Ethische Führung und ihr Einfluss auf die Arbeitgeberattraktivität

Eine repräsentative Studie


Masterarbeit, 2014

140 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 ProblemstellungderArbeit
1.2 ZielsetzungderArbeit
1.3 AufbauderArbeit

2 Arbeitgeberattraktivität
2.1 Theorie der Arbeitgeberattraktivität
2.1.1 Abgrenzungen der Arbeitgeberattraktivität
2.1.2 Einordnung der Arbeitgeberattraktivität im Unternehmen
2.1.3 Funktionen und Ziele von Arbeitgeberattraktivität
2.2 Bedeutung der Arbeitgeberattraktivität in der wirtschaftlichen Praxis
2.2.1 „Warfor talents" - Arbeitsmarktsituation Deutschland
2.2.2 Bedeutung der Ressource Mitarbeiter
2.2.3 Wirtschaftliche Bedeutung der Arbeitgeberattraktivität
2.3 Determinanten der Arbeitgeberattraktivität
2.3.1 Determinanten aus Sicht bestehender Mitarbeiter
2.3.2 Determinanten aus Sicht potenzieller Arbeitnehmer

3 Ethische Führung
3.1 Überblick über die Führungsforschung
3.2 Theorie der ethischen Führung
3.2.1 Stand der Forschung zu ethischer Führung
3.2.2 Definition und Ziele ethischer Führung
3.2.3 Konstrukt und Eigenschaften der „ethischen Führungskraft"
3.2.4 Wirkungsweisen ethischer Führung

4 Zusammenhang (Ethische) Führung und Arbeitgeberattraktivität

5 Studie „Einfluss ethischer Führung auf Arbeitgeberattraktivität"
5.1 Zielsetzung und Methodik
5.1.1 Durchführung und Stichprobe
5.1.2 Messinstrumente
5.1.3 Auswertungsmethoden
5.2 Ergebnisse
5.3 Diskussion

6 Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aufbau der Arbeit

Abbildung 2: Definition Arbeitgeberattraktivität

Abbildung 3: Wirkungszusammenhang Arbeitgeberattraktivität

Abbildung 4: Einordnung Arbeitgeberattraktivität im Konstrukt der Unternehmensattraktivität

Abbildung 5: Ganzheitliches Rahmenmodell Arbeitgeberattraktivität

Abbildung 6: Funktionen der Arbeitgeberattraktivität auf dem Arbeitsmarkt

Abbildung 7: Entwicklung Bevölkerung und Erwerbstätige bis 2060

Abbildung 8: Bevölkerung nach Altersgruppen

Abbildung 9: Engagement Index deutscher Mitarbeiter in 2013

Abbildung 10: Demografischer Wandel - Auswirkungen auf Unternehmen

Abbildung 11: Veränderte Position von Arbeitnehmern

Abbildung 12: Aufteilung deutscher Betriebe nach Betriebsgröße

Abbildung 13: Bedeutung der Arbeitsmarktsituation für die Wirtschaft

Abbildung 14: Relevanz der Arbeitgeberattraktivität für Unternehmen

Abbildung 15: Psychologische Arbeitgeberkategorien

Abbildung 16: Auswirkung von Arbeitgeberattraktivität auf Mitarbeiterzufriedenheit und - bindung

Abbildung 17: Untersuchungsmodell zum Aufbau der Arbeitgeberattraktivität

Abbildung 18: Harte/ rationale Determinanten der Arbeitgeberattraktivität

Abbildung 19: Weiche/emotionale Determinanten der Arbeitgeberattraktivität

Abbildung 20: Determinanten Arbeitgeberwahl aus der Sichtweise von Studenten

Abbildung 21: Determinanten der Arbeitgeberattraktivität aus Sicht von Studierenden..

Abbildung 22: Merkmale und Ziele guter Führung

Abbildung 23: Rahmenmodell Führung

Abbildung 24: Problemorientierter Bezugsrahmen Mitarbeiterführung

Abbildung 25: Definition ethische Führung

Abbildung 26: Handlungsrahmen und Eigenschaften ethischer Führung

Abbildung 27: Wann fühlen Mitarbeiter sich gut geführt? (n=20.000);

Abbildung 28: Auswirkung von Führung auf Mitarbeiterengagement.

Abbildung 29: Moderierende Führungseigenschaften für Erzielung von Arbeitgeberattraktivität

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Deskriptive Statistiken, Korrelationen und interne Konsistenz

Tabelle 2: Gütemaß der Regression EF-AA

Tabelle 3: Signifikanzprüfung Gesamtmodell

Tabelle 4: Einflussstärke

Tabelle 5: Gütemaß der Regression EMF,ERM und AA

Tabelle 6: Signifikanzprüfung Gesamtmodell

Tabelle 7: Einflussstärke

Tabelle 8: Gütemaß der Regression EF und AA nach Zielgruppen aufgeteilt

Tabelle 9: Signifikanzprüfung Gesamtmodell

Tabelle 10: Einflussstärke

Tabelle 11: Gütemaß der Regression für die Faktoren EMF / ERM und die Zielgruppen.

Tabelle 12: Signifikanzprüfung Gesamtmodell

Tabelle 13: Einflussstärke

1 Einleitung

1.1 ProblemstellungderArbeit

Alle Regeln und Werte sind nichts wert, wenn wir als Vorgesetzte nicht auch als Vorbild fungieren. Sei es im offenen und toleranten Umgang miteinander, gegenseitigen Respekt und Wertschätzung, aber auch mit einer vorgelebten Work-Life-Balance."

(Feist, 2014)

„Human Capital - Der Mensch steht im Mittelpunkt. Ob im Vertrieb, der Fertigung, der Entwicklung, im Service oder in der Verwaltung: Unsere Mitarbeiter sind unser wichtigs­tes Kapital" (EBMPapst, 2014). Dieser Satz ist mittlerweile auf fast jeder Webseite eines Unternehmens zu lesen. Oft stellt sich die Frage, inwieweit diese Sätze von den Unter­nehmen tatsächlich auch in dieser Form gelebt werden: „Deutschland einig Floskelland" beschreibt hierbei die Meinung vieler Leute. Das Ziel solcher Versprechen ist jedoch ein­leuchtend, denn die Qualität der Mitarbeiter beeinflusst in erheblichem Ausmaß den Er­folg eines Unternehmens, zufriedene Angestellte sind also (zumeist) gute Angestellte (Simon et al., 1995). An ebenjener Zufriedenheit fehlt es jedoch in zunehmendem Maße in der Arbeitswelt: „Meine Firma liebt mich nicht" hieß ein Titel in der ZEIT vom April 2014, welcher zeigt, dass sich eine wachsende Zahl an Mitarbeitern nicht genug wertge­schätzt fühlt und unzufrieden ist (DIE ZEIT (Hrsg.), 2014). Dies alleine wäre an sich schon Herausforderung genug für Unternehmen. Zu einem (langfristig) erfolgsrelevanten Prob­lem wird sie unter Einbezug der Tatsache, dass in der Wirtschaft gute Arbeitskräfte knapp werden. Grund hierfür ist die Entwicklung der Arbeitsmarktsituation: Neben einem schon heute vorherrschenden Fachkräftemangel wird für die Zukunft auch ein allgemeiner Ar­beitskräftemangel absehbar sein. Wie die Bundesregierung bemerkt, ist „der Fachkräfte­mangel DIE Herausforderung der nächsten Jahre (Bundesministerium für Arbeit und So­ziales, 2011). Unternehmen befinden sich in einem Wettkampf um die besten Mitarbei­ter, dem sogenannten „War for talents", und müssen folglich neue Wege finden, ihr Un­ternehmen als Arbeitgeber attraktiv zu machen (Bruhn et al., 2013). Zum einen, um po­tenzielle Arbeitnehmer leichter rekrutieren zu können, zum anderen, um bestehende

Mitarbeiter länger und besser an ihren Betrieb binden zu können: „Businesses will live and die based on their ability to attract the right talent for the job" (Leonard in Sutherland et al., 2002, S.ll). Die Bereitschaft, neue Wege für Mitarbeitergewinnung und -bindung zu gehen, war noch nie so hoch wie derzeit: Um die Zufriedenheit der Mitarbei­ter zu erhöhen und damit eine intensivere Bindung an das Unternehmen herzustellen, beschreiten Unternehmen teilweise kurios anmutende Pfade. So sind bspw. neben Maß­nahmen zur Work-Life-Balance neueste „Ideen" von Personalverantwortlichen sogenann­te „Feel Good Manager", die in „erster Linie dafür sorgen, dass sich die Mitarbeiter am Arbeitsplatz wohlfühlen. Dafür kaufen sie Obst, organisieren gemeinsame Kochaktionen, bestellen Masseure, haben ein offenes Ohr für Probleme und versuchen in Konflikten zu vermitteln." (Maas, 2013). „Companies may go to extreme lengths in their search for tal­ent, and once they have it, they will take measures to keep people „locked in" to their organizations." (PricewaterhouseCoopers (Hrsg.), 2008, S. 4). Da für Zufriedenheit am Arbeitsplatz in hohem Maße die jeweilige Führungskraft verantwortlich ist, stellt sich die Frage, ob eine bessere Bindung und damit höhere Arbeitgeberattraktivität nicht weniger durch Aktionen, sondern vielmehr über einen „effektiven" Führungsstil zu erreichen ist.

