„[Der] Bund hat sich zum Ziel gesetzt, eine nachhaltige Mobilität zu gewährleisten.“ Mit diesen Worten beschreibt die Schweiz die Ziele ihrer Verkehrspolitik. Doch wie lässt sich dies objektiv an einzelnen Projekten festmachen? Unterscheidet sich die Schweiz hier tatsächlich von der Verkehrspolitik anderer europäischer Länder? Oder ist dies lediglich ein selbst-gestecktes Ziel, das gar nicht erreicht wird? Um diese Aussage zu prüfen, wird in dieser Arbeit exemplarisch eines der aktuell bedeutendsten Verkehrsprojekte der Schweiz, des Gotthard-Basistunnels, bezüglich der Frage der Nachhaltig-keit analysiert. Da es sich hierbei um ein Projekt entlang einer transeuropäi-schen Eisenbahnroute handelt, soll diese Frage auch im europäischen Kontext gesehen werden. Besondere Bedeutung erfährt hierbei die Tatsache, dass die-ser Tunnel noch nicht eröffnet ist, sodass die Bewertung auf Grundlage von Prognosen baubegleitend erfolgt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Verkehrsentwicklung
3 Verkehrsplanung
3.1 Probleme der Verkehrsplanung
3.2 Maßnahmen der Verkehrsplanung
4 Das Schweizer Eisenbahnnetz
4.1 Kennzeichen des Schweizer Eisenbahnnetzes
4.2 Maßnahmen zur Verbesserung des Eisenbahnnetzes
5 Der Gotthard-Basistunnel
5.1 Der Bau des Gotthard-Basistunnels
5.2 Die Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
„[Der] Bund hat sich zum Ziel gesetzt, eine nachhaltige Mobilität zu gewährleisten.“ (Bundesamt für Verkehr (o.J.a)) Mit diesen Worten beschreibt die Schweiz die Ziele ihrer Verkehrspolitik. Doch wie lässt sich dies objektiv an einzelnen Projekten festmachen? Unterscheidet sich die Schweiz hier tatsächlich von der Verkehrspolitik anderer europäischer Länder? Oder ist dies lediglich ein selbstgestecktes Ziel, das gar nicht erreicht wird? Um diese Aussage zu prüfen, wird in dieser Arbeit exemplarisch eines der aktuell bedeutendsten Verkehrsprojekte der Schweiz, des Gotthard-Basistunnels, bezüglich der Frage der Nachhaltigkeit analysiert. Da es sich hierbei um ein Projekt entlang einer transeuropäischen Eisenbahnroute handelt, soll diese Frage auch im europäischen Kontext gesehen werden. Besondere Bedeutung erfährt hierbei die Tatsache, dass dieser Tunnel noch nicht eröffnet ist, sodass die Bewertung auf Grundlage von Prognosen baubegleitend erfolgt.
Um hierfür eine geeignete Basis zu erhalten, wird vor der Vorstellung des konkreten Projekts die Verkehrsentwicklung sowie die aktuelle Verkehrsplanung der Schweiz im Allgemeinen charakterisiert. Bei dieser Darstellung werden auch die anderen Verkehrsträger berücksichtigt, da der jeweilige Anteil am Gesamtverkehr entscheidend für die abschließende Bewertung, aber auch für die Frage nach der Notwendigkeit des Gotthard-Basistunnels ist. Gleichwohl wird wegen des gewählten Fallbeispiels, aber auch hinsichtlich der zu prüfenden These der Fokus auf den Verkehrsträger Schiene gelegt, um den Tunnel in das Schweizer Eisenbahnnetz einordnen zu können. Überdies soll bei dieser Einordnung auch die Lage im europäischen Kontext berücksichtigt werden, wobei die Bedeutung transeuropäischer Routen in den Fokus gerückt wird. Auf Basis dieser grundlegenden Informationen soll das Projekt beschrieben werden, wobei neben der aktuellen Situation besonders die Auswirkungen nach der Inbetriebnahme betrachtet werden sollen. Berücksichtigt werden dabei auch Probleme, die sich durch Verzögerungen im weiteren Verlauf der Route in den Nachbarländern ergeben können.
