Bis in unser Jahrhundert sind die Einschätzungen über Giordano Bruno sehr ambivalent. Von den einen wird er gefeiert als Wegbereiter der neuzeitlichen Philosophie und als wichtiger Vertreter der damals aufkommenden naturwissenschaftlichen Bewegung, die von Kopernikus ausging. Von anderen wird er als magisch verbrämter, unsystematisch-spekulativer Obskurantist verworfen. Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob und wie Gott in der Philosophie Brunos gedacht wird. Hierbei kann eine sehr starke Ambivalenz in der Sekundärliteratur festgestellt werden. Teile der Forschung sehen bei Bruno einen Pantheismus (siehe Hirschberger), andere erkennen bei ihm einen stark platonischen bzw. neuplatonischen Bezug beim Gottesbegriff.
Zunächst soll die Frage des Gottesbegriffes als solche im gesamten Werk Brunos herausgearbeitet werden. Manche Interpreten wollen auch eine Wende hin zum Pantheismus im Spätwerk (in den lateinischen Schriften) erkennen. Verweise zu Gott finden sich in allen Werken. Zentrale These dieser Arbeit ist es, dass bei Bruno eindeutig von einem neuplatonischen Gottesbegriff gesprochen werden kann. Gott geht nicht vollständig in der Natur auf, sondern die Transzendenz Gottes wird in allen Werken systematisch deutlich. Die These des Pantheismus ist jedoch aus mehreren Gründen sehr naheliegend. Diesen Gründen soll in weiterer Folge nachgegangen werden. Bruno betrachtet die Welt als Schatten bzw. als Spiegel Gottes. Das „Neue“ gegenüber antiken bzw. mittelalterlichen Vorstellungen des Neuplatonismus ist die Aufwertung des Begriffes der Materie. Diese bezeichnet Bruno als etwas „Göttliches“ und damit widerspricht er etwa Plotin, der die Materie als das „Böse“ bezeichnete. Bei Plotin ist die letzte Stufe der Emanation die Materie. Sie ist aber nichts „Göttliches“, sondern nur noch Negation des Guten, Prinzip des Bösen und so der Gegenpol des Ur-Einen. Die Materie wird jedoch nicht als konkret stoffliches Ding gesehen, sondern ist ontologisches Prinzip, das als Grundlage aller körperlichen Stofflichkeit dient. Dieser Dualismus der Antike und des Mittelalters wird im Neuplatonismus der Renaissance Schritt für Schritt aufgehoben bis sie bei Bruno schließlich zum „Göttlichen“ erhoben wird. Diese Tatsache ist vermutlich für viele Interpreten der Grund gewesen Bruno in die „Pantheismusecke“ zu stellen. Es sei jedoch drauf hingewiesen, dass das „Göttlich“ nicht mit Gott gleichzusetzen ist. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Rezeption der Philosophie Brunos
- Brunos Rezeption im deutschen Idealismus
- Die Rezeption Brunos im 20. Jahrhundert
- Die Renaissancephilosophie und geschichtliche Voraussetzungen für die Philosophie Giordano Brunos
- Nikolaus von Kues (Cusanus)
- Pico della Mirandola
- Cornelius Agrippa von Nettesheim
- Theophrastus Paracelsus
- Die Metaphysik bei Giordano Bruno
- Die Metaphysik in „Über die Ursache, das Prinzip und das Eine“ (1584)
- Die Metaphysik in „Über das Unendliche, das Universum und die Welten“ (1584)
- Die Metaphysik in „Die heroischen Leidenschaften“ (1585)
- Die Metaphysik in den lateinischen Schriften
- Die Metaphysik in den Inquisitionsakten
- Brunos Metaphysik als Synthesis zwischen aristotelischer und platonischer Metaphysik
- Parallelen und Differenzen zwischen der Metaphysik bei Aristoteles und Bruno
- Parallelen und Differenzen zwischen der Metaphysik bei Platon und Bruno
- Giordano Bruno und die neuplatonische Metaphysik
- Giordano Bruno und die hermetische Metaphysik
- Die Metaphysik der Seele bei Bruno
- Der Begriff der Weltseele im Werk von Bruno
- Die Weltseele bei Platon
- Die Weltseele in der stoischen Philosophie
- Die individuelle Seele bei Giordano Bruno
- Aufstieg und Abstieg der Seele
- Das Verhältnis von Seele und Körper
- Die Seele als sich bewegende Zahl
- Die individuelle Seele und die Astrologie
- Fazit
- Der Materiebegriff in Brunos Philosophie
- Der Begriff der Materie bei Platon und Plotin
- Der Begriff der Materie bei Aristoteles
- Der Begriff der Materie bei Bruno
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Gottesbegriff in der Philosophie Giordano Brunos und beleuchtet die Ambivalenz in der Sekundärliteratur, die zwischen Pantheismus und neuplatonischem Einfluss schwankt. Ziel ist es, Brunos Gottesverständnis im Kontext seiner gesamten Werke zu analysieren und die These eines neuplatonischen Gottesbegriffs zu stützen, wobei die scheinbare Nähe zum Pantheismus kritisch hinterfragt wird.