Für die vorliegende Arbeit wurde der ethische Führungsstil als mögliche Determinante der Arbeitgeberattraktivität gewählt; denn wo Wertschätzung und Zufriedenheit fehlen, fehlt oftmals der ethisch normative Umgang mit den Mitarbeitern. Ob der ethische Führungs­stil dabei einen positiven Einfluss auf die Arbeitgeberattraktivität nimmt, soll in der vor­liegenden Arbeit herausgefunden werden.

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu untersuchen, ob und inwieweit ein ethischer Führungsstil eine positive Auswirkung auf die wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität eines Unternehmens hat. Hierbei wird bzgl. der Wahrnehmung zwischen folgenden Ziel­gruppen unterschieden:

(a) bestehende Unternehmensmitarbeiter
(b) Studenten/Absolventen

Die Frage ist also: „Führt ethische Führung zu einer Steigerung der Arbeitgeberattraktivi­tät?". Dies soll mit Hilfe einer repräsentativen, quantitativen Studie untersucht werden, dabei werden beide Zielgruppen mit einbezogen.

1.3 Aufbau der Arbeit

Für die Zielsetzung „Inwieweit hat ethische Führung eine Auswirkung auf die empfundene Arbeitgeberattraktivität aus der Sichtweise von Mitarbeitern und Studenten heraus?" beantworten zu können, wird zunächst der theoretische Rahmen für beide Themenfelder (Arbeitgeberattraktivität und Ethische Führung) abgesteckt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Aufbau der Arbeit

Quelle: Eigene Darstellung.

Begonnen wird in Kapitel 2 mit einer Einführung in den Bereich der Arbeitgeberattraktivi­tät. Diese wird mittels Erläuterungen, Abgrenzungen und Zielformulierungen in einen wissenschaftlichen Rahmen gefasst. Über die Darstellung der aktuellen und zukünftig er­warteten Arbeitsmarktsituation und die Erklärung, welche Bedeutung Mitarbeiter für ein Unternehmen haben, können Folgerungen über die praktische Relevanz der Arbeitgebe­rattraktivität gezogen werden. Als letzter Schritt erfolgt die Darstellung der sie bestim­menden Determinanten, mit Fokus auf die Identifizierung des Faktors „Führung" als die fürvorliegendeArbeit relevante Determinante derArbeitgeberattraktivität.

Kapitel 3 beginnt mit einer Einführung in die allgemeine Führungsforschung, um eine Ver­ständnisgrundlage für den ethischen Führungsstil zu schaffen. Dieser wird anschließend vorgestellt und ebenfalls hinsichtlich seiner Ziele erläutert. Die darauf folgende Darstel­lung des Konstrukts der ethischen Führung, ihrer Determinanten und Wirkungsweisen dient sowohl einer wissenschaftlichen, als auch praxisnahen Einordnung.

Kapitel 4 schließt den theoretischen Teil der Arbeit, indem die Erkenntnisse aus den Kapi­teln 2 und 3 hinsichtlich der Forschungsfrage „Inwieweit hat ethische Führung eine Aus­wirkung auf die empfundene Arbeitgeberattraktivität (aus Sicht von Mitarbeitern und von Studenten)?" in einen Bezug zueinander gesetzt werden. Diese Fragestellung wird in Ka­pitel 5 mit der Auswertung der für diese Arbeit durchgeführten Studie „Einfluss ethischer Führung auf Arbeitgeberattraktivität" empirisch untersucht. Der Fragebogen und seine ausgewählten Messinstrumente zählen zum Bereich der (organisations-)psychologischen Forschung. Den Vorgaben zur Auswertung empirischer Studien nach erfolgt zuerst die Darstellung der Methodik. Im Anschluss daran werden die für die Forschungsfrage rele­vanten Ergebnisse aufgezeigt und im anschließenden Diskussionsteil bewertet und inter­pretiert. Es werden Implikationen für die Theorie und die Praxis gezogen und Limitationen der Studie samt Ausblick dargestellt. Die Arbeit schließt mit dem Fazit in Kapitel 6, in wel­chem in knapper Form die wesentlichen Erkenntnisse unter Einbezug der eigenen Mei­nung resümiert werden.

2 Arbeitgeberattraktivität

2.1 Theorie der Arbeitgeberattraktivität

„It is generally recognized that intellectual and human capital is the foundation of com­petitive advantage in the modern economy" (Berthon et al., 2005, S. 1). Mitarbeiter als das Humankapital eines Unternehmens haben einen erheblichen Einfluss auf dessen wirt­schaftlichen Erfolg. Unter dem Aspekt einer immer knapper werdenden Ressource „Ar­beitnehmer" kommt folglich dem Bemühen um die für ein Unternehmen richtigen und effektiven Mitarbeiter eine immer größere Bedeutung zu. Entscheidend hierbei ist, wie attraktiv ein Unternehmen nach innen und außen erscheint.

Der funktionale Begriff „Arbeitgeberattraktivität" hat in die Wissenschaft und in Folge auch in die Praxis erst seit Erscheinen des Konzeptes des Employer Branding Ansatzes (Erklärung folgt weiter unten im Text) von Ambler und Barrow im Jahre 1996 Einzug ge­halten. Wurde in früheren Jahren einer möglichen Attraktivität eines Unternehmens als Arbeitgeber eher mäßig Beachtung geschenkt, so ist in aktueller Zeit ein regelrechter Boom von arbeitgeberattraktivitätssteigernden Maßnahmen und Ähnlichem zu erleben. Als Antwort auf die sich ändernde Arbeitsmarktsituation und einem daraus folgenden größeren Wettbewerb um Human-Ressourcen (siehe Unterkapitel 2.2.1) erfährt vor allem das Konzept des Employer Brandings eine weitreichende Beliebtheit (vgl. hierzu: In allen relevanten Studien wird Employer Branding als einer der Megatrends im HR- und Perso­nalbereich genannt (DGFP (Hrsg.), 2013); (StepStone Deutschland GmbH (Hrsg.), 2011)).

In der Literatur wird das Themengebiet der Arbeitgeberattraktivität fast ausschließlich als ein Teil dieses Konzeptes behandelt, in vorliegender Arbeit wird jedoch eine losgelöste Betrachtungsweise erfolgen. Somit müssen im Folgenden nach einer Erklärung des Begrif­fes der Arbeitgeberattraktivität einige Begrifflichkeiten, die eng mit dem Konzept verbun­den sind, abgegrenzt werden.

Erläuterung Arbeitgeberattraktivität

Attraktivität im Allgemeinen drückt aus, dass eine Sache eine Anziehungskraft besitzt (Duden (Hrsg.), 2013). Für den Begriff der Arbeitgeberattraktivität ist in der Literatur kei­ne einheitliche Definition zu finden. Er wird zwar - gerade im Zusammenhang mit Perso­nalthemen - vielfach verwendet, jedoch meist in seiner genauen Bedeutung als gegeben vorausgesetzt. Dies mag häufig daran liegen, dass der Begriff an sich selbsterklärend er­scheint: Die meisten können sich von der Attraktivität eines Arbeitgebers eine Vorstellung machen.