Im Fazit soll auf Grundlage der dargestellten gesamten Verkehrsentwicklung in der Schweiz im Allgemeinen das Projekt „Gotthard-Basistunnel“ bezüglich der Frage der Nachhaltigkeit ausgewertet werden. Dies soll auf Grundlage der vorhergehenden Darstellung der Verkehrsentwicklung geschehen. Dabei sollen die nationalen Gesichtspunkte ebenso berücksichtigt werden wie die Bedeutung im Transitverkehr. Dass dabei eine vollständige Bewertung des Schweizer Verkehrswesen bezüglich Nachhaltigkeit nicht erfolgen kann, erklärt sich durch die Fokussierung der Arbeit auf ein einzelnes Fallbeispiel.
2 Verkehrsentwicklung
Ausgangspunkt für die weiteren Betrachtungen ist der Modal Split in der Schweiz. Betrachtet man dabei die Aufteilung nach Verkehrsträgern, erkennt man, dass der öffentliche Verkehr in der Schweiz eine kontinuierlich wachsende Bedeutung mit einem Anteil von knapp über 20% im Jahr 2012 hat. (Abbildung 1) Diese wird besonders durch einen Vergleich mit Deutschland deutlich, wo dieser Anteil 2012 lediglich ca. 15% betrug. (Umweltbundesamt (2012): 22)
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Abbildung 1: Modal Split im Personenverkehr in der Schweiz (Bundesamt für Statistik (2014a))
Demgegenüber lassen sich auch die Zahlen für den Güterverkehr betrachten: Der Anteil des Schienenverkehrs ist bei diesem rückläufig. Betrug er 1980 noch über 50%, hat sich der Modal Split bis 2012 zugunsten des Straßenverkehrs entwickelt, wobei der Anteil des Schienenverkehrs auf unter 40% gefallen ist. (Abbildung 2) In Deutschland hat dieser Anteil 2010 zwar nur ca. 18% betragen, doch sind hier andere bedeutende Verkehrsträger wie Rohrfernleitungen und Binnenschifffahrt zu berücksichtigen. (Umweltbundesamt (2012): 6) Zudem spielt die Lage der Schweiz eine große Rolle: Durch die zentrale Position in Europa queren zahlreiche bedeutende Routen das Land, wobei diese vor allem im Güterverkehr relevant sind. Beispielhaft lässt sich hier etwa die Verbindung vom Nordseehafen in Rotterdam zum Mittelmeerhafen in Genua nennen. (Berger et al. (2009): 83 ff.; Haefeli (2011): 127) Dabei müssen in der Schweiz in Nord-Süd-Richtung die Alpen gequert werden, wobei nicht nur die zu überwindenden Höhen, sondern auch die anspruchsvolle Natur der Alpen zu beachten ist. (ebd.)
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Abbildung 2: Modal Split im Güterverkehr in der Schweiz (Bundesamt für Statistik (2014b))
Demgegenüber müssen aber vor allem die Zahlen der Verkehrsentwicklung gesehen werden: So haben sich die Leistungen im Personenverkehr von 1970 bis 2012 mehr als verdoppelt, wobei diese Steigerung vor allem auf die große Zunahme des motorisierten Individualverkehrs zurückzuführen ist. (Bundesamt für Statistik (2014c)) Dabei spielt nicht nur der geringe Besetzungsgrad der einzelnen PKWs, sondern vor allem auch immer längere Pendelstrecken eine große Rolle. (Bundesamt für Statistik (2014d))
Ähnlich sind die Entwicklungen im Güterverkehr, wobei sich die transportierten Güter von 1980 bis 2012 von ca. 15 Mrd. auf ca. 27 Mrd. Tonnenkilometer fast verdoppelt haben. (Abbildung 3) Hierbei hat der alpenquerende Güterverkehr eine große Bedeutung, wobei der Anteil der ausländischen schweren Güterfahrzeuge an diesem 2012 70,5% betrug. (Bundesamt für Verkehr (2013))