- Brunos Gottesbegriff und seine Ambivalenz
- Der Einfluss des Neuplatonismus auf Brunos Philosophie
- Die Rolle der Materie in Brunos Metaphysik
- Vergleich Brunos mit Platon und Aristoteles
- Die Bedeutung der Unendlichkeit in Brunos Kosmologie
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die Ambivalenz der Rezeption Giordano Brunos dar, zwischen Begeisterung als Wegbereiter der Neuzeit und Ablehnung als obskurantistischer Denker. Die Arbeit fokussiert auf die Frage nach Gottesverständnis bei Bruno und der Ambivalenz in der Forschung zwischen Pantheismus und Neuplatonismus. Die zentrale These postuliert einen neuplatonischen Gottesbegriff bei Bruno, der die Transzendenz Gottes betont, trotz seiner scheinbar pantheistischen Elemente.
Die Renaissancephilosophie und geschichtliche Voraussetzungen für die Philosophie Giordano Brunos: Dieses Kapitel untersucht die philosophischen Vorläufer Brunos in der Renaissance. Es analysiert den Einfluss von Nikolaus von Kues, Pico della Mirandola, Cornelius Agrippa und Paracelsus auf Brunos Denken, um den Kontext seiner Philosophie aufzuzeigen und die Entwicklung seiner Ideen zu verstehen. Der Fokus liegt auf den Elementen dieser Denker, die Brunos eigene Metaphysik und Gottesverständnis prägten.
Die Metaphysik bei Giordano Bruno: Dieser umfangreiche Abschnitt untersucht Brunos Metaphysik in verschiedenen Schriften, von „Über die Ursache, das Prinzip und das Eine“ bis hin zu seinen lateinischen Werken und den Inquisitionsakten. Der Schwerpunkt liegt auf der Synthese aristotelischer und platonischer Elemente in Brunos Denken und der Analyse der Parallelen und Unterschiede zu diesen Philosophen. Besonders wichtig ist die Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit Bruno einen Pantheismus vertritt und wie sich dies mit seiner Betonung der Göttlichen Transzendenz vereinbaren lässt.
Die Metaphysik der Seele bei Bruno: Dieses Kapitel befasst sich mit Brunos Verständnis der Seele, sowohl im Kontext der Weltseele als auch der individuellen Seele. Es werden Vergleiche zu Platon und der stoischen Philosophie gezogen, um Brunos eigene Position zu verdeutlichen. Die Analyse umfasst den Aufstieg und Abstieg der Seele, das Verhältnis von Seele und Körper, die Seele als sich bewegende Zahl und den Einfluss astrologischer Vorstellungen auf Brunos Seelentheorie. Der Abschnitt beleuchtet, wie Brunos Seelentheorie mit seiner Metaphysik und seinem Gottesverständnis zusammenhängt.
Der Materiebegriff in Brunos Philosophie: Dieses Kapitel analysiert Brunos Verständnis von Materie im Vergleich zu Platon, Plotin und Aristoteles. Es untersucht, wie Bruno den traditionellen Dualismus von Materie und Geist aufhebt und die Materie als etwas „Göttliches“ darstellt. Die Analyse beleuchtet, wie dieser neuartige Materiebegriff Brunos Metaphysik und sein Gottesbild prägt und zu den Missverständnissen in der Rezeption seiner Philosophie beigetragen hat.
