollen nun genannt werden: Hylton (2001), Magdelaine (2001), Ressinger (2001), Cottret (1985) lassen sich unter dem Gesichtspunkt zusammenfassen, dass sie die Schwierigkeiten der Integration der Hugenotten aufzeigen. McKee (2001), Margolf (2003) und Gwynn (2001) zeigen dagegen, wie sich die Hugenotten assimilierten, Whelan (2001), wie sich Hugenotten der ersten Generation nur teilweise anpassten. Über Hugenotten in Politik und Militär schreiben Murtagh (1987), Gwynn (1987), Kelly (1987) und MacGuire (1987), im Handel von Thadden (1985), Cullen (1987), de Courcy Ireland (1987) und Dickson (1987). Die internationalen Beziehungen der Hugenotten beleuchten Gwynn (2001) und Lougee Chappell (2003). Lebensläufe einzelner in Irland gelebt habender Hugenotten bieten Ressinger (2001), Cottret (1985) und Day (1987). Weitere Faktoren, an denen der Grad der Integration interpretiert werden kann untersuchen Pittion (1987), wobei dieser den Identitätsaufbau der Hugenotten im 16. Jahrhundert in Frankreich untersucht hat, Whelan (1998), Gwynn (2001), Lougee Chappell (2001) über die Namensgebung, McKee (2001) bei der Untersuchung von Hugenotten im anglikanischen Kirchendienst und Luria (2003) bei Grabstätten von Hugenotten. Flüchtlingsherkünfte und –wege nennen Caldicott (1987) und Pittion (1987). Andere Aspekte nennen Joutard (1985), Goldie (1987), Garrison (1995), Olson (2001), Marshall (2001) und Butler (2003). Professorin Ruth Whelan von der Universität Maynooth schreibt gerade (2006) an einem Buch über die religiöse Kultur der Hugenotten in Irland.[4]

Integration ist der Grundbegriff zur Bezeichnung der Wiederherstellung eines Ganzen aus seinen Teilen, der Erneuerung sowie der synthetischen Weiterbildung einer Entwicklungsreihe[5].“

Zeitraum der Ankunft von Hugenotten und ihre Siedlungsräume in Irland

Diese Definition des Begriffes „Integration“ setzt also die Anwesenheit von „Teilen“, hier also Hugenotten, voraus. Wann und wo siedelten sie in Irland?

Im Gegensatz zu England, in das im 16. Jahrhundert schon so viele Hugenotten eingewandert waren, dass sie Gemeinden aufbauen konnten, siedelten im 16. Jahrhundert nur einzelne Hugenotten in Irland, wie Jean de Beaulieu aus Poitou in Dublin. Ab 1558 sollen einzelne wallonische Flüchtlinge nach Irland eingewandert sein.[6] In Cork werden 1569 zwei „Hugenettes“ erwähnt, in den 1630ern soll Strafford versucht haben Weber aus dem Süden Frankreichs nach Irland „zu locken“.[7] Auch die Tatsache, das die „Church of Ireland“ zwischen 1615 und 1666 stärker kalvinistisch geprägt war als die „Church of England“ scheint keinen Einfluss auf das Emigrationsverhalten gehabt zu haben. In den 1660er Jahren stellte sich dank Regierungsmaßnahmen eine größere Flüchtlingszahl ein: die erste französische Kirchengemeinde Irlands existierte zwischen 1662 und 1669 in Dublin.[8] Diese Hugenotten, ein paar Hunderte an der Zahl[9], stammten vor allem aus dem Norden Frankreichs, wo die meisten wohl in Städten gewohnt hatten und wo sie eine Minderheit im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Nordfrankreichs gewesen waren[10]. Sie waren überwiegend finanzkräftig und adelig. Die nächste Einwanderungswelle in den bis 1690 im Gegensatz zu England eher unbekannten Zufluchtsplatz Irland[11] begann 1681. Diese Hugenotten, wie auch die Mehrheit der bis 1752 nach Irland auswandernden Hugenotten[12] kamen nun aus Frankreichs Süden (besonders dem Languedoc) und Westen (besonders aus Poitou und Charentes). Sie kamen aus ländlich geprägten Gebieten, in denen Protestanten die Mehrheit der Bevölkerung gestellt hatten und okzidentanisch sprachen, aber französisch auch verstanden, weil sie es in der Liturgie verwendeten.[13]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Flüchtlinge nahmen verschiedene Wege: entweder sie kamen, eventuell über die Niederlande, nach England oder Schottland und dann nach Irland oder sie kamen direkt nach Irland. Viele emigrierten weiter nach Nordamerika.[14] (Wie viele weiter nach Amerika emigrierten, könnte Gegenstand einer weiteren Arbeit sein, ich kann aber die Tatsache der Emigration am Beispiel der Kinder des Pastors Jacques Fontaine belegen.)[15]