Ambler und Barrow waren mit ihrem Ansatz des Employer Branding Konzepts die ersten, welche die bis dato getrennt agierenden Funktionen der Markenführung und des Perso­nalmanagements (HR-Management) zusammenführten (Sponheuer, 2010). Ihr For­schungsgedanke ist, dass Marketingtechniken der klassischen Markenführung, übertragen auf HR-Handlungsfelder, diesen einen messbaren Nutzen bringen können hinsichtlich einer Steigerung des Mitarbeiter-Commitments, des Vertrauens, der engeren Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen u. a. (Ambler and Barrow, 1996a). Mittels Instru­menten der Markenführung und einer gesteigerten Arbeitgeberattraktivität soll ein Un­ternehmen als präferierter Arbeitgeber positioniert werden. In der gleichen Weise, wie die kundenorientierte Markenführung ein positives Image in den Köpfen der Konsumen­ten erzeugen möchte, um damit den Verkauf zu steigern, soll Employer Branding als res­sourcenorientierter Ansatz (Mitarbeiter = Ressource) ein positives Arbeitgeberimage in den Köpfen von Mitarbeitern und potenziellen Arbeitnehmern hervorrufen. Ziel des Employer Branding ist die Bildung der „employer brand" (=Arbeitgebermarke), welche mit Hilfe von Alleinstellungsmerkmalen das Unternehmen als Arbeitgeber von anderen Wett­bewerbern positiv differenzieren kann (Backhaus and Tikoo, 2004a). Die Entstehung die­ser eindeutigen Arbeitgebermarke wird dabei einem Prozess zugeordnet, in welchem Vorstellungen über eine Unternehmensmarke das Arbeitgeberimage prägen, welches seinerseits die Arbeitgeberattraktivität positiv beeinflusst (Backhaus and Tikoo, 2004b). Bezüglich des Themengebiets der Arbeitgeberattraktivität ist es wohl das bekannteste und dominierende Konzept sowohl in Wissenschaft als auch in der Praxis. Vor allem letzt­genannte befindet sich derzeit in einem regelrechten „Employer Branding Boom": Als Maßnahme zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität wird fast ausschließlich auf das Konzept des Employer Branding verwiesen. Dieses sieht die Arbeitgeberattraktivität dabei allerdings nur als ein Zwischenziel auf dem Weg zur Bildung einer Arbeitgebermarke (Sponheuer, 2010). Im Gegensatz dazu sieht vorliegende Arbeit das Erreichen oder die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität als das letztliche Ziel und betrachtet den Begriff losgelöst von Marketingtechniken.

Berthon et. al definieren die Arbeitgeberattraktivität folgendermaßen: „Employer attrac­tiveness is defined as the envisioned benefits that a potential employee sees in working for a specific organisation. It constitutes an important concept in knowledge-intensive contexts where attracting employees with superior skills and knowledge comprises a primary source of competitive advantage" (Berthon et al., 2005, S. 1). Sie ist also eine bestimmte Wahrnehmung (eines Unternehmens) in den Köpfen potenzieller Arbeitneh­mer. Allerdings greift diese Definition zu kurz, da sie nur die Zielgruppe der potenziellen Arbeitnehmer benennt. Für eine ganzheitliche Darstellung ist es jedoch unerlässlich, auch vorhandene Mitarbeiter als Zielgruppe mit aufzunehmen, da es das letztliche Ziel von Arbeitgeberattraktivität ist, über die „richtigen" Mitarbeiter verfügen zu können. Damit ist sowohl eine Rekrutierung als auch eine Bindung von Mitarbeitern miteingeschlossen. Die Arbeitgeberattraktivität ist also zum einen auf die Zielgruppe der externen Stakehol­der und in der genauen Einordnung die der potenziellen Arbeitnehmer ausgerichtet. Zum anderen zielt sie auf die internen Stakeholder - die Mitarbeiter - ab. Nach Huf zeigt sich die Attraktivität dadurch, wie wünschenswert „{...} die organisationale Mitgliedschaft für potenzielle Bewerber und aktuelle Mitarbeiter {...}" ist (Huf, 2007, S. 59) (ausführliche Erklärung siehe Unterkapitel 2.1.3).

Zusammengefasst ist die Arbeitgeberattraktivität als dasjenige (subjektive) wahrgenommene Nutzenbündel zu verstehen, welches bestehende Arbeitnehmer hält und an das Unternehmen bindet und zugleich potenzielle Arbeitnehmer dazu bewegt, sich bei dem Unternehmen zu bewerben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Definition Arbeitgeberattraktivität

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Berthon et al., 2005; Huf, 2007; Schmicker et al., 2011.

Eine Attraktivität ist dabei immer subjektiv, individuell und meist situationsbezogen. Das bedeutet, dass Dinge, die ein Mensch zum heutigen Zeitpunkt als attraktiv betrachtet, in einer anderen Lebensphase mit differenten Prioritäten als nicht mehr attraktiv angesehen werden können (Schmicker et al., 2011). Die Einflussfaktoren oder Merkmale, welche das subjektive Nutzenbündel dabei bestimmen, sind je nach Person und Zielgruppe verschie­den. In Unterkapitel 2.3 werden die für diese Arbeit als relevant erachteten Einflussgrö­ßen für beide Zielgruppen getrennt vorgestellt, allerdings wird schon an dieser Stelle die Abgrenzung zwischen den weiter und enger gefassten Determinanten der Arbeitgeberat­traktivität vorgenommen: Zu den weiter gefassten gehören neben den direkt beeinfluss­baren Merkmalen wie Gehalt, Zusatzleistungen, Unternehmenskultur u. a. auch die indi­rekt beeinflussbaren Merkmale Standort, Branche und Produkte/Dienstleistungen. Da diese für vorliegende Arbeit mit ihrem Fokus auf Führungsverhalten irrelevant sind und zudem einen geringeren Einfluss auf wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität aufwei­sen, wird die enger gefasste Definition zu Grunde gelegt und die Einflussfaktoren Stand­ort, Branche und Produkte/Dienstleistungen werden weitestgehend außer Acht gelassen. Ist in vorliegender Arbeit von „der Arbeitgeberattraktivität" die Rede, so ist damit immer die Wahrnehmung von Arbeitgeberattraktivität aus der Sichtweise der Zielgruppen ge­meint.

2.1.1 Abgrenzungen derArbeitgeberattraktivität

Da in der Literatur, sei es in wissenschaftlichen Texten oder vielzähligen Experten­Beiträgen in Fachzeitungen und dem Internet, immer wieder synonyme Begrifflichkeiten rund um das Thema „War for talents" und Arbeitgeberattraktivität verwendet werden, werden im Folgenden Abgrenzungen vorgenommen. Zudem hängen die meisten Begriff­lichkeiten wie verschiedene Image- und Attraktivitätsbegriffe mit dem Markenführungs­Ansatz, dem Employer Branding Konzept zusammen und sollten daher losgelöst von ihm erläutert werden.

Arbeitgeberattraktivität und Unternehmensimage

Der Begriff des Unternehmensimages ^corporate image, organizational image) wird in der Presse immer wieder in Zusammenhang mit dem „War for talents" genannt. Auch hier ist keine einheitliche Definition zu finden, Amrioui definiert das Image aus einer übergeordneten Sichtweise folgendermaßen: „{...} eine ganzheitliche und mehrdimensio­nale Basis von Einstellungen, die eine Person zu einer Sache besitzt {...}" (Amriouri in Rolke, 2006, S. 38). Dementsprechend ist es das Bild, das sich eine Person über eine Sache macht. Dabei ist das Unternehmensimage auf das Unternehmen als Ganzes bezogen. Rol­ke definiert das Unternehmensimage detaillierter als „{...} das imaginäre Bild, das sich die Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Kooperationspartner, Vertreter der Medien, die Öffentlichkeit von einem Unternehmen gemacht haben" (Rolke, 2006, S. 41). Hier wird deutlich, dass vom Unternehmensimage sämtliche Stakeholder individuell betroffen sind und das Image als ein Generelles einen großen Teil differenter Anforderungen und Aspek­te bedient. Möchte man wissen, welchen Standpunkt man hinsichtlich seiner Arbeitge­berwahrnehmung in der jeweiligen Zielgruppe hat, so ist das Unternehmensimage zu breit gefächert. Es ist jedoch der Wahrnehmung der Arbeitgeberattraktivität vorgeschal­tet, da vor der Beurteilung einer möglichen Attraktivität zuerst ein Bild/Image über eine Sache entsteht. Die Attraktivitätswahrnehmung, die Mitarbeiter und potenzielle Bewer­ber über ein Unternehmen haben, wird daher unter anderem vom Unternehmensimage geprägt (Preißing, 2010) (Lemmink et al., 2003) (К. Backhaus et al., 2002).