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Abbildung 3: Transportleistungen im Güterverkehr in der Schweiz (Bundesamt für Statistik (2013))
Grundlage für diese Verkehrssteigerungen sind zwei zentrale Entwicklungen: Zum einen kam es bereits seit dem 19. Jahrhundert zum Aufbau eines Eisenbahnnetzes. Dieser verlief allerdings aufgrund des föderalistischen Aufbaus der Schweiz weitestgehend unkoordiniert, verband dabei zunächst die großen Städte und hat sich vor allem im Bereich der nördlichen Schweiz schnell zu einem sehr dichten Netz entwickelt. (Haefeli (2011): 130f.) Im Straßenverkehr kam es zu ersten Entwicklungen bereits in den 1920er-Jahren. Besondere Bedeutung hat aber vor allem der seit den 1960er-Jahren forcierte Aufbau eines Nationalstraßennetzes, wobei die ursprüngliche geplante Länge von 1.680 mit 1.840 Kilometern heute bereits deutlich überschritten ist. (Balmer (2013): 5) Die Finanzierung erfolgte dabei aus einer zweckgebundenen Treibstoffsteuer. (ebd.) Seit den 1970er-Jahren werden die Entwicklungen der beiden Verkehrsträger zusammen in einem Gesamtverkehrskonzept koordiniert. (Haefeli (2011): 131)
3 Verkehrsplanung
Basierend auf den dargestellten Verkehrsentwicklungen kann man auf verschiedene Probleme schließen, die sich der Verkehrsplanung in der Schweiz stellen. Besonders zu berücksichtigen sind dabei die stark ausgeweiteten Leistungen sowohl im Personen- wie auch im Güterverkehr.
3.1 Probleme der Verkehrsplanung
Aufbauend auf der Verkehrssteigerung lassen sich verschiedene Problemfelder identifizieren. So kommt es zu unterschiedlichen Umweltbelastungen, die jeweils aus den Emissionen des Verkehrs resultieren. Zum einen sind hier Lärm- emissionen zu nennen, die jedes Fahrzeug verursacht, zum anderen aber auch Schadstoffemissionen. (Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (o.J.)) So war der gesamte Verkehr 2010 für ca. 31% der CO2-Emissionen verantwortlich. (ebd.) Daneben brauchen die wachsenden Verkehrsnetze immer mehr Fläche, was sich auf dem Feld des Flächenverbrauchs niederschlägt. Aktuell sind bereits ca. 2% der gesamten Landesfläche Verkehrsfläche, wovon ca. 80% auf das Straßennetz zurückzuführen sind. (Bundesamt für Statistik (2014e))
Trotz des großen Flächenverbrauchs kommt es in den Agglomerationen zu Überlastungen. Hier sind neben den Steigerungen im Personen- und Güterverkehr vor allem die zunehmenden Pendelstrecken der Arbeitskräfte bedeutend, die vor allem zu Zeiten von Arbeitsbeginn bzw. -ende zu massiven Kapazitätsproblemen führen. (Balmer (2013): 6) Dies wiederum wirkt sich auch auf die Verkehrsinfrastruktur aus, weshalb Reparaturen bzw. Erneuerungen in immer kürzeren Intervallen durchgeführt werden müssen, was zu wachsenden Unterhaltungskosten führt. (Haefeli (2011): 128f.)
Die genannten Probleme sind aufgrund der übergeordneten wirtschaftlichen Bedeutung des Verkehrs eine besondere Herausforderung für die Verkehrsplanung in der Schweiz. Eine Überlastung des Verkehrsnetzes kann zu hohen externen Kosten führen. (Frey (2008): 200ff.) Zu nennen sind in diesem Zusammenhang etwa die Kosten durch Umweltschäden oder Unfälle. Aber auch die Fahrzeiten, während der die Personen nicht bzw. nur begrenzt wirtschaftlich tätig sein können, und potenzielle Verzögerungen im Gütertransport gefährden den Wohlstand der Schweiz. (ebd.)