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In ihrer Zusammensetzung waren die hugenottischen Emigranten heterogen, nicht nur bezüglich ihrer Herkunft, sondern auch bezüglich ihrer Alterstruktur. Denn sie waren Menschen jeden Alters. So sieht Butler[16] die Tatsache, dass auch viele alte Menschen flohen, als eine Ungewöhnlichkeit dieser Flüchtlingsmasse gegenüber den anderen, in der frühen Neuzeit durchaus normalen Migrantengruppen. Auch ihre Profession war unterschiedlich, siehe Abschnitt V. Die frühen Einwanderer bis 1680 und die Soldaten bzw. Veteranen waren meist adelig, im Gegensatz zu den späteren Emigranten.

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[17] Insgesamt siedelten in Irland schätzungsweise 5000[18] bis 10 000[19] Hugenotten. Sie machten nie mehr als 0,5% der Bevölkerung Irlands aus.

Zu den Orten, an denen Hugenotten in Irland sich sesshaft machten, gehörten vor allem die größeren Siedlungen im Osten und an Städten an der Ostküste[20], vor allem Dublin.

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Rechtsstatus der Hugenotten in Irland

Und außerdem, Herr Pfarrer, sehen sie mich bereit, in ein Land aufzubrechen, in dem ich mich größerer Freiheit erfreuen kann als hier.“ Lacoste de Casteljaloux 1677 in Frankreich zu einem katholischen Priester vor seinem Aufbruch nach England und Irland

Wir haben nichts in Frankreich, außer der Freiheit die Luft zu atmen.“ La Caillemotte, ein hugenottischer Soldat, der 1689-91 in Irland kämpfte[22]

Die Hugenotten hatten als Fremde und Angehörige einer zwar protestantischen, aber nicht anglikanischen Glaubensrichtung einen speziellen Rechtstatus.

Zunächst konnten sie physischen Schutz von der Regierung erwarten. Die Hugenotten wurden nämlich zwar im Vergleich zu anderen immigrierenden protestantischen Gruppen mehr willkommen geheißen[23], dennoch kann angenommen werden, dass die Situation in Irland ähnlich der in England war: Dort hatte es zwischen 1571 und 1623 mehrmals Beschwerden über Ausländer gegeben. Besonders Arme sollen Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen gehabt haben[24], aber auch Handwerksvereinigungen wandten sich mit Beschwerden an die Regierung, das Aufbauen von Stereotypen[25] zeugt von Unsicherheit, und der Hang, Fremde als Sündenböcke bei Problemen zu deklarieren, konnte Gewalt zur Folge haben. Dazu kam, dass der „Nationalfeind“ Englands, der Anfang des 17. Jahrhunderts noch Spanien war, sich ab den 1660er Jahren immer mehr in Frankreich wandelte.[26] Um Gewalt zu verhindern schritt die Regierung ein, sei es in Gestalt des Privy Council, dass sich in England an Stadtverwaltungen wandte, oder, wie in Irland 1682, in Gestalt der „King’s Guard“, die, vom Grafen von Arran angeführt, eine Menge von dreihundert Menschen in Dublin auseinander trieb, weil diese im Begriff stand, „Flüchtlinge“ zu attackieren.[27] Dass, wie in Canterbury 1587, spezielle Verantwortliche rekrutiert wurden, um die Ordnung zwischen Fremden und Einheimischen aufrechtzuerhalten, die „politic men“, „ political elders“ oder „arbitrators“ genannt wurden[28], scheint angesichts dieser Tatsache für Irland nunmehr wahrscheinlicher zu sein, kann ich aber nicht beweisen.