Das Unternehmensimage ist in Folge davon nur als ein Faktor unter vielen im Beurtei­lungsprozess der Arbeitgeberattraktivität einzuordnen.

Arbeitgeberattraktivität und Arbeitgeberimage

Auch die Begriffe der Arbeitgeberattraktivität und des Arbeitgeberimage (= employer image, company employment image) werden in der Literatur zumeist bedeutungsgleich verwendet.

Bevor eine Person sich bei einem Unternehmen bewirbt, bildet sie sich zusätzlich zum Unternehmensimage - je nach den ihr zur Verfügung stehenden Informationen - be­stimmte Vorstellungen (associations) über das Unternehmen. Diese subjektiven Vorstel­lungen wie z.B. „Unternehmen X steht für spannende Projekte, Unternehmen Y bietet hohe Reisetätigkeit" formen das Arbeitgeberimage (Andersen, 2008). Das Unternehmen­simage dient also als Basis der subjektiven Vorstellungen von Personen und daraus bildet sich - kommt ein Unternehmen als Arbeitgeber in Frage - mit Hilfe weiterer hinzugezoge­ner Faktoren das Arbeitgeberimage, welches wiederum Einfluss auf die wahrgenommene Attraktivität nimmt (Lemmink et al., 2003). Diese weiteren Faktoren sind dabei personal­politischer Natur und betreffen Funktionen wie Gehalt, Urlaubsanspruch, Kollegialität etc., die potenzielle Bewerber auswählen, um ein deutlicheres Bild vom Arbeitgeber zu erhalten. Das Arbeitgeberimage ist somit die „{...} Wahrnehmung eines Unternehmens, und zwar bezogen auf die Ausprägung derjenigen (Eigenschaften und) Merkmale, in de­nen sich seine Attraktivität als potenzieller Arbeitgeber (in bestimmten Zielgruppen) wi­ derspiegelt" (Teufer, 1999, S. 124). Hierbei beeinflusst das Arbeitgeberimage die Arbeit­geberattraktivität positiv (Lievens et al., 2005) (Backhaus and Tikoo, 2004b) (Andersen, 2008). Demzufolge kann es als eine Vorstufe der bewertenden Arbeitgeberattraktivität angesiedelt werden (Bruhn et al., 2013a) (siehe Abbildung 3): „{...} the employer image (that) in turn affects the attractiveness of the organisation to potential employees" (Backhaus and Tikoo, 2004a, S. 503).

Ein attraktiver Arbeitgeber hat demzufolge immer ein positives Arbeitgeberimage. Die Arbeitgeberattraktivität beantwortet dabei die Frage „Wie attraktiv sieht mich ein poten­zieller Bewerber hinsichtlich einer Abgleichung seiner Anforderungen und erhaltenen Informationen (u.a. über das Arbeitgeberimage)?". Demgegenüber beantwortet das Ar­beitgeberimage die Frage „Welches Bild habe ich aufdem Arbeitsmarkt?".

Bringt man das Unternehmens-, das Arbeitgeberimage und die Arbeitgeberattraktivität in einen Wirkungszusammenhang, so ist festzustellen, dass die verschiedenen Imageformen nicht komplett getrennt voneinander betrachtet werden können, da es je nach Auffas­sungsweise zu Überschneidungen oder gegenseitigen Beeinflussungen und Abhängigkei­ten kommt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Wirkungszusammenhang Arbeitgeberattraktivität

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Backhaus and Tikoo, 2004a; Bruhn et al., 2013.

Wie aus Abbildung 3 ersichtlich, beeinflusst das Unternehmensimage als ein Bild in den Köpfen der Stakeholder das Arbeitgeberimage positiv, welches sich aus den individuellen

Vorstellungen der Menschen plus weiteren hinzugezogenen Informationen - betreffend des Unternehmens als Arbeitgeber - bildet. Dieses Arbeitgeberimage beeinflusst seiner­seits positiv die wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität.

Arbeitgeberattraktivität und Unternehmensattraktivität

Sowohl die Arbeitgeber- als auch die Unternehmensattraktivität beschreiben eine Form der Anziehung und sind auf externe und interne Stakeholder bezogen. Eine Gleichsetzung der Begriffe führt daher zu keinen schwerwiegenden Fehlinterpretationen. Für eine wis­senschaftliche Einordnung der Begrifflichkeiten ist eine Abgrenzung jedoch sinnvoll, zu­mal beide Bezeichnungen in der praktischen Anwendung differente Instrumente umfas­sen. Eine eindeutige Definition von Unternehmensattraktivität ist in der Literatur eben­falls nicht zu finden. Im Unterschied zum Begriff der Arbeitgeberattraktivität ist der Be­griff der Unternehmensattraktivität neben Personalbüchern auch in Büchern zu Mergers & Acquisitions, dem Controlling oder zum Management zu lesen. Dies legt nahe, dass Un­ternehmensattraktivität einen weitaus größeren Bereich umfasst als Arbeitgeberattrakti­vität. Nach Hutzschenreuter ist ein Unternehmen ,, {...} ein sozio-ökonomisches System, das als planvoll organisierte Wirtschaftseinheit Güter und Dienstleistungen erstellt und gegenüber Dritten verwertet. Ein System zeichnet sich durch eine geordnete Gesamtheit von Elementen aus, zwischen denen Beziehungen bestehen und die in Beziehung zum Umfeld stehen" (Hutzschenreuter, 2009, S. 7). Aus dieser Beziehung zu seinem Umfeld lassen sich die Interessen- oder auch Anspruchsgruppen eines Unternehmens ableiten: die Stakeholder (externe Anspruchsgruppen, z.B. Lieferanten, Politik etc.) und Sharehol­der (interne Anspruchsgruppen, z.B. Mitarbeiter, Eigentümer). Beide hegen durch ihren Bezug zum Unternehmen differente Erwartungen und Ansprüche an selbiges. Da ein Un­ternehmen in einer Beziehung zu seinem Umfeld steht, ist es - in Relation ihres Einflusses - abhängig von den Anspruchsgruppen und wird von diesen hinsichtlich ihrer jeweiligen Interessen subjektiv bewertet (Mugler, 2008).

Setzt man nun die oben aufgeführte Definition von Attraktivität in Verbindung mit den für Unternehmen wichtigen Anspruchsgruppen, so kann nach eigener Auffassung die Unter­nehmensattraktivität als dasjenige Nutzenbündel bezeichnet werden, welches auf Sta­ke- und Shareholder eine Anziehungskraft ausübt und das Unternehmen dadurch at­traktiv hinsichtlich deren jeweiligen subjektiven Erwartungen erscheinen lässt.

In ihrer Studie zum Thema Arbeitgeberattraktivität ordnen Schmicker et al. die Arbeitge­berattraktivität als einen Teilbereich im übergeordneten Konstrukt der Unternehmensat­traktivität ein (Schmicker et al., 2011).

Shareholder Stakeholder

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Einordnung Arbeitgeberattraktivität im Konstrukt der Unternehmensattraktivität

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schmicker et al., 2011; Hutzschenreuter, 2009; Mugler, 2008.

Abbildung 4 zeigt, dass die Arbeitgeberattraktivität im Gegensatz zur Unternehmensat­traktivität auf dem Markt der Share- und Stakeholder nur auf die Gruppe der Mitarbeiter und der potenziellen Mitarbeiter abzielt. Sie ist also in ihrem Wirkungsradius weitaus en­ger gefasst, hat dabei jedoch als ein Teilbereich der Unternehmensattraktivität auch eine Ausstrahlungsfunktion aufdiese.

Steht eine Steigerung der Arbeitgeberattraktivität im Fokus, so ist jedoch weniger das Konstrukt als vielmehr der Wirkungszusammenhang ausschlaggebend: Da potenzielle Mitarbeiter immer unvollständiges Wissen bezüglich der Beurteilung eines Unternehmens als Arbeitgeber haben, wirkt u.a. die Unternehmensattraktivität als Einflussfaktor auf die subjektive Wahrnehmung (Bondarouk et al., 2012). Gebildet wird die Unternehmensat­traktivität dabei aus dem jeweiligen individuellen Unternehmensimage (Van Hoye und

Saks, 2011). Dass eine hohe Unternehmensattraktivität auch eine gleichermaßen hohe Arbeitgeberattraktivität impliziert (und umgekehrt), kann nicht pauschal angenommen werden. Somit kann ein Unternehmen als attraktiv wahrgenommen werden, jedoch un­ter Einbezug personalpolitischer Parameter eine schlechte Arbeitgeberattraktivität auf­weisen.