3.2 Maßnahmen der Verkehrsplanung
Betrachtet man die dargestellte Verkehrsentwicklung im Zusammenhang mit den daraus resultierenden Problemfelder, ist zu erkennen, dass durch die Verkehrsplanung entsprechende Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Kapazitätsprobleme zu reduzieren. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei die Raumplanung ein. In Kapitel 3.1 ist dargestellt worden, wie sich die zunehmende Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort auf die Steigerung des Verkehrs auswirken. (Balmer (2013): 6f.) Dem versucht die Schweiz durch das „Raumkonzept Schweiz“ seit Ende des Jahres 2012 entgegenzuwirken, in dem eine enge Verzahnung von Verkehrs- und Raumplanung festgelegt wird. Zentral ist dabei, dass durch die Reduzierung der Zersiedlung Verkehr vermindert wird, wobei perspektivisch die Pendelstrecken im Schnitt deutlich reduziert werden sollen. (ebd.) Dies soll dadurch ermöglicht werden, dass bei der Siedlungsplanung direkt die verkehrlichen Auswirkungen berücksichtigt werden. (Berger et al. (2009): 305ff.) Dazu sind die einzelnen Verkehrsträger sinnvoll miteinander zu verknüpfen, um sie effizient zu nutzen. Der Grund liegt hier vor allem darin, dass Erweiterungen der bestehenden Straßen- und Schieneninfrastruktur nur in einem sehr begrenzten Umfang möglich sind. (ebd.)
Diese Tatsache spiegelt sich auch in den „vier Pfeilern der Schweizer Verkehrspolitik“ (Bundesamt für Verkehr (o.J.b)) wider. In diesen lässt sich ein klarer Fokus der Schweizer Verkehrspolitik auf die Schiene ausmachen. (ebd.) Hierbei ist vor allem die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene zentral. Daher ist als einer der Pfeiler die „leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe“ (LSVA) für den straßengebundenen Güterverkehr festgelegt. (Berger et al. (2009): 88ff.) Diese geht über eine typische Maut hinaus, da zu Gesamtgewicht des Fahrzeugs und gefahrenen Kilometern auch die Schadstoffemission miteinbezogen wird. (Eidgenössische Zollverwaltung (2008): 1) Dadurch sollen vor allem stark emittierende LKWs von den Straßen gehalten werden, wobei neben dem Anreiz, neuere Fahrzeuge zu kaufen, vor allem der Umstieg auf den „kombinierten Verkehr“ im Fokus steht. Dies bedeutet, dass entweder die vollständigen LKWs oder nur die Ladeeinheiten an speziellen Terminals auf Güterzüge verladen und so durch die Schweiz transportiert werden. (Berger et al. (2009): 87f.)
Die Einnahmen aus der LSVA werden zu zwei Dritteln an den Bund, der hiervon vor allem Projekte im Eisenbahnverkehr finanziert, und zu einem Drittel an die Kantone, die hiervon die Unterhaltung der Straßeninfrastruktur leisten, verteilt. (Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft (2014)) Aufbauend auf dem Anteil des Bundes lässt sich mit mit der „Modernisierung der Bahninfrastruktur“ die zweite zentrale Säule der Verkehrsplanung identifizieren. (Bundesamt für Verkehr (o.J.)) Zentral hierbei sind vor allem Maßnahmen der Kapazitätssteigerung. (vgl. Kapitel 4)
Um zu diesem Netz allen Betreibern einen Zugang zu gewährleisten, steht als eine weitere Säule die „Liberalisierung des Schienenverkehrs“ im Fokus. Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem die Möglichkeit, dass sowohl private Betreiber als auch ausländische Staatsbahnen auf Schweizer Gleisen Züge fahren dürfen, was für den Transitverkehr eine wichtige Voraussetzung darstellt. (Berger et al. (2009): 76ff.) Daneben ist aber auch die technische Angleichung an europäische Standards etwa in den Sicherungssystemen von Bedeutung. (ebd.)
Dies wird in der vierten Säule der Verkehrspolitik, dem „Landverkehrsabkommen mit der EU“ nochmals explizit festgehalten. Hierdurch wird ein Rahmen für die anderen Punkte geschaffen, indem auf europäische Standards eingegangen wird. (Berger et al. (2009): 88ff.) So hat man vereinbart, dass einerseits die LSVA der Schweiz akzeptiert wird, andererseits mussten aber die zuvor strengen Gewichtsbegrenzungen für LKWs gelockert werden. (ebd.)
