Auch wenn man von der Entstehung einer Wissenschaft „Volkskunde“ erst gegen Ende
des 19. Jh. bzw. am Anfang des 20. Jh. sprechen kann, ist schon einige Zeit vorher eine
intensive Auseinandersetzung mit volkskundlichen Fragestellungen zu beobachten. Der
geistige Antrieb dazu stammt aus zwei völlig unterschiedlichen Motivationsrichtungen:
einerseits wird er schon seit dem 18. Jahrhundert von den rationalistischen und
nationalistischen Zielen der Aufklärung genährt, welche aus der Parole der
Französischen Revolution „liberté, égalité, fraternité“ hervorgehen, die Gleichheit aller
Menschen. Auf der anderen Seite wird durch die idealisierenden romantischen
Vorstellungen einer heilen Vergangenheit und die Volksgeistlehre zur Beschäftigung
mit der Geschichte des eigenen Volkes angespornt. Die Einflüsse der Romantik sollen
im folgenden vertieft werden. Die Entwicklung der Volkskunde zum Universitätsfach
verläuft in engem Zusammenhang mit der Sprachwissenschaft. Der wohl bedeutendste
Wegbereiter sowohl für die volkskundliche Wissenschaft als auch für die historisch
germanische Sprachforschung ist Jacob Grimm, bei welchem deshalb der Schwerpunkt
dieser Arbeit liegen soll.
Das realistische Denken des Empirismus’ wurde verdrängt durch die gefühlsbetonte
Romantik. Im Vordergrund stand nun das Unbewusste, Unbegriffene, Urtümliche, das
im Dunkel der Vergangenheit liegt. Es wuchs ein starker Wunsch nach
Zusammengehörigkeit, eine Sehnsucht nach einem heilen Vorbild, welches man in der
germanischen Frühzeit oder im Mittelalter anzusiedeln versuchte. Bei der Vorliebe für
die pittoreske Darstellung des Mittelalters kann man regelrecht von einer „Renaissance“
sprechen. Auch spielt hier das Wiederaufleben einer allumfassenden Frömmigkeit und
die leidenschaftliche Verehr ung alles göttlichen und schöpferischen eine große Rolle.
Diese geistige Strömung findet sich in allen Formen der Kunst wieder, ob in der Malerei
bei Caspar David Friedrich, in der Literatur vertreten durch die Brüder Grimm oder in
der Musik durch F. Schumann oder F. Chopin.
Inhaltsverzeichnis
- I. Geistige Strömungen
- II. Gesellschaftspolitische Entwicklung der Epoche
- III. Wegbereiter für die Entstehung der Wissenschaft Volkskunde
- 1. Der Volksgeist
- 2. Der Bienenvater
- 3. Zwischen Historie und Mythologie: Die Brüder Grimm
- a) Werke und Bedeutung
- b) Volksgeist als Gabe Gottes und Kontinuitätstheorie
- c) Quellenangaben
- d) Auseinandersetzung zwischen Arnim und J. Grimm
- e) Die,,Kinder- und Hausmärchen“
- f) Der,,Märchenton“
- g) Märchen als pädagogisches Mittel mit Zielpublikum Kind
- h) Gründe der Popularität wider Erwarten
- 4. Volkskunde und Politik
- 5. Der erste Fragebogen
- IV. Entwicklung der Institutionen
- 1. Das Germanische Nationalmuseum
- 2. Sprachrohr für die Wissenschaft
- 3. Volkskunde und Medizin
- V. Selbstverständnis der Volkskunde
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit der Entstehung und Etablierung der Volkskunde als wissenschaftliche Disziplin. Sie verfolgt das Ziel, die geistigen und gesellschaftspolitischen Strömungen des 18. und 19. Jahrhunderts zu analysieren, die die Entwicklung der Volkskunde beeinflusst haben. Die Arbeit beleuchtet die Rolle der Romantik und des Volksgeistbegriffs sowie die Bedeutung der Brüder Grimm für die Etablierung des Faches.
- Einfluss der Romantik und des Volksgeistbegriffs auf die Entwicklung der Volkskunde
- Die Rolle der Brüder Grimm in der Entstehung der Volkskunde
- Der Zusammenhang zwischen Volkskunde und Sprachwissenschaft
- Die Etablierung der Volkskunde als wissenschaftliche Disziplin
- Die Bedeutung der Volkskunde für die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts
Zusammenfassung der Kapitel
I. Geistige Strömungen: Das Kapitel beleuchtet die intellektuellen Strömungen des 18. und 19. Jahrhunderts, die die Entstehung der Volkskunde prägten. Insbesondere werden die Einflüsse der Aufklärung und der Romantik auf die volkskundliche Forschung dargestellt.
II. Gesellschaftspolitische Entwicklung der Epoche: Dieses Kapitel widmet sich den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Es analysiert die Auswirkungen der Industrialisierung, der Bauernbefreiung und der politischen Reformbewegungen auf die Entwicklung der Volkskunde.
III. Wegbereiter für die Entstehung der Wissenschaft Volkskunde: Dieser Abschnitt beleuchtet die zentralen Figuren, die maßgeblich zur Entstehung der Volkskunde als Wissenschaft beigetragen haben. Hier werden die Ansichten von Johann Gottfried Herder, den Brüdern Grimm sowie Ludwig Achim von Arnim und Clemens Brentano zu den volkskundlichen Themen dargestellt.
IV. Entwicklung der Institutionen: Das Kapitel erörtert die Entwicklung von Institutionen, die in der Entstehung und Etablierung der Volkskunde eine bedeutende Rolle spielten. Die Arbeit beleuchtet die Gründung des Germanischen Nationalmuseums und die Bedeutung von Volkskunde in der Medizin.
Schlüsselwörter
Volkskunde, Romantik, Volksgeist, Brüder Grimm, Johann Gottfried Herder, Ludwig Achim von Arnim, Clemens Brentano, „Des Knaben Wunderhorn“, Volksliedersammlung, Sprachwissenschaft, Historisch-germanische Sprachforschung, Germanisches Nationalmuseum, Volksdichtung, Märchen, Sagen, Brauchtum, Institutionen.
- Arbeit zitieren
- Margit Maier (Autor:in), 2003, Entstehung und Etablierung der Volkskunde, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27731