Die Arbeitgeberattraktivität kann also einerseits als ein Teilbereich innerhalb des Kon­strukts der Unternehmensattraktivität gesehen werden. Aus der Sicht eines Ablaufprozes­ses kann die Unternehmensattraktivität andererseits als ein positiver Einflussfaktor in den Wirkungszusammenhang der Arbeitgeberattraktivität eingeordnet werden.

Möchte man nun eine Gesamteinordnung der aufgeführten Abgrenzungen vornehmen, so kann folgendes Modell aufgestellt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Ganzheitliches Rahmenmodell Arbeitgeberattraktivität

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Van Hoye und Saks, 2011; Bondarouk et al., 2012 und oben genannte Quellen.

Abbildung 5 zeigt die Einordnung der Arbeitgeberattraktivität sowohl als Teil eines Kon­strukts (linke Seite) als auch als Teil eines Wirkprozesses (rechte Seite). Für die praktische Arbeit in Unternehmen und insbesondere den Personalabteilungen ist ein Verständnis des Wirkungszusammenhanges bedeutender als das Wissen um die konstruktive Einord­nung.

2.1.2 Einordnung der Arbeitgeberattraktivität im Unternehmen

In einem Unternehmen sind für die Rekrutierung und Bindung von Mitarbeitern der Per­sonalbereich und insbesondere das Personalmarketing zuständig. Somit lässt sich die Ar­beitgeberattraktivität vornehmlich diesem übergeordneten Bereich zuordnen. Laut Steinmetz ist sie auf der ersten operativen Ebene „ {...} ein Instrumentarium {...} zur Rek­rutierung neuer Mitarbeiter" (Steinmetz, 1997, S. 35). Auf der zweiten operativen Ebene ist sie zur „{...} Bindung, Motivation und Entwicklung vorhandener Arbeitnehmer auf der einen sowie zur Gewinnung geeigneter Mitarbeiter auf der anderen Seite {...}" zu verste­hen (Steinmetz, 1997, S. 35). Ähnlich schreibt auch die deutsche Gesellschaft für Perso­nalführung e.V. auf ihrer Webseite: „Das Personalmarketing beschäftigt sich mit der be­wussten, aktiven und systematischen Arbeitgeberattraktivität eines Unternehmens für potentielle Mitarbeiter auf dem externen Arbeitsmarkt und für Mitarbeiter, die bereits im Unternehmen beschäftigt sind" (Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (Hrsg.), o.J.). Wie attraktiv ein Arbeitgeber ist, kann jedoch nicht alleine von der Personalabtei­lung bestimmt und umgesetzt werden. Hierzu bedarf es vieler Faktoren, welche alle in unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens ihre Wurzel haben oder von diesen be­einflusst werden. Dazu zählen sowohl harte Faktoren wie beispielsweise Standort, Unter­nehmensgröße u. a. als auch weiche Faktoren wie Kultur, Führung, Verhalten der Kollegen u.v.m. (Preller, 2012). Unterkapitel 2.3 wird im Einzelnen aufdiese Faktoren eingehen und damit ein genaueres Bild darüber geben, welche Determinanten (und ihre zugehörigen Unternehmensbereiche) einen Einfluss aufdie Arbeitgeberattraktivität haben.

Da also die Zielgruppe der Arbeitgeberattraktivität bestehende Mitarbeiter sind und sol­che, die es (aus Sicht des Unternehmens) werden sollen, und da gilt: „Die Personalwirt­schaft ist auf die Mitarbeiter ausgerichtet {...}" (Olfert, 2010, S. 30), kann die Einordnung in einen Verantwortungsbereich unter dem Dach der Personalwirtschaft und im Besonde­ren des Personalmarketings vorgenommen werden.

2.1.3 Funktionen und Ziele von Arbeitgeberattraktivität

Die Arbeitgeberattraktivität zielt in ihren Handlungen auf die nachfrageorientierten Ak­teure des Arbeitsmarktes, sprich die (potenziellen) Arbeitnehmer ab. Nach Beck u.a. hat die Arbeitgeberattraktivität zwei Funktionen: nach außen eine Akquisitions- bzw. Rekru- tierungs- und nach innen eine Bindungsfunktion (Beck, 2009) (Steinmetz, 1997). Auf be­stehende Mitarbeiter bezogen ist in der Folge einer hohen Arbeitgeberattraktivität zu­sätzlich mit einer positiven Botschafterfunktion zu rechnen, da laut Watzlawick die Regel gilt: "Man kann nicht nicht kommunizieren" (Watzlawick, 2006, S. 51) und Mitarbeiter somit immer als Botschafter des Unternehmens nach außen fungieren (Georgsdorf, 2010).

Kienbaum Consultants schreiben zur Zielsetzung und dem Nutzen von Arbeitgeberattrak­tivität auf ihrer Webseite: "Positionierung auf dem Arbeitsmarkt, Rekrutierung und Bin­dung der Leistungs- und Potenzialträger im Unternehmen/Verbund zur langfristigen Si­cherstellung der notwendigen Ressourcen und Wettbewerbsfähigkeit" (Kienbaum Consultants International GmbH (Hrsg.), 2014). Wie oben bereits erwähnt sind die Ziel­gruppen der Arbeitgeberattraktivität aus Sicht des Unternehmens dabei zum einen die bestehenden Mitarbeiter in einem Unternehmen, zum anderen die Gruppe der potenziel­len Mitarbeiter. Als potenzielle Arbeitnehmer werden in der Praxis zumeist Studen­ten/Absolventen verstanden. Erklärt werden kann dies mit der im Zuge der demografi­schen Entwicklung einhergehenden Knappheit der „nachwachsenden" Arbeitnehmer­Generation (siehe Unterkapitel 2.2.1). Für vorliegende Arbeit wird diese Sichtweise über­nommen.

Einen Überblick der aufgeführten Funktionen und der Ziele von Arbeitgeberattraktivität zeigt Abbildung 6:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Funktionen der Arbeitgeberattraktivität auf dem Arbeitsmarkt

Quelle: Eigene Darstellung in Beck, 2009; Georgsdorf, 2010; Kienbaum Consultants International GmbH (Hrsg.), 2014.

Nach außen zielt die Arbeitgeberattraktivität auf den Teilbereich der Stakeholder ab, der die potenziellen Mitarbeiter umfasst. Je positiver ein Unternehmen als Arbeitgeber dabei erscheint, desto leichter kann es aus dem Pool der angebotenen Arbeitskräfte die für sich effizientesten auswählen und erreicht damit eine gute Positionierung auf dem Arbeits­markt. Demgegenüber kann in Folge schlechter oder niedriger Arbeitgeberattraktivität mit einer geringeren Auswahl an potenziellen Arbeitnehmern für Unternehmen gerech­net werden. Somit hat die Arbeitgeberattraktivität eine unterstützende Rolle im Rekrutie- rungsprozess inne, indem sie mithilfe einer positiven Assoziierung des Unternehmens in den Köpfen potenzieller Mitarbeiter eine vorteilhafte Positionierung auf dem Arbeits­markt schafft.

Dabei ist von enormer Wichtigkeit, dass, um extern als attraktiver Arbeitgeber wahrge­nommen zu werden die Voraussetzung erfüllt ist, „intern auf zufriedene Mitarbeiter ver­weisen zu können" (Faltin, 2012, S. 124). Grund hierfür ist die Botschafterfunktion der Arbeitgeberattraktivität: Nehmen Mitarbeiter ihr Unternehmen als einen attraktiven Ar­beitgeber wahr, so werden sie dies nach außen kommunizieren (Im Umkehrschluss wird natürlich auch eine als negativ empfundene Wahrnehmung kommuniziert) (Georgsdorf, 2010).