Bedeutend sind in diesem Zusammenhang auch die transeuropäischen Netze. Entlang dieser Strecken muss auf europäische Interessen wie die Harmonisierung im technischen Bereich sowie auf den Kapazitäts- und Geschwindigkeitsausbau besondere Rücksicht genommen werden. (Berger et al. (2009): 82ff.; vgl. Kapitel 4) Ein auf dieser Grundlage basierendes Projekt wird mit dem Gotthard-Basistunnel im fünften Kapitel vorgestellt.
4 Das Schweizer Eisenbahnnetz
„Die Schweizer lieben ihre Bahn“ (Soukup (2010)) ist eine häufig getätigte Aussage, wenn es um den Schweizer Verkehr geht. Auszumachen ist dies an den Ergebnissen verschiedener Volksabstimmungen wie etwa die Zustimmung zur neuen Bahninfrastruktur-Finanzierung im Februar 2014. (Bundesamt für Verkehr (2014a)) Im Folgenden sollen daher die im vorhergehenden Kapitel genannten Maßnahmen gezielt im Bereich des Schweizer Eisenbahnnetzes betrachtet werden.
4.1 Kennzeichen des Schweizer Eisenbahnnetzes
Es gibt mehrere Dinge, die das Schweizer Eisenbahnnetz von anderen abheben. Eines davon ist die Tatsache, dass das Netz vollständig elektrifiziert ist, weswegen zu großen Teilen Elektrozüge verkehren. (SBB (o.J.a)) Dabei werden ca. 90% des benötigten Stroms aus Wasserkraft produziert. (Haefeli (2011): 130) Der übrige Strom wird nach Umwandlung der Frequenz dem normalen Stromnetz entnommen. (SBB (o.J.a))
Des Weiteren orientiert sich das Eisenbahnnetz in der Ausrichtung vor allem an den Siedlungsstrukturen. (Abbildung 4) Dabei soll ein „integraler Taktfahrplan“ angeboten werden, was neben einem Taktsystem mit regelmäßigen Abständen vor allem bedeutet, dass an festgelegten Orten die Züge kurz vor einer festgelegten Zeit ankommen und kurz danach abfahren, womit schnell umgestiegen werden kann. (Fehlberg (2011): 3f.) Der Erfolg dieses Konzepts zeigt sich durch die 2,3 Millionen verkauften Halbtax- bzw. 442.000 verkauften Generalabonnements, wobei ersteres 50% Rabatt auf jeden Fahrschein, letzteres die Freifahrt im gesamten Schienennetz gewährt. (SBB (2014a)) Aufbauend auf diesen Zahlen lassen sich auch die Fahrgastzahlen deuten: So haben die Schweizer Bahnen täglich ca. 1 Million Passagiere, was ca. ein Achtel der Schweizer Bevölkerung bedeutet. (ebd.) Durch diesen hohen Zuspruch kommt es vor allem in den Agglomerationsräumen aber auch zu Überlastungen. (Balmer (2013): 6f.)
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Abbildung 4: Schweizer Eisenbahnnetzes (Stand 12/2012) (SBB (2012))
Im Güterverkehr hat die Schiene wie bereits dargestellt einen Anteil am Modal Split von ca. 36%. (Abbildung 2) Dabei muss allerdings herausgestellt werden, dass die dadurch transportierten 9.744 Millionen Tonnenkilometer durch eine Fahrleistung von lediglich 26 Millionen Fahrzeugkilometer erbracht wurden. (Bundesamt für Statistik (2013): 1ff.) Die im Straßenverkehr transportierten 17.238 Millionen Tonnenkilometer wurden dagegen durch 6.185 Millionen Fahrzeugkilometer erbracht. (ebd.)
Um allerdings einen verbesserten Personenverkehr in Verbindung mit einem „integralen Taktfahrplan“ und einen stark zunehmenden Güterverkehr auf den gleichen Trassen zu vereinbaren, sind weitere Maßnahmen erforderlich, was im Folgenden dargestellt werden soll.