Schlüsselwörter
Giordano Bruno, Neuplatonismus, Pantheismus, Transzendenz, Immanenz, Metaphysik, Seele, Materie, Unendlichkeit, Renaissancephilosophie, Gottesbegriff, Aristoteles, Platon, Plotin.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Giordano Bruno - Eine Analyse seines Gottesbegriffs
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit analysiert den Gottesbegriff in der Philosophie Giordano Brunos und untersucht die Ambivalenz in der Sekundärliteratur, die zwischen Pantheismus und neuplatonischem Einfluss schwankt. Das Hauptziel ist es, Brunos Gottesverständnis im Kontext seiner gesamten Werke zu analysieren und die These eines neuplatonischen Gottesbegriffs zu stützen, wobei die scheinbare Nähe zum Pantheismus kritisch hinterfragt wird.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themenschwerpunkte: Brunos Gottesbegriff und seine Ambivalenz; den Einfluss des Neuplatonismus auf Brunos Philosophie; die Rolle der Materie in Brunos Metaphysik; einen Vergleich Brunos mit Platon und Aristoteles; und die Bedeutung der Unendlichkeit in Brunos Kosmologie. Zusätzlich werden Brunos Metaphysik, seine Seelentheorie (inkl. Weltseele und individueller Seele) und sein Materiebegriff detailliert untersucht und mit den Ansichten von Platon, Aristoteles und Plotin verglichen.
Welche philosophischen Vorläufer Brunos werden betrachtet?
Die Arbeit untersucht den Einfluss von Nikolaus von Kues, Pico della Mirandola, Cornelius Agrippa und Paracelsus auf Brunos Denken, um den Kontext seiner Philosophie aufzuzeigen und die Entwicklung seiner Ideen zu verstehen. Der Fokus liegt auf den Elementen dieser Denker, die Brunos eigene Metaphysik und Gottesverständnis prägten.
Welche Schriften Brunos werden analysiert?
Die Analyse umfasst verschiedene Schriften Brunos, darunter „Über die Ursache, das Prinzip und das Eine“, „Über das Unendliche, das Universum und die Welten“, „Die heroischen Leidenschaften“, seine lateinischen Schriften und die Inquisitionsakten. Der Schwerpunkt liegt auf der Synthese aristotelischer und platonischer Elemente in Brunos Denken.
Wie wird Brunos Gottesbegriff charakterisiert?
Die Arbeit argumentiert für einen neuplatonischen Gottesbegriff bei Bruno, der die Transzendenz Gottes betont, trotz seiner scheinbar pantheistischen Elemente. Die scheinbare Nähe zum Pantheismus wird kritisch hinterfragt und im Kontext seiner gesamten Philosophie eingeordnet.
Wie wird Brunos Seelentheorie behandelt?
Die Seelentheorie wird im Kontext der Weltseele und der individuellen Seele untersucht. Vergleiche zu Platon und der stoischen Philosophie werden gezogen, um Brunos Position zu verdeutlichen. Die Analyse umfasst den Aufstieg und Abstieg der Seele, das Verhältnis von Seele und Körper, die Seele als sich bewegende Zahl und den Einfluss astrologischer Vorstellungen.
Wie wird Brunos Materiebegriff dargestellt?
Der Materiebegriff wird im Vergleich zu Platon, Plotin und Aristoteles analysiert. Die Arbeit untersucht, wie Bruno den traditionellen Dualismus von Materie und Geist aufhebt und die Materie als etwas „Göttliches“ darstellt. Es wird beleuchtet, wie dieser neuartige Materiebegriff Brunos Metaphysik und sein Gottesbild prägt.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Giordano Bruno, Neuplatonismus, Pantheismus, Transzendenz, Immanenz, Metaphysik, Seele, Materie, Unendlichkeit, Renaissancephilosophie, Gottesbegriff, Aristoteles, Platon, Plotin.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit ist für Leser gedacht, die sich für die Philosophie Giordano Brunos, den Neuplatonismus, den Pantheismus und die Renaissancephilosophie interessieren. Sie ist besonders relevant für Studierende und Wissenschaftler, die sich mit der Metaphysik, der Seelentheorie und dem Gottesbegriff auseinandersetzen.
Wo finde ich den vollständigen Text?
Der vollständige Text dieser Arbeit ist leider nicht direkt hier verfügbar. Dieses FAQ basiert auf einer Zusammenfassung der ursprünglichen Arbeit, die den Inhalt, die Zielsetzung und die Kapitelübersichten beinhaltet.
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- Gerhard Lechner (Author), 2009, Transzendenz und Immanenz Gottes bei Giordano Bruno, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276823