Nach innen nimmt die Arbeitgeberattraktivität eine Bindungsfunktion ein, ist demnach also eine Determinante für die Mitarbeiterbindung und in Abhängigkeit davon auch für die Mitarbeiterzufriedenheit (Kienbaum Consultants International GmbH (Hrsg.), 2014). Ist sie stark, so kann sie dazu beitragen, dass sich Mitarbeiter besser mit dem Unterneh­men identifizieren können. Dies führt zu einer höheren Loyalität gegenüber dem Arbeit­geber und damit zu einer längeren Verweildauer im Unternehmen (Sponheuer, 2010). Somit kann das Austrittsrisiko, wie die Gefahr eines Verlustes von Mitarbeitern im Perso­nalwesen genannt wird, und eine zu hohe Fluktuation verringert werden.

Ziel einer Ausgestaltung der unternehmenseigenen Arbeitgeberattraktivität ist daher, die positive Wirkung nach außen und nach innen zu steigern hinsichtlich einer positiven Wahrnehmung als Arbeitgeber in den Köpfen beider Anspruchsgruppen. Dabei ist das entscheidende Ziel immer, dass letztlich ein passender Mitarbeiter für das Unternehmen gefunden wird. Eine Steigerung der Arbeitgeberattraktivität oder zumindest das Ziel, als attraktiver Arbeitgeber überhaupt wahrgenommen zu werden, sollte daher in allen Un­ternehmen als ein strategisches Ziel in die langfristige Planung mitaufgenommen werden.

2.2 Bedeutung der Arbeitgeberattraktivität in der wirtschaftlichen Praxis

Folgendes Unterkapitel 2.2 soll klären, inwieweit der Arbeitgeberattraktivität in der Praxis Relevanz eingeräumt werden kann. Da Arbeitgeberattraktivität seitens der Unternehmen auf den Arbeitsmarkt und seine nachfrageorientierten Teilnehmer (=(potenzielle) Mitar­beiter) abzielt, wird zuerst ein Überblick des aktuellen und zukünftig prognostizierten Stands des Arbeitsmarkts in Deutschland gegeben. Um die Relevanz des Faktors Mitarbei­ter aufzuzeigen, wird in Unterkapitel 2.2.2 dessen Bedeutung für Unternehmen identifi­ziert. Mithilfe dieser Informationen erfolgt dann die Erläuterung der Relevanz von Arbeit­geberattraktivität in Unternehmen (Unterkapitel 2.2.3).

2.2.1 „War for talents" - Arbeitsmarktsituation Deutschland

Nachstehende Betrachtung legt den Fokus auf die nachfrageorientierten Determinanten des Arbeitsmarktes, die Mitarbeiter. Es wird untersucht, inwieweit sich das Arbeitsange­bot „Mensch" darstellt und verändert. Sämtliche aufgeführten Zahlen sind den Quellen des statistischen Bundesamtes entnommen, da sie in der verfügbaren Literatur zumeist als Basis für Berechnungen verwendet werden. Als die drei wichtigsten Entwicklungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt gelten:

- der Demografiewandel,
- derWertewandelund
- dieGlobalisierung,

wobei der Demografiewandel am meisten ins Gewicht fällt. Anfang 2013 gab es rund 80,2 Mio. Einwohner in Deutschland (dpa (Hrsg.), 2013a), davon waren 41,8 Mio. erwerbstätig (als allgemein Erwerbstätige gelten sämtliche Personen zwischen 20 und 64 Jahren) (Statistisches Bundesamt (Hrsg.), 2014). Für die Zukunft wird mit stark abnehmenden Be­völkerungszahlen gerechnet: Das statistische Bundesamt schätzt, dass bis 2060 zwischen 60 und 70 Mio. Menschen in Deutschland leben (bei jährlicher Nettozuwanderung von 100.000 - 200.000 Personen), ein Rückgang also um 10 -15 Millionen. Die Anzahl der Per­sonen im erwerbsfähigen Alter wird von 41,8 auf ca. 33 Mio. zurückgehen (Statistisches Bundesamt (Hrsg.), 2012). Genaue Ergebnisse einer Extrapolierung auf die Zukunft lassen sich nicht finden, je nach Szenario schwanken die Ergebnisse.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Entwicklung Bevölkerung und Erwerbstätige bis 2060

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Statistisches Bundesamt (Hrsg.), 2013.

Wie in Abbildung 7 ersichtlich, wird die Bevölkerungs- und Erwerbstätigenanzahl bis ins Jahr 2060 sinken. Damit einher geht eine Verschiebung der Altersstrukturen, welche Poli­tik und Wirtschaft vor zusätzliche Herausforderungen stellt.

Abbildung 8 zeigt, dass die Anzahl der jüngeren Personen sinken wird, wohingegen die Zahl der Älteren in den nächsten Jahren weiterhin zunimmt. Eine Herausforderung ist hierbei vor allem die sogenannte Generation der Babyboomer, die als geburtenstarke Jahrgänge der 50er und 60er Jahre in nächster Zeit das Rentenalter erreichen wird und damit die Zahl der zu versorgenden Rentner erheblich erhöht (Geißler, 2009). Laut einem Altenquotienten des statistischen Bundesamtes kamen 2011 auf 100 Personen im Alter von 20-65 Jahren 34 Personen mit einem Alter von 65+. Im Jahr 2060 sollen auf 100 Per­sonen 63 Menschen im Alter 65+ kommen, es werden also immer weniger junge Leute immer mehr alte Leute versorgen müssen (Statistisches Bundesamt (Hrsg.), 2013).

Neben den Herausforderungen des Demografiewandels sehen sich Unternehmen zusätz­lich einem Wertewandel vor allem in der jungen Generation gegenüber. In den letzten Jahren änderte sich das Wertesystem von jungen Arbeitnehmern und Studenten deutlich. Die Bedeutung von Werten in der Gesellschaft nahm laut Forschern in den letzten 10 Jah­ren deutlich zu und wird für die Zukunft weiter steigend erwartet. Eine Studie des DGFP identifiziert den Wertewandel von (potenziellen) Arbeitnehmern als einen der Me­gatrends für Personaler (DGFP (Hrsg.), 2013). Die Unternehmensberatung von Studnitz stellt in einem HR-Bericht fest, dass Gegenstand des Wandels auf dem Arbeitsmarkt „{...} der Bedeutungsverlust so genannter „Pflicht- und Akzeptanzwerte" (eher traditionelle Werte wie Disziplin, Pflicht, Fügsamkeit, Unterordnung, Fleiß, Leistung, Ordnung, Sicher­heit, Wohlstand und Pünktlichkeit) auf der einen und der Bedeutungsgewinn von „Selbst- entfaltungs- und Autonomiewerten" (eher moderne Werte wie Selbstverwirklichung, In­dividualität, Mitsprache, Freude, Glück, Lebensgenuss, Abwechslung, Spontaneität, Parti­zipation und soziale Kompetenz) auf der anderen Seite {...}" ist (Von Studnitz, 2012). Die­ser Wertewandel in Verbindung „Mit der Macht der Demografie im Rücken {...}" (StepStone Deutschland GmbH (Hrsg.), 2011, S. 3) führt zu einem selbstbewussteren Auf­treten seitens der Arbeitnehmer in Verbindung mit gesteigerten Ansprüchen an die Un­ternehmen. Die Bedeutung der Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung im Arbeits- wie im Privatleben steigt, in der Wirtschaft wird versucht, dieser Thematik unter anderem mithilfe von Maßnahmen wie der Work-Life-Balance versucht, zu entsprechen. Vor allem die junge Generation distanziert sich zunehmend von der Ansicht, Arbeit als den haupt­sächlichen Lebensinhalt und reines „Mittel zum Zweck" anzusehen (Oppolzer, 1994). Die Unterkapitel 2.3.1 und 2.3.2 werden die Ausprägungen des Wertewandels als Determi­nante der Arbeitgeberattraktivität genauer untersuchen.