4.2 Maßnahmen zur Verbesserung des Eisenbahnnetzes
Eine dieser zentralen Maßnahmen ist mit dem Projekt „Bahn 2000“ bereits umgesetzt. Grundlage hierfür ist ein Beschluss des Schweizer Volkes aus dem Jahr 1987. (Berger et al. (2009): 105ff.) Das Projekt ist ausgerichtet auf den bereits genannten Taktfahrplan mit dem zentralen Ziel, an bestimmten Knotenpunkten schnellere Umsteigeverbindungen zu realisieren. Wegen zu hoher Kosten wurde das Vorhaben in den Folgejahren in Etappen aufgeteilt. (ebd.) So wurden zunächst mehr als 130 Ausbaustrecken und als Hauptprojekt die Neubaustrecke von Mattstetten nach Rothrist umgesetzt. Diese ermöglicht es, die Fahrzeit zwischen Bern und Basel bzw. Zürich auf unter eine Stunde zu reduzieren, um die jeweiligen Knotenpunkte zu erreichen. (Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (2012))
Seine Fortsetzung findet das Projekt in der so genannten „Zukünftigen Entwicklung der Bahninfrastruktur“ (ZEB), in der Maßnahmen, die bei „Bahn 2000“ wegen möglicher Kostenüberschreitungen gestrichen wurden, umgesetzt werden. Zentral sind dabei vor allem Kapazitätserweiterungen, wobei mit der Umsetzung der ersten zwölf Projekte bereits begonnen wurde. (SBB (2014b)) Grundlage hierfür ist die im Februar 2014 durch das Volk angenommene Finanzierung der Bahninfrastruktur. (ebd.)
Eine Maßnahme, die hierbei besondere Berücksichtigung findet, ist die „Neue Eisenbahn-Alpentransversale“ (NEAT). Diese dient vor allem dem Transitverkehr, da durch Tunnelbauten die Geschwindigkeit der Alpenquerung erhöht werden soll. (Berger et al. (2009): 108ff.) Um aber die gewünschte Wirkung dieses Projekts zu erhalten, müssen auch die Zulaufstrecken ausgebaut werden, was im Rahmen der ZEB geschehen soll. (SBB (2014b))
Während die NEAT die Schweiz vor allem im Transitverkehr europäisch einbinden soll, ist ein weiteres Ziel, dieses auch im Hochgeschwindigkeitsverkehr zu erreichen. Hier wurden bereits wesentliche Etappenziele erreicht, da schnelle internationale Verbindungen nach Deutschland, Frankreich, Italien sowie in die Niederlande existieren. (Berger et al. (2009): 110ff.) Allerdings weisen diese Strecken in den Nachbarländern zum Teil noch Defizite auf, sodass die Geschwindigkeiten zukünftig noch ausgebaut werden sollen. (ebd.)
5 Der Gotthard-Basistunnel
Die bereits genannte NEAT umfasst in einer ersten Phase drei Tunnelprojekte als Hauptbestandteil. Dabei handelt es sich um den Lötschberg-Basistunnel, der bereits 2007 fertiggestellt wurde, sowie um den Gotthard- und den Ceneri-Basistunnel, die sich beide aktuell noch im Bau befinden. (AlpTransit Gotthard AG (2014a)) Im Folgenden wird der Gotthard-Basistunnel als eines der aktuell wichtigsten Schweizer Verkehrsprojekte näher betrachtet.
5.1 Der Bau des Gotthard-Basistunnels
Die Gotthard-Achse ist wesentlicher Bestandteil des Verkehrs der Route vom Nordseehafen in Rotterdam zum Mittelmeerhafen in Genua. Auf dieser Strecke müssen die Höhen der Schweizer Alpen überwunden werden, was vor allem im Eisenbahnverkehr eine große Herausforderung darstellt, da herkömmliche Züge nur geringe Steigungen bewältigen können. (Berger et al. (2009): 84ff.) Aus diesem Grund begannen schon in den 1940er-Jahren erste Planungen, einen Tunnel durch die Alpen zu bauen. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Diskussionen über die Verwirklichung dieses Projekts intensiviert. (AlpTransit Gotthard AG (2014a)) Entschieden wurde über die Planungsgrundlage in einer Volksabstimmung im Jahr 1992, die zugunsten der Vorlage entschieden wurde. Nach Veränderungen wurde 1998 die Vorlage erneut angenommen. (Geldner (2013)) Auf dieser Grundlage begannen ab 1999 die Bohrungen, wobei erste Vorarbeiten bereits seit 1996 liefen. (ebd.)