[...]


[1] Van Ruymbeke 2003, S. 6.

[2] Mit „Verfeindlichung“ ist ein Teil des in der Soziologie und Ethnologie näher untersuchte Phänomens der Identitätsausbildung gemeint: danach wird Identität sowohl vom Individuum gesteuert („impression management“) als auch von außen zugeschrieben („labelling“). Gruppen machen einander gegenseitig zum Feind um eine eigene Identität zu stabilisieren. Nach: Anna-Kathrin Warner: Die Contraden von Siena. Lokale Traditionen und globaler Wandel. Frankfurt 2004, S. 37f.

[3] siehe Margolf 2001, S. 27.

[4] Nach: http://french.nuim.ie/research.shtml.

[5] Fuchs 1996, S. 374.

[6] Gresch 2001, S. 161.

[7] Gwynn 1987, S. 208f.

[8] Gwynn 1987, S. 212.

[9] Dickson 1987, S. 323.

[10] Joutard 1987, S. 12.

[11] Gwynn 1987, S. 209, 220

[12] Gwynn 2001,1, S. 428- 33; von einer weiteren Zuwanderung von Hugenotten 1752 nach Dublin spricht Bennett 1991, S. 104.

[13] Joutard 1987, S. 14.

[14] Caldicott 1987, S. 12.

[15] Abbildung links: Gwynn 2001,1, S. 46 „Some popular huguenot escape routes from France“– rechts: Best 1997.

[16] Butler 2003, S. 195-7.

[17] Abbildung: zeitgenössische Zeichnung eines Niederländers von auswandernden Hugenotten von circa 1690. Gwynn 2001,1.

[18] Gresch 2005, S. 161.

[19] Gwynn 2001, 1, S. 3. Zumindest in England soll es bis Mitte des 17. Jahrhunderts einen Zensus der Ausländer gegeben haben, nach: Gwynn 2001, 1, S. 72. Dublin soll 1685 etwa 400 Hugenotten beheimatet haben, 1701 2001, in den 1720ern 4000, nach: Dickson 1987, S. 323.

[20] Gresch 2001, S. 31.

[21] Abbildung von Gresch 2001, S. 161.

[22] Zit. n. Murtagh 1987, S. 228.

[23] Gwynn 2001, 1, S. 141.

[24] Ebd. S. 148. Der Historiker Ian Archer gebrauchte dafür den Ausdruck „a rich vein of popular xenophobia“, Gwynn 2001, 1, S. 141. Gwynn spricht von der „insular hostility“, die ohne die Regierungshilfe die ausländischen Kongregationen erwartet habe, ebd. S. 71.

[25] Ebd. S. 144.

[26] Gwynn 2001, 1, S. 146.

[27] Gwynn 2001, 1, S. 144-149.

[28] Gwynn 2001, 1, S. 143.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Die Integration der Hugenotten in Irland von 1660 bis 1801
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Das Werden des Vereinigten Königreiches von der dynastischen Union zum Gesamtstaat 1603 - 1801
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
34
Katalognummer
V275894
ISBN (eBook)
9783656688129
ISBN (Buch)
9783656688136
Dateigröße
1440 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
integration, hugenotten, irland
Arbeit zitieren
Anna Nießner (Autor:in), 2006, Die Integration der Hugenotten in Irland von 1660 bis 1801, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275894

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