Auch die Folgen der Globalisierung verschärfen den „War for talents". Als Folge einer internationalen Wirtschaft und eines damit zugänglicheren und größeren Arbeitsplatzan­gebotes wandern viele Akademiker ins Ausland aus. Diese Abwanderung von Fachperso­nal, auch „brain drain" genannt, verschärft den Fachkräftemangel zusätzlich (Sippel, 2009). Zwar wanderten 2012 rund 27.000 Fachkräfte nach Deutschland ein, alleine 133.232 Menschen verließen das Land. Davon konnten 6.489 den Fachkräften zugeordnet werden, eine genaue Angabe ist aufgrund der allgemein gehaltenen Fort- und Zuzugssta­tistik nicht möglich (Bundesministerium des Innern (Hrsg.), 2014). So kann - bezieht man Expertenmeinungen mit ein - davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer der ab­gewanderten Fachkräfte höher liegt. „{...} the contest among employers to attract and retain talented workers takes place in a world where {...} global competition are driving widespread change in employment patterns" (Berthon et al., 2005, S. 152). Eine Zuwan­derung von Fachkräften nach Deutschland kann möglicherweise einen Teil der entste­henden Lücke auf dem Arbeitsmarkt schließen, eine Lösung der Problematik wird hier­durch jedoch nicht erwartet (Wolf, 2012), zumal ausländische Arbeitskräfte Unternehmen ebenfalls nach ihrer wahrgenommenen Arbeitgeberattraktivität auswählen. Aktuell sind durch den brain drain keine nennenswerten Verluste an Fach- oder Führungskräften zu verzeichnen, jedoch kann das Phänomen vor allem in Zusammenhang mit dem demogra­fischen Wandel zukünftig an Dringlichkeit gewinnen (Backhaus et al., 2002).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Mitarbeitermarkt zum einen knapper wird und in Kombination mit einem Wertewandel der Arbeitnehmer eine erhöhte Schwierig­keit der Rekrutierung (und anschließenden Bindung) geeigneter Mitarbeiter mit sich bringt, was zu einem damit induzierten verschärften Wettbewerb zwischen den Unter­nehmen führt. Eine Untersuchung des Karriereportals StepStone stellt fest, dass vor allem jungen Fachkräften viele Türen in der Arbeitswelt offenstehen: „Mit der Macht der De­mografie im Rücken treten sie selbstbewusst auf und stellen hohe Ansprüche an potenzi­elle Arbeitgeber" (StepStone Deutschland GmbH (Hrsg.), 2011, S. 2).

Um die wirtschaftliche Bedeutung dieser Arbeitsmarktentwicklungen und mögliche Aus­wirkungen für Unternehmen aufzeigen zu können, muss in einem vorgelagerten Schritt untersucht werden, wie wichtig die Ressource Mitarbeiter für Unternehmen ist.

2.2.2 Bedeutung der Ressource Mitarbeiter

Mitarbeiter werden als nachfrageorientiert bezeichnet, da sie Arbeitsplätze nachfragen. Mitarbeiter zählen in der aktuellen Wirtschaftswelt, in welcher die Ressource Wissen und intellektuelle Qualifikation immer wichtiger werden, zu einem der wichtigsten Mittel, über die ein Unternehmen verfügen kann (Bruhn et al., 2013). Diese Erkenntnisse sind in der unternehmerischen Praxis noch verhältnismäßig neu: Zu den alten Vorstellungen des marktorientierten Ansatzes von Unternehmen, nach dem die beste Positionierung im Markt wettbewerbsentscheidend ist, kam in den letzten Jahren vermehrt die Ergänzung um den ressourcenorientierten Ansatz (Grill, 2007). Gemäß diesem stellt die Ressource Mensch/Mitarbeiter mit ihrem Wissen entscheidende Wettbewerbsvorteile und damit einen kritischen Faktor zum Unternehmenserfolg dar (Rasche, 1994). Dem Mitarbeiter als Humankapital kommt dabei der entscheidende Wettbewerbsvorteil zugute, dass er „{...} komplex, nachhaltig, nicht substituierbar und von Wettbewerbern nicht oder nur langfris­tig zu imitieren" ist (Stadermann, 2010, S. 23). Die zunehmende Bedeutung des ressour­cenorientierten Ansatzes ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Wirtschaft einer kontinuierlichen Tertiärisierung (Wandel von einer Industrie-, hin zu Dienstleistungs- oder auch Wissensgesellschaft) unterliegt. In der Folge verstärkt dieser Tertiärisierungstrend die Bedeutung des Faktors Mitarbeiter zusätzlich: Durch den Bedarf an „Wissensarbei­tern" wächst der tertiäre Sektor (Dienstleistungssektor); damit geraten andere Wirt­schaftszweige im Wettbewerb um knapper verfügbare Arbeitskräfte weiter ins Hintertref­fen (Brommer, 1999).

Zu einer der bekanntesten Studien der frühen Jahre bzgl. der Betonung des ressourcen­orientierten Ansatzes zählt die von Peters und Waterman aus dem Jahre 1982, welche anhand der 62 erfolgreichsten US-Unternehmen Determinanten für den Unternehmens­erfolg identifizierten. Sie kamen schon damals zu dem Schluss, dass Mitarbeiter einer der wichtigsten Faktoren sind, die zu einem erfolgreichen Wirtschaften führen (Miebach, 2006).

Die Rekrutierung und Bindung von fähigen Mitarbeitern kann also erfolgs- und wettbe­werbsentscheidend sein (Krüger, 2012) (Berthon et al., 2005) (Greening und Turban, 2000). Dieser Tatsache tragen in der heutigen Zeit anwendungsorientierte Strategien um Begriffe wie Humankapital, Human Capital, Human Resources etc. Rechnung und werden fortlaufend vertieft und erweitert.

Auch wenn die Betrachtung des Mitarbeiters als Kostenfaktor in der Praxis mittlerweile nicht mehr gerne vorgenommen, sondern vielmehr seine wertschöpfende Komponente betont wird, so zählt er dennoch (gerade aufgrund seines hohen Anteils an der unter­nehmerischen Wertschöpfung) zu einem der wichtigsten Kostenfaktoren. Die Theorie des „Human Capital" schreibt Mitarbeiter dem immateriellen Vermögenswert eines Unter­nehmens zu, welcher einen erheblichen Teil der Unternehmenswerte ausmacht (Kojan, 2008). Dabei entstehen Kosten nicht nur aufgrund von Gehaltszahlungen, fehlender Mit­arbeiter oder Neueinstellungen, sie werden auch durch demotivierte Arbeitnehmer ver­ursacht: So beliefen sich laut dem Gallup Engagement Index (seit 2001 jährlich durchge­ führte Befragung; in 2013 n=1.368) 2013 die Kosten, die in Folge innerlich gekündigter Mitarbeiter entstanden auf 98,5 bis 118,4 Milliarden Euro (Gallup GmbH (Hrsg.), 2013).

Grundlage: 33,819 Millionen Erwerbstätige ab 18 Jahre (ohne Selbständige, mithelfende Familienangehörige) im Jahr 2012;

Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden (Mikrozensus 2012, Fachserie I Reihe 4.1.I) Basis: Arbeitnehmer/innen ab 18 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Engagement Index deutscher Mitarbeiter in 2013

Quelle: Gallup GmbH (Hrsg.), 2013, S. 10.

Die Abbildung zeigt, dass 16 % der Arbeitnehmer mit einer hohen emotionalen Bindung 67 % mit einer geringen emotionalen Bindung und 17 %, die innerlich schon gekündigt haben, gegenüber stehen. Im Jahr 2012 betrug die Gruppe der innerlich gekündigten noch 24 %, dies kann als ein Anzeichen dafür gewertet werden, dass sich in manchen Un­ternehmen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Mitarbeiterbindung ein entscheidendes Kriterium für den Unternehmenserfolg ist (Nink in Gallup GmbH (Hrsg.), 2013) (vgl. hierzu beispielsweise Ergebnisse aus dem Jahr 2001, in welchem die Gruppe der innerlich bereits gekündigten lediglich 15 % betrug (dpa (Hrsg.), 2013b)). Laut Gallup ist es gerade diese innere Kündigung, welche Unternehmen Milliarden kostet. Wurde der Mitarbeiter in früheren Zeiten als Dienstleister eines Unternehmens erachtet, so gelten heutzutage mo­tivierte Mitarbeiter als die entscheidenden Wertschöpfer eines Unternehmens (Haas, 2010). Nach Hassel ist das „Human Capital" als strategisch wertvoll für den Unterneh­menserfolg zu beurteilen (Hassel, 2012). Inwieweit hierbei (ethische) Führung zu einer besseren Bindung und einer damit als positiv empfundenen Arbeitgeberattraktivität führt, wird im Unterkapitel 3.2.4 eingehend untersucht.

Zwar gibt es noch keine einheitlichen Kennzahlen (oder nur unter unsicheren Bedingun­gen), welche den monetären Beitrag von Mitarbeitern für ein Unternehmen messen, dass dieser jedoch vorhanden ist und einen wesentlichen Teilerfolg von Unternehmen be­stimmt, ist - mittlerweile auch in der Praxis - unbestritten (Stadermann, 2010). Dies greift eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Saarland auf, welche neben der Summe an entstehenden Personalkosten auch den Grad der Motivation als weichen Faktor be­rücksichtigt, um die Effizienz des Humankapitals eines Unternehmens messen zu können (Haas, 2010).