Bei diesen Arbeiten wurden insgesamt 28,2 Millionen Tonnen Gestein aus dem Gebirge ausgehoben. Besondere Probleme bereitete dabei die Tatsache der Entstehungsgeschichte der Alpen. (AlpTransit Gotthard AG (2014b)) Durch die Schichtung unterschiedlicher Gesteinsarten kam es bei den Arbeiten zu regelmäßigen Problemen, da diese aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften jeweils eine individuelle Behandlung erforderten. Aus diesem Grund wurde neben den Bohrungen bei ca. einem Fünftel der Arbeiten auch Sprengungen eingesetzt. (ebd.) Zur Beschleunigung wurden diese in mehreren Abschnitten gleichzeitig durchgeführt, sodass der Durchschlag in etwa der Mitte des Tunnels erfolgte. (Geldner (2013)) Fertiggestellt wurden die beiden einspurigen, 57 Kilometer langen Tunnelröhren im Jahr 2011. Seitdem läuft die bahntechnische Ausrüstung mit Gleisen, Oberleitung sowie Sicherungssystemen. (ebd.) Nach aktuellen Schätzungen wird die gesamte Gotthard-Achse – also inklusive des Ceneri-Basistunnels – insgesamt 12,44 Milliarden Schweizer Franken kosten. (Bundesamt für Verkehr (2014b): 17)
5.2 Die Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels
Die vollständige Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels wird nach aktuellem Stand zum europäischen Fahrplanwechsel im Dezember 2016 erfolgen, wobei die offizielle Einweihung bereits im Juni 2016 stattfinden soll. Aktuell läuft bereits ein Versuchsbetrieb, bei dem die Anlagen im Tunnel getestet werden. (AlpTransit Gotthard AG (2013))
Hierbei werden auch bereits hohe Geschwindigkeiten erreicht. Diese werden durch zwei Merkmale des Tunnels ermöglicht: Zum einen ist die Streckenführung relativ flach, da der Scheitel des Tunnels bereits auf 550 Metern statt ursprünglich auf 1.150 Metern liegt. (Müller (2010)) Dies schließt mit ein, dass die Strecke gerader verlaufen kann und nicht mehr durch Schleifen in die Höhe geführt werden muss. (Abbildung 5) Zum anderen wird der Tunnel durch das computergestützte Sicherungssystem „European Train Control System“ (ETCS) ausgerüstet, womit Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h erreicht werden können. (SBB (o.J.b))
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Abbildung 5: Alte und neue Gotthard-Achse im Vergleich (Alp Transit Gotthard AG (o.J.))
Die flache Streckenführung ermöglicht aber auch, dass die Güterzüge deutlich schwerer sein können als bisher. So ist es möglich, dass diese zukünftig bis zu 4.000 statt bisher 2.000 Tonnen wiegen. (Schmitt (2010)) Neben dieser Möglichkeit das Transportvolumen zu erhöhen, besteht dies auch durch das System ETCS, das dichtere Zugabstände ermöglicht. So werden nach Eröffnung des Tunnels zwischen 200 und 220 statt bisher 110 bis 150 Güterzüge pro Tag auf der Gotthard-Route prognostiziert. (ebd.)
Einen ähnlichen Zuwachs erhofft man sich auch im Personenverkehr. Durch die Beschleunigung von etwa 40 Minuten alleine durch den Gotthard-Basistunnel bzw. von etwa 60 Minuten durch die Fertigstellung der gesamten Gotthard-Achse verglichen mit den aktuellen Fahrzeiten (Abbildung 6) wird eine Zunahme des Verkehrs vom bzw. ins Tessin, aber auch von bzw. nach Italien erwartet. (SBB (2013)) Langfristig werden durch weitere Ausbaumaßnahmen in Nachbarstaaten (Abbildung 7) aber auch Zunahmen im Transitverkehr erwartet. (ebd.)
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Abbildung 6: Fahrtzeiten im Jahr 2014 von der Schweiz nach Italien (SBB (2014c))
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Abbildung 7: Infrastrukturprojekte entlang der Strecke Rotterdam-Genua (DB Netze (o.J.))
Diese Ausbaumaßnahmen stocken allerdings zum Teil stark, was nicht nur Auswirkungen auf die Prognosen im Personenverkehr, sondern auch auf die Anzahl der erwarteten Güterzüge hat. (Schmitt (2010)) So sind beispielsweise in Deutschland die Zulaufstrecken auch bei Eröffnung des Gotthard-Tunnels noch nicht hinreichend ausgebaut. Die Arbeiten zum Ausbau der Rheintalbahn von Karlsruhe nach Basel haben etwa bereits begonnen; ein fester Fertigstellungstermin kann aber noch nicht genannt werden. (Deutscher Bundestag (2014))
6 Fazit
Auf Grundlage der Erkenntnisse muss die Frage der Nachhaltigkeit differenziert beurteilt werden. Es wird deutlich, dass durch die Verkehrsverlagerung auf die Schiene positive Effekte vor allem im ökologischen Bereich erzielt wurden. Dabei ist die vollständige Elektrifizierung des Eisenbahnnetzes ebenso entscheidend wie die mehrheitliche Verwendung erneuerbarer Energien in Form von Wasserkraft. Neben einer Reduzierung von Schadstoffemissionen auf diese Weise kann eine Verlagerung auf den Schienenverkehr auch durch die verringerte Anzahl benötigter Fahrzeugkilometer wirken.
Trotz dieser positiven Entwicklungen zeigen sowohl die weiter vorhandenen starken Steigerungen des Straßenverkehrs wie auch dessen hoher Anteil insgesamt, dass diese Reduzierung möglicherweise durch gegenläufige Entwicklungen entwertet wird. Kann man diese Verkehrssteigerungen nicht aufhalten, ist die gekennzeichnete Gefahr der Bedrohung durch wachsende externe Kosten somit auch zukünftig vorhanden.
Ökonomisch muss neben diesen Kosten vor allem das Problem der Finanzierung des Verkehrssystems im Allgemeinen betrachtet werden. Dabei müssen neben der Unterhaltung bestehender Verkehrswege vor allem auch Neu- und Ausbauprojekte gesehen werden, die zu einer Erweiterung der Kapazitäten dienen sollen. Einen Beitrag zur Finanzierung leisten dabei die verursacherbezogenen Abgaben wie die LSVA, die dazu beitragen können, den Verkehr auf die Schiene zu verlagern.
In diesem Zusammenhang muss auch das Projekt des Gotthard-Basistunnels gesehen werden. Dabei verursacht es zwar hohe Kosten, welche allerdings vom Schweizer Volk mitgetragen werden. Gleichzeitig dient es aber auch dazu, den alpenquerenden Transitverkehr auf die Schiene zu verlagern und zusätzlich zu beschleunigen. Dies kann zu einer ökologischen Abwicklung des Verkehrs in den Alpen führen. Ein Hindernis bei der Erreichung dieses Ziels sind allerdings Probleme bei der Umsetzung in den Nachbarstaaten.
Bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit ist in dieser Hausarbeit auf den Verkehrsträger Schiene am Beispiel eines konkreten Projekts eingegangen worden. Um die Frage abschließend zu beurteilen, muss ein umfassenderer Blick auch unter Beachtung anderer Verkehrsträger bzw. Projekte erfolgen. Gleichwohl lassen sich positive Bemühungen um ein nachhaltiges Verkehrssystem festhalten, wobei die Förderung der Schiene auch vom Schweizer Volk mitgetragen wird.
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Modal Split im Personenverkehr in der Schweiz
Abbildung 2: Modal Split im Güterverkehr in der Schweiz
Abbildung 3: Transportleistungen im Güterverkehr in der Schweiz
Abbildung 4: Schweizer Eisenbahnnetz (Stand 12/2012)
Abbildung 5: Alte und neue Gotthard-Achse im Vergleich
Abbildung 6: Fahrtzeiten im Jahr 2014 von der Schweiz nach Italien
Abbildung 7: Infrastrukturprojekte entlang der Strecke Rotterdam-Genua
- Arbeit zitieren
- Fabian Czepull (Autor:in), 2014, Verkehrsplanung und -entwicklung im Transitland Schweiz am Beispiel des Gotthard-Basistunnels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280039