„Die Belegschaft ist eindeutig mit Wert belegtes Kapital" (Stein in Haas, 2010) und hat für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens eine hohe Bedeutung (Sutherland et al., 2002) (Berthon et al., 2005). Stimmen aus der Praxis stützen diese Ansicht: Von den größ­ten deutschen börsengelisteten Unternehmen wird der Mitarbeiter als wichtige Res­source für den Erfolg gesehen (Beile et al., 2012).

Wie genau in Wissenschaft und Praxis der Stellenwert des Faktors Humankapital und sein Einfluss auf unternehmerisches „Wirken" gesehen wird in und welchem Ausmaß die Res­source Mitarbeiter Kostenfaktoren abbildet, kann in dieser Arbeit nicht detailliert aufge­griffen werden. Um im Folgenden die innerbetrieblichen Folgen unbesetzter Stellen auf- zuzeigen, reicht an dieser Stelle das Wissen um die grundsätzliche Bedeutung des Hu­mankapitals für Unternehmen und die daraus aufkommenden Folgeprobleme, sollte das Humankapital knapper werden.

2.2.3 Wirtschaftliche Bedeutung der Arbeitgeberattraktivität

In den letzten Jahren wuchs die Bedeutung der Arbeitgeberattraktivität für Unternehmen stetig. Der in Presse und Wirtschaft gerne benutzte Ausdruck des „War for (of) talents" bringt die für Unternehmen verschärfte Situation des Wettbewerbs um Talentsuche und Bewerberauswahl auf den Punkt. Anfangs entstanden als ein Begriff für Fachkräfteman­gel, inkludiert der „War for talents" mittlerweile alle, für ein Unternehmen erfolgsrele­vanten Mitarbeitergruppen (McKinsey Deutschland (Hrsg.), 2011). Die Unternehmensbe­ratung McKinsey geht davon aus, dass bis 2020 ein Fachkräftemangel von 2 Mio. Perso­nen in Deutschland herrschen wird. Neben der Globalisierung und der damit verbunde­nen Konsequenz häufigerer Abwanderungen von potenzieller Arbeitnehmern trägt zum größten Teilen die demografische Entwicklung zum Rückgang des Ressourcenüberflusses „Mensch als Arbeitnehmer" bei. Zieht man den Wertewandel hinzu, so sind Unternehmen mit neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes konfrontiert (McKinsey Deutschland (Hrsg.), 2011).

Auswirkungen der Arbeitsmarktsituation

Die Folgen der sich ändernden Arbeitsmarksituation machen sich gegenwärtig schon be­merkbar. Die demografische Entwicklung ist dabei am stärksten spürbar: So ist laut dem DIHK Arbeitsmarktreport 2013 mit 51 % das Ausscheiden von Mitarbeitern, die in Rente gehen, die Hauptursache für offene Stellen und damit dringliche Neubesetzungen (Deutsche Industrie- und Handelskammer (Hrsg.), 2013). Aber auch das breite Angebot an Arbeitsplätzen in Folge einer globalisierten Welt wirkt sich aus: In 45 % aller Betriebe, die auf der Suche nach Fachkräften sind, ist Fluktuation Ursache für die offenen Stellen (Deutscher Industrie- und Handelskammer (Hrsg.), 2013) (Scheuvens, 2011). Die Auswir­kungen für Unternehmen können dabei vielfältig sein:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Demografischer Wandel - Auswirkungen auf Unternehmen

Quelle: IFOK GmbH (Hrsg.), 2010.

Abbildung 10 zeigt, dass bei einer Umfrage 2010 bereits 46,3 % aller teilnehmenden Un­ternehmen (n=1.900) einen Fachkräftemangel (siehe folgender Abschnitt) als Hauptfolge des demografischen Wandels ansahen. In einer Studie der DGFP gaben von 114 Befragten ebenfalls 78 % an, dass der demografische Wandel starke Folgen für Unternehmen und Personalmanagement hervorbringen wird, 69 % rechnen mit einer verstärkten Auswir­kung durch den Wertewandel (DGFP (Hrsg.), 2013). Vor allem in den sogenannten MINT- Berufen, den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist der Fachkräftemangel besonders ausgeprägt (Deutsche Industrie- und Handelskammer (Hrsg.), 2013).

Fach- und Führungskräftemangel

Zukünftig werden also für offene Arbeitsplätze weitaus weniger Arbeitskräfte zur Verfü­gung stehen. Unternehmen müssen daher immer mehr um Arbeitnehmer und im Beson­deren um Fachkräfte konkurrieren. In der Praxis hat sich für dieses Phänomen das Stich­wort Fachkräftemangel etabliert und erfährt steigende Verwendung (für einen guten Überblick siehe (Tagesschau.de (Hrsg.), 2011)). Die Forschungseinrichtung der BITKOM veröffentlichte 2013, dass sich 75 % der Großunternehmen und 49 % der Mittelständler derzeit schon vom Fachkräftemangel (n=1.409) betroffen fühlen (BITKOM Research GmbH (Hrsg.), 2013). Dies deckt sich mit einer Studie von TNS Infratest, in welcher 2011 noch 55 % der befragten HR-Manager (n=ca.300) eine Betroffenheit vom Fachkräfteman­gel angaben, wohingegen sich 2013 bereits 68 % davon betroffen fühlten (TNS Infratest (Hrsg.), 2013). Zudem hat sich die ursprünglich als Fachkräftemangel ausgerufene Ar­beitsmarktsituation in den letzten Jahren zu einem Fach- und Führungskräftemangel aus­geweitet. Die Personalberatung Odgers Berndtson gibt an, dass bis 2020 deutschen Un­ternehmen knapp 20 % weniger Führungskräfte unter 50 Jahren zur Verfügung stehen als zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Scheuvens, 2011). Demgegenüber rechnen Personaler jedoch mit einer steigenden oder zumindest gleichbleibenden Führungskräftenachfrage, was automatisch zu einer Lücke bei Angebot und Nachfrage führen wird. Diese Lücke kann in vielen Branchen durch die seit Jahren anhaltende Tertiärisierung der Wirtschaft zusätzlich verstärkt werden.

Für die Zukunft rechnet die deutsche Industrie- und Handelskammer mit dem Fachkräf­teengpass als der größten Herausforderung für Unternehmen (Deutsche Industrie- und Handelskammer (Hrsg.), 2013). In einer repräsentativen Studie von Pricewaterhouse- Coopers prognostizieren die Autoren, dass bis 2020 der Faktor Arbeitskraft als der kri­tischste Erfolgsfaktorfür Unternehmen gilt (PricewaterhouseCoopers (Hrsg.), 2008).

Zwar sind sich die Studien nicht einig, ob und in welchem Ausmaß ein Fach- und Füh­rungskräftemangel erwartet wird (vgl. hierzu Studie 2012 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und bspw. Zahlen des Vereins deutscher Ingenieure), da jedoch die Bevölkerungszahl abnimmt und Mitarbeiter vor allem durch den Wertewandel schwieri­ger von einem Unternehmen zu überzeugen sind, kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es für Unternehmen komplexer wird, Mitarbeiter zu finden und zu binden. Der Geschäftsführer einer Personaldienstleistungsfirma und Buchautor Martin Gaedt ist der Meinung, dass der Hype um den angenommenen Fach- und Führungskräftemangel weniger auf dessen tatsächliches Vorhandensein, sondern vielmehr auf den Wertewandel der Arbeitnehmer zurückzuführen sei.

[...]

Ende der Leseprobe aus 140 Seiten

Details

Titel
Ethische Führung und ihr Einfluss auf die Arbeitgeberattraktivität
Untertitel
Eine repräsentative Studie
Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen; Standort Geislingen
Note
1,5
Autor
Jahr
2014
Seiten
140
Katalognummer
V276098
ISBN (eBook)
9783656689720
ISBN (Buch)
9783656689713
Dateigröße
3598 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ethische, führung, einfluss, arbeitgeberattraktivität, eine, studie
Arbeit zitieren
Franziska Schetter (Autor:in), 2014, Ethische Führung und ihr Einfluss auf die Arbeitgeberattraktivität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